Protocol of the Session on March 12, 2020

Jetzt ist es ein bisschen sehr laut.

Marcel Hafke hat gerade wieder sehr verlässlich abgeliefert, wer hier eigentlich in den letzten Jahren die Verantwortung hatte. Um das noch einmal herauszuarbeiten: In den letzten 15 Jahren – das ist ungefähr der Zeitraum, über den wir reden, in dem es das KiBiz überhaupt gibt – hat die FDP, welch Wunder, acht Jahre regiert. Acht Jahre! Das ist mehr als die Hälfte der Zeit.

Wer trägt denn hier vor allem die Verantwortung dafür, dass wir ein unterfinanziertes System haben und ein Gesetz haben, das völlig gescheitert ist? Und wer trägt jetzt die Verantwortung dafür, dass auch die Reformschritte nicht diejenigen sind, die uns nach vorne bringen würden? – Es ist unter anderem die FDP, und es ist unter anderem die CDU. Das ist die Wahrheit. Die muss man dann auch einmal so ertragen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Das passt aber perfekt in die Lesart der weltbesten Bildung. Mittlerweile habe ich den Eindruck, dass im nächsten Wahlkampf auf den FDP-Plakaten stehen wird: Weltbeste Oppositionspartei in Regierungsverantwortung. – Denn anders kann man das, was Sie hier vorgetragen haben, Herr Hafke, nun wirklich nicht mehr einschätzen. Sie arbeiten sich ständig daran ab, was in den rot-grünen Jahren gewesen ist. An eigenen Initiativen kommt dann immer ein bisschen wenig.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Die Situation in unseren Kitas ist dramatisch. Das hat die Studie rund um den Kita-Leitungskongress noch einmal deutlich gezeigt. Wir haben allerdings auch schon mit unserem Antrag zum Thema „Fachkräfteoffensive“ vor zwei Jahren angemahnt, dass jetzt etwas passieren muss, weil die Lage dramatisch ist.

Laut der Studie des VBE fehlen 310.000 Fachkräfte in Deutschland bis 2025. Der Forschungsverbund DJI/TU Dortmund spricht sogar von knapp 330.000 fehlenden Fachkräften in Deutschland. Das macht doch deutlich, wie dramatisch die Situation ist.

Diese Zahl kann ich mir ja kaum vorstellen. Sie hat allerdings sehr reale Auswirkungen im Kita-Alltag. Das hat die Leitungsbefragung ja ergeben. 90 % der Kita-Leitungen antworten, dass sie in den letzten Monaten zumindest zeitweise zu wenig Personal in den Kitas hatten. Das ist dramatisch. Die Kita-Leitungen geben an, dass die Fachkraft-Kind-Relation im Grunde genommen flächendeckend nicht erreicht

wird, und zwar zu 96 % im U3-Bereich und 76 % im Ü3-Bereich. Das ist dramatisch. 69 % der Kita-Leitungen sprechen darüber hinaus von einer dauerhaften Arbeitsüberlastung, die für das Fachpersonal in den Kitas akut gesundheitsgefährdend ist. Die Situation ist also dramatisch.

Daher muss gehandelt werden, und zwar jetzt. Dann muss einmal mit diesem Ankündigungswahnsinn der schwarz-gelben Landesregierung Schluss sein.

(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Wir brauchen kein „Wir werden, wir machen, wir gucken, wir reden“, sondern ein „Wir machen“. Das haben Sie angekündigt. Jetzt hatten Sie drei Jahre Zeit. Es passiert herzlich wenig.

(Beifall von den GRÜNEN – Marcel Hafke [FDP]: Was wollen Sie denn?)

Sie hätten doch damals einfach auch einmal bei der Anhörung zu unserem Fachkräfteantrag zuhören können. Erstens haben wir Maßnahmen aufgeschrieben. Zweitens haben Ihnen die Fachleute in der Anhörung zu diesem Antrag ganz klar verdeutlicht, was man machen muss. Auch im gesamten Verfahren zum KiBiz haben Ihnen die Fachkräfte gesagt, was sie brauchen.

Was haben Sie nicht gemacht? Sie haben nicht zugehört, und Sie haben nichts davon in Ihre Reform aufgenommen.

(Beifall von den GRÜNEN – Marcel Hafke [FDP]: Was denn? Sagen Sie doch einmal, was!)

Da geht es darum, dass unser System auf Reserve läuft. Es läuft im Grunde genommen auf der allerletzten Reserve, und das zulasten des Personals. Es geht hier um ein Gesundheitsrisiko für das Personal.

(Zuruf von Marcel Hafke [FDP])

Am Ende des Tages geht es auch zulasten der Kinder. In dieser Studie wird doch noch einmal eindrücklich bestätigt, dass wir mittlerweile in einer Situation sind, die zu einem Sicherheitsrisiko wird.

Vor diesem Hintergrund würde ich einmal aufhören, mich in dieser selbstgerechten Haltung selbst zu feiern.

(Marcel Hafke [FDP]: Was wollen denn die Grünen?)

Schließlich ist es unsere Verantwortung, für das Personal gute Arbeitsbedingungen und vor allem für die Kinder qualitativ hochwertige Bedingungen in der frühkindlichen Bildung zu schaffen.

(Marcel Hafke [FDP]: Genau das machen wir!)

Es geht auf der einen Seite um die Fachkräftegewinnung. Es geht aber auf der anderen Seite auch darum, die Fachkräfte im System zu halten. Die Qualität

in der frühkindlichen Bildung hängt doch von guten Arbeitsbedingungen ab.

Da muss man einfach einmal konstatieren: Verbindliche Festschreibung der Fachkraft-Kind-Relation im KiBiz? Fehlanzeige! Das war eine klare Forderung. Sie haben sie nicht umgesetzt.

Die Personalbemessung tatsächlich am Kita-Alltag zu orientieren, den Bedarfen und Bedürfnissen Rechnung zu tragen sowie Fehlzeiten mit einzurechnen: Hat diese Landesregierung das gemacht? Nein, hat sie nicht. Das war eine klare Forderung.

Die Planungssicherheit für Träger, Personal und Eltern durch eine einheitliche Einrichtungsfinanzierung statt Kind-Pauschalen zu erhöhen: Hat diese Landesregierung das gemacht? Nein, hat sie nicht – und das alles jeweils zulasten von Trägern, Kindern und Fachpersonal.

Die Frage nach verbindlichem Gesundheitsmanagement ist in der Anhörung auch angesprochen worden. Es ist sehr deutlich gemacht worden, welche Bedarfe und welche Nöte das pädagogische Fachpersonal in den Kitas hat. Haben Sie darauf gehört? Nein, haben Sie nicht.

Das Gleiche gilt bei der Frage von Entlastungskräften. Wir brauchen Hauswirtschaftskräfte und Verwaltungskräfte im System, um das pädagogische Fachpersonal zu entlasten. Haben Sie das flächendeckend mit Ressourcen hinterlegt? Nein, haben Sie nicht.

Jetzt stellen Sie sich hierhin und sagen, mit Ihrem Gesetz komme mehr als das vage Prinzip Hoffnung, dass man oben Geld hineinkippt und unten vielleicht Qualität herauskommt. Das entspricht doch null Komma null der politischen Realität.

Das haben Ihnen auch die Menschen aus der Praxis sehr deutlich nahegebracht. Herr Dr. Maelzer hat es ja schon gesagt. Es gab 80.000 Unterschriften. Sie wollten sie nicht annehmen. Es gab eine große Demonstration. Mit den Demonstranten wollte der Minister nicht sprechen.

Der Kita-Leitungskongress sagt Ihnen sehr eindrücklich: Wir haben es endlich geschafft; wir sind mittlerweile an einer Spitzenposition in der Bildungspolitik angekommen. – Herzlichen Glückwunsch, schwarzgelbe Landesregierung! Unglücklicherweise ist es kein Platz an der Sonne. Wenn 88 % der Leitungskräfte sagen, dass sie mit den landespolitischen Bemühungen unzufrieden sind, dann ist es peinlich, an dieser Stelle einen Spitzenplatz zu belegen.

Aber das haben Sie geschafft. Nach drei Jahren eigener Regierungsverantwortung kann man nicht mehr behaupten, dies sei alles nur ein Zeugnis, das der früheren rot-grünen Landesregierung ausgestellt wurde.

(Zuruf von Marcel Hafke [FDP])

Nein, das ist Ihre verfehlte Kita-Politik. Es ist Ihre Verantwortung, dass die Bedingungen in unseren Kitas schlecht sind. Das werden Sie zu verantworten haben. Ich will Sie nur noch einmal daran erinnern, dass eine Legislaturperiode fünf Jahre lang ist. Wenn man nach drei Jahren nicht angefangen hat, wird die Zeit ausgesprochen knapp.

Die Kita-Leitungen haben Ihnen auch noch einmal gesagt, dass sie nicht glauben, dass Ihre Reform in der Lage ist, an der dramatischen Personalsituation und der Belastungssituation in den Kitas wirklich etwas zu ändern. Das sollte Ihnen mindestens jetzt zu denken geben. Steuern Sie dort nach. Das ist ein wichtiger Punkt. Denn es kommt auf die Erzieherinnen und Erzieher an. Die haben Sie bislang außer Acht gelassen. Holen Sie das nach.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin. – Für die Landesregierung spricht in Vertretung für Herrn Dr. Stamp Frau Ministerin Scharrenbach.

Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Die Kindertagesbetreuung lässt sich aus der Lebensrealität der jungen Familien sowohl in Nordrhein-Westfalen als auch in der Bundesrepublik nicht mehr wegdenken. Diese Familien haben zweifelsohne den Wunsch nach einer verlässlichen frühkindlichen Bildung und Betreuung für ihre Kinder.

Wir arbeiten deshalb weiter daran, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie die frühkindlichen Bildungsangebote in Nordrhein-Westfalen noch weiter zu verbessern.

Die frühkindliche Bildung hat im Besonderen seit Einführung des Rechtsanspruchs im Jahr 2013 erheblich an Bedeutung gewonnen. Kindertageseinrichtungen sind frühkindliche Bildungseinrichtungen. Sie ermöglichen es, Kinder von klein auf bestmöglich zu fördern. Genau deshalb besitzt die frühkindliche Bildung für die Landesregierung Nordrhein-Westfalen einen so hohen Stellenwert.

Mit der Reform des Kinderbildungsgesetzes, die zum kommenden Kindergartenjahr in Kraft tritt, beseitigen Land und Kommunen die strukturelle Unterfinanzierung der Kindertageseinrichtungen. Alleine dafür setzen Land und Kommunen jetzt gemeinsam jährlich zusätzlich rund 750 Millionen Euro ein. Damit steht den Trägern von Kindertagesbetreuung auch für den Personaleinsatz mehr Geld zur Verfügung.

Mit der Reform des KiBiz wird zudem das Gesetz zur Weiterentwicklung der Qualität und zur Teilhabe in der Kindertagesbetreuung umgesetzt. Rund die Hälfte der zur Verfügung stehenden Mittel fließt in qualitative Verbesserungen wie zum Beispiel die

zusätzliche finanzielle Förderung von Ausbildung und Fachberatung sowie die Verbesserung der Förderung von Familienzentren und plusKITAs.

(Beifall von Dr. Ralf Nolten [CDU])

Unser Ziel ist mehr Qualität für alle. Das heißt im Übrigen nicht zuletzt auch für uns: Wir sichern die Leitungszeit erstmals gesetzlich ab. Das ist in diesem Fall ein ganz wichtiges Pfund; denn sie ist für die Teams, aber auch für die gesamte Qualität in den Einrichtungen sehr wichtig.

Wir sind uns bewusst, dass die Leitungen und die Fachkräfte der Dreh- und Angelpunkt beim Thema „Kindertagesbetreuung und frühe Bildung“ und beim Thema „Qualität“ sind. Sie sind die tragenden Säulen in der frühkindlichen Bildung.

Daneben ist es der Landesregierung auch ein Anliegen, junge Familien von Gebühren zu entlasten. Deshalb wird ab dem kommenden Kindergartenjahr in Nordrhein-Westfalen ein zweites Jahr beitragsfrei werden.

Diese Maßnahmen in Nordrhein-Westfalen sind dauerhaft angelegt, obwohl das sogenannte Gute-KiTaGesetz nach derzeitigem Stand nur befristet bis 2022 gilt. Diese Landesregierung Nordrhein-Westfalen übernimmt daher Verantwortung über diesen Zeitpunkt hinaus.