Fangen Sie an, sich Gedanken darüber zu machen, was in solchen Fällen passiert. Das ist in jedem Strategiepapier der AfD, das seit Herbst 2015 öffentlich geworden ist, erklärt worden. Machen Sie sich darüber Gedanken.
Eines, Herr Laschet, will ich Ihnen auch sagen – das hat eine gewisse Ironie –: Seien Sie Herrn Blex dankbar, der das damals verhindert hat; denn Ihre Chancen, Kanzler zu werden, stünden heute möglicherweise schlechter.
(Michael Hübner [SPD]: Er ist dann nach Sy- rien gefahren! – Nadja Lüders [SPD]: Man muss nicht alle Geschenke annehmen!)
Herrn Blex gebührt die zweifelhafte Ehre, in der AfD erklären zu müssen, warum Herr Laschet jetzt der aussichtsreichste Kandidat für das Kanzleramt ist. Herzlichen Glückwunsch!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es kann keinen liberalen Ministerpräsidenten geben, der von der AfD ins Amt gewählt wird.
Das habe ich persönlich, aber auch im Namen der Freien Demokraten Nordrhein-Westfalens nach der Ministerpräsidentenwahl in Thüringen klar geäußert und dabei den Rücktritt von Thomas Kemmerich gefordert.
Der Bundesvorsitzende der Freien Demokraten, Christian Lindner, hat bereits in seinem ersten Statement nach dem Wahlvorgang klar erklärt, Frau Düker, er könne nicht Vorsitzender einer Partei sein, die in irgendeiner Weise mit der AfD zusammenarbeite. Er hat sein Amt in die Waagschale geworfen und ist am Tag nach dem Wahlvorgang nach Erfurt gereist. Er konnte die Thüringer Fraktion und Thomas Kemmerich überzeugen, zurückzutreten und eine Auflösung des Landtags zu beantragen. Das war zwingend notwendig.
Christian Lindner hat, was unter Spitzenpolitikern leider eine Seltenheit ist, eigene Fehler in der Lagebeurteilung zu Thüringen eingeräumt. Aber, Frau Kollegin Düker, er hat immer – in der Vergangenheit genauso wie jetzt – unmissverständlich klargestellt, dass eine Kooperation mit der AfD, sei sie gewollt oder zufällig, für die Freien Demokraten völlig ausgeschlossen ist.
Wir haben hier einen einzigartigen Vorgang in der jüngeren Parlamentsgeschichte. Die AfD hat einen Strohmann als Kandidaten aufgestellt. Sie hat das Parlament damit bewusst getäuscht. Das war keine demokratische Wahl, es war ein Anschlag auf die Demokratie, meine Damen und Herren.
Anstatt uns jetzt unter uns Demokraten zu zerlegen, sollten wir uns gemeinsam wehren gegen diejenigen, die unsere Demokratie und die offene Gesellschaft zerstören wollen.
Wir dürfen nicht zulassen, dass die Vertreter der demokratischen Parteien ein so erbärmliches Bild abgeben wie Sonntagabend bei Anne Will. Demokraten delegitimieren sich, und die Rechtsradikale Alice Weidel sitzt grinsend daneben. Ich habe mich dafür geschämt.
Wenn wir Demokraten uns jetzt wegen des Fehlverhaltens in Thüringen auseinanderdividieren, dann gewinnen am Ende die Rechtsextremen. Dann geht die Strategie der AfD auf.
Ich will ausdrücklich sagen, was dieses Haus angeht: Es hat mich berührt, dass Sozialdemokraten, beispielsweise Wolfgang Jörg und Dennis Maelzer, in der vergangenen Woche zu mir gekommen sind und mir verdeutlicht haben, wie sie mitfühlen in einer Situation, in der Einzelne den Ruf einer ganzen Partei beschädigen.
Kolleginnen und Kollegen meiner Fraktion berichteten von ähnlichen Gesprächen mit Abgeordneten von SPD und Grünen in diesem Haus.
Auch mit Blick auf Ihre Rede, Herr Kollege Kutschaty, möchte ich sagen: Das waren persönliche Gesten, die wir nicht vergessen werden.
Die Kritik und die Proteste gegenüber dem Wahlvorgang in Thüringen waren berechtigt und notwendig. Sie zeigen die Wehrhaftigkeit unserer Demokratie.
Wir haben keine Weimarer Verhältnisse. Aber wir dürfen auch nicht zulassen, dass sich durch das schleichende Gift von Hass und Hetze unsere Gesellschaft in eine solche Richtung verändert.
Darum darf die bürgerliche Mitte nicht ambivalent sein. Für mich und für uns ist es – ich will es in aller Deutlichkeit sagen, Frau Kollegin Düker hat es eben auch angesprochen – nicht erträglich, wenn jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger und solche mit Ein
wanderungsgeschichte aus Angst vor den Wahlergebnissen der AfD ernsthaft erwägen, unser Land zu verlassen.
Die AfD in diesem Hause – das dokumentiert der heutige Tag eindrücklich – hat sich mit dem Faschisten Höcke gemein gemacht.
(Beifall von der CDU, der SPD, der FDP, den GRÜNEN und Alexander Langguth [fraktions- los] – Zuruf von Christian Loose [AfD] – Roger Beckamp [AfD]: Herr Kuper!)
Dazu gehört, dass wir den Teil der Wählerinnen und Wähler zurückgewinnen, der nicht rechtsextrem ist und der aus Protest die AfD gewählt oder ihren Rassismus und ihre Gefahr nicht durchschaut hat.
(Andreas Keith [AfD] begibt sich zum Präsi- dium und redet auf Präsident André Kuper ein. – Sarah Philipp [SPD]: Was macht er denn da? Der soll mal weggehen!)
Dazu müssen wir mit einer gemeinsamen Haltung klarmachen: Wer heute noch AfD wählt, wählt Faschisten. Wer zukünftig noch AfD wählt, macht sich mitschuldig.
Ich wiederhole noch einmal: Die Kritik und die Proteste gegenüber dem Wahlvorgang in Thüringen waren nicht nur berechtigt, sondern notwendig. Aber es ist auch ein Gebot der Stunde, dass wir nicht zulassen dürfen, dass ganze Parteien in Haftung genommen werden für das Fehlverhalten Einzelner.
Wir dürfen aber auch nicht zulassen, dass Linksradikale die Gunst der Stunde nutzen, um nicht nur mit Gewalt gegen ehrenamtliche Freie und Christdemokraten vorzugehen,
sondern in Wahrheit die Systemfrage zu stellen. Ächten wir jede Form der Gewalt, und dazu gehört auch die Bedrohung der Familie Kemmerich.
Auch ein noch so kapitaler politischer Fehler rechtfertigt nicht den Versuch, seine Existenz zu vernichten.