Protocol of the Session on August 26, 2020

Dann gibt es eine Marge, insbesondere wenn Sie Personen ohne großes Risiko, ohne deutliche Symptome testen, die als positiv wahrgenommen wird. Wenn wir 1.000 Personen testen und 500 positiv sind, sind das ziemlich viele. Wenn wir in der nächsten Woche 1.000 Positive haben, aber 4.000 getestet haben: Ist das für Sie dann eine Verdoppelung oder eine Halbierung der Positiven?

An diesem Punkt befinden wir uns gerade. Wir haben die Anzahl der Tests von 120.000 im Frühjahr auf jetzt 800.000 erhöht und erleben aufgrund der Erhöhung der Testungen eine Zunahme der als positiv beschriebenen Fälle.

An dieser Stelle möchte ich Sie mit einem zweiten Faktum konfrontieren: Positiv ausgewiesene Testergebnisse sind keine Infektionen. Sie beweisen nur – und das schreibt selbst der Hersteller auf seiner Homepage –, dass ein kleiner Schnipsel des Virus irgendwo in der Rachenschleimhaut nachzuweisen ist. Das sagt nichts darüber aus, ob die Person infiziert ist. Sie kann beispielsweise bis zu drei Wochen vorher infiziert gewesen sein, denn in diesen drei Wochen nach einer Infektion kann der Test immer noch positiv ausschlagen.

Auch ein negatives Testergebnis heißt nicht, dass jemand negativ sein muss, denn erst rund drei Tage nach einer Infektion kann nachgewiesen werden, ob jemand tatsächlich positiv ist. Wie aussagekräftig sind also eigentlich die positiven Ergebnisse?

Erinnern wir uns doch einmal an die Diskussionen zurück. Viele Virologen haben ihren Teil dazu beigetragen – wir haben einige dazu geladen und gehört, und ich hoffe, sie wurden auch gehört und haben nicht nur in den Raum gesprochen – und ganz klar gesagt: Wenn wir wieder lockern – und wir müssen lockern, weil wir unsere Wirtschaft ansonsten strangulieren –, wird es in einigen Teilen wieder zu lokalen Ausbrüchen kommen. – Nichts anderes erleben wir doch gerade.

Wenn Menschen aus Risikogebieten wieder in die Bundesrepublik Deutschland einreisen, wird es höchstwahrscheinlich zu positiven Testungen kommen; das ist doch ganz klar.

Das sollte aber doch niemanden in Panik versetzen, und es sollte niemanden zu dieser Kampfrhetorik verleiten. Es war von vornherein ganz klar: Jede Lockerung wird zu neuen Infektionen führen.

Jetzt heißt es, kühl mit diesen Zahlen umzugehen. Jetzt heißt es, sich das Ganze anzusehen und sich zu fragen: Was sind die tatsächlichen Gefahrenherde? Wie viele Positive gibt es? Ist die Anzahl der Testungen vielleicht überhaupt nicht dazu geeignet, das vernünftig vorherzusehen?

Ich möchte Ihnen noch einen weiteren Punkt in dieser ersten Runde ans Herz legen. Das Robert KochInstitut hat an anderer Stelle sogenannte Sentinel

praxen und -kliniken eingerichtet. Sie waren ursprünglich dazu da, Ausbrüche der saisonalen Influenza zu überprüfen; das hat über Jahre sehr erfolgreich funktioniert.

Das Schöne daran ist: Die Sekundärdaten, die diese Sentinelpraxen jetzt hergeben, eignen sich auch sehr gut dazu, um den Verlauf der Coronaviruspandemie einigermaßen nachvollziehen zu können.

Diese vielen Testungen, die dort gesammelt und jetzt ausgewertet werden, besagen: 97 % der aktuell dort getesteten Personen mit Infektionen der oberen Atemwege weisen keine Coronaviren auf, sondern Rhinoviren, ganz normale Erkältungsviren, wie sie im Sommer zu erwarten sind; nur 3 % sind Coronaviren. Auch das sollte uns ein wenig aufhorchen lassen.

Meine Zeit neigt sich leider dem Ende entgegen. In der zweiten Runde möchte ich noch etwas zu unseren Lösungsstrategien sagen. – Vielen Dank.

(Beifall von der AfD)

Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die Landesregierung hat nun Herr Minister Laumann das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin den Fraktionen sehr dankbar dafür, dass wir heute in dieser besonderen Situation noch einmal über die Pandemie debattieren. Daher ist es für mich als Gesundheitsminister zunächst einmal wichtig zu sagen, wo wir stehen:

Wir haben in Nordrhein-Westfalen über 18 Millionen Einwohner. Ganze 4.030 Menschen sind infiziert. Zurzeit ist die Reproduktionszahl kleiner als 1; sie lag auch schon bei 1,5 oder 1,8. Das heißt, ein Infizierter steckt zurzeit weniger als eine Person an.

Die Zahl der freien Intensivplätze in unserem Land beträgt – Stand heute Morgen – 2.271. Bei 18 Millionen Einwohnern werden zurzeit 305 Coronainfizierte in Krankenhäusern behandelt, davon befinden sich 87 auf Intensivstationen, und 59 werden beatmet.

Die Sieben-Tages-Inzidenz beträgt hierzulande 11,2. Zum Vergleich: In Hessen beträgt sie 17, in Bayern 14 und in Baden-Württemberg 13. So ganz schlecht können wir es somit wohl nicht machen; sonst hätten wir andere Zahlen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Diese Pandemie fordert viele heraus: die Gesundheitsämter, die Ärzte, die Pflegekräfte – sprich: das gesamte Gesundheitssystem.

Als Landesgesundheitsminister bin ich ein bisschen stolz darauf, mit welchem Engagement, mit welchem

Erfolg und mit welcher Zuverlässigkeit die Menschen das seit einem halben Jahr schaffen. Deshalb ist es meiner Meinung nach für das ganze System gut, wenn der Landtag nicht nur kritisiert, sondern an dieser Stelle auch einmal sagt: Ihr macht einen Spitzenjob.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Die Bekämpfung der Coronapandemie folgt im Prinzip drei Regeln:

Erstens gilt es, Abstand zu halten.

Zweitens herrscht dort, wo wir keinen Abstand halten können, Maskenpflicht.

Drittens muss die Nachverfolgung gesichert sein, sodass die Infektionskette unterbrochen werden kann, sobald jemand infiziert ist.

In den Anträgen für diese Aktuelle Stunde wird nun behauptet, die Gesundheitsämter machten das nicht. Ich habe im Juli eine Abfrage bei allen Gesundheitsämtern durchgeführt und die Frage gestellt: Habt ihr die Nachverfolgung im Griff?

Kein einziges der 53 Gesundheitsämter in NordrheinWestfalen hat geantwortet: Wir haben das nicht im Griff. – Das habe ich dem Parlament in einer Drucksache mitgeteilt. Deswegen finde ich es komisch, so etwas in den Anträgen zu lesen, obwohl ich diese Abfrage getätigt habe.

Ich gehe davon aus, dass wir die Nachverfolgung im Griff haben. Natürlich ist es so – wie sollte es auch anders sein? –, dass die Gesundheitsämter in der Pandemie schwer belastet sind.

Das ist im MAGS auch so. Ich habe viele Leute aus der Arbeits- und der Sozialabteilung abgezogen, um die Kapazitäten in der Gesundheitsabteilung zu erhöhen. In jeder Kreisverwaltung haben die Landräte entschieden, Leute aus anderen Teilen der Verwaltung abzuziehen, um das Gesundheitsamt zu stärken.

Herr Kutschaty, Sie haben gesagt, alles müsse einheitlich sein. Die Franzosen haben einen Zentralstaat. Die können von Paris aus in jedes Dorf hineinregieren. Wir hingegen haben den Föderalismus.

(Zuruf)

Immer dann, wenn in den Kreisen etwas Schlimmes passiert, habe ich mit den Landräten und Oberbürgermeistern telefoniert. Ich bin sehr dankbar dafür, dass es in Nordrhein-Westfalen, dass es in Deutschland Kommunalverwaltungen gibt, die von Menschen geführt werden, die politische Verantwortung tragen

(Beifall von der CDU und der FDP)

und auch entsprechende Entscheidungen in den Städten treffen.

Schaut man sich die Erfolge bei der Bekämpfung der Pandemie im Vergleich zu Frankreich an, müssen wir uns mit unserem föderalen System nun wirklich nicht verstecken.

Es wird einfach so gefordert: Testen, testen, testen. – Ich möchte in diesem Zusammenhang noch einmal auf die Teststrategie zurückkommen. In NordrheinWestfalen testen wir zurzeit weit mehr als 280.000 Menschen pro Woche. Vor den Sommerferien war ich froh, wenn wir in der Woche zwischen 70.000 und 80.000 Menschen getestet haben.

Das machen im Rheinland 1.384 niedergelassene Ärzte und 17 Diagnosezentren. In Westfalen hat die KV keine Diagnosezentren, aber dafür testen in Westfalen 1.827 Ärzte jeden Tag Menschen, die getestet werden müssen. Herr Kutschaty, wie können Sie denn hier behaupten, das sei keine Struktur? – Das ist eine Struktur.

(Zuruf von der SPD: Ach so!)

Wir haben die Testzentren in den Flughäfen. Das ist eine Struktur. Mit diesen 270.000 Tests erreichen wir auch langsam die Grenzen dessen, was wir testen können. Sie müssen nicht nur das Material sehen, sondern Sie müssen auch die Menschen haben. Sie müssen die Tests verarbeiten,

(Zurufe)

damit die Leute ein Ergebnis bekommen. Damit sind wir in einer sehr hohen Schlagzahl unterwegs.

Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen: Ich bin sehr dankbar dafür, dass wir das in diesem Umfang hinbekommen haben.

Ich bin den Kassenärztlichen Vereinigungen – sowohl des Rheinlands als auch der in Westfalen – sehr dankbar dafür, dass sie uns eine ortsnahe und unbürokratische Struktur gegeben haben, um das alles zu machen.

Herr Kutschaty, Sie sagen immer, ich hätte keine Teststrategie. Sie haben vor ein paar Tagen noch gesagt, wir sollten alle Schüler und in allen Kindergärten testen.

Ich kann Sie nur fragen: Wie wollen Sie in einem Land 2,5 Millionen Schüler testen? Wo sollen denn die Kapazitäten herkommen? – In Bayern hat es mal jemanden gegeben, der jeden Tag 200.000 Leute testen wollte. Sie wissen, wo er mit seinem Vorschlag gelandet ist.

Sie haben doch keine Teststrategie.

(Zuruf von Nadja Lüders [SPD])

Was Sie machen, ist purer Populismus und nichts anderes.