Protocol of the Session on March 11, 2020

Großveranstaltungen können in aller Regel nicht so organisiert werden, dass Ansteckungen unterbleiben. Es ist deshalb geboten, sie zu verschieben oder abzusagen oder Sportereignisse wie Fußballspiele ohne Publikum stattfinden zu lassen. Deswegen habe ich einen entsprechenden Erlass auf den Weg gebracht.

Ich weiß, dass diese Frage kontrovers diskutiert wird. Ich möchte aber auf eines ganz deutlich hinweisen: Die Virologen unserer Universitätskliniken haben mich dringend gebeten, diesen Schritt jetzt zu tun, um die Ansteckungsgefahr zu verringern und dadurch Zeit zu gewinnen.

Ich bin immer für eine evidenzbasierte Gesundheitspolitik eingetreten. Bei dieser Leitlinie werde ich auch in der jetzigen Situation bleiben. Was international ausgewiesene Fachleute unseren Kliniken dringend anraten, darf und werde ich als Gesundheitsminister nicht ignorieren.

Am Montagabend habe ich mit den Oberbürgermeistern und den Vertretern der Städte mit Vereinen in der ersten und zweiten Bundesliga gesprochen. Es war ein konstruktives Gespräch. Ich bin froh, dass auch bei den Oberbürgermeistern der Städte, in denen die Bundesliga zu Hause ist, sehr viel Verständnis für diese Maßnahme aufgebracht wird.

Lassen Sie mich klar sagen: Wir werden die Krise nicht ohne Einschränkungen im öffentlichen Leben bewältigen.

Hier muss man unterscheiden zwischen dem, was notwendig ist, und dem, worauf man zur Vermeidung von Ansteckungsgefahren eine Zeit lang auch einmal verzichten kann.

Ich finde, dass auf Großveranstaltungen mit großen Menschenansammlungen in der jetzigen Situation verzichtet werden kann. Ich glaube, dass die allermeisten Menschen in unserem Land das verstehen. Es geht letztlich um Solidarität zwischen den Generationen. Wir wollen die Virusausbreitung verzögern, damit Ältere und Vorerkrankte besser geschützt und behandelt werden können.

(Beifall von der CDU und der FDP – Vereinzelt Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Viele Menschen werden von der Krise auch wirtschaftlich betroffen sein. Die Landesregierung wird weder Beschäftigte noch Firmen mit diesem Problem alleine lassen. Sie begrüßt die von der Regierungskoalition auf Bundesebene geplanten Maßnahmen zur Abfederung der Folgen für die Wirtschaft. Sie teilt das Ziel der Bundesregierung, aufgrund der Krise in finanzielle Schwierigkeiten geratene Unternehmen vor Insolvenzen zu schützen und Arbeitsplätze zu erhalten. Sie unterstützt die Pläne der Bundesregierung, den Bezug von Kurzarbeitergeld zu erleichtern und die vollständige Übernahme der Sozialversicherungskosten durch die Bundesagentur für Arbeit vorläufig zu ermöglichen.

Die Ausbreitung des Virus ist ein dynamisches Geschehen. Die Landesregierung nimmt eine tägliche Lagebewertung vor und wird ihre Maßnahmen an den Erfordernissen ausrichten.

Es sind häufig kurzfristige Entscheidungen erforderlich. Dabei sind Fehler auch nicht auszuschließen. Aber eines kann ich Ihnen zusichern: Ich nehme lieber in Kauf, dass es einmal rumpelt, als dass ich etwas unterlasse, was für richtig gehalten wird, weil es noch nicht tagelang von allen Seiten durchleuchtet wurde.

Ich bin froh, dass die Coronaepidemie nicht zum Spielball parteipolitischer Auseinandersetzungen gemacht wurde.

(Beifall von der CDU und der FDP – Vereinzelt Beifall von der SPD, den GRÜNEN und der AfD)

Ich werde weiterhin den Landtag offen und transparent informieren. Dazu gehört für mich selbstverständlich, dass ich die Obleute der Fraktionen im Gesundheitsausschuss persönlich über die aktuelle Lage unterrichte.

Für die gute Zusammenarbeit mit den Fraktionen des nordrhein-westfälischen Landtages möchte ich mich in diesem Zusammenhang ganz herzlich bedanken.

(Beifall von der CDU, der FDP und den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD und der AfD)

Ich danke Herrn Minister Laumann. – Nun eröffne ich die Aussprache und erteile als erstem Redner für die Fraktion der SPD Herrn Abgeordneten Kutschaty das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Die Coronapandemie verunsichert ganz viele Menschen in unserem Land. Viele haben Angst, sich zu infizieren, zu erkranken oder gar zu sterben. Insbesondere die sogenannten Risikogruppen – Lungenerkrankte, ältere Menschen – sind in großer Sorge.

Ich darf vorab sagen: Wir sind solidarisch mit allen Menschen, die im Augenblick Sorgen haben. Wir wollen sie gemeinsam, denke ich, nicht alleine lassen und allen auch bestmöglich helfen.

(Beifall von der SPD, der CDU, der FDP und den GRÜNEN)

Deswegen dürfen wir hier weder etwas dramatisieren noch etwas verharmlosen. Es geht jetzt darum, Schwachstellen aufzudecken: Was ist bislang gut gelaufen? Wo kann man etwas optimieren und verbessern? Ich glaube, da sitzen wir alle gemeinsam in einem Boot. Wir müssen aber auch schauen: Was ist jetzt noch zu tun? Welche Maßnahmen stehen uns möglicherweise in den nächsten Tagen noch bevor? Auch darüber sollten wir hier diskutieren.

Wenn ich gleich das eine oder andere an Verbesserungsvorschlägen und an Kritikpunkten vortrage, bitte ich, das nicht als persönliche politische Wertung zu betrachten. Es ist uns nämlich ein ganz wichtiges Anliegen, zu schauen, wie wir die Menschen am besten schützen können und was bislang vielleicht noch optimierungsbedürftig ist.

Eine solche Pandemie kann man natürlich nie planen und nicht vorhersehen. Das ist völlig klar. Ich will aber daran erinnern, dass wir im Jahre 2007 die erste und bislang letzte bundesweite Pandemieübung in Deutschland hatten. Es war eine große Simulation einer Pandemie. In einem 53-seitigen Abschlussbericht wird aufgeführt, was alles getestet worden ist. Er geht der Frage nach, was man in einer vergleichbaren Situation wie jetzt unternehmen soll.

Dieser Bericht ist übrigens nie veröffentlicht worden, weil das Ergebnis dieser Untersuchung ein Desaster war. Vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe wurden massive Schwachstellen,

Defizite und Missverständnisse festgestellt. Teilweise war man unfähig, Entwicklungen vorherzusagen und vorausschauende strategische Entscheidungen zu treffen. Vieles wurde schleppend oder gar nicht in Angriff genommen. Daten fehlten auch tatsächlich. Bundesländer sprachen sich unzureichend ab. Kommunen hat man in vielen Bereichen tatsächlich alleine gelassen.

Das war im Jahre 2007. Übrigens: Derjenige, der diese Pandemieübung im Jahre 2007 von Anfang an bis zum Ende mitgemacht hat, waren Sie, Herr Minister Laumann.

Jetzt habe ich frei aus diesem Übungsbericht von damals zitiert. Man könnte meinen, dass Teile davon im Jahr 2020 tatsächlich vorhanden sind. Wir müssen uns schon fragen: Hat man zum richtigen Zeitpunkt reagiert und die entsprechenden Maßnahmen auch ergriffen?

Am 24. Januar gab es die ersten bestätigten Fälle in Frankreich, am 30. Januar die ersten Fälle in Deutschland. Welche Vorbereitungen hat die Landesregierung getroffen?

Das Robert Koch-Institut hat bereits am 13. Februar eine Veröffentlichung herausgegeben, in der es heißt:

„Die globale Entwicklung legt nahe, dass es zu einer weltweiten Ausbreitung des Virus im Sinne einer Pandemie kommen kann. Aber auch in Ländern wie Deutschland könnte dies zu einer hohen Belastung der medizinischen Versorgung führen.“

Das war am 13. Februar, also vor einem Monat, meine Damen und Herren.

Doch statt aktiv zu werden, Herr Laumann, haben Sie damals versucht, die Sache doch eher kleinzureden. Am 25. Februar – das ist gut zwei Wochen her – haben Sie noch der „NRZ“ gesagt:

„Wenn ein Fall oder mehrere Fälle im Land auftreten sollten, sind wir darauf gut vorbereitet.“

Diese Aussage vor zwei Wochen war meiner Ansicht nach ein Irrtum, Herr Kollege Laumann.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Schlauberger! – Weitere Zurufe von der CDU)

Sie mussten schon eine Woche später erklären, dass Sie in vielen Bereichen gar nicht vorbereitet waren: im Bereich Mundschutz, im Bereich Desinfektionsmittel. Gute Vorbereitung war das also nicht.

(Karl-Josef Laumann, Minister für Arbeit, Ge- sundheit und Soziales: Das ist nicht wahr!)

Das sei nicht wahr, sagen Sie jetzt. Das, was Sie als Erstes gemacht haben, Herr Laumann, war doch, die Ärzte und Krankenhäuser zu kritisieren und zu

sagen, sie hätten nicht ausreichend Vorsorge getroffen. Das war Ihre Antwort darauf. Das passt doch nicht in dem entsprechenden Bereich.

(Vereinzelt Beifall von der SPD – Widerspruch von der CDU)

Ich bin ja sehr froh, wenn Herr Laumann sagt, dass er jetzt 1 Million Masken bestellt hat. Das haben Sie auch im Gesundheitsausschuss erklärt. Das ist ja auch gut und richtig. Sagen Sie aber bitte auch, dass im Augenblick nur maximal 20.000 Masken ankommen. Somit ist tatsächlich ein Notstand da.

Wenn Sie sich morgen mit der Industrie treffen wollen, um zu untersuchen, wie Sie mehr Masken bekommen können, muss man sich schon die Frage stellen, Herr Laumann: War nicht bereits vor einigen Wochen vorhersehbar, dass solche Dinge nicht lieferbar sind?

(Daniel Sieveke [CDU]: Ja, super! – Zuruf von der CDU: Besserwisser! – Weitere Zurufe von der CDU)

Regen Sie sich doch nicht auf. Wir schauen doch gerade, was in diesem Bereich zu optimieren ist. Lassen Sie uns doch einmal überlegen, was in diesem Bereich zu optimieren ist.

(Zuruf von Armin Laschet, Ministerpräsident – Unruhe – Glocke)

Herr Laschet, zu Ihnen komme ich gleich auch noch.

(Armin Laschet, Ministerpräsident: Das ist der Lage nicht angemessen!)

Aber sicher ist das der Lage angemessen.

Wir müssen tatsächlich sehen, wie wir mit bestimmten Bereichen umgehen, in denen im Augenblick noch eine große Unsicherheit herrscht.

Einen Bereich haben Sie jetzt ausgelassen, Herr Laumann. Aber ich schaue einmal Frau Gebauer an. Im Schulbereich gibt es auch eine ganze Menge Verunsicherung. Auch da müssen wir sehen, wie man Schülerinnen und Schüler oder Eltern entsprechend darauf vorbereiten kann.

Ich will nur einmal ein Beispiel aus dem Schulalltag in Nordrhein-Westfalen schildern. Das soll jetzt kein Vorwurf sein,