Protocol of the Session on March 11, 2020

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Über Wohnungslosigkeit haben wir uns vor zwei Anträgen bereits miteinander ausgetauscht. Ich gebe Herrn Klocke recht und sehe es genauso, dass man das hätte zusammen behandeln können. Deswegen möchte ich auf die vielen Hintergründe zur Wohnungslosigkeit, auf die vielen Ursachen gar nicht mehr eingehen, sondern mich vielmehr auf einen anderen Punkt konzentrieren.

Wenn die Grünen im Land oder im Bund über die Wohnungsnot sprechen, dann möchte man Ihnen eigentlich immer gleich zu Beginn zurufen: Sprecht mit euren Parteifreunden in der Kommune. Denn es blockieren bekanntlich kaum Politiker so leidenschaftlich Neubauten wie grüne Lokalpolitiker. Mal ist es die Blumenwiese, mal sind es Eugen und Waldemar, die beiden Bäume, die für so eine blöde Mietskaserne gefällt werden müssten, mal ist der Neubau nicht nachhaltig begrünt, behindertengerecht, ökologisch oder genderneutral genug oder alles zusammen. So werfen sie Investoren Steine in den Weg, noch bevor überhaupt der erste Stein verlegt wurde. Neuer Wohnraum für Menschen, die händeringend eine Wohnung suchen, entsteht so natürlich nicht.

Letztlich bleibt als Dreh- und Angelpunkt bei der Bekämpfung der Wohnungslosigkeit bezahlbarer Wohnraum. Ihre Vorstellungen verteuern, verkomplizieren, bürokratisieren und schrecken letztlich auch Investoren ab. Da hilft es auch nicht, den zehnten Antrag zu dem Thema „Wohnungslosigkeit“ zu stellen, wenn Sie Ihre eigene Basis nicht davon überzeugt bekommen, dass man ab und an auch Wohnungen bauen muss.

Daher werden wir Ihren Antrag heute ablehnen. – Vielen Dank.

(Beifall von der AfD)

Vielen Dank, Herr Kollege – Für die Landesregierung hat Minister Laumann das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, die Debatte heute hat gezeigt, dass wir in dieser Frage im Kern nicht sehr weit auseinanderliegen.

Sprechen wir über einen Schwerpunkt des Antrages der Grünenfraktion. Das ist unter anderem die Wohnungslosigkeit von Frauen. Wir müssen feststellen, dass es uns gemeinsam in den letzten Jahren gelungen ist, dies überhaupt zu einem Thema zu machen. Viele Jahre wurde so gut wie gar nicht darüber geredet, weil die Wohnungslosigkeit von Frauen bei Weitem nicht so sichtbar ist wie die Wohnungslosigkeit von Männern. Und dass es sich bei obdachlosen

Frauen um eine besonders verletzliche Gruppe handelt, steht außer Frage.

Deswegen ist es richtig, dass wir einen Teil der Möglichkeiten, die wir hier haben, ganz bewusst für eine ganze Reihe von Modellprojekten, die auf dieses Thema zugeschnitten sind, einsetzen und sie fördern.

Klar ist auch, dass wohnungslose junge Menschen eine besonders verletzbare Gruppe sind. Hier fördern wir Modellprojekte, die sich um junge Menschen kümmern, die wohnungslos sind, weil sie erhebliche psychische Probleme haben.

Daneben gibt es eine neue Gruppe, nämlich obdachlose Menschen, die alt sind, die Pflege brauchen. Auch für diese machen wir Modellprojekte, um dieser Szene so weit zu helfen, wie die finanziellen Mittel ausreichen.

Das Modellprojekt „Housing First“ wird selbstverständlich von uns nicht nur evaluiert, sondern eine Weiterführung wird auch sehr wohlwollend geprüft. Ich denke, dass wir zu einer Weiterführung kommen.

Was das Bauen angeht, will ich nur noch einmal darauf hinweisen, dass wir in den Jahren 2017 bis 2019 Fördermittel von insgesamt 2,7 Milliarden Euro bewilligt haben. Damit hat das Land im Jahr 2019 rund 8.513 Wohneinheiten gefördert. Bauen hilft natürlich am meisten, Wohnungslosigkeit zu bekämpfen.

Aber wir wissen auch, dass vor allem in den Ballungsgebieten das Bauen deswegen nicht vorankommt, weil uns schlicht und ergreifend Flächen fehlen. Das Problem ist nicht, Investoren zum Bauen zu finden, sondern besteht darin, dass keine Bauplätze zur Verfügung gestellt werden. Das hat natürlich auch ein bisschen damit tun, dass wir sieben Jahre lang eine sehr restriktive Landesplanung hatten, was das Ausweisen von Baugebieten angeht. – Schönen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU und der FDP – Zurufe von der SPD)

Vielen Dank, Herr Minister. – Es liegen mir keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales empfiehlt in Drucksache 17/8811, den Antrag Drucksache 17/3031 abzulehnen. Wir kommen somit zur Abstimmung über den Antrag Drucksache 17/3031 selbst und nicht über die Beschlussempfehlung. Wer möchte zustimmen? – Das sind die SPD und die Grünen. Wer stimmt dagegen? – Das sind CDU, FDP, AfD und der fraktionslose Abgeordnete Neppe. Damit ist der Antrag Drucksache 17/3031 abgelehnt.

Ich rufe auf:

11 Verbesserte Entgeltfortzahlung für Eltern bei

persönlicher Betreuung kranker Kinder

Antrag der Fraktion der AfD, Drucksache 17/8771

Ich eröffne die Aussprache und erteile Frau Dworeck-Danielowski für die AfD-Fraktion das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben heute Vormittag schon relativ lange darüber gesprochen: Das Coronavirus stellt unsere Gesellschaft vor eine große Herausforderung. Dabei stehen wir noch am Anfang der Pandemie. Das Virus entwickelt eine bisher unkalkulierbare Dynamik.

Besonders betroffen ist hier in Nordrhein-Westfalen der Kreis Heinsberg. Sämtliche Kindergärten und Schulen im Kreis Heinsberg sind bereits temporär geschlossen worden. Die Empfehlung des Virologen Alexander Kekulé lautet, alle Schulen und Kindergärten in Deutschland für zwei Wochen zu schließen, um die Coronapandemie einzudämmen.

Das ist natürlich eine außergewöhnliche Situation, die Eltern vor eine weitere Herausforderung stellt. Das bedeutet, dass zu den Krankentagen der Kinder wegen der herkömmlichen Infekte und Kinderkrankheiten für die Eltern weitere Fehltage wegen der Coronapandemie hinzukommen können. Alleine bei einer zweiwöchigen Quarantäne sind das zehn zusätzliche Fehltage. Wie sollen arbeitende Eltern damit umgehen, wenn ihnen nur 20 Tage Kinderkrankenpflegegeld zur Verfügung stehen und jegliche Lohnersatzleistungen wegfallen?

Da die Betreuung durch Großeltern wegen der Infektionsgefahr ausfällt – im Übrigen betrifft das nicht nur das Coronavirus oder den Coronaverdacht –, könnten Eltern dann natürlich Urlaub nehmen. Viele berufstätige Eltern verbrauchen ohnehin einen Großteil ihrer Urlaubstage, um die Schließtage der Kita oder der OGS auszugleichen. Spätestens mit dem Coronavirus werden mehr und mehr Eltern an die Grenzen ihrer persönlichen und besonders ihrer finanziellen Belastbarkeit gelangen.

Das Coronavirus ist also eine Art Stresstest für unser System und zeigt, wie mangelhaft die bisherigen gesetzlichen Regelungen sind. Bemerkenswert an den Regeln ist ohnehin, dass die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall des Kindes im Tarifvertrag oder im Arbeitsvertrag abbedungen werden kann. Das hat die Gewerkschaft bisher offenkundig noch nie besonders gestört.

Die Ungleichbehandlung zwischen dem Krankengeld für Arbeitnehmer und für dessen Kinder führt zu einer strukturellen Benachteiligung von Eltern. Eltern, die ihren Urlaub beispielsweise für die Betreuung ihrer

kranken Kinder einsetzen, haben weniger echten Erholungsurlaub, der zur Rehabilitierung und zum Erhalt der eigenen Arbeitskraft gedacht ist.

Mit 20 bezahlten Fehltagen pro Kleinkind werden auch ohne Coronavirus nur sehr wenige Eltern auskommen, insbesondere Eltern von Kleinkindern. Besonders bemerkenswert ist allerdings, dass nach § 45 Abs. 2 SGB V für das dritte Kind nur noch fünf Tage Kinderkrankenpflegegeld vorgesehen sind, und für das vierte Kind gibt es keinen einzigen Tag mehr. Hier werden Eltern also regelrecht bestraft, wenn sie sich für ein drittes Kind entscheiden. Ein viertes Kind wiederum ist gesetzlich nicht vorgesehen. Es darf keinen einzigen Tag krank sein.

In Gesprächen mit zahlreichen Müttern kleiner Kinder ist dieser Missstand häufig Thema. Eine Bindehautentzündung, zwar kein gefährlicher Infekt, aber sehr ansteckend, bringt Eltern schon bei einer Reinfektion, was häufig in der Kita oder eben mit den Geschwisterkinder passieren kann, in Schwierigkeiten. Oder es belastet die Eltern, wenn das Kind morgens mit Fiebersaft gepimpt wird, damit es bloß in der Kita morgens angenommen wird, um nicht schon wieder auf der Arbeit auszufallen. Es ist das schlechte Gewissen, weil die Eltern genau wissen: Eigentlich bräuchte der kranke Hase noch Tage der Rekonvaleszenz zu Hause. – Schnell wird da zur Notlüge gegriffen, und ein Elternteil meldet sich dann eben lieber selber krank.

Die Kinder kommen immer früher für eine immer längere Zeit in die Kita. In der Regel sind beide Elternteile berufstätig. Gerade in den ersten Jahren kommt es zu zahlreichen Infekten und Unpässlichkeiten. Wenn Sie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ernst meinen, dann muss auch diesem Umstand Rechnung getragen werden.

Der Bezug von Kinderkrankengeld ist zuletzt auch ein erheblicher finanzieller Verlust. Wenn wir immer wieder vom Wohl des Kindes sprechen, dann sollten wir auch Bedingungen schaffen, die es jedem kranken Kind ermöglichen, zu Hause in Ruhe zu genesen, so wie es jedem Erwachsenen auch möglich ist.

Berufstätige Eltern vollbringen täglich einen Spagat: einerseits die liebevolle Fürsorge für die Kinder, andererseits einen guten Job machen und seinem Arbeitgeber gerecht werden.

Berufstätige Eltern haben täglich ein strammes Programm vor der Brust. Wir sprechen zu späterer Stunde noch im Rahmen eines Antrags zur Care-Arbeit dazu.

Wir wünschen uns, Eltern und Kinder an dieser Stelle zu entlasten. Kranke Kinder brauchen Fürsorge. Wer sich um seine kranken Kinder zu Hause kümmert – was auch im Sinne der Kita ist –, darf nicht bestraft werden.

Die zeitliche Begrenzung auf 10 bzw. 20 Krankentage im Jahr ist willkürlich. Wer Mütter und Väter beschäftigt, hat gegebenenfalls ohnehin einen Ausfall der Arbeitskraft zu überbrücken. Angesichts dieses Wissens haben insbesondere Alleinerziehende schlechtere Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Eine Lösung, die den Arbeitgeber nicht weiter belastet, könnte somit einen positiven Effekt insbesondere für Alleinerziehende haben. Völlig unabhängig von Corona besteht hier Handlungsbedarf.

Die bisherigen Regelungen sind nicht mehr zeitgemäß, und sie berücksichtigen die veränderte Lebensrealität von Eltern nicht. In diesem Sinne freue ich mich auf die Debatte und später auf die Beratung im Ausschuss. – Vielen Dank.

(Beifall von der AfD)

Vielen Dank, Frau Kollegin. – Für die CDU-Fraktion hat Herr Kamieth das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir beraten den Antrag der AfD-Fraktion „Verbesserte Entgeltfortzahlung für Eltern bei persönlicher Betreuung kranker Kinder“, also den Antrag einer Fraktion, die gerne etwas für kranke Kinder und ihre Eltern tun will. Der geneigte Leser fragt sich entsprechend: Wer könnte wohl etwas dagegen haben? Wer könnte etwas dagegen haben, etwas für Eltern und deren kranke Kinder tun zu wollen?

(Sven Werner Tritschler [AfD]: Die CDU wahr- scheinlich!)

Meine Damen und Herren, das ist der Antrag einer Fraktion, die vorgibt, etwas für Eltern und deren kranke Kinder tun zu wollen. Gleichzeitig handelt es sich aber auch um die Fraktion, die noch vor wenigen Tagen – wir erinnern uns eindrücklich daran – ein sogenanntes Malbuch herausgegeben hat, eine niedlich daherkommende Hetzschrift, die in der Nachkriegsgeschichte dieses Landes ihresgleichen sucht.

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Die Reaktionen der Öffentlichkeit auf dieses perfide Pamphlet waren mehr als eindeutig. Geschürt werden Vorurteile, Fremdenfeindlichkeit und – nennen wir das Kind beim Namen – handfeste rassistische Klischees.

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Erinnern wir uns auch an die – natürlich, wie es bei der AfD so oft vorkommt, zurückgenommene – Reaktion des AfD-Fraktionsvorsitzenden Markus Wagner, der sagte: Wir erhöhen die Auflage.

Genau das ist der Punkt, zu dem ich als Erstes kommen möchte. Sie geben vor, für Eltern und für kranke

Kinder Partei zu ergreifen. Tatsächlich tragen Sie Hetze, Hass und Rassismus, schwarz auf weiß gedruckt, in die Familien unseres Landes und in Kinderhände. Genau diese Janusköpfigkeit der AfD im Allgemeinen und der AfD-Fraktion in diesem Hohen Hause im Besonderen gilt es immer wieder zu enttarnen.

(Vereinzelt Beifall von der CDU – Beifall von der SPD und den GRÜNEN)