Protocol of the Session on March 12, 2020

Ich habe es im Innenausschuss schon einmal gesagt: Die Kommunikation der Rechten verändert sich. Man spricht nicht mehr von „Ausländer raus!“ oder von „Rasse“, sondern vermeintlich vornehm von Remigration oder Ethnopluralismus und versucht auf diese Weise, sich einen intellektuellen Anstrich zu geben, der weniger nach Springerstiefeln aussieht.

Aber damit, meine Damen und Herren, dürfen wir sie ganz sicher nicht durchkommen lassen.

(Beifall von der FDP, der CDU und der SPD)

Dieses Phänomen der Entgrenzung zielt letztlich darauf ab – Frau Kollegin Schäffer hat es soeben schon gesagt –, die Grenze des Sagbaren immer weiter zu verschieben. Das ist die Strategie sowohl der Identitären Bewegung als auch der AfD, meine Damen und Herren. Das ist das Gift, das in unsere Gesellschaft einsickert, und auch Sie von der AfD sind Dealer dieses Gifts.

(Beifall von der FDP und der SPD – Kopf- schütteln bei der AfD)

Seit wenigen Minuten haben wir es schwarz auf weiß: Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat Ihrem rechtsnationalen Flügel eine verfassungsfeindliche, rechtsextreme Bestrebung zugeschrieben.

(Zuruf von Helmut Seifen [AfD])

Ich sage Ihnen: Hier weht jetzt ein anderer Wind. Unser Land wird sich ganz sicher nicht von Ihnen Freiheit, Offenheit und Toleranz kaputtmachen lassen.

(Beifall von der FDP, der CDU und der SPD)

Als NRW-Koalition aus CDU und FDP stellen wir uns entschieden gegen jede Form von Extremismus.

Das haben wir auch immer wieder bewiesen. So haben wir erst kürzlich in unseren Haushalten zusätzliche Mittel zur Verstärkung der Sicherheitsbehörden bereitgestellt und Maßnahmen hierzu getroffen. Insbesondere haben wir den Verfassungsschutz zusätzlich personell und sachlich ausgestattet, beispielsweise zur Stärkung der Prävention insbesondere bei Jugendlichen. Seit Regierungsübernahme stärken wir unseren wehrhaften Rechtsstaat mit höchster Priorität im Einklang von Sicherheit und Freiheit.

Eines will ich deutlich sagen: Herr Kutschaty, Frau Schäffer, ich finde es sehr gut, dass Sie konstruktive Vorschläge machen, wie wir in diesem Bereich noch besser werden können. Hierzu gibt es viele Gedanken.

Schaut man sich diese aber einmal genauer an, erkennt man, dass viele dieser Punkte zum Teil schon umgesetzt sind. Einige befinden sich gerade in der Umsetzung. Es gibt aber auch viele Punkte, über die wir im Ausschuss offen sprechen sollten.

Ganz ausdrücklich begrüße ich beispielsweise die Forderung nach der Erstellung eines Lagebildes Extremismus oder Antisemitismus, auch durch unsere Antisemitismusbeauftragte Sabine Leutheusser

Schnarrenberger im Zusammenspiel mit dem Verfassungsschutz.

Herr Kutschaty, Sie haben soeben auf die Rechtsextremen in den Sicherheitsbehörden und in den

eigenen Reihen der Polizei abgezielt. – Wir sind uns hier völlig einig, dass es das nicht geben darf.

Ich will aber hinzufügen, dass es die NRW-Koalition unter Innenminister Herbert Reul war, die 2018 die Regelanfrage beim Verfassungsschutz für junge Anwärterinnen und Anwärter der Polizei eingeführt hat. Es ist gut, dass Sie für diesen Bereich Forderungen einbringen – und ich mag mich bei diesem Thema auch gar nicht so richtig unter Demokraten streiten –, aber die Frage, warum nicht schon der SPD-Innenminister diese Regelanfrage beim Verfassungsschutz eingeführt hat, ist berechtigt, und man darf sie auch stellen.

Obwohl es sicherlich viel Einigkeit und Zustimmung und auch eine besondere Bereitschaft über die Fraktionsgrenzen hinweg gibt, gemeinsam beim Thema „Rechtsextremismus“ voranzukommen, muss ich Ihnen eines sagen – Herr Panske hat es gerade angesprochen –:

Liebe Kolleginnen und Kollegen von SPD und Grünen – die Mitglieder des Innenausschusses wissen es, denn im Innenausschuss habe ich es auch angesprochen, und in dieser Frage haben wir uns auch gestritten –, es ist eine absolute Unverschämtheit, der NRW-Koalition und dem Innenminister zu unterstellen, durch konsequentes Vorgehen gegen Clankriminalität und durch klare Benennung dieser Kriminalitätsphänomene einer solch schrecklichen rechtsterroristischen Tat wie der in Hanau Vorschub geleistet zu haben. Das ist eine Unverschämtheit!

(Beifall von der FDP und der CDU – Sven Wolf [SPD]: Nein, das haben wir nicht gesagt! – Mo- nika Düker [GRÜNE]: Das haben wir nie ge- sagt!)

Wir können in vielen Fragen unterschiedlicher Meinung sein – und das sind wir ja auch –, zum Beispiel darüber, ob offensive Bekämpfung von Kriminalität wirksamer ist als Ihr jahrelanges Kleinreden bestimmter Probleme in diesem Land. Wir können unterschiedlicher Meinung darüber sein, ob Blitzmarathons oder Razzien gegen kriminelle Clans der Schwerpunkt der nordrhein-westfälischen Innenpolitik sein sollen. Darüber können wir gerne streiten.

Auf eines können Sie sich bei mir aber verlassen, meine Damen und Herren: Ich würde Ihnen nie unterstellen, durch Ihre Innenpolitik einen terroristischen Attentäter geistig befeuert zu haben oder die Stimmung für solch eine Tat mitgeschaffen zu haben. Das erschüttert mich.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Es erschüttert mich, dass Sie so etwas nicht nur sagen, sondern auch in Ihren Antrag schreiben.

Herr Kollege Lürbke, Entschuldigung!

Das geht nicht. So sollten Demokraten nicht miteinander umgehen. Ich erwarte, dass Sie das zurücknehmen und wir dennoch hoffentlich in eine konstruktive Debatte beider Anträge in den Ausschüssen eintreten. Ich würde mich freuen, …

Herr Kollege Lürbke, Entschuldigung, dass ich Sie unterbreche.

Ich komme zum Schluss der Rede.

Nein, das möchte ich gar nicht sagen.

(Heiterkeit)

Ich würde mich freuen, wenn wir alle gemeinsam daran arbeiten würden, rechten Terror und Hass nicht nur zu verurteilen, sondern ihnen auch wirklich Einhalt zu gebieten.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Es war nicht der Hinweis auf die Redezeit, sondern der Hinweis darauf, dass Herr Kollege Klocke Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen würde.

Jetzt bin ich am Ende meiner Rede. Aber wenn Sie das möchten, dann können wir das gerne machen.

Bitte schön.

Vielen Dank, Herr Kollege Lürbke, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Sie haben uns eben scharf kritisiert und angegriffen.

(Marc Lürbke [FDP]: Nein!)

Ich möchte Sie bitten, uns Ross und Reiter zu nennen. Woher haben Sie diese Äußerungen? Wer soll sie getätigt haben? Was konkret war der Vorwurf aus der Grünenfraktion in diesem Zusammenhang, auf den Sie sich in Ihrer Rede beziehen?

Vielen Dank für diese Frage. – Sie sind nicht Mitglied des Innenausschusses. Wir haben im Innenausschuss – dazu gibt es auch ein Wortprotokoll, in dem man das nachlesen kann – darüber diskutiert, und zwar genau über diese Frage. Es gab den Vorwurf, die NRW-Koalition habe aufgrund dieser klaren Strategie und des offensiven Auftretens gegen Clankriminalität in der Öffentlichkeit eine Stigmatisierung von Shisha-Bars in diesem

Land vorgenommen, und das sei Vorschub für rechtsterroristische Taten gewesen.

(Verena Schäffer [GRÜNE]: Nein, das haben wir nicht gesagt!)

Darüber haben wir im Innenausschuss diskutiert.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Ich sage Ihnen: Das geht nicht! Wenn Sie sich den Antrag der Kolleginnen und Kollegen von der SPD durchlesen, werden Sie das auch finden. So sollten wir wirklich nicht miteinander umgehen. Denn das ist eine Unverschämtheit!

(Beifall von der FDP und der CDU)

Meine Damen und Herren, ich freue mich sehr auf die Beratungen im Ausschuss. Reine Solidaritätsbekundungen reichen nicht aus. Lassen Sie uns vielmehr gemeinsam daran arbeiten, rechten Terror nicht nur zu verurteilen, sondern ihm auch wirklich Einhalt zu gebieten. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Lürbke. – Für die AfD-Fraktion spricht Herr Kollege Seifen.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Beide hier vorliegenden Anträge von Bündnis 90/Die Grünen und SPD bringen ein Thema in die Landtagsdebatte ein, das die existenziellen Grundlagen unseres staatlichen Gemeinwesens berührt: Die Anzahl extremistischer Gewalttaten hat in erschreckender Weise zugenommen.

Angriffe auf unbeteiligte Menschen mit Fäusten, mit Messern oder mit Autos häufen sich. Zu beklagen sind dabei Verletzte und Tote. Diese schrecklichen Taten sind aber nur die Spitze eines riesigen Eisbergs von verbaler und körperlicher Gewalt, die im öffentlichen Raum, auf der Straße und im Netz zum Ausbruch kommt und jedem vernünftigen Demokraten den Schweiß auf die Stirn treibt.