Protocol of the Session on September 15, 2017

Ich glaube, der Großteil Ihrer Fraktion leidet an einem vollkommenen Realitätsverlust.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Es ist etwas schwierig, Ihren Antrag wirklich ernst zu nehmen. Nach sieben Jahren Regierungszeit – in den letzten 20 Jahren hat die SPD 15 Jahre lang regiert – hier einen solchen Antrag vorzulegen, das ist wirklich traurig, könnte man sagen.

(Zuruf von Dr. Dennis Maelzer [SPD])

Ich hingegen finde es humorvoll. – Vielen Dank also dafür, dass Sie das gemacht haben.

Lieber Dr. Dennis Maelzer, wir müssen schauen, woher wir kommen. Sie haben sieben Jahre lang in Nordrhein-Westfalen regiert. Wenn Sie mal vor Ort in den Kitas gewesen wären und mit den Menschen im Land gesprochen hätten,

(Daniel Sieveke [CDU]: Genau! – Zuruf von Dr. Dennis Maelzer [SPD])

dann hätten Sie festgestellt, dass 80 % aller Kindertageseinrichtungen in Nordrhein-Westfalen defizitär arbeiten.

(Daniel Sieveke [CDU]: Genau!)

Die sind kurz vor dem Kollaps, die stehen kurz vor dem Aus.

(Frank Müller [SPD]: Welche denn?)

Das haben Sie zu verantworten. Sie sind deswegen abgewählt worden. Das ist die Realität in NordrheinWestfalen.

(Frank Müller [SPD]: Wo? Wie viele?)

Die Kitas haben andere Probleme als das Thema „Beitragsfreiheit“. Sie können keine flexiblen Öffnungszeiten anbieten, damit die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gewährleistet werden kann, insbesondere um Kinderarmut zu bekämpfen. Es fehlen 16.500 Erzieher im Land. Die Kitaleitungen müssen die Bürokratie bewältigen. Vertretungsregelungen funktionieren nicht, Freistellungen der Leitungen sind nicht vorhanden, es fehlen U3-Plätze.

Alles in allem kostet das 1,5 Milliarden €, die wir nun als Finanzierungslücke haben.

(Zuruf von Dr. Dennis Maelzer [SPD])

Die SPD schlägt im Wahlkampf vor – und auch heute wieder; vielen Dank dafür –, die Beitragsfreiheit einzuführen. Wissen Sie eigentlich, was die Beitragsfreiheit kostet? Das hat Ihr Finanzminister damals durchgerechnet: Wir liegen da bei ca. 1 Milliarde €.

(Dr. Dennis Maelzer [SPD]: Nee!)

Wissen Sie, was wir mit 1 Milliarde € machen könnten?

(Jochen Ott [SPD]: Ja! Familien fördern!)

Wir könnten die ganzen Probleme, die Sie verursacht haben, lösen und für Bildung und Qualität in der Kita sorgen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Mich wundert es im Übrigen nicht, dass die Sozialdemokratie in Umfragen bei 20 % liegt,

(Zuruf von Stefan Zimkeit [SPD])

wenn Sie eine solche vollkommen verfehlte Politik machen, an den Menschen in Nordrhein-Westfalen und in Deutschland vorbei. Deshalb kann ich Ihnen nur empfehlen, sich innerhalb der nächsten Wochen

noch einmal zu besinnen und das zu unterstützen, was die schwarz-gelbe Landesregierung auf den Weg bringen wird.

Wir werden zuerst die Baustellen beheben, die Sie uns hinterlassen haben. Wir haben ein Kitarettungsprogramm mit einem Volumen von einer halben Milliarde Euro auf den Weg gebracht, um die Kitas davor zu bewahren, schließen zu müssen. – Das ist Schritt eins.

Schritt zwei wird sein, dass wir gemeinsam mit den Kommunen ein neues Kinderbildungsgesetz auf den Weg bringen werden, was Sie sieben Jahre lang nicht hinbekommen haben.

Der dritte Schritt wird sein, dass wir für Qualität und Flexibilität in den Kindertageseinrichtungen sorgen werden.

Das ist ein ambitioniertes Programm. Wir werden es umsetzen, weil die Kleinsten in unserem Land es nötig haben, dass sie endlich den richtigen Stellenwert erhalten. Deswegen bin ich dankbar, dass die schwarz-gelbe Koalition ein Zeichen gesetzt hat, indem der stellvertretende Ministerpräsident für dieses Thema zuständig ist.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Meine Damen und Herren, vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Und noch einmal vielen Dank an die SPD. Es war wirklich ein humorvoller Antrag, ich habe ihn gerne gelesen. Aber tatsächlich ernst meinen können Sie ihn nicht. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vielen Dank, Herr Hafke. – Für die AfD-Fraktion spricht nun Herr Langguth.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Kollege von der FDP hat gerade etwas gemacht, worüber ich mich sehr gefreut habe. Er hat davon gesprochen, dass es um das Kindeswohl geht.

Der Antrag der SPD-Fraktion ist zunächst einmal das, was viele Anträge während der Plenarsitzungen in den letzten drei Tagen waren: purer Wahlkampf. Ein zentraler Aspekt ist nichts weiter als Wahlkampf.

Es gibt aber doch – das ist das verhältnismäßig Neue an Ihrem Antrag heute – einen Paradigmenwechsel in der frühkindlichen Betreuung und Förderung.

(Zuruf von der SPD)

Nicht weniger als fünfmal taucht in Ihrem Antrag der Terminus der frühkindlichen Bildung auf, garniert mit der sogenannten Beitragsfreiheit, der Gebührenfreiheit. Ist aber die frühkindliche Bildung – diese Frage muss man sich erst einmal stellen – das, was Mütter

und Väter, was Familien mit Begriffen wie „Kindergarten“, „Krippe“ und „Kita“ überhaupt verbinden, nämlich die verantwortungsvolle und liebevolle Betreuung ihrer Kinder? Offenbar nicht; denn Begriffe wie „Betreuung“ und „Kindeswohl“ tauchen nicht ein einziges Mal in Ihrem Antrag auf.

Wir müssen uns im Sinne der Kinder erst einmal die Frage stellen, was denn gefördert und was den Kindern Gutes getan werden soll. Möchten Sie Bildung für die Kinder, oder möchten Sie Betreuung für die Kinder? Beides klingt vordergründig erst einmal sehr positiv, schließt sich aber, wenn man sich die Definitionen der beiden Begriffe vergegenwärtigt, gegenseitig aus.

Kinderbetreuung – ich zitiere jetzt Wikipedia – ist der Begriff für pflegende und beaufsichtigende Tätigkeit Erwachsener gegenüber Kindern.

Frühkindliche Bildung, das, was Sie mit Ihrem Antrag hier machen möchten, ist – ebenfalls aus Wikipedia entnommen – die Formung des Menschen.

Das möchten wir nicht. Was Kleinkinder im Kindergartenalter und davor brauchen, ist Schutz, Anleitung, Pflege, Hilfe und vor allem schützende Betreuung, die den altersgemäßen Bedürfnissen der jungen Menschen gerecht wird.

(Beifall von der AfD)

Wir sehen in dem Antrag der SPD-Fraktion den unverhohlenen Ansatz zur Förderung der staatlichen Formung, Prägung und Beeinflussung unserer Kleinkinder.

(Zuruf von der SPD: Unverschämtheit!)

Der beabsichtigten frühkindlichen Bildung liegen Bildungsziele und Bildungspläne – auch das sollte Ihnen etwas sagen – zugrunde, die der Staat vorgibt und auf die die Eltern im Nachgang keinerlei Einfluss- oder Kontrollmöglichkeiten haben werden.

Da, wo familiäre Betreuung aus welchen Gründen auch immer – selbstverständlich kommt das vor – nur eingeschränkt möglich ist, sollte natürlich Fremdbetreuung einspringen, aber eben in Wahlfreiheit, ohne gesellschaftliche oder finanzielle Zwänge, und nicht, wie Sie das möchten, in der Charakteristik einer Bildungsinstitution.

Folgt man dem Antragsunterton, geht es um frühkindliche Bildung und nur um Fremdbetreuung. Mütter werden so in ihren natürlichen Mutterfähigkeiten bewusst verunsichert, um so weiteren Druck zugunsten einer möglichst frühen Fremdbetreuung der Kinder aufzubauen. Das Paradoxe an diesem Antrag ist, dass gerade Sie als die beiden linken Parteien in diesem Plenum sich als Interessenvertretung der Frauen verkaufen; das ist mit Ihre Lieblingsbeschäftigung.

(Zuruf von der SPD)