Protocol of the Session on May 28, 2020

(Jochen Ott [SPD]: Aus 2014? Haben Sie auch zugehört?)

Lassen Sie es sich gesagt sein: Sie sind seit zehn Jahren in diesem Parlament, also weitaus länger als ich. Bitte lassen Sie sich mal ein neues Redemanuskript schreiben; dann können wir weiter über den Wohnungsmarkt diskutieren. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP – Henning Rehbaum [CDU]: Wahre Worte, Willi!)

Vielen Dank, Herr Kollege Hausmann. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht noch einmal Herr Kollege Klocke.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Frau Ministerin, Sie haben Ihre Rede damit eingeleitet, es werde für Studien viel Papier verbraucht, wir wüssten doch eigentlich schon vieles und könnten auf Erfahrungen aufbauen.

Ich muss ehrlicherweise zugeben, dass ich die Studie, die dieser heutigen Aktuellen Stunde zugrunde liegt, doppelseitig ausgedruckt und nicht am Rechner gelesen habe. Das ist jetzt Altpapier.

Die Auseinandersetzung mit den Auswirkungen der Coronapandemiekrise auf den Wohnungsmarkt und das, was wir aktuell in dieser Gesellschaft und auch auf dem Wohnungsmarkt erleben, ist schon etwas ganz Außergewöhnliches und Außerordentliches. Ich meine, dass es durchaus wert ist, sich damit intensiv zu beschäftigen.

Es ist nicht alles schon einmal da gewesen, und wir können auch nicht nur aus Erfahrungen schöpfen, sondern die derzeitige Situation ist für uns alle – privat und am Arbeitsmarkt – schon so herausfordernd, das es sich durchaus lohnt, darauf zu schauen. Deshalb habe ich mich auch gefreut, dass die SPD heute diese Aktuelle Stunde beantragt hat.

In der Studie stehen durchaus einige spannende Zahlen. Dass 25 % der Menschen, die in Mietwohnungen leben, ein so geringes Haushaltseinkommen haben, dass sie jetzt aufgrund von Arbeitslosigkeit, Kurzarbeit etc. massive Probleme haben, ihre Miete zu bezahlen, finde ich schon beachtlich.

Dies gilt zwar bundesweit, aber ich kann mir kaum vorstellen, dass die Zahlen in Nordrhein-Westfalen deutlich geringer sind. Ein hoher Prozentsatz der Bevölkerung lebt aktuell in einer Krisensituation, und es ist wirklich notwendig, diese Menschen mit Mietstundungen auch weit über den 30. Juni hinaus zu unterstützen.

Weiterhin haben Menschen, die in systemrelevanten Berufen arbeiten – ich habe sie auch in meinem ersten Redebeitrag schon genannt – große Probleme, insbesondere in den Schwarmstädten bezahlbaren Wohnraum zu finden. Das hat nicht erst begonnen – das gestehe ich gerne zu –, als Schwarz-Gelb die Regierung übernommen hat, aber es ist auch in dieser Zeit nicht deutlich besser geworden.

Von der NRW.BANK bekommen wir regelmäßig Wohnungsmarktzahlen, so auch in der nächsten Woche. Die Zahlen sind in Nordrhein-Westfalen nicht besser geworden. Trotz vermehrter Bundesgelder ist die Anzahl der fertiggestellten Wohnungen im Bereich des bezahlbaren Mietwohnungsbaus in Nordrhein-Westfalen rückläufig. Damit müssen Sie sich auseinandersetzen, Frau Ministerin.

(Beifall von Monika Düker [GRÜNE])

Das ist die Bilanz nach drei Jahren Schwarz-Gelb – und wir haben noch zwei Jahre vor uns. Es wird wohl

nicht weitergehen, was immer auch kommen mag. Das sind schon Zahlen – Sie waren ja auch schon zwischen 2005 und 2010 in dieser Konstellation an der Regierung –, mit denen Sie sich auseinandersetzen müssen.

Wenn ich dann von den geschätzten Kollegen Schrumpf und Paul immer von der NRW-Koalition und ihrem Neustart hören muss, es sei alles ganz innovativ und neu, muss ich sagen, dass sich in diesem Bereich leider substanziell nichts verändert hat. Vielmehr sind die positiven Zahlen, die wir vorher hatten, jetzt rückläufig. Das ist eine ziemlich dünne Erfolgsbilanz, sehr geehrte Frau Ministerin. Hier muss dringend gehandelt werden.

(Beifall von Monika Düker [GRÜNE] und Jo- chen Ott [SPD])

Ich will Ihnen im letzten Teil meines Redebeitrags ein paar Beispiele aus Nordrhein-Westfalen nennen, anhand derer man sehen kann, dass gut gehandelt werden kann.

Das ist zum Beispiel in Münster der Fall, einer Stadt mit einer sympathischen Ratsmehrheit, mit einem sympathischen grünen Stadtentwicklungsdezernenten. Die Zahlen am Wohnungsmarkt sind dort sehr gut.

Die öffentliche Hand ist sehr aktiv, und es wird deutlich mehr preiswerter Wohnungsbau realisiert. Die Stadt hat die höchste Neubauquote Nordrhein-Westfalens mit 53,4 fertiggestellten Wohnungen je 10.000 Einwohner. Damit ist die Stadt Münster ganz vorne. Von Münster könnten sich andere Städte eine Scheibe abschneiden.

Das Land muss einfach stärker in die Schaffung von bezahlbarem und preiswertem Wohnraum einsteigen. Es muss Kommunen insbesondere bei der Haushaltssicherung stärker unterstützen. Die Kommunen müssen in die Lage versetzt werden, wieder aktiv Flächenmanagement zu betreiben und mit kommunalen Wohnungsbaugesellschaften verstärkt Wohnraum gerade auch für mittlere und untere Einkommensgruppen zu schaffen.

Das gelingt in Münster. Man hatte immer das Bild vom reichen Münster vor Augen, das die Nase oben trägt. Nein, Münster schafft gut bezahlbaren Wohnraum gerade für mittlere und untere Einkommensgruppen. Dort ist die Stadtverwaltung sehr aktiv; davon könnten sich manche Städte etwas abschneiden.

(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Genau, Josefine Paul. Ich hatte eigentlich etwas mehr euphorischen Applaus von der Kollegin erwartet, aber zumindest hat sie geklatscht. Das ist die westfälische Bescheidenheit; sie wollte sich nicht in den Vordergrund stellen.

Also: Münster liegt bei dieser Frage vorne.

Aus unserer Sicht dürfen Flächen nur an Investoren vergeben werden, wenn sie Anforderungen erfüllen wie zum Beispiel der Umsetzung mehr geförderten Wohnungsbaus, Wohnungen für sozialbenachteiligte Gruppen, Vergabe nur nach Konzepten und nicht mehr nach Höchstgebot, wobei es auch hier Beispiele aus Münster gibt.

Zudem wollen mehr Wohnungsneubau aus nachhaltigen Baustoffen wie Holz. Das haben wir damals in der neuen Landesbauordnung geregelt, die Sie ausgesetzt haben; aber zum Glück haben Sie diesen Passus übernommen. Es geht dabei um die Förderung von Holzbau, von Niedrigenergie- und Passivhäusern und von energetischer Sanierung im Bestand. All das muss in den nächsten Jahren vorangebracht werden.

Die Redezeit.

Frau Präsidentin, ich weiß, dass meine Redezeit zu Ende ist; ich habe es gerade gesehen.

Es bleibt viel zu tun. Wir würden uns freuen, wenn Sie einige Anregungen aus unseren Beiträgen in Ihre Arbeit übernehmen würden, Frau Ministerin. – Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Klocke. – Für die FDP-Fraktion spricht noch einmal Herr Kollege Paul.

Frau Präsidentin! Liebe Kollegen! Arndt Klocke, mehr Begeisterung kannst du von Westfalen nicht erwarten als von der Kollegin Paul oder von dem Kollegen Paul.

Auch die Baupolitiker der CDU können bestätigen, dass es einige inhaltliche Übereinstimmungen gibt. Das gerade angesprochene Bauen mit Holz ist durch unsere neue, modernisierte Landesbauordnung deutlich erleichtert und verbessert worden.

Kollege Ott, ich habe keine Sorge um die soziale Marktwirtschaft, schon gar nicht wegen der Beispiele, die du genannt hast. Mich besorgt, dass diejenigen, die denjenigen Wohnungen anbieten können, die zur Miete wohnen möchten oder müssen, zunehmend davon abgeschreckt werden.

Bestimmt jeder, der offene Ohren und Augen hat, kennt diese Fälle aus seinem Freundes- und Bekanntenkreis: Mit Blick auf all die Verordnungen – das ist ein gewisses diffuses Gefühl –, auf all das, was man gegenüber dem Amt erklären muss, was man an Abgaben abführen muss, worum man sich kümmern muss und auf die Erfahrungen mit der

Minderheit unzuverlässiger Mieterinnen und Mieter sagen immer mehr Leute:

Wenn das hier so diskutiert wird, wie die SPD das tut, bringe ich im Zweifel meine kleine Wohnung gar nicht mehr an den Markt. – Das bestätigen uns die Hauseigentümer schriftlich. Das hören wir nicht nur; das erzählt man uns nicht nur hinter vorgehaltener Hand.

In der Stellungnahme von Haus & Grund, die man ernst nehmen muss, weil Hunderttausende Vermieterinnen und Vermieter in Nordrhein-Westfalen vertreten werden, steht ganz deutlich die Warnung an uns alle – mit Erlaubnis der Sitzungspräsidentin zitiere ich –:

„Bei der Vielzahl an Verordnungen, Satzungen und Gesetzen, die einseitig die Rechte der Mieter im Blick haben, geht bei vielen privaten Vermietern zunehmend das Interesse verloren, Mietwohnungen anzubieten. Verstärkt wurde dies durch den Kündigungsschutz bei Corona-bedingten Mietausfällen,“

ich bin in meinem ersten Redebeitrag darauf eingegangen –

„was zur Konsequenz hat, dass die privaten Vermieter die finanziellen Auswirkungen der CoronaSituation zunächst zu tragen haben. In vielen Haus & Grund-Vereinen ist festzustellen, dass entsprechende Mietwohnungen von Mitgliedern verkauft werden. Die neuen Eigentümer erwerben diese Immobilien nicht selten zu dem Zweck, diese selbst zu nutzen. Das hat zur Konsequenz, dass Mietverhältnisse wegen Eigenbedarf gekündigt werden. Da greift auch keine Kündigungssperrfristverordnung.“

Da bin ich wieder bei dem Punkt: Was machen Sozialdemokraten in Regierungsverantwortung? Wie sind zum Beispiel Ihre Bundestagsfraktion, Ihre Parteigenossen in Berlin damit umgegangen, dass hier in Nordrhein Westfalen der Mieterbund und Haus & Grund am 1. April – das haben die nicht als Aprilscherz gemeint – einen Appell an die Politik gerichtet haben?

So hieß es: Wir möchten einen Sicher-WohnenFonds, einen Fonds, der für Zahlungsausfälle zwischen Vermietern und Mietern aufkommt und für Zahlungsflüsse sorgt. – Was haben Sie damit gemacht? – Nichts ist passiert. Den Vermieterinnen und Vermietern hat man nur einseitig von Gesetzes wegen aufgebürdet, Mietausfälle hinzunehmen.

Es sind im Land nicht viele Mietausfälle zu verzeichnen, aber das politische Signal, die Ansage an die vielen Hunderttausenden Vermieterinnen und Vermieter war klar, nämlich Misstrauen.

Das Signal des Misstrauens atmet auch jede Forderung nach noch mehr Mieterschutz abseits angespannter Wohnungsmärkte, was Sie ja auch heute

fordern. Sie wollen, dass die Mieterschutzverordnung, die ab Juli gilt, abseits gutachterlich festgestellter angespannter Wohnungsmärkte gilt.

Was will man damit erreichen? – Für die Mieterinnen und Mieter wird man damit nichts erreichen; das sagen auch alle Sachverständigen.

Den Vermieterinnen und Vermietern gibt man aber dadurch das Signal: Wir haben Misstrauen. Das muss der Gesetzgeber regeln. – Das ist ein fatales Signal. Damit bringt man nicht Frieden in die Gesellschaft und Ruhe in den Wohnungsmarkt, sondern man polarisiert und schürt Misstrauen. Man betreibt damit genau die Stimmungsmache, die Sie selber gerade beklagt haben. Daraus wird keine schlüssige Politik.

Deswegen gehen wir lieber unseren eigenen nordrhein-westfälischen Weg, von dem uns auch die Debatte hier in dieser Aktuellen Stunde nicht abbringen kann. – Danke.

(Beifall von der FDP und der CDU)