Protocol of the Session on April 29, 2020

Und Sie spielen dann den vermeintlichen Versteher der besorgten Menschen, spielen den vermeintlichen Anwalt, den Verstärker.

Die Wahrheit ist aber: Sie spielen es nur. Es geht Ihnen nämlich gar nicht darum, dass Sie jetzt Freiheit und Grundrechte sichern. Sie haben vor sechs Monaten genau das Gegenteil bei allem vertreten wie jetzt.

Es geht Ihnen darum, Menschen zu instrumentalisieren, Gruppen zu instrumentalisieren. Damit handeln Sie schlicht und ergreifend verantwortungslos. Aber was war auch anderes zu erwarten? Verantwortung von Ihnen? Sie sind ja nicht einmal bereit, Verantwortung für das zu übernehmen, was im Namen Ihrer Fraktion in Nordrhein-Westfalen veröffentlicht wird. Was will man von Ihnen anderes erwarten?

Viele Menschen sind von den wirtschaftlichen Folgen der Krise existenziell bedroht. Wir haben hierüber in den letzten Wochen anders, als Sie das eben geschildert haben, mehrfach im Plenum diskutiert. Wir haben ein Gesetzesverfahren intensiv durchgeführt, trotz Pandemiezeit, trotz der Frage, wie man es möglichst schnell und effizient machen kann. Wir haben hier als Parlament mit allen Fraktionen intensiv diskutiert. Es hat hier stattgefunden, und Sie erzeugen

für der Öffentlichkeit den Eindruck, es habe nicht stattgefunden. Das ist genauso verantwortungslos.

(Andreas Keith [AfD]: Sie wollten das durch- drücken!)

Sie haben doch überhaupt keine Mehrheit dafür gehabt, anders zu verfahren. Wir haben das gemeinsam mit dem Parlament durchgesetzt, Herr Keith. Erzählen Sie doch keine Märchen.

(Andreas Keith [AfD]: Sie erzählen Märchen!)

Wir alle kennen die gewaltigen Zahlen, die Bund und Länder in den letzten Wochen aufgebracht haben, um die ökonomischen Folgen der Krise für möglichst viele Bevölkerungsgruppen, für möglichst viele Menschen zu begrenzen. Aus unseren Wahlkreisen kennen wir alle ganz viele Einzelbeispiele. Und wir wissen, wie viele Menschen von den existenziellen Fragen, die daran hängen, betroffen sind.

Wir als Land versuchen nach Kräften, zu helfen. Trotzdem wissen wir: Die gigantischen Summen alleine werden es nicht machen. Wir werden damit scheitern, als Staat alle Schwierigkeiten zu bewältigen. Das ist übrigens ein gutes Beispiel dafür, dass der Staat damit scheitern würde, wenn er auch in anderen Zeiten versuchen würde, der bessere Unternehmer zu sein. Daraus folgt: Wir müssen weiterhin beides tun, die medizinische Seite beachten und den verantwortlichen Weg aus der Krise beschreiten.

Deshalb sage ich noch einmal: Es geht um Verantwortung. Die haben wir gemeinsam als Parlament und als Regierung. Wer, wie Sie es gerade getan haben, Herr Tritschler, und wie es Herr Gauland im Bundestag gesagt hat, unter dem Deckmäntelchen der Eigenverantwortung jedes Einzelnen in dieser Situation die Menschen sich selbst überlässt, der überfordert sie nicht nur, der handelt verantwortungslos.

Die Rückkehr in unser Leben ohne Pandemie und deren Folgen braucht deshalb verantwortungsvolle Politik. Wir wollen die Verringerung der Einschränkungen möglichst bald, aber verantwortlich. Wir wollen so geringe Eingriffe in unser aller Leben wie möglich, aber wir müssen so handeln, dass wir auch gegenüber den Schwächsten und der gesamten Gesellschaft dieser Verantwortung gerecht werden.

Derzeit und immer ist nicht die Zeit des Populismus, sondern der Verantwortung. Das haben Sie vermissen lassen. Deshalb werden wir Ihren Antrag selbstverständlich ablehnen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Dr. Optendrenk. – Für die SPD-Fraktion spricht Herr Kollege Neumann.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Ich frage mich, was mit der AfD los ist. Vor ein paar Wochen habe ich die Worte gehört: „Wir stehen voll hinter der Landesregierung. Wir unterstützen alle Maßnahmen“,

(Andreas Keith [AfD]: Jetzt haben wir andere Erkenntnisse!)

und heute tun Sie so, als hätten Sie mit all dem, was Sie da gesagt haben, nichts mehr zu tun. Das verwundert mich.

(Beifall von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

COVID-19 ist wahrscheinlich seit Jahren oder Jahrzehnten eine der hochinfektiösesten Viruserkrankungen. Was passiert, wenn man keine Maßnahmen einleitet, es verschläft oder es politisch nicht gewollt ist, kann man bei den Geistesbrüdern der Lega Nord in der Lombardei sehr gut nachschauen.

(Beifall von der SPD, der CDU, der FDP und Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Dort konnte man sehr deutlich sehen, dass plötzlich alle zwei Tage die Infektionszahlen um 40 % stiegen, weil verheimlicht wurde, weil vertuscht wurde, weil zu Beginn so getan wurde, als sei es harmlos. Das sind die geistigen Brandstifter, wenn es darum geht, Menschenleben aufs Spiel zu setzen. Deshalb sollten Sie von der AfD sehr genau aufpassen, welche Forderungen Sie hier im Zusammenhang mit COVID-19 an die Landesregierung und das Land Nordrhein-Westfalen stellen.

Ja, man kann sicherlich an der einen oder anderen Stelle das eine oder andere kritisieren. Das ist überhaupt keine Frage. Das steht uns hier zu. Herr Kollege Optendrenk, der ursprüngliche Entwurf des Pandemiegesetzes, das wir in geänderte Fassung gemeinsam verabschiedet haben, ist nicht von Ihnen gestoppt worden, sondern nach meiner Erinnerung vor allem von der Opposition. Auch das gehört zur Wahrheit, die wir nicht vergessen sollten.

Wir haben es hier mit einer Auseinandersetzung bezüglich eines Virus zu tun, von der wir noch nicht wissen, wie sie enden wird. Die gesundheitlichen Schäden, die das Virus jenseits der Lungenerkrankungen, die wir heute kennen, verursachen kann, sind weder erfasst, noch wissen wir, in welche Richtung sie gehen und welche massiven Folgen sie haben werden, ob es um Herzerkrankungen, Rückenmarksschäden, Angriffe auf das Nervensystem und vieles andere geht. Das legen aktuell alle Wissenschaftler, die sich damit beschäftigen, an den Tag.

Das heißt, in dieser Situation kann man nicht einfach locker-flockig denen, die Verantwortung in diesem Land tragen, Willkür unterstellen und behaupten, sie würden alles nur deshalb tun, weil sie es gerade mal so wollen oder es ihnen eingefallen ist. Nein, es geht darum, Menschenleben zu retten. Dies gilt auch,

meine Damen und Herren, Kolleginnen und Kollegen, im Gegensatz zu der Auffassung manch eines Oberbürgermeisters für Menschen, die älter als 80 Jahre sind. Das sage ich klar und deutlich.

Sie fordern unverzüglich Lockerungen. Diese Lockerungen können wir nur dann verantworten, wenn wir uns sicher sind, dass dieses Virus nicht einen Schaden verursacht, der weit über das hinausgeht, was wir bis jetzt wissen.

Ja, wir brauchen einen fortschrittlichen, einen interdisziplinären Pandemieplan, ein Pandemiekonzept, mit dem wir zukünftig arbeiten können. Wenn diese Krise vorbei ist, müssen wir die entsprechenden Lehren ziehen. Aktuell gibt es weder in diesem Bundesland noch in dieser Republik irgendjemanden, der so ein Konzept in der Hand hat, da wir alle sozusagen noch am Anfang sind.

Deshalb muss die Forderung aktuell lauten, besonnen zu sein und die richtigen Schritte einzuleiten. Sie muss lauten: Gründlichkeit vor Geschwindigkeit. Natürlich müssen wir dabei die Interessen der unterschiedlichen Wirtschaftsbereiche im Auge haben, aber der Schutz der Gesundheit der Menschen ist letztendlich das oberste Gut, welches wir als Parlament und als Verantwortliche zu schützen haben.

Wir dürfen nichts überstürzen. Vor allen Dingen dürfen wir nicht solche Fehler begehen – wir haben sie auch nicht begangen – wie diejenigen, die beispielsweise in der Lombardei die Verantwortung tragen.

(Zuruf von Sven Werner Tritschler [AfD])

In diesem Sinne kann ich Ihnen nur sagen, was ich heute Mittag schon gesagt habe: Versuchen Sie nicht, das eine gegen das andere auszuspielen. Es ist gerade zum jetzigen Zeitpunkt und in der jetzigen Situation der völlig falsche Ort dafür. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD und Mehrdad Mostofiza- deh [GRÜNE] – Michael Hübner [SPD]: Das war doch von der Länge angemessen! Und vom Inhalt auch!)

Vielen Dank, Herr Kollege Neumann. – Für die FDP-Fraktion spricht Herr Kollege Bombis.

Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen! Sehr geehrte Herren! Die Einschränkungen und Beschränkungen, die wir den Bürgerinnen und Bürgern und den Betrieben hier in Nordrhein-Westfalen in dieser Krise von Tag zu Tag immer wieder zumuten, müssen wir immer wieder überprüfen. Wir müssen sie immer wieder rechtfertigen. Und wir müssen sie gegebenenfalls, wenn irgend möglich und verantwortbar, so schnell wie möglich lockern.

Das ist eine Forderung, die insbesondere von meiner Partei und meiner Fraktion und auch von dieser Koalition immer wieder formuliert worden ist. Auch der Ministerpräsident und die Landesregierung haben sie immer wieder formuliert. Dies ist nicht nur im Sinne der Menschen, sondern es ist insbesondere auch im Sinne der Betriebe und der Wirtschaft in Nordrhein-Westfalen. Die Wirtschaft wird wie in allen anderen Bundesländern dieser Republik von der Krise nicht unbeeinflusst bleiben, und wir müssen versuchen, alles zu tun, damit der Effekt so gering wie möglich ausfällt.

Ich will aber auch in aller Deutlichkeit an die Kolleginnen und Kollegen der AfD gerichtet sagen: Im Gegensatz zu Ihnen, die Sie einfach alles fordern und einfach unreflektiert und pauschal Öffnungen fordern und das auch noch ein bisschen mit irgendwelchen angedeuteten Verschwörungstheorien garnieren,

(Helmut Seifen [AfD]: Wo? Wann?)

agieren wir vorsichtig. Wir und diese Landesregierung agieren verantwortlich. Die Landesregierung agiert nach Prüfung, und sie übernimmt damit Verantwortung für dieses Land. Das ist der richtige Weg.

Wir werden weiterhin ständig prüfen, ob mehr möglich ist. Wir werden es fordern, wenn es irgendwie möglich ist. Das hat zuletzt auch heute wieder Minister Pinkwart gemeinsam mit seinen Kolleginnen und Kollegen aus Niedersachsen und Baden-Württemberg für die Gastronomie bewiesen.

Entgegen Ihrem Antrag und entgegen den von Ihnen geforderten Maßnahmen in diesem Antrag, die entweder schon erledigt und damit überholt sind oder die unverantwortlich und übertrieben sind, gehen wir mit der NRW-Koalition, geht diese Landesregierung verantwortungsvoll mit der Situation um, und zwar im Sinne der Menschen und im Sinne der Betriebe.

Eines muss aber auch klar sein: Ein völlig pauschales und übertriebenes „Jetzt öffnen wir alles“ führt dazu, dass wir einen Rückfall befürchten müssen.

(Helmut Seifen [AfD]: Das weiß doch keiner!)

Das ist noch weniger im Sinne der Menschen, im Sinne der Gesundheit und, ganz nebenbei bemerkt, auch nicht im Sinne der Wirtschaft und der Betriebe.

(Beifall von der FDP und Peter Preuß [CDU])

Es würde zu noch nachhaltigeren Folgen führen. Das ist mit dieser Koalition nicht zu machen. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Bombis. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Kollege Mostofizadeh.

Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich finde, dass die AfD-Fraktion viel zu wichtig genommen wird. Im Beschlusstext des Antrags steht, unverzüglich und unter Einhaltung aller Hygienevorgaben sollten Einzelhandelsgeschäfte wieder geöffnet werden, unverzüglich und unter Einhaltung strenger Hygieneregeln solle der Betrieb von Restaurants wieder eröffnet werden können und Tierparks seien von der Coronaverordnung auszunehmen.

Wenn wir wüssten, wie das sicher funktioniert, wäre es längst passiert. Das ist ja genau das Problem, über das wir reden: Wir müssen genau sagen, wie der Schutz stattzufinden hat. Herr Minister, ich will mich jetzt nicht an einem AfD-Antrag allzu lange aufhalten, aber das ist die Debatte, die wir führen müssen.

Sie vermischen richtige Dinge mit falschen. Sie tun so, als würden Sie eine Öffnungsdebatte führen.