Zweitens. Wir müssen weiter – das ist längst noch nicht am Ende – das Gesundheitssystem massiv ausbauen. Nur dann werden wir so viele Menschenleben wir möglich retten.
Drittens. Wir müssen die Folgen der Pandemie für unser Land, für die Wirtschaft, für die Kommunen und für jeden Einzelnen abfedern, wo immer wir können.
Heute, am Tag 10, zeigt sich: Die Menschen akzeptieren das Kontaktverbot. Die große Mehrheit der Vernünftigen hält sich daran, ganz selbstverständlich und absolut verantwortungsvoll, obwohl es alles andere als alltäglich ist.
Die kleine Minderheit der Unvernünftigen wird hart bestraft. Es gibt einen entsprechenden Bußgeldkatalog. Wer sich nicht verantwortungsvoll verhält, muss zahlen. Schließlich geht es nicht um eine Kleinigkeit,
sondern um die Gesundheit und das Leben von vielen Millionen Menschen. Die Ordnungsämter und die Polizei setzen die Maßnahmen mit Augenmaß, aber auch mit der erforderlichen Härte durch.
Wir haben die Kapazitäten im Gesundheitswesen massiv ausgebaut und unterstützen die Krankenhäuser weiterhin dabei, dies auch selbst zu tun. Viele haben die Anzahl ihrer Intensivbetten und Beatmungsmöglichkeiten erheblich gesteigert.
Ich nenne Ihnen in diesem Zusammenhang ein Beispiel: Es gibt elf Knappschaftskliniken in NordrheinWestfalen, die ihre Intensivkapazitäten in kürzester Zeit verdoppelt haben. 175 neue Intensivbetten mit zusätzlichen 141 Beatmungsmöglichkeiten wurden in den letzten Tagen in Dienst genommen. Das Rhein-Maas Klinikum in Aachen – nicht die Uniklinik RWTH Aachen – hatte vor der Coronakrise 31 Betten; heute sind es 72. Es wurden also in ganz kurzer Zeit doppelt so viele Betten mit allen notwendigen Beatmungsmöglichkeiten eingerichtet.
Mein Dank gilt Karl-Josef Laumann, der schon vor dieser Krise, im Sommer 2019, die Idee des Virtuellen Krankenhauses ins Gespräch gebracht hat. Damals hatte man den Eindruck, das sei wieder irgendeine Digitalisierungs-Spinnerei. Manch einer dachte: Was soll denn ein Virtuelles Krankenhaus sein? Das ist ja überhaupt kein richtiges Krankenhaus. Davon hat man doch gar nichts.
Das Ganze sollte im Sommer dieses Jahres starten. Wir haben den Startschuss allerdings vorgezogen. Am Montag haben wir die federführenden Unikliniken besucht, Karl-Josef Laumann die in Münster und ich die in Aachen. 200 Kliniken im ganzen Land sind inzwischen daran angeschlossen, verfügen damit über optimale Intensivmöglichkeiten mit exzellenten Wissenschaftlern und Medizinern, die sie sonst nicht gehabt hätten, und korrespondieren mit ihnen. Man kann aus der Leitzentrale sogar mit dem Patienten sprechen, sofern er ansprechbar ist. Man verfügt dort über die gesamte Krankenakte, und die Ärzte können sich untereinander über die nächsten Schritte austauschen.
Damit haben wir exzellente Medizin nicht nur in unseren Unikliniken, sondern im ganzen Land, in 200 Krankenhäusern. Das ist technologisch ein Riesenakt. Dank allen, die daran mitgewirkt haben, dass das möglich geworden ist!
Das wird uns übrigens auch nach der Krise die Chance geben, daran intensiver weiterzuarbeiten. Die Menschen haben plötzlich gemerkt, dass es ihnen persönlich hilft. Jetzt muss man keine Überzeugungsarbeit mehr dahin gehend leisten, dass Digitalisierung auch etwas Gutes sein kann; denn hier zeigt sich, dass sie in der Krise die Möglichkeiten verbreitern kann.
Gestern haben wir uns gemeinsam mit Bundesgesundheitsminister Jens Spahn im Landeskabinett über die Bundes- und Landesmaßnahmen ausgetauscht.
Wir erleben beispielsweise in der Uniklinik Düsseldorf ein großes Engagement. Die Studierenden wurden gefragt, wer während der Krise helfen könne. Sie sind bereits jetzt vorbereitet und wissen, wo Notplätze, Notbetten und Ähnliches bereitgestellt werden können. Sie sind für einen großen Ansturm von Menschen vorbereitet. Sie wissen genau, wie sie das logistisch handhaben müssen. Spontan haben sich innerhalb weniger Tage auf einen Aufruf der Fachschaft hin 400 Studierende mit medizinischen Vorkenntnissen gemeldet, die jetzt mitarbeiten und zum Beispiel an den Hotlines Informationen geben oder auch in der Wäscherei oder an anderen Orten mithelfen.
Auch das zeigt, dass in diesem Moment viele Tausend bereit sind, einen Beitrag zu leisten, damit wir gut durch diese Krise kommen.
Der Verkehrsminister hat für alle im Schichtdienst, in der Pflege oder anderswo, die aufgrund der ausgedünnten Zeiten des Nahverkehrs nicht von A nach B kommen, ausgehandelt, dass ihnen ab sofort ein eigenes Auto zur Verfügung gestellt wird. Dafür steht 1 Million Euro bereit, damit jeder, der im Moment diesen Dienst leistet, auch jede Erleichterung erhält, die er braucht, um sich zu bewegen.
Ich werde gleich in einer Schaltkonferenz mit den Hilfsorganisationen, die im Lande tätig sind, nachhören, wo es da noch Bedarf gibt, was deren Probleme sind und wo wir nachsteuern können – beim Deutschen Roten Kreuz, beim Arbeiter-Samariter-Bund, bei der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft, bei den Maltesern und bei den Johannitern, also bei den Zehntausenden, die wir alle nicht sehen, die aber zurzeit Tag und Nacht überall im Land in den örtlichen Krisenstäben engagiert sind.
Es gibt noch eine weitere Gruppe, die wir in den Blick nehmen müssen. Das sind die Wohnungslosen. Sie werden sehr leicht vergessen, wenn es heißt: Bleibt zu Hause! – Auf jedem Handy mahnen Telefongesellschaften „#StayHome“. Im Fernsehen wird „#wirbleibenzuhause“ als Dauersignal gesendet. Es gibt jedoch Menschen, die kein Zuhause haben und sich nicht zurückziehen können. Ihnen fehlt der Rückzugsraum. Tafeln, Essensausgaben und Beratungsstellen haben zum Teil geschlossen. Oft sind allerdings gerade Obdachlose immungeschwächt und deshalb auch besonders anfällig. Es ist zwar Auf
gabe der Kommunen, wohnungslose Menschen unterzubringen. Aber hier geht es nicht um Kompetenzen, sondern um Hilfe.
Deshalb haben wir in einem unbürokratischen Verfahren kurzfristig noch einmal 500.000 Euro für die Hilfsorganisationen bereitgestellt, die diesen Menschen vor Ort helfen. Das ist etwas, was in einem solchen Moment auch nicht vergessen werden darf.
Darüber hinaus gibt es die nordrhein-westfälische Soforthilfe für die Unternehmen und damit auch für die Mitarbeiter der Unternehmen, um Insolvenzen zu verhindern und die Mitarbeiter vor Arbeitslosigkeit zu schützen. Denn wenn es zu einer Insolvenz kommt, kann es sein, dass das Unternehmen nach der Krise nicht mehr besteht und daher auch nicht mehr seinen Betrieb hochfahren kann. Deshalb soll mit einem Teil der 25 Milliarden Euro, die als Rettungspaket bereitstehen, Hilfe für diese Unternehmen geleistet werden. Darum muss dieses Geld auch schnell dort ankommen.
Andere Länder haben das Ganze über die Förderbanken oder andere Institutionen gemacht. Wir haben gesagt, dass die Bezirksregierungen diejenigen sind, die sich mit Verwaltungsverfahren auskennen und sehr schnell entscheiden können.
Insofern war das, was wir am vergangenen Wochenende erlebt haben, eine Sternstunde der Bezirksregierungen. 700 Mitarbeiter, zum Teil im Homeoffice, zum Teil in den Ämtern, haben es geschafft, dass von 285.000 eingereichten Anträgen – am Freitag wurde ein einfaches Formular online gestellt, das die Leute schnell ausfüllen konnten – mit Stand heute 256.000 bewilligt worden sind.
Das ist eine Riesenleistung. Ab Ende dieser Woche wird das Geld ausgezahlt. Das heißt: Sie alle haben das erst vor wenigen Tagen beschlossen. Innerhalb von zehn Tagen ist es bearbeitet, und das Geld ist bei den Leuten. Wir erleben es als Landtag selten, dass wir etwas entscheiden, was dann auch so schnell bei den Menschen ankommt. Dafür allen Fraktionen noch einmal einen herzlichen Dank!
Ich danke aber auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von IT.NRW, die gezeigt haben, dass sie es können. Das Land kann eine solch riesige digitale Leistung stemmen, ohne dass sämtliche Server zusammenbrechen. Das ist ein gutes Zeichen für das, was digital vor uns liegt.
Nun gibt es noch eine Gruppe bzw. eine Institution, die wichtig ist. Ich meine unsere Kommunen. Das sind nicht individuelle Menschen. Aber Kommunen leisten Vorsorge für die Menschen. Im Moment rutschen unsere Kommunen in die Lage, dass auch sie
die zurückgehende Wirtschaftsleistung spüren, weil sie geringere Steuereinnahmen haben. Die wichtigste Steuer für sie ist die Gewerbesteuer. Diese ist aber wie keine andere Steuer konjunkturabhängig.
Da die Kommunen nun sehr schnell spüren, dass ihnen die Gelder fehlen, haben wir gestern im Kabinett ein kommunales Schutzpaket auf den Weg gebracht. Denn schon in den nächsten Wochen kann es in vielen Städten und Gemeinden an Liquidität mangeln. Besonders hart wird die Haushaltsplanung für das nächste Jahr. Jetzt gilt es, was die Spielräume angeht, den Kommunen, die ohnehin schon sehr beschränkt in ihrer Haushaltsplanung waren, gerade was neue Schulden anbetrifft, einen rechtlichen Rahmen zu geben, der ihnen Luft zum Atmen lässt.
Wir werden ihnen auch finanziell helfen. Denn Nordrhein-Westfalen wird vor Ort gemacht, nicht hier im Landtag. Wir wollen den Kommunen dabei helfen, konjunkturelle Einbrüche abzufedern.
Besonders gilt das für die Stärkungspaktkommunen, die in den letzten Jahren besondere Anstrengungen unternommen haben. Über ein Sonderhilfengesetz Stärkungspakt sollen Kommunen mit bislang nicht verplanten Finanzmitteln aus dem Stärkungspakt – das sind insgesamt 343 Millionen Euro – finanziell entlastet werden.
Dazu werden die Kommunalministerin und ich in der nächsten Woche mit den kommunalen Spitzenverbänden zu einem Kommunalgipfel zusammenkommen, wie üblich in einer Videokonferenz. Daraus werden weitere Maßnahmen resultieren, die uns dann hier im Landtag beschäftigen werden.
Keine Frage: Das wird für die Kommunen eine ganz schwere Zeit. Die Zeit wird für uns alle schwer. Aber für die Kommunen, die jetzt schon an die Grenze ihrer Finanzierbarkeit gestoßen sind, wird sie besonders schwer.
Flexibilität für Kommunen ist auch ein Anliegen in dem Corona-Artikelgesetz, mit dessen Beratung wir heute beginnen. Im Mittelpunkt der Diskussion stehen natürlich andere Regelungen in diesem Gesetz, etwa mögliche Befugnisse im Gesundheitsbereich.
Lassen Sie mich vorweg sagen: Ich bin froh und dankbar, dass die Fraktionen einen Weg gefunden haben, das Gesetz mit dem nötigen Tempo, aber auch mit der notwendigen Sorgfalt zu beraten. Wir haben hier viele politische Projekte aus dem Koalitionsvertrag behandelt, die wir mit nur einer Stimme Mehrheit durchgekämpft haben, weil wir sie für richtig gehalten haben. Diese Frage ist aber eine, die man nicht durchkämpfen kann. Da geht es auch nicht um Parteipolitik, sondern darum, wie man zum Zeitpunkt X handlungsfähig ist.
Wenn die Opposition sagt, dass sie bei einer Frage Rechtsstaatsbedenken, Verfahrensbedenken, Gesetzesvorbehaltsbedenken, Parlamentsvorbehaltsbedenken oder welche Bedenken auch immer hat, müssen wir diese berücksichtigen. Es wird nur funktionieren, wenn wir hier alle gemeinsam handeln. Das ist auch kein politisches Herzensanliegen dieser Regierung.
Vielmehr besteht das einzige Ziel darin, dass wir dann, wenn es zu diesem Tag X kommt, also zu dem absoluten Katastrophenfall, in dem nichts mehr funktioniert, weil wir an den Grenzen des Systems angelangt sind, Handlungsmöglichkeiten haben, auf die wir in normalen Zeiten nicht zurückgreifen müssen.