Protocol of the Session on May 28, 2020

Der erste und wichtigste Grund ist, dass diese Zeit natürlich keine einfache ist. Wenn man sich vor Augen führt, dass in Altenheimen, in denen Besuchsverbote für Angehörige bestanden, die Pflegekräfte es oft auffangen mussten, wenn Patienten mit einer demenziellen Entwicklung gegebenenfalls nicht verstanden haben, was dort passiert, kann man sich ungefähr vorstellen, welche Unruhe dort auftritt. Daher kann ich den Bonus tatsächlich jedem nur absolut gönnen.

Andererseits gibt es natürlich auch Altenheime, in denen zu diesen Zeiten kein einziger Coronapatient lag. Da tut sich schon die erste Problemstellung auf. Wenn man mit der Gießkanne kommt und viel Geld verteilt, begünstigt man auch diejenigen, die vielleicht sogar in Kurzarbeit waren und zu Hause gesessen haben, weil auf den Stationen oder sonst wo zu wenig los war. Auch sie bekommen dann diesen Bonus.

Wie gesagt, ist die Arbeit auch in normalen Zeiten keine einfache. Ich habe im Schwesternzimmer immer einen Kaffee abgreifen können. Natürlich – das ist dann finsterster Lobbyismus – kann ich dann nur dafür sein, dass auch die Schwestern einen Bonus bekommen.

Man muss aber ganz einfach sehen, was sich aus dieser Büchse der Pandora, die im Überschwang aufgemacht wurde – in einer Zeit, als eine Krise am Horizont stand, haben sich das politische Berlin und dann auch das politische Düsseldorf wieder mit schnellen Maßnahmen überschlagen –, dann alles ergibt.

Es ist fast schon fahrlässig, wenn Sie von den Grünen das jetzt noch weiter aufziehen. Natürlich gibt es auch die Intensivkrankenschwester, die in dieser Zeit über Gebühr beansprucht wurde. Sie wird aber auch sonst über Gebühr beansprucht. Wir können uns gern darüber unterhalten, wie die Arbeitsbedingungen auch sonst zum Beispiel in den Krankenhäusern sind. Sie führen übrigens dazu, dass die normale Pflegekraft es im Schnitt nicht länger als sieben Jahre in ihrem Beruf aushält.

Alle diese Aspekte können wir miteinander diskutieren. Es ist jetzt, wo die Öffentlichkeit ja für diese Themen sensibilisiert ist, auch an der Zeit, dass wir uns dieser Dinge tatsächlich annehmen, uns darüber unterhalten, dafür politisch sensibilisieren und das hier auch noch einmal würdigen.

Ihnen geht es aber darum, den Bonus jetzt noch auszuweiten. Wo sollen wir denn enden? Wenn jetzt auch die Intensivkrankenschwester den Bonus bekommen soll, kann man genauso gut sagen: Dann muss auch der Mann vom Ordnungsamt das Geld bekommen; denn er muss dem Bürger vor Ort zur Not ein Strafgeld dafür aufdrücken, dass dieser seinen Mundschutz nicht trägt. – Dann können Sie dieses Geld auch dem Lkw-Fahrer geben, der uns alle in schwierigen Zeiten mit Toilettenpapier versorgt hat. Dann können Sie dieses Geld genauso gut der Kassiererin geben; denn sie wird im Normalfall auch nicht sonderlich gut bezahlt und muss jeden Tag zusammengerechnet wahrscheinlich Tonnen von Wasserkästen über ihr Band bewegen.

Das können Sie jetzt alles gegeneinander aufrechnen. Was Sie da machen, ist aber nicht redlich. Dieses Auseinanderdividieren von verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen, die hart arbeiten und schlecht bezahlt werden, ist nicht redlich. Jeder bedient jetzt ein Stück weit seine eigenen Grüppchen, die ihm besonders am Herzen liegen.

Das alles kostet viel Geld – in einer Zeit, in der dieses Geld, wenn die Wirtschaftskrise im Nachgang erst einmal wirklich zum Tragen kommt, ohnehin nicht da ist. Sie verschleudern es – am Anfang sogar zulasten der Versicherungsträger. Es war auch völlig hanebüchen, dass man das im Überschwang tatsächlich so

gemacht hat, obwohl allen bewusst ist, dass die Pflegeversicherung sowieso schon eine Schieflage hat und vor Problemen steht.

In einem Beisatz in Ihrem Antrag fordern Sie dann – das ist gerade von Frau Schneider angesprochen worden – eine grundlegende Reform der Pflegeversicherung. Dazu hat es von mir seinerzeit einen eigenen Antrag gegeben, in dem ich ein Konzept vorgeschlagen habe, wie man das in die Hand nehmen kann. Das ist von Ihnen einfach so weggewischt worden. Natürlich kann man da unterschiedlicher Meinung sein. Aber ein so schwieriges, politisch hochkomplexes Thema in einem Beisatz unterzubringen, wird der Situation wirklich nicht gerecht.

Das zeigt im Prinzip auch, worum es Ihnen in diesem Antrag tatsächlich ging. Es ging Ihnen lediglich darum, sich in einem guten Licht darzustellen. Es ging Ihnen lediglich darum, die Gunst der Stunde zu nutzen, um einige warme Worte für die eine oder andere Berufsgruppe loszuwerden.

Und das ist einfach nicht redlich. Es gibt sehr viele Menschen, in Bezug auf die Sie gleichzeitig, indem Sie nur die einen loben, offene Fragen hinterlassen. Was ist denn mit der Polizei? Was ist mit dem Ordnungsdienst? Was ist mit der Kassiererin? Was ist mit den vielen, vielen anderen, die Sie nicht erwähnt haben? Sie sollten alle unsere Anerkennung bekommen.

Wir sollten die Gelegenheit dieser Krise nutzen, darüber nachzudenken, was uns diese systemrelevanten, oftmals schlecht bezahlten Berufe tatsächlich wert sind. Das sollten wir auch nicht schnell wieder vergessen, wenn die Krise dann vielleicht abebbt.

Aber die in dieser Art und Weise geführte Diskussion – dieses Überschlagen und Überziehen; jeder gibt noch mal ein Schäufelchen drauf – ist politisch unredlich und wirklich im schlechtesten Sinne populistisch. Davon profitiert keiner. – Vielen Dank.

(Beifall von der AfD)

Vielen Dank, Herr Dr. Vincentz. – Als nächster Redner hat für die Landesregierung Herr Minister Laumann das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Wichtigste an dieser Debatte und auch das Wichtigste an dem Pflegebonus ist doch, dass unsere Gesellschaft – die Debatte heute hat es gezeigt – den Menschen in Pflegeberufen eine große Wertschätzung entgegenbringt.

Ich kenne niemanden – egal aus welchem politischen Lager –, der sich in der Debatte über den Pflegebonus dagegen ausgesprochen hätte. Das ist ein

über das Klatschen hinaus wichtiges Zeichen der Wertschätzung unserer Gesellschaft für diese Menschen.

Wenn ein Land über 100 Millionen Euro in die Hand nimmt – der Haushaltsausschuss hat heute Morgen das Geld freigegeben –, ist das natürlich eine Anstrengung des Landes und der Steuerzahler dieses Landes. Es ist richtig, dass wir das aus Steuergeldern und nicht aus Beitragsgeld finanzieren.

Ich glaube schon, dass wir sagen dürfen, dass in den letzten Jahren auch politisch sehr viel für die Pflege getan worden ist. Es ist wahr: Viele Jahre lang war der Beruf der Pflegekräfte kein großes politisches Thema.

In letzter Zeit hat sich für die Pflege in diesem Land sehr viel positiv entwickelt, wenn wir über Generalistik und eine Pflegekammer diskutieren, wenn wir wollen, dass Pflege im Gesundheitssystem mehr mit entscheiden kann und bei den Entscheidungen nicht außen vor ist, wenn Politikern, Wissenschaftlern und auch den Gesundheitsberufen völlig klar ist, dass Pflege keine dienende Funktion hat, sondern eine eigenständige Profession mit einer eigenen wissenschaftlichen und evidenzbasierten Grundlage im Gesundheitssystem ist.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Wir haben in der Pflege nicht überall Tarifverträge, aber wir haben auch Bereiche in der Pflege, in denen selbstverständlich Tariflöhne bezahlt werden: in den Krankenhäusern fast überall und bei den Wohlfahrtsverbänden fast überall. Darüber hinaus gibt es noch die eine oder andere Struktur.

Der Tariflohn ist in der sozialen Marktwirtschaft nach unseren Vorstellungen schon ein fairer Lohn. Nicht wir in den Parlamenten oder in den Regierungen legen Lohnhöhen fest, sondern in der sozialen Marktwirtschaft werden Löhne zwischen Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden verhandelt. Das geschieht natürlich auch in der Pflege, wenn Sie an den Krankenhausbereich und an den Wohlfahrtsverbandsbereich denken.

Zwar ist nicht die ganze Pflege ohne Tarif. Es ist aber auch wahr, dass es eine Struktur in der Altenpflege gibt, die insbesondere stark beim bpa organisiert ist, die keine Tarifverträge will. Das gehört auch zur Wahrheit.

Ich glaube, dass wir an dieser Frage weiterarbeiten müssen. Tarifverträge sind faire Entlohnung. Nicht die Politik ist für die Entlohnung zuständig, sondern dafür gibt es Tarifverträge.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Wir haben mit der Pflegeversicherung eine gesetzliche Grundlage geschaffen, Tariflöhne über die Kostensätze zu refinanzieren. Wir haben eine gesetz

liche Grundlage im SGB V geschaffen, Tariflöhne in Krankenhäusern zu refinanzieren.

Zu behaupten, die Politik stelle das Geld für Tariflöhne nicht zur Verfügung, stimmt heute nicht mehr. Als ich damals in Berlin Staatssekretär war, habe ich selbst dafür im SGB XI gesorgt.

Mit Blick auf die Aufwertung der Krankenpflege ist vor einigen Monaten durch den Deutschen Bundestag auch für das SGB V so entschieden worden: Pflegebedingte Kosten außerhalb der Krankenhausbudgets werden zur Verfügung gestellt. Das sind Leistungen, mit denen der Staat seine Anerkennung für diese wichtige Arbeit zum Ausdruck bringt.

Der große Dank gilt unseren Pflegekräften vor allen Dingen für die Zeit, als das Virus erstmals auftrat, als wir es noch nicht kannten und niemand so richtig wusste, wie man damit umgehen muss. Jeder wusste, dass unsere alten und pflegebedürftigen Menschen durch das Virus besonders verletzlich sind. Das zeigen auch die Todesfälle, denn ein hoher Prozentsatz davon war über 70 Jahre alt.

Mich ärgert immer noch, dass wir am Anfang unseren Pflegekräften nicht einmal vernünftige Schutzkleidung zur Verfügung stellen konnten. Doch die Pflegekräfte sind nicht weggelaufen, haben die alten Leute nicht im Stich gelassen und haben das Beste aus der Situation gemacht. Ich finde, das ist eine ganz tolle Leistung. Dafür sagen wir allen danke schön.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Jetzt kann man fragen: Warum bekommen die Pflegekräfte in der Altenpflege den Pflegebonus und nicht diejenigen in der Krankenpflege? – Jeden Tag bekommen wir alle die Mails.

Ich verstehe nicht, warum mich die SPD deswegen angreift, denn diese Regel trägt im Bundeskabinett zwei Unterschriften: die von Jens Spahn und die von Hubertus Heil.

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE)

Ich will das nur noch einmal sagen.

Aber ich finde richtig, dass man mit der Altenpflege angefangen hat. Man kann nicht alles miteinander vergleichen, denn wir haben im Krankenhaus dadurch, dass wir in der Coronakrise planbare medizinische Eingriffe verschoben haben, eine Menge Stress aus dem Krankenhaussystem herausgenommen, was wir in den Altenheimen nicht tun konnten.

Die Mitarbeiter in der Behindertenhilfe in NordrheinWestfalen sind in der Regel alle in tariflichen Strukturen beschäftigt oder bei den Landschaftsverbänden angestellt. Dort gibt es ein anderes Lohnniveau als teilweise in der Pflege.

Deswegen ist es meiner Meinung nach schon vertretbar, uns zuerst auf die Altenpflege zu konzentrieren.

Ich gönne den Leuten das Geld von ganzem Herzen. 1.500 Euro in der Hand zu haben, ist auch schon etwas.

Doch ich finde, wir sollten jetzt nicht populistisch für jede Gruppe fordern, dass sie es auch haben müssten. Aus der Opposition heraus kann man das leicht fordern, aber es muss auch finanziert werden.

Deswegen stehe ich dazu, es jetzt so agieren. Vielleicht können wir es nicht für jede Berufsgruppe machen, auch wenn man es ihnen aus menschlichen Gründen von Herzen gönnen würde. – Schönen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Danke schön, Herr Minister Laumann. – Weitere Wortmeldungen gibt es nicht.

Wir kommen zur Abstimmung. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat direkte Abstimmung beantragt. Wer stimmt dem Antrag zu? – Die Grünen. Wer stimmt dagegen? – CDU, FDP, AfD und der fraktionslose Kollege …

(Nic Peter Vogel [AfD]: Nein!)

Ach nein, Sie saßen so versteckt. Also: Ich habe festgestellt, dass Sie dagegen sind.