Protocol of the Session on March 29, 2000

Guten Tag, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 106. Plenarsitzung des Landtags Rheinland-Pfalz.

Zu Schriftführern berufe ich die Abgeordneten Ulla BredeHoffmann und Michael Hörter. H(m Hörter führt die Rednerliste.

Entschuldigt sind für heute die Abg_eordneten Frau Jeannette Rott-Otte und Frau Ute Granold.

(Bische!, CDU: Sie ist mittlerweile da!)

. -Frau Granold ist hier, sehe ich gerade.

IV! eine Dameri und Herren, ich stelle fest, dass alle Anfiagen fristgerecht für die Plenarsitzung am Donnerstag eingegan. gen sind. Die Vorlagen sind verteilt. Gibt es Wünsche zur Än

derung der vorgelegten Tagesor.dnung? - Das ist nicht der Fall. Dann stelle ich die Tagesordnung so fest.

Wir beginnen mit Punkt2 der Tagesordnung:·

AKTUELLE STUNDE

a).. Lage der Ausbildung bei neuen IT-Benifen in Rheinland-Pfalzvor dem Hintergrund der

Green-Card-Diskussion"

auf Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

-Drucksache 13/5543

b).. Auswirkungen des Regionalnetzentwicklungskonzepts (Regent) der Deutschen Bahn AG auf den Schienenpersonennahverkehr in

Rheinland-Pfalz"

auf A~trag der Fraktion der SPD -Drucksache 13/5565

Die Aktuelle Stunde ist zweigeteilt. Zum ersten Thema spricht für die antragstellende Fraktion d~r Kollege Dahm.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die

Bundesa~stalt für Arbeit hat im vergangenen Februar bekannt gegeben, dass bundesweit rund 30 000 IT-Kräfte und rund 60 000 Ingenieure arbeitslos gemeldet sind. Angesichts dieser Zahlen ist in der Tat die"Frage zu stellen, ob die aktuelle Debatte um die Greencard nun eher verlogen ist oder ob

eine Stellvertreterdiskussion geführt wird. Ich bin der Überzeugung, beides ist richtig.

Auf der einen Seite haben wir die Global Players, deren Bedürfnis es ist, für zeitlich begrenzte Projekte einheimische und ausländische Spezialistinnen und Spezialisten in Klausur zu nehmen. Diesem Anliegen der Konzerne kommt die Greencard sicherlich nach. Daraus aber ein arbeitsmarktpolitisches Instrument zu begrOnde·n und zu glauben; damit wOrden bei uns wichtige Impulse für den Arbeitsmarkt ausgelöst werden, halte ich für eine deutliche Fehleinschätzung.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

/Da müssen zunächst ganz andere Dinge in der dualen Ausbil

dung und in der Bildungspolitik geändert werden, bevor wir in die Zukunftstarten können.

Das Geniale an der Debatte um die 'Greencard ist dagegen, dass endlich das Augenmerk auf die desolate Ausbildungssituation in der Computerbranche un~ im Multimediabere.ich. gelenkt wird. in dies.em Bereich haben nämiich die Unterneh

men und die Wirtschaft ebenso wie die Politik und diese Landesregierung gleicherm·aßen geschlafen und sich beträchtliehe Versäumnisse vorzuwerfen;

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

denn der allerorts beklagte Fachkräftemangel ist nicht über Nacht ents!anden, _:_ondern ist die Folge von Sünden der Ver

gangenheit, die bis heute noch nicht abgestellt wurden.

Wenn ich lese, dass in Rheinland-Pfalzvon den 30 000 neuen Ausbildungsverträgen gerade einmal 500 im Bereich der in- · formationstechnischen Berufe abgeschlossen wurden, dann sind dies weit unter 2 % der Ausbildungsstellen, die die Unternehmen und die Wirtschaft in dieser Zukunftsbranche zur Verfügung stellen. Den 500 Stellen stande:n mehr als doppelt so viele Bewerberinnen und Bewerber gegenüber. Es muss klar gesagt werden, der Mangel bei den· Ausbildungsberufen zu Fachinformatikerinnen und FachinformCl,tikern ist kein Nachfrageproblem, sondern eindeutig ein Angebotsprobl~m.

Warum stellt die Wirtschaft nicht genügend Ausbildungsplätze zur Verfügung?.

Bei den· medienrelevanten Berufen sieht es nicht anders aus:

Es sind fünfmal so viele Bewerberinnen und Bewerber vorhanden, als let.ztendlich eine Berufsausbildung im dualen Sys

tem finden.

Das Absurde an der Ausbildungspolitik der Landesregierung ist doth die Tatsache, dass sie ausgerechnet in dieser Situa

tion, in der Schülerinnen und Schüler ihre Bewerbungen an die Unternehmen schicken·, überall auf GroBflächenplakaten

ankündigt, dass es mehr Ausbildungsstellen als Bewerberin

nen und Bewerber gäbe.

(Creutzmann, F.D.P.: So ist es,. Herr Dahm!- Beifall bei der F.D.P.)

Sie minnen das lmagekampagne, ich nenne das eine Lügen

·kampagne,

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

die zu Kosten und zu Lasten unserer jungen Menschen in diesem Land geht. Dafür haben Sie 3 Millionen DM übrig, das ist doch unglaublich!

(Mertes, SPD: Ein bisschen glaubwürdiger -inossen Sie sich schon aufregen!)

Meine Damen und Herren, 40 000 junge Menschen werden auch in diesem Jahr wieder eine Ausbildungsstelle nachfragen,.und jeder vierte- das sind 10 000 Jugendliche- wird da

bei wie auch in den letzten Jahren auf der Strecke bleiben und keinen Platz finden.

Sie signalisieren mit Ihren Anzeigen den Unternehmen, alles paletti, keine Probleme auf dem Ausbildungsmarkt. Dabei wäre es wenigstens Ihre Aufgabe, den Jugendlichen, die weder im dualen System bestehen noch eine zukunftsfähige

P.erspektive haben, gerade bei den vollschulischen Ausbildun

gen zu helfen, beispielsweise auch in den neuen informationstechnischen und medienrelevanten Berufen. Aber auch hier zeichnet sich das Versagen dieser Politik in diesem Land ab.

Ich möchte zwei Beispiele dafür nennen. Sowohl bei der Höheren Berufsfachschule Medien in Neustadt als auch bei der Höheren Berufsfachschule Informatik in Bad DOrkheim haben sich in diesem Schuljahr jeweils Ober 150 Bewerberinnen und Bewerber Um eine Aufnahme bemüht, und lediglich 25 sind genommen worden. Statt das Angebot an den berufsbildenden Schulen auszubauen, schicken Sie lieber fonf von sechs Bewerberinnen und Bewerbern wieder nach Hause.

Rheinland-Pfalz läuft Gefahr, nicht nur die Zukunft in ~en neuen Medien und in den neuen Berufen zu verschlafen, die Lösung der Zukunftsprobleme wird geradezu verdrängt. Statt den Start in die Wissensgesellschaft zu finden, machen Sie uns zum Entwicklungsland.