Protocol of the Session on August 27, 2020

Daher erwarte ich hierzu eine intensive Diskussion im Ausschuss und hoffe, detaillierte und zielführende Ansätze gerade von der Landesregierung zu erhalten. – Heute danke ich Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD und der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die FDP-Fraktion hat der Abgeordnete Reuter das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir befassen uns heute bereits zum zweiten Mal mit einem Antrag von Ihnen zum Thema „Abbiegeassistenten bei Lkw oder für Lkw und Busse“; der erste datierte, wie wir ja gehört haben, bereits aus dem Januar 2019.

Zu diesem Antrag konnten Sie, werte Kolleginnen und Kollegen der AfD, erfahren, dass es der rechtliche Rahmen nicht zulässt, dass NRW mal eben so eine Umrüstung von Bestandsfahrzeugen und eine Ausstattung von Neufahrzeugen verordnet.

Hier gelten zwingend Bundes- und europäisches Recht. Wir haben schlicht nicht die Kompetenz, derartige Regelungen zu bewirken. Dies ist die Antwort auf Punkt 3 des Forderungskatalogs Ihres Antrags. Dies hätte im Übrigen auch gar keinen Sinn, wie Ihnen schon einige einfache Überlegungen verdeutlichen können.

NRW ist ein Transitland in der Mitte Europas. Hier fahren Fahrzeugflotten aus ganz Deutschland und Europa. Was nützt es, wenn wir Fahrzeuge, die nur in NRW zugelassen werden, upgraden, aber die Masse der Fahrzeuge aus Hessen, Rheinland-Pfalz, Niedersachsen, Polen, Rumänien, Litauen oder beliebigen anderen Staaten solchen Regelungen nicht unterliegt?

Herr Kollege, Entschuldigung, dass ich Sie stören muss. Es gibt den Wunsch des Abgeordneten Vogel nach einer Zwischenfrage.

Vielen Dank, Herr Kollege, dass Sie diese Zwischenfrage zulassen. – Sie haben völlig recht: Wir haben hier in Nordrhein-Westfalen die höchste Verkehrsdichte im europäischen Raum.

Wenn Sie aber sagen, wir hätten überhaupt keine rechtlichen Möglichkeiten – eine Bitte meines Antrags war, diese zu prüfen –, wie erklären Sie sich

dann, dass sogar Städte von ihrem Recht Gebrauch machen und, ohne das EU-Recht infrage zu stellen, dafür sorgen, dass Lkws, die über keine Abbiegeassistenten verfügen, nicht in ihre Innenstädte fahren dürfen? – Danke schön.

Vielen Dank, Herr Vogel. Es mag sicherlich Ausnahmen geben; mir sind in Deutschland keine Kommunen bekannt, die so verfahren.

(Gordan Dudas [SPD]: Österreich gehört nicht zu Deutschland!)

Insofern ist Ihre Frage ein bisschen am Ziel vorbeigeschossen. Österreich und Wien liegen bekanntlich auch nicht unbedingt in Deutschland; daher muss man das ein wenig relativieren.

(Beifall von der SPD – Nic Peter Vogel [AfD]: Aber es geht doch um EU-Recht!)

Das verdeutlicht letztlich auch, was ich eben gesagt habe: Regelungen müssen europäisch durchgesetzt werden, sonst haben wir hinterher einen Flickenteppich, der es einem nicht unbedingt einfacher macht, mit seinem Fahrzeug überall aktiv unterwegs zu sein.

Des Weiteren haben wir sehr wohl politisch darauf hingewirkt, dass dieses Thema angepackt wird. Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass wir hier alle im Hohen Haus schnellstmöglich eine Ausstattung großer Fahrzeuge auf unseren Straßen mit solchen Systemen wollen.

Insofern ist sicherlich auch der Teil Ihrer Überschrift – ich zitiere – „Jedes Opfer ist eines zu viel!“ sehr zutreffend; aber dann gerät der Antrag aus dem Lot, wenn er einfach die bestehende Kompetenzordnung aushebeln will. Wir in NRW bestimmen nicht, wie Fahrzeuge zuzulassen sind.

Ebenso mussten wir alle zur Kenntnis nehmen, dass sich auch der Bund, der sich auf europäischer Ebene für eine flächendeckende Einführung eingesetzt hat, nicht bei allen EU-Staaten hat durchsetzen können.

Festzuhalten bleibt, dass wir eine Regelung bekommen haben, die zu einer Einführung von Abbiegeassistenzsystemen führt, dass wir alle dies aber gerne schneller gehabt hätten. Es kommt zu einer stufenweisen Einführung ab 2020 bis 2024, wenn der Abbiegeassistent für alle Neufahrzeuge verbindlich wird.

Daneben bleibt der freiwillige Einbau, der bereits in vollem Gange ist. Hier hat das Land kräftig vorgelegt. Bei unserem Landesbetrieb Straßenbau, kurz Straßen.NRW, haben wir auch eine Umrüstung der Bestandsflotte eingeleitet. Hier wird bis zum 30.06.2021 nachgerüstet. Bereits heute sind zwei Drittel der Fahrzeuge umgerüstet worden. Das ist nicht nur ein vorzeigbares, das ist ein hervorragendes Ergebnis und zeigt, wie überflüssig Ihr Antrag insofern ist, der,

glaube ich, unter Punkt 1 Ihres Forderungskataloges Selbiges fordert.

Darüber hinaus gibt es mit der „Aktion Abbiegeassistenz“ auf Bundesebene eine wichtige Initiative des Bundesverkehrsministeriums. Diese ist nicht nur existent, sondern auch wirkungsvoll. So haben bereits zahlreiche Kommunen in NRW, wie Bonn und Bottrop, aber auch kommunale Versorgungsunternehmen, etwa in Herne, Düsseldorf oder Köln, ihre Flotten mit solchen Systemen ausgestattet.

Dass dies Aufgabe und Entscheidung der jeweiligen Kommune ist, liegt auch wieder in unserer Rechtsordnung begründet. Den Kommunen obliegt kraft ihres verfassungsmäßigen Rechts auf kommunale Selbstverwaltung die Entscheidung, mit welchen Standards sie ihre Fahrzeugflotten ausstatten. Auch das kann das Land nicht einfach ändern, und das müssen wir auch gar nicht ändern.

Es zeigt sich, dass der Antrag insofern ins Leere läuft. Deshalb werden wir der Überweisung in den Verkehrsausschuss zustimmen, werden dem Antrag an sich aber nicht zustimmen können. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank. – Für die Fraktion der Grünen spricht Herr Abgeordneter Klocke.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte meine Rede zu dem Thema mit einer persönlichen Begebenheit beginnen. Ich war in meinem Sommerurlaub in Mecklenburg-Vorpommern und las dort in einer Regionalzeitung ein sehr ausführliches Interview mit der SPD-Vorsitzenden Frau Esken. Dieses Interview fand ich ganz interessant, weil die Fragestellungen interessant und vielfältig waren.

Danach war ich einige Tage in Berlin und entdeckte bei Twitter in einer Meldung vom ADFC Berlin, dass ein junger Mann mit seinem Fahrrad in Berlin-Adlershof bei einem Rechtsabbiegerunfall von einem Lkw überrollt worden und zu Tode gekommen ist.

Am Tag darauf stellte ich dann beim Lesen einer Todesanzeige in der „Märkischen Allgemeinen“ fest, dass dieser Radfahrer jener junge Journalist war, der dieses Interview mit Frau Esken geführt hatte. Ich kannte ihn persönlich nicht. Er wurde als sehr schlau, freundlich und verbindlich beschrieben und zudem als großer Kino-Fan und leidenschaftlicher BerlinaleGänger, der ich auch bin. Ich bin zudem leidenschaftlicher Radfahrer und kenne Berlin ganz gut. Ich kenne auch diese Kreuzung.

Ehrlich gesagt ist mir das sehr nahe gegangen, wie Sie vielleicht nachvollziehen können, ohne ihn persönlich gekannt zu haben.

An diesem Thema sind wir Grüne seit vielen Jahren dran und haben dazu bereits mehrere Gesetzentwürfe in den Deutschen Bundestag eingebracht. Es gab Anhörungen, und wir haben Rechtsgutachten in Auftrag gegeben.

Das, was die Kollegen von CDU und FDP hier eben vorgestellt haben, dass es aufgrund des EU-Rechts keine rechtliche Möglichkeit gebe, eine nationale Gesetzgebung einzuführen, ist schlichtweg falsch. Jedenfalls haben das die Anhörungen im Deutschen Bundestag und auch die in Auftrag gegebenen Rechtsgutachten ergeben.

Es gibt entsprechende Kabinettsbeschlüsse mehrerer Bundesländer, auch solcher, die von Grünen mitregiert werden, in denen wir die Verkehrsministerin bzw. den Verkehrsminister stellen. Das sind sechs Bundesländer. Des Weiteren gab es dazu Debatten im Bundesrat. Vielfältige Diskussionen dazu laufen bereits seit einigen Jahren.

Ich weiß, dass es eine entsprechende verabredete Regelung für 2024 gibt. Aber wir haben jetzt Spätsommer 2020. Das ist nicht nur spät, sondern es ist für viele Menschen leider einfach zu spät. 34 Radfahrerinnen und Radfahrer sind in 2018 bundesweit bei Rechtsabbiegerunfällen mit Lkws ums Leben gekommen. Es gibt noch keine Zahlen – jedenfalls habe ich bei der Vorbereitung meiner Rede keine gefunden – für 2019. Jedenfalls wäre der Tod der 34 Radfahrerinnen und Radfahrer, die unverschuldet an einer Kreuzung bzw. im Straßenverkehr überrollt worden sind, zu verhindern gewesen.

Ich nehme dem Verkehrsminister sein Engagement für den Radverkehr und seine Bemühungen in diesem Bereich ab und schätze ihn dafür, aber ich wüsste auch gern, was seine Bemühungen auf Bundesebene sind, um diese rechtlich nicht haltbare Situation in der Bundesrepublik zu verändern.

Liebe Kolleginnen von der CDU, Sie sind sowohl im Bund – und das schon seit Jahren – als auch in Nordrhein-Westfalen, dem größten Bundesland, in der Regierungsverantwortung. Die CSU stellt seit zwölf Jahren den Bundesverkehrsminister. In diesem Bereich ist bisher einfach zu wenig passiert. Tagtäglich werden Menschen im Straßenverkehr verletzt. Ich habe gerade benannt, wie viele davon im Jahr ums Leben kommen.

Was den AfD-Antrag angeht, möchte ich zusammenfassend sagen: Auch ein ansonsten blindes Huhn findet mal ein Korn. Sie haben eben Wien zitiert. Dass die AfD eine grüne Verkehrssenatorin in Wien hochhält, ist angesichts der Rede, die Herr Loose mit seinen abfälligen und widerwärtigen Bemerkungen über die Grünen in der vorletzten Runde gehalten hat, bemerkenswert. Aber sei‘s drum.

(Zuruf von Helmut Seifen [AfD])

Inhaltlich ist es egal, von welcher Seite dieser Antrag kommt. Es ist sinnvoll, dass wir uns noch einmal mit diesem Thema beschäftigen. Wir haben das von grüner Seite vielfältig in den Bundesländern thematisiert und zum Ausdruck gebracht, und es gibt vielfältige Beschlüsse.

Mein Erkenntnisinteresse an der heutigen Debatte hat folgenden Fokus: Gibt es etwas Neues vonseiten der NRW-Landesregierung? Gibt es etwas Neues vonseiten des Verkehrsministeriums? Gibt es Bemühungen über das hinaus, was verabredet worden ist?

Rechtlich und politisch wäre es in jedem Fall möglich, auf Bundesebene zu einer früheren Vereinbarung und Lösung zu kommen, zu einem schnelleren und verpflichtenden Einbau solcher Abbiegeassistenten. Dafür muss man nicht bis 2024 warten. Das wäre jedenfalls mein Wunsch und meine Herzensangelegenheit. Auch vor dem Hintergrund der Geschichte, die ich Ihnen zu Beginn meiner Rede erzählt habe, sollten wir zu einer schnellen Verständigung kommen. Ich bin gespannt, was der Verkehrsminister uns an dieser Stelle zu berichten hat. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den GRÜNEN)

Herzlichen Dank. – Herr Kollege, es gibt eine Kurzintervention der AfD. Der Abgeordnete Vogel möge sich bitte mit seinem Mikrofon anmelden. Dann kann ich freischalten. Bitte.

Danke schön. – Herr Klocke, das mag Ihnen jetzt ungewöhnlich vorkommen. Sie werden wahrscheinlich auch gar nicht viel Wert darauf legen. Sie sind gerade in meiner Achtung enorm gestiegen, und zwar erst einmal, weil Sie sich absolut inhaltlich damit auseinandergesetzt haben und weil Sie auch erkannt haben, dass es hier einfach viel zu lange dauert, bis man aktiv wird.

Sie haben die Beispiele gebracht, die auch im Bundestag besprochen wurden. Ich habe eben gedacht: Das kann doch eigentlich nicht wahr sein. Wie gesagt, eine Stadt wie Wien macht es. Ich darf auch mal jemanden loben – ein blindes Huhn, das auch mal ein Korn findet, um es mit Ihren Worten weiterzugeben –, was die Senatorin angeht.

Es ist so: In Köln haben wir beispielsweise wieder in jüngster Zeit zwei neue Verkehrstote zu verorten gehabt. Wenn Sie mal durch Köln fahren, sehen Sie überall die weißen Fahrräder, die an Laternen angekettet sind. Jedes steht für einen Verkehrstoten, einen Radfahrer, der durch einen Lkw ums Leben gekommen ist.

Man hat sicherlich auch in den Kommunen, worauf wir auch Einfluss haben, die Möglichkeit, dort aktiv zu werden. Bürgermeister können sich für Umweltspuren entscheiden, für Pop-up-Radwege oder einige

Sachen, die ich jetzt vielleicht nicht für ganz so sinnvoll halte.

Mein Anliegen noch einmal: Vielleicht überlegen Sie ja in den nächsten Wochen selber mal, ob Sie vielleicht einen inhaltsähnlichen Antrag einbringen würden. Wir könnten das im Verkehrsausschuss besprechen. Ich denke, damit wäre uns allen geholfen, vor allen Dingen unseren Radfahrern. Das wäre ein gutes Zeichen. – Ich danke Ihnen auf jeden Fall.