Protocol of the Session on March 12, 2020

Meine sehr geehrten Damen und Herren, nicht erst seit der Einführung des Rechtsanspruchs auf einen Betreuungsplatz für Kinder ab dem vollendeten ersten Lebensjahr haben wir in unseren Kindertageseinrichtungen einen Personalengpass gespürt, sondern bereits viel früher. Und der Bedarf an Erzieherinnen und Erziehern wird weiter steigen. Die Hauptgründe dafür sind die zuletzt wieder steigenden Geburtenzahlen, der weitere Ausbau der Betreuungsangebote für Kinder unter drei Jahren und der in Berlin diskutierte Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung an den Grundschulen.

Aus meiner eigenen Erfahrung als ausgebildete Erzieherin, die selbst in verschiedenen Kindertageseinrichtungen gearbeitet hat, weiß ich ziemlich genau, wovon ich spreche. Der Erzieherberuf hat stark an Bedeutung gewonnen. Erzieherinnen und Erzieher leisten extrem wichtige Arbeit. Sie sind Experten für Bildung, Erziehung und Betreuung. Sie sind es, die im so wichtigen Kindesalter dabei helfen, die richtigen Weichen zu stellen.

Die Kita ist die erste Stufe im Bildungssystem, auf der alles andere aufbaut. Trotzdem blieb in der Vergangenheit die gesellschaftliche Anerkennung oftmals aus. Viele sehen Erzieherinnen immer noch als Basteltanten mit Kaffeebecher in der Hand. Es schmerzt Pädagogen, dass Teile der Gesellschaft ein solches Bild vor Augen haben, auch weil seit Jahren die Anforderungen an Kita-Mitarbeiter steigen.

Neben der Tätigkeit am Kind gehören viele Dokumentationsarbeiten über die einzelnen Kinder, Elterngespräche und Beratung zu den Aufgaben einer pädagogischen Fachkraft. Oft müssen Erzieherinnen und Erzieher auch das auffangen, was zu Hause bei den Kindern zu kurz kommt oder komplett verloren geht. Es ist also kein Wunder, dass viele von der Arbeit in Kitas abgeschreckt sind.

Leidtragende sind neben den Erziehern häufig auch Eltern. Dabei ist der Beruf der Erzieherin ein vielseitiger und abwechslungsreicher, der einem ganz viel gibt. Die Kinder entwickeln sich täglich weiter und machen Fortschritte. Erzieherinnen und Erzieher erhalten jeden Tag ein offenes und ehrliches Feedback. Kinder und Jugendliche nehmen kein Blatt vor den Mund, sondern sagen offen und ehrlich ihre Meinung bzw. zeigen, ob sie einverstanden sind oder nicht.

Dennoch müssen der Beruf und die Erzieherausbildung dringend wieder attraktiver werden, um das Angebot an Fachkräften deutlich zu erhöhen.

Da ist zuallererst die anstrengende, langwierige und übrigens unbezahlte Ausbildung. Erst im Berufspraktikum erhält man ein Gehalt, das in öffentlichen Einrichtungen ungefähr 1.500 Euro brutto beträgt. Die Ausbildung dauert in der Regel drei Jahre.

Seit Kurzem gibt es in Nordrhein-Westfalen zudem die Möglichkeit, eine praxisorientierte Ausbildung, kurz PIA, zu machen. Dabei werden fachtheoretische und fachpraktische Ausbildungszeiten stark verzahnt. Eine strikte Trennung zwischen rein schulischer und praktischer Ausbildung findet nicht mehr statt. Vielmehr soll ein angehender Erzieher von Beginn an theoretische Inhalte mit der Praxis verbinden.

Seit 2019 können sich alle angehenden Erzieher, die eine PIA absolvieren, über einheitliche Gehälter freuen. Finanzielle Anreize im Rahmen der Ausbildung sprechen vor allem auch ältere Bewerber an, die bereits eine andere Ausbildung abgeschlossen haben oder sich beruflich verändern möchten. Meist kann aufgrund der Lebensumstände nicht mehr auf ein Gehalt verzichtet werden. Genau diese Menschen müssen wir auch ansprechen, wenn wir den Fachkräftemangel reduzieren wollen. Aus meiner Sicht ist PIA eine richtige und wichtige Maßnahme, um dem Fachkräftemangel zu begegnen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Im neuen KiBiz werden erstmals auch die Vorbereitungszeiten und die Betreuung von Praktikantinnen im Personalschlüssel berücksichtigt. Vorher geschah dies oftmals als Goodwill der Erzieherin. Manchmal wurde gar nicht ausgebildet. Weitere Maßnahmen in diesem Bereich müssen und werden folgen.

Verehrte Damen und Herren, in diesen Tagen wird es eine erste gemeinsame Bilanzierung der bisherigen Maßnahmen zur Kita-Personalgewinnung mit

allen relevanten Akteuren geben. Klar ist schon heute: Das Thema „Fachkräftebedarf“ wird alle beteiligten Akteure in den kommenden Jahren intensiv bewegen.

Ich bin der Meinung, dass wir wieder mehr Zeit für die Arbeit mit den Kindern brauchen – Zeit, um gemeinsam mit den Kindern die Welt zu entdecken. So entlasten wir unser pädagogisches Personal ungemein.

Mit dem neuen Kinderbildungsgesetz haben wir unter anderem die finanziellen Voraussetzungen dafür geschaffen, dass zusätzliches Personal in den Kitas bezahlt werden kann.

(Frank Müller [SPD]: Alles doch nicht!)

Lassen Sie uns nun gemeinsam dafür sorgen, auch die Menschen für diesen, wie ich finde, tollen Beruf wieder stärker zu begeistern. – Vielen Dank.

Vielen Dank, Frau Kollegin. – Für die Fraktion der Grünen spricht die Abgeordnete Frau Paul.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Kollegin, wir sind uns soweit auf jeden Fall einig – und ich glaube, da sind wir uns insgesamt hier im Haus einig –, dass Erzieherinnen und Erzieher weder Kaffeetanten noch Basteltanten sind, sondern den Grundstein legen – damit haben sie einen ganz verantwortungsvollen Job in unserer Gesellschaft – für gelingende Bildungsbiografien.

Sie haben ja auch gerade ausgeführt, was alles an diesem Job mit dranhängt, also wie sehr Erzieherinnen und Erzieher möglicherweise Dinge ausgleichen müssen, die früher vielleicht noch in Familien stattgefunden haben, dass auch Erzieherinnen und Erzieher und die Einrichtung der Kitas dafür verantwortlich sind, soziale Härten und soziale Spaltung in unserer Gesellschaft in den Blick zu nehmen, zu bearbeiten und nach Möglichkeit zu überwinden helfen.

Deswegen sind wir alle, glaube ich, bezüglich der gesellschaftlichen Wertschätzung, aber auch der Wertschätzung, die sich monetär, in Karrierechancen etc. niederschlagen muss, auf einer Seite.

Deshalb ist es so ärgerlich, dass der Fokus auch dieser KiBiz-Reform gerade nicht auf dem Personal, der Situation und den Arbeitsbedingungen in den Kitas und auch nicht auf den Kindern gelegen hat.

Was sollte alles mit dieser KiBiz-Reform umgesetzt werden? – Den Kommunen sollte ein Gefallen getan werden. Das hat nicht geklappt, denn der Flickenteppich der Beiträge existiert nach wie vor, übrigens zulasten der Kommunen. Da haben Sie sich auf Kosten der Kommunen, die weiterhin mit Ihrem

Flickenteppich leben müssen, einen sehr schlanken Fuß gemacht.

Ferner sollten die Eltern entlastet werden, übrigens ebenfalls auf eine Art und Weise, bei der Sie sich einen schlanken Fuß gemacht haben; Prinzip Gießkanne statt Wiedereinführung einer sozialen Beitragstabelle.

(Zuruf von Marcel Hafke [FDP])

Sie haben gesagt, Sie wollten flexibilisieren und es nach Möglichkeit allen recht machen, aber es darf nicht ganz so viel kosten, denn es hat ja so schon sehr viel gekostet.

Es bleibt dabei, dass mit diesem Gesetzentwurf die politische Fokussierung ausgeblieben ist bzw. eben gerade nicht auf die gerichtet worden ist, um die es uns gehen müsste, und das sind die Fachkräfte und die Kinder.

Dementsprechend muss man konstatieren, dass auch mit der KiBiz-Reform eben gerade nicht das erreicht wird, was Sie hier blumig gesagt haben: mehr Geld für Personal, bessere Arbeitsbedingungen für Personal. Fragen Sie doch beim Kita-Leitungskongress nach, lesen Sie doch mal die Kommentierungen. Da werden Sie feststellen, dass auch die Fachleute der Meinung sind, dass Ihr Gesetz diese Ziele ganz eindeutig verfehlt.

(Beifall von den GRÜNEN)

Enttäuschung herrscht auch über das Gute-KiTa-Gesetz. Wenn der Bund uns schon unterstützen möchte, dann sollte das so geschehen, dass die Qualität tatsächlich erhöht werden kann. Wenn man es schon „Gute-KiTa-Gesetz“ nennt, dann wäre es schön, wenn auch eine gute Kita drin wäre.

Aber auch das ist erkennbar nicht der Fall. Da bin ich tatsächlich mal bei den Kolleginnen und Kollegen von FDP und CDU, die eine Verlässlichkeit der Finanzierung des Bundes fordern, anstatt dass wieder etwas angeschoben wird und dann nichts mehr geschieht – wobei man sagen muss, dass ja auch die CDU in der Bundesregierung sitzt. Sie könnten auf ein höheres Maß an Verlässlichkeit der Bundesfinanzierung hinwirken.

Und die Fachkräfte in den Kitas, die Erzieherinnen und Erzieher, fragen: Was sollen wir mit einem Bundesgesetz, das in erster Linie mit der Gießkanne für Beitragsfreiheit sorgt, während kein Cent davon bei uns, den Erzieherinnen und Erziehern, ankommt, während kein Cent da ankommt, wo Qualität wirklich verbessert werden muss?

Die Mittel sind in Nordrhein-Westfalen zwischen der Beitragsfreiheit nach dem Prinzip Gießkanne und tatsächlich dem Versuch der Qualitätsverbesserung aufgeteilt worden.

Aber unter dem Strich bleibt doch, dass auch das Gute-KiTa-Gesetz mit dem Bedienen von allerlei Interessen einen falschen Schwerpunkt gesetzt hat, nur leider keinen Schwerpunkt auf die Kinder sowie die Erzieherinnen und Erzieher.

Es bleibt die Frage, wann die ganzen angekündigten Maßnahmen kommen und wann sie wirksam werden. Wir brauchen nicht mehr die Ankündigung, dass Sie im Gespräch über einen zweiten Standort sind, sondern wir brauchen den zweiten Standort. Es wäre gut, wenn der jetzt tatsächlich kommen würde.

Und natürlich müssen wir Menschen in Kitas Karrierechancen eröffnen, und wir brauchen vor allem Weiterbildungschancen. In den Kitas arbeiten viele Ergänzungskräfte, die sehr engagiert sind, die hochmotiviert sind, die auch etwas mitbringen und etwas einbringen können. Die weiter zu qualifizieren und im System zu halten, muss ein ganz klarer Fokus von Personalgewinnung und vor allem von Halten von Personal sein.

Noch ein abschließender Satz dazu: Dramatischer wird die Situation werden, wenn tatsächlich der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung in den Grundschulen greift. Das ist doch jetzt schon absehbar. Wir haben jetzt schon Personalmangel. Und wir haben jetzt leider wieder eine Bundesregierung, die verkündet, dass es Rechtsansprüche geben soll, es aber leider nicht mit den nötigen Mitteln hinterlegt.

Deshalb bin ich durchaus dabei, wenn Minister und Staatssekretär sich dafür aussprechen, in Berlin nachzuverhandeln, damit es mehr Mittel gibt. Da bin ich ganz bei Ihnen.

Alleine mir fehlt ein bisschen der Glaube, dass Sie neben den notwendigen Verhandlungen auch eigene Vorbereitungen treffen, was passieren soll. Denn der Rechtsanspruch wird kommen. Schulministerium und MKFFI sind in der Verantwortung, dafür Sorge zu tragen. Das ist, glaube ich, bei Ihnen leider nicht in besonders guten Händen. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Paul. – Für die AfD-Fraktion spricht noch einmal Frau Dworeck-Danielowski.

Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Vorwärts immer, rückwärts nimmer – das scheint hier das allgemeine Credo in dieser Aussprache zu sein.

(Eva-Maria Voigt-Küppers [SPD]: Wie origi- nell!)

Man könnte auch Bertolt Brecht zitieren:

„Wer A sagt, der muß nicht B sagen. Er kann auch erkennen, daß A falsch war.“

Seit Jahren beobachten wir, dass sich die Situation in den Kitas nicht verbessert, sondern verschlechtert, dass die Personalsituation kontinuierlich angespannter wird, obwohl man immer mehr Bemühungen anstellt, Menschen für diesen Beruf zu gewinnen. Die Bertelsmann Stiftung hat in der Anhörung zur KiBizReform richtigerweise angemerkt:

Der Bildungserfolg, der Ihnen ja so am Herzen liegt im Rahmen der frühkindlichen Bildung … Fraglich ist: Wenn die Betreuungsschlüssel kontinuierlich unterschritten werden und das auch in diesem Jahr wieder der Fall war, dann muss man doch mal das System überdenken.

Selbst wenn wir die bestmögliche Bezahlung, die bestmöglichen Arbeitsbedingungen und die tollsten Werbekampagnen haben, ist die Zahl derer, die diesen Beruf ergreifen wollen und können, endlich. Auch das hat im Übrigen eine Anhörung dazu ergeben. Die Ressourcen sind irgendwann erschöpft. Und es ist ja auch nicht der einzige Mangelberuf. In Gesundheitsberufen suchen wir, die Allgemeinen Sozialen Dienste suchen. Überall wird händeringend Personal gesucht, das diese Defizite auffangen kann.

An dieser Stelle bin ich immer wieder sehr irritiert. Sie kennen unsere Forderung. Wir fordern Wahlfreiheit für Eltern, die ein Kind haben, das unter drei Jahre ist, das gegebenenfalls auch zu Hause zu betreuen, wenn man es denn möchte.

(Zuruf von Marcel Hafke [FDP])