Protocol of the Session on March 11, 2020

Unser Dank gilt insbesondere auch den Ärztinnen und Ärzten, den Pflegekräften sowie allen Menschen, die sich für die Patientinnen und Patienten einsetzen und daran mitarbeiten, das Coronavirus einzudämmen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Sie leisten unter Hochdruck eine hervorragende Arbeit. Dafür möchten wir ihnen ausdrücklich unseren Dank aussprechen.

Meine Damen und Herren, es geht darum, das Infektionsrisiko zu minimieren. Ein eindeutiges Krisenmanagement mit geeigneten und angemessenen Maßnahmen ist wichtig und notwendig, damit die Ausbreitung des Virus möglichst eingedämmt, zumindest verlangsamt wird und vor allem das Vertrauen der Menschen in das Gesundheitssystem bestehen bleibt. Die gute medizinische Versorgung ist dabei selbstverständlich gewährleistet.

Um genau dieses Vertrauen zu behalten, ist jetzt sicherlich nicht der geeignete Zeitpunkt, um Strukturdebatten zu führen. Die damit verbundenen Veränderungsmechanismen würden zu einem Vertrauensverlust führen.

Es ist notwendig, die Infektionsketten zu unterbrechen. Dazu gehört, Quarantäne schon dann anzuordnen, wenn es Kontakt mit einem Infizierten gegeben hat, auch ohne dass es zu Symptomen gekommen ist. Denn auch ein Negativtest ist kein sicherer Beleg dafür, dass man während der Inkubationszeit nicht doch noch krank wird.

Das bedeutet, dass sämtliche ordnungsrechtlichen und medizinischen Maßnahmen nach Lage der Dinge und auf Grundlage des Infektionsschutzgesetzes und der Richtlinien des Robert Koch-Instituts flexibel entschieden und angepasst werden müssen. Wir haben hier ganz strenge Regeln.

Dieser Aufgabe kommen unsere zuständigen Behörden – die Ministerien, die Gesundheitsämter und die Ordnungsbehörden – seit Auftreten des ersten Coronafalles in verantwortungsvoller Weise nach.

Es ist nunmehr auch per Erlass geregelt, dass Veranstaltungen mit mehr als 1.000 Besuchern grundsätzlich abgesagt werden müssen. Damit ist Rechtssicherheit für 53 Gesundheitsämter im Land hergestellt. Der Städtetag NRW wird den Kommunen hierzu konkrete Handlungsempfehlungen an die Hand geben. Bei kleineren Veranstaltungen entscheiden weiterhin die Polizeibehörden vor Ort über die Verhängung von Quarantänen, den Verzicht auf Veranstaltungen und dergleichen.

Meine Damen und Herren, wenn die Opposition hier ein einheitliches Vorgehen fordert, dann stellt sich

sehr wohl die Frage, warum zum Beispiel der Oberbürgermeister von Düsseldorf – SPD – die Maßnahmen als willkürlich bezeichnet und nicht akzeptieren will.

(Beifall von der CDU und der FDP – Karl-Josef Laumann, Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales: Er ist auch der Einzige in Deutsch- land!)

Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass es sich hier um Maßnahmen handelt, die sich auf Veranstaltungen beziehen, die man nicht notwendigerweise besuchen muss, sondern freiwillig besucht.

Die Coronasituation stellt uns alle – wir haben es gehört – vor große Herausforderungen. Die enorme Ausbreitungsgeschwindigkeit des Virus, die Anfälligkeit für Infektionen in einer globalisierten Welt, das zum Teil panische, hysterische, aber auch gelassene, vielleicht sogar unbekümmerte Verhalten der Menschen, das bewusst oder unbewusst rücksichtslose Verhalten mancher Zeitgenossen – Hamsterkäufe, Diebstähle von Desinfektionsmitteln oder zehnmaliges Schniefen in ein und dasselbe Taschentuch – zwingen uns zu mehr Aufklärung, zu mehr Eigenverantwortung, zu Solidarität und Verantwortung gegenüber anderen, insbesondere erkrankten und immungeschwächten Menschen.

(Vereinzelt Beifall von der CDU – Beifall von Henning Höne [FDP])

Das zwingt uns aber eben auch zu staatlichem Handeln, das wir so bisher noch nicht gekannt haben. Die Eignung, Angemessenheit und die Verhältnismäßigkeit von Maßnahmen und Zuständigkeiten müssen neu definiert werden – nach der Krise.

Die steigenden Zahlen von Coronainfektionen führen uns vor Augen, dass wir Menschen in unserer Geschichte schon immer – erst recht im Zeitalter der Globalisierung – anfällig für Infektionskrankheiten waren und sind. Schweinegrippe, Asiatische Grippe, Hongkong-Grippe, SARS und jetzt Corona sind hierfür einige Beispiele.

Immer wieder müssen sich die Menschen, die Medizinwissenschaft und die Arzneimittelforschung darauf einstellen, und sie werden sich auch in Zukunft mit mutierten Viren und neuen, bisher nicht da gewesenen Infektionen auseinandersetzen müssen.

Dass das so ist, bedeutet keinen Mangel staatlichen Handelns, sondern ist sozusagen in der Natur der Sache begründet. Ordnungspolitische Instrumente oder Handlungen können die Ausbreitung von Viren verlangsamen – und genau das ist jetzt geboten –, aber letztlich nicht gänzlich verhindern. Es kommt darauf an, Zeit zu gewinnen, um die bereits erkrankten Patientinnen und Patienten optimal behandeln zu können und der Wissenschaft Zeit zu geben, Impfstoff und Medikamente zu entwickeln.

Die Coronasituation hat auch das Bewusstsein dafür geschaffen, wie man sich selbst oder andere durch Hygienemaßnahmen, Kontaktvermeidung oder durch Verzicht auf Teilnahmen an Veranstaltungen schützen kann. Im Falle einer Ansteckung sollte man sich so verhalten, wie man es bei einer normalen Influenza auch tun würde: zu Hause bleiben, Bettruhe halten, Kontakte vermeiden und nicht zur Schule oder zur Arbeit gehen, um niemanden anzustecken.

Die Coronasituation wird im Übrigen – lassen Sie mich das abschließend sagen – die Arbeitswelt verändern, aber auch Veränderungsprozesse vorantreiben. Wir werden dann über die Rahmenbedingungen sprechen müssen, zum Beispiel über Lohnfortzahlungen nicht erst bei Erkrankungen, sondern schon bei Verdachtsfällen.

Außerdem wird es beispielsweise um folgende Frage gehen: Wer kümmert sich um die Kinder, wenn die Kitas oder Schulen geschlossen werden müssen?

Ich denke auch an die Digitalisierung am Arbeitsplatz, an Homeoffice, an den Gesundheitsbereich,

(Zuruf von Wolfgang Jörg [SPD])

an den Einsatz von Telemedizin oder an den elektronischen Austausch von Gesundheitsdaten. Der digitale Fortschritt wird uns sicher helfen, die gesellschaftlichen oder wirtschaftlichen Folgen einer Epidemie abmildern zu können.

Diese Diskussion werden wir nicht heute führen,

(Sven Wolf [SPD]: Wann denn dann?)

wir werden sie in Zukunft aber führen müssen. Für heute gilt: Die Behörden reagieren richtig. Unser Gesundheitssystem ist auch in der aktuellen Situation gut aufgestellt und genießt unser Vertrauen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erteile ich dem Abgeordneten Mostofizadeh das Wort.

Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir stehen am Anfang oder im fortgeschrittenen Stadium einer Epidemie. Einiges liegt wahrscheinlich noch vor uns. Mit den Hinweisen auf Italien und dass wir das alles besser machen könnten, wäre ich vorsichtig. Wir sollten sehr genau auswerten, was da richtig und was falsch gemacht worden ist.

Ich habe in den vergangenen Tagen mit sehr vielen Ärztinnen und Ärzten, Virologinnen und Virologen und Pflegekräften gesprochen. Alle sagen – zumindest alle, mit denen ich gesprochen habe –: Wir müssen lernen.

Wer jetzt meint, das Patentrezept auf dem Tisch liegen zu haben,

(Beifall von den GRÜNEN, der CDU und der FDP)

den kann ich nicht ganz ernst nehmen.

Deswegen, Herr Minister, sage ich ausdrücklich: Sie haben uns an Ihrer Seite, wenn es darum geht, vernünftige Kommunikation zu betreiben, den Krisenstab – oder wie auch immer das Gremium im Zweifel heißt – auszustatten, Geld bereitzustellen und Strukturen zu festigen oder auszubauen.

Ich will auch sehr deutlich sagen: Wenn es bei der Frage nach Testungen, nach der Ausstattung einzelner Institutionen, beispielsweise Callcentern, oder danach, wie beispielsweise in einem Kreis Fahrten nach Hause gewährleistet werden können, am Geld scheitern sollte, kann das nicht der Ernst dieses Landtags sein.

(Beifall von Daniel Sieveke [CDU])

Ich vermute aber, dass alle Fraktionen mit unterwegs sind, hier zu unterstützen. Das heißt nicht, dass man Geld zum Fenster rauswerfen sollte. Man sollte aber die Bereitschaft zeigen, für vernünftige Maßnahmen den Kopf hinzuhalten und das bereitzustellen, was notwendig ist, was wir in der jeweiligen Situation für notwendig halten, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall von den GRÜNEN, der CDU und der FDP)

Dann komme ich darauf zurück, wie Sie Ihre Rede und Unterrichtung heute aufgebaut haben, was Sie als Analyse auf den Tisch legen. Das teilen wir in wesentlichen Teilen ausdrücklich. Wenn wir Infektionsraten von 60 % bis 70 % der Bevölkerung zu befürchten haben, wenn nichts passiert, dann stellen sich schon die Fragen: Wann passiert das? Mit welchem Verlauf passiert das? Wer kommt wohin?

Wenn ich mir die Situation in den Krankenhäusern angucke, dann ist es im Moment so, dass 80 % der Betten auf den Isolierstationen oder auch in den Behandlungsbereichen von Menschen mit Influenza belegt sind. Das wird sich ohnehin ein Stück weit auflösen.

Aber die Frage ist auch: Welche Personen müssen ins Krankenhaus und welche nicht? Deswegen teilen wir Ihre Auffassung, dass Menschen, die nur Verdachtsfall sind – die sowieso –, und die, die einen relativ überschaubaren Verlauf haben, auch zu Hause behandelt werden können.

Allerdings fangen auch da schon erste Fragen an, beispielsweise bei der Testung. Müssen die Testungen in den Arztpraxen durchgeführt werden? – Nein, da sind wir uns einig. Können sie auch zu Hause durchgeführt werden? Von wem können sie durchgeführt werden?

Damit komme ich zu einem aus meiner Sicht ganz zentralen Punkt für Nordrhein-Westfalen. Gleich gehe ich auch noch mal auf den Föderalismus ein und warum ich ihn trotzdem oder erst recht für gut halte. Das vorweggesagt: Alle rufen immer nach einer starken, nach einer ordnenden Hand. Was passiert denn, wenn genau diese eine ordnende Hand falsch ordnet und falsch handelt? Manchmal ist es doch gut, wenn dann unterschiedliche Konzepte miteinander streiten.

Herr Minister, da hätten wir vielleicht die erste Nuance, die uns trennt. Bei der Frage der Großveranstaltungen schien es mir der Druck aus anderen Ländern zu sein, der auch Nordrhein-Westfalen dazu gebracht hat, diese Entscheidung zu treffen, die ich ausdrücklich für richtig halte. Deswegen ist der Föderalismus nicht falsch, sondern kann auch förderlich sein, um eben richtige Entscheidungen zu treffen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Worauf ich hinaus will, ist aber die Frage der Kommunikation. Da sind wir ausbaufähig. Ich glaube, wir brauchen eine Plattform in Nordrhein-Westfalen, auf die man zugreifen kann, die alle wichtigen Informationen zur Hygiene geben kann, alle wichtigen Hinweise dazu aufweist, wie man sich zu verhalten hat, wie man auch – da stimmen die Beteuerungen aus meiner Sicht nicht mehr so ganz – schnell an Testtermine und anderes kommen kann.

Die 116117 ist definitiv überlastet. Ich habe jetzt mehrfach Berichte darüber bekommen, dass Menschen minuten- und stundenlang in der Hotline hängen. Auch die Callcenter, die es im Einzelnen gibt, sind von der Qualität her unterschiedlich.

Deswegen würde ich mir wünschen, dass wir alle wichtigen Informationen auf einer Plattform haben, die sich nach unten hin aufteilt, auf der die Informationen sind: Fällt die Schule aus, fällt sie nicht aus? Welche Maßnahmen werden in dem jeweiligen Bereich getroffen? Welche Stelle ist zuständig? Was passiert im Einzelnen? Das ist eine Anregung, die ich in diesem Zusammenhang geben möchte.

Ein wichtiger Punkt, Herr Minister, ist die Frage: Wer ist am meisten zu schützen? Wir teilen ausdrücklich die Forderung, dass die sogenannten vulnerablen Gruppen zu schützen sind. Da müssen wir in den nächsten Tagen über die Maßnahmen reden. Dass wir das tun müssen, ist das eine, wie es funktioniert, das andere.