Protocol of the Session on September 15, 2017

Wir sind deshalb – das meine ich wirklich ernst – gespannt auf Ihre Vorschläge. Es ist ja auch keine rein landespolitische Frage, sondern es spielen vielfältige bundespolitische Förderprogramme und weitere bundespolitische Aktivitäten hinein. Gefragt sind auch die Kommunen; denn jede Kommune entscheidet mit, wie sich der individuelle Verkehr vor Ort ausrichtet.

Haben wir genug Geld in der Hand, um die Infrastruktur für den ÖPNV in den Städten zu sanieren? In den nächsten Jahren steht da einiges an. Haben wir genug Geld, um die Bahnbrücken zu sanieren, damit die Leute auch andere Mobilitätsmöglichkeiten haben, als mit dem Pkw zu fahren?

Abschließend will ich noch ein Thema nennen, das wir in den letzten Tagen gar nicht diskutiert haben. Ein relevantes Thema ist, ob wir es in den nächsten Jahren schaffen, Wohnen und Arbeiten wieder näher zusammenzubekommen; denn ein Teil der Stau

problematik und ein Teil des Problems der schlechten Luft ist auch darin begründet, dass sich die Pendlerströme in Nordrhein-Westfalen in den letzten 20 Jahren mehr als verdoppelt haben.

1995 waren in Nordrhein-Westfalen etwa 2,1 Millionen Menschen tagtäglich mit dem Pkw über 50 km auf dem Weg zur Arbeit unterwegs. Mittlerweile sind es 4,8 Millionen Menschen.

Auch das ist ein Teil, an den man herangehen muss im Bereich der Wohnraumförderung und der Quartiersentwicklung. Wir müssen schauen, ob wir es nicht schaffen können, Wohnen und Arbeiten näher zusammenzubekommen, damit sich nicht alle 4,8 Millionen Menschen tagtäglich auf den langen Weg zur Arbeit machen müssen. Da sind wir auf Ihre Vorschläge gespannt. Wir sind offen für die Diskussion.

Wir haben selbst heute keinen Grünenantrag vorgestellt. Ich finde aber, dass sich sowohl im Antrag der Regierungsfraktionen als auch im SPD-Antrag viel Vernünftiges findet.

Zur AfD muss man ehrlich sagen: Wer bis 2050 den Diesel und anderes fordert, Herr Blex – er ist nicht mehr anwesend –, den kann man nicht wirklich ernst nehmen. Da hätte am Ende Ihrer Rede nur noch gefehlt, dass Sie ausgeführt hätten, die Erde sei eine Scheibe. Das hätte Ihren Antrag noch abgerundet. Da ist so viel Unsinn drin, dass es wirklich nicht der Rede wert ist. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den GRÜNEN und vereinzelt Bei- fall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Klocke. – Für die Landesregierung hat jetzt Herr Minister Professor Dr. Pinkwart das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Klocke, Sie haben zu Beginn Ihres Beitrags zur Sachlichkeit aufgerufen. Ich bedanke mich auch für Ihre sehr freundlichen Worte. Wenn Sie aber den Sprechern der Regierungsfraktionen vorwerfen, dass sie sich aufgrund des Beitrags von Herrn Löcker etwas energischer zu Wort gemeldet hätten, will ich doch an die Überschrift des Antrags der SPDFraktion erinnern. Dort heißt es: „CDU und FDP steuern mit Vollgas ins Diesel-Fahrverbot!“

Sie erwähnen freundlicherweise ein von mir vorgestelltes Programm, das ich weiterentwickelt habe, aber in Kenntnis der Vorläuferaktivitäten auf diese Weise vorgestellt habe. So stehen wir nach etwa 70 Tagen Regierungshandeln durchaus in Kontinuität.

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

Wenn wir nach dieser kurzen Zeit schon mit Vollgas irgendwo in ein Dieselfahrverbot hineinfahren könnten, dann trauen Sie uns schon eine ganze Menge mehr zu.

(Arndt Klocke [GRÜNE]) : Das ist aber doch nicht unser Antrag!)

Herr Klocke, ja, aber das war doch die Debatte. Die Debatte bezog sich auf Anträge der SPD-Fraktion und der AfD-Fraktion. Da muss man ganz klar sagen: So geht es nicht! So einfach können wir uns das nicht machen!

(Beifall von der FDP und der CDU)

Die Dinge liegen schon etwas komplexer. Die niedrigeren Grenzwerte, die jetzt eingehalten werden sollen, sind auch nicht erst gestern beschlossen worden. Die sind vor einigen Jahren beschlossen worden. Vor diesem Hintergrund muss man sich kritisch fragen – auch die rot-grüne Landesregierung, lieber Herr Klocke –, ob Sie in den letzten Jahren tatsächlich alles Hinreichende unternommen haben. Das müssen wir uns immer kritisch fragen.

(Arndt Klocke [GRÜNE]) : Klar!)

Die von Ihnen angesprochenen Programme sind eingeleitet worden, aber sie sind sehr spät eingeleitet worden. Das muss man auch feststellen.

Herr Rehbaum hatte die Elektromobilität angesprochen. Im Zusammenhang mit der Elektromobilität hatte ich mir überlegt, wie wir hier in die Offensive kommen können. Deshalb haben wir das Sofortprogramm für die Elektroladestationen zusätzlich an den Start gebracht; denn im Moment haben wir in Nordrhein-Westfalen gerade mal 1.600 öffentliche Ladestationen. Wenn wir dieses Feld weiterentwickeln wollen, ist das ganz offensichtlich zu wenig.

Wir können nicht auf der einen Seite den Menschen sagen, der Diesel solle nicht mehr in die Innenstädte fahren dürfen, wenn wir ihnen auf der anderen Seite für Zukunftstechnologien noch keine Infrastruktur und Alternativen anbieten können. Das wäre völlig unverantwortlich!

(Beifall von der FDP und der CDU)

Deswegen können wir jetzt nur – da stehen wir alle, die wir irgendwann einmal in Verantwortung waren oder mitgewirkt haben, gemeinsam in der Pflicht – nach einem Maßnahmenmix suchen, womit wir Verlässlichkeit für die Verbraucherinnen und Verbraucher schaffen, womit den Umweltschutzzielen gedient ist und womit auch Innovation möglich wird. Das heißt für uns zunächst und vor allem, dass wir die Menschen jetzt nicht aufschrecken und sie auch nicht um ihr Eigentum bringen, indem wir Fahrverboten das Wort reden. Das kann nicht die Lösung sein. Vielmehr müssen wir uns selbst anstrengen und fragen, wo wir am besten ansetzen.

Ich fand sehr gut, dass wir uns überhaupt in der Diskussion befinden und dass es zwei Treffen auf Bundesebene gab, auch mit Beteiligung durch Länder und Kommunen. Da ist schon eine Menge erreicht worden; das müssen wir festhalten. Das ist noch nicht das Ende; ein zweiter Diesel-Gipfel ist angekündigt. Die ersten beiden Treffen haben immerhin schon zusätzliche Impulse gebracht, die wir in den letzten Jahren so nicht hatten.

Ich will Ihnen ein Beispiel geben: Ich war gestern Abend vom WDR Hörfunk eingeladen, an einer Sendung in Aachen mit Bürgerinnen und Bürgern sowie Fachvertretern teilzunehmen, die dort zu Wort kommen sollten. Da habe ich gelernt, dass wir, nachdem die Tram abgeschafft wurde, noch städtische Busse im Einsatz haben, die mit Diesel betrieben werden und zum Teil noch mit gelber Plakette durch die Städte fahren. Das ist nicht nur in Aachen so, sondern das finden Sie auch in anderen Städten.

Wenn jetzt – das will ich ad personam an den Ministerpräsidenten richten – dank des Ministerpräsidenten in dem zweiten Treffen der Bundeskanzlerin mit den Oberbürgermeistern erreicht wurde, ein Programm aufzulegen, mit dem wir sehr verantwortungsvoll – auch mit Blick auf die momentane Lieferfähigkeit anderer Antriebstechnologien und auch die Bezahlbarkeit moderner Antriebstechnologien – zunächst einmal die Städte in den Stand versetzen können, ihre alten Dieselbusse mithilfe von Katalysatoren umzurüsten, dann ist das doch genau das, was wir jetzt pragmatisch brauchen,.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Dann müssen wir uns fragen, ob wir genügend Ladestationen haben. Da sind wir zum Handeln aufgerufen. Es gibt Schnellladestationen, Normalladestationen und auch Ladestationen, die man in privaten Haushalten fördern könnte. Da gehen wir jetzt ans Werk. Da gibt es ein Landesprogramm; auch der Bund hat ein Programm. Hier müssen wir die Städte ertüchtigen und motivieren, dass Sie daran teilnehmen, dass sie die Bundesmittel abrufen und die Infrastruktur verbessern.

Wir haben das Landesprogramm „Klimaneutrale Innenstadt“ modifiziert, Herr Klocke, weil wir den Eindruck hatten, wir sollten die Mittel, also die 80 Millionen €, viel zielgerichteter auf die Städte ausrichten, die jetzt durch die Grenzwertbelastung besonders unter Druck stehen.

Wir haben im ersten Call mit der Stadt Bonn bereits eine Gewinnerstadt gefunden, die genau diese Betroffenheit zeigt und ein sehr innovatives Konzept hat. Ich freue mich auch darüber, dass die Stadt Bonn mit neuen Mobilitätskonzepten direkt startet, weil sie im November den Klimagipfel beherbergt. Es wäre gut, wenn Bonn für Nordrhein-Westfalen und

für Deutschland ein möglichst gutes Image vorweisen könnte. Weitere Städte werden im Wettbewerbsverfahren folgen.

Hier werden wir genau über das reden, was Sie angesprochen haben, Herr Klocke, nämlich neue Mobilitätskonzepte für den innerstädtischen Bereich. Natürlich brauchen wir auch in der Verbindung von Land und Stadt neue Möglichkeiten, um uns immissionsärmer in diesem Land bewegen zu können.

Ich möchte aber auch, was die Verantwortung auf Bundesebene, die Gipfel und auch die von Ihnen geübte Kritik, Herr Klocke, anbetrifft, noch eines sagen dürfen, weil Sie Ihre Kritik besonders an den Ministerpräsidenten und die Bundeskanzlerin adressiert haben:

Ich verstehe ehrlich nicht – auch aus meiner Befassung der letzten zweieinhalb Monate und dem Versuch heraus, hier etwas angehen zu wollen –, warum in Baden-Württemberg ein grüner Ministerpräsident und ein grüner Oberbürgermeister von Stuttgart seit Jahren sehenden Auges – auch bei den besonderen Bedingungen, die man in Stuttgart kennt; die Tallage ist nichts Neues –, so agiert haben und nicht schon viel intensiver daran gearbeitet haben, eine solche Situation für die deutsche Automobilindustrie – fern von den Betrügereien, die stattgefunden haben – in der Autostadt Stuttgart zu vermeiden. Viele Maßnahmen, die ich hier angesprochen habe, hätte man in Stuttgart seit Jahren unternehmen können. Da hätte es im Übrigen auch nicht am Geld gefehlt, wenn ich das mal so sagen darf.

(Beifall von der CDU und der FDP – Vereinzelt Beifall von der AfD)

Aber von Herrn Kretschmann war im Kontext der gesamten Dieselthematik eher große Zurückhaltung zu vernehmen. Ich finde, hier sollten wir ehrlicher miteinander sein, der Sache zugewandt bleiben und ehrgeizig bleiben, die Ziele, die wir uns alle vorgenommen haben, auch mit redlichen Mitteln umzusetzen. Da ist eine Menge zu tun – in Nordrhein-Westfalen, in den Kommunen, aber sicherlich auch auf Bundesebene.

Ich möchte noch einen Gedanken zum Thema „Elektromobilität“ einbringen, die auch von Herrn Rehbaum angesprochen worden ist. Ich kann nur nachdrücklich unterstreichen: Ich denke, dass wir eine große Chance haben, gerade hier in NordrheinWestfalen und im Kontext einer solchen Diskussion, wie wir sie jetzt für den Autostandort Deutschlands führen, dass Nordrhein-Westfalen seine besonderen Fähigkeiten im Bereich der Elektromobilität noch stärker zur Entfaltung bringt – indem wir zum einen die Infrastruktur dafür bereithalten und indem wir uns zum anderen um die Frage kümmern: Was haben wir schon an unternehmerischem Potenzial?

Es ist wirklich ein Glücksfall – so können wir nur feststellen –, dass wir in Aachen ganz hervorragende Ingenieure haben, die schon neue Mobilität entwickelt haben und noch weiterentwickeln: Da gibt es den StreetScooter und den „e.GO Life“; weitere Kleinbusse sind im Gespräch. Wir haben aber auch das Unternehmen Ford, das in Köln darüber nachdenkt, seinen Konzern umzubauen. Dort wird versucht, die Europazentrale in Köln weiterzuentwickeln über Hybridantriebe hin zur Elektromobilität. Das wird große Umbaumaßnahmen im Konzern erfordern, auch am Standort. Auch das müssen wir in den nächsten Jahren begleiten.

Hierin liegt ein großes Potenzial in Nordrhein-Westfalen, auch aufseiten der kleineren und der mittleren OMs, wenn ich das mal so sagen darf, die die Autos bauen.

Herr Minister, entschuldigen Sie...

Das betrifft auch die Zulieferer. Wir haben viele Zuliefererbetriebe, die sich schon heute auf dieses Thema spezialisiert haben und hier ein Wachstumspotenzial sehen.

Wir haben aber auch Chemieunternehmen in Nordrhein-Westfalen, die zusammen mit Bosch und anderen daran arbeiten, mit neuen Grundstoffen leichtere Batterien zu entwickeln.

Herr Minister …

Und last not least – das möchte ich auch erwähnen – haben wir eine ganz tolle Elektrochemieforschung in NordrheinWestfalen. Ich will nicht ohne Stolz sagen, dass wir diese Elektrochemieforschung, die in NordrheinWestfalen wie in ganz Deutschland in den 70er-Jahren abgebaut worden ist, in der damaligen schwarzgelben Koalition hier in Nordrhein-Westfalen sehr massiv wieder haben ausbauen können. Das gilt auch für Baden-Württemberg; das will ich noch hinzufügen.

Wenn Sie sich die Forschungslandschaft ansehen, erkennen Sie, dass Nordrhein-Westfalen im Bereich der Batterietechnologie mit Baden-Württemberg auf Augenhöhe steht. Es gibt in Deutschland kein anderes Bundesland, das diese Forschungsfähigkeiten hat. Das zusammengenommen sollte uns auch in dieser Debatte ein bisschen optimistischer stimmen, sodass wir sagen: Wir haben Gegenwartsprobleme, aber wir haben auch Lösungen für die Zukunft, wie wir es besser machen können.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Herr Minister, entschuldigen Sie. Geben Sie mir bitte ein kurzes Signal: Es gibt den Wunsch von Herrn Blex, Ihnen eine Zwischenfrage zu stellen. Möchten Sie die zulassen? – Bitte sehr.

Herr Dr. Pinkwart, Sie haben eben sehr schön Ihre Hoffnung ausgedrückt, dass es mit der Forschung in der chemischen Energiespeicherung besser würde. Das ist auch richtig so. Wissen Sie aber, dass die Energiedichte von Akkus nur ein Zehntel von der von Brennstoffen beträgt? Wissen Sie, dass die Zyklenstabilität der Akkus überhaupt noch nicht gesichert ist? Und wissen Sie auch, dass der Quantensprung, den man hier bräuchte, in den nächsten 30 bis 40 Jahren überhaupt noch nicht absehbar ist?

Herr Kollege Blex, Sie wissen auch: eine Frage!

(Vereinzelt Heiterkeit – Dr. Christian Blex [AfD]: Das gehörte zusammen!)