Protocol of the Session on January 22, 2020

Dass Amtsträger persönlich angegriffen, verletzt oder gar getötet werden, dass Angriffe auf Büros von Bundestagskollegen verübt werden, dass Bürgermeister aus Angst ihr Amt abgeben, dass ein Bürgermeister aus meiner niederrheinischen Heimat zunächst sogar einen Waffenschein beantragt hatte – all das sind Warnsignale, die wir ausgesprochen ernst nehmen müssen.

Wichtig ist mir aber an dieser Stelle auch der Hinweis, dass ich gerade im Hinblick auf den heutigen Artikel in der „Rheinischen Post“ eine Lockerung des Waffenrechts nicht für das richtige Mittel halte.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Schließlich sind wir ja – in Anlehnung an die Äußerungen meines geschätzten Kollegen Lürbke im genannten Artikel – hier nicht in Nordrhein-Wild-Westfalen.

Die Verrohung der Gesellschaft ist nicht plötzlich vom Himmel gefallen. Sogenannte soziale Medien haben ihren Anteil an den Entwicklungen in unserer Gesellschaft und fungieren dabei oft auch als eine Art Brandbeschleuniger. Hier lässt sich unter dem Deckmantel der Anonymität leicht herumpöbeln.

Diese Dauerempörten, wie es unser Bundespräsident ausdrückte, verlassen sich darauf, dass andere haupt- oder ehrenamtlich Verantwortung übernehmen. Es ist eben einfach, anonym im Netz zu beleidigen und andere herabzusetzen oder in ihrer Ehre zu verletzen.

Schon der Vater der kommunalen Selbstverwaltung, Freiherr vom Stein, hat vor vielen Jahren deutlich gemacht, dass die kommunale als unterste staatliche Ebene die wahrscheinlich wichtigste ist, denn dort bekommt der Staat ein Gesicht. Hier wird der Staat unmittelbar.

Die Bürgermeister, die Ratsmitglieder sind Ansprechpartner, sie sind greifbar. Gerade diese Nähe ist so wichtig, und gerade diese Nähe darf nicht verloren gehen, denn sonst haben wir an dieser Stelle die Gefährdung der Demokratie.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Dass sich gerade auf dieser Ebene zunehmend Angst breitmacht, darf uns nicht ruhen lassen. Unsere Demokratie ist ohne das Engagement vor Ort schlicht nicht denkbar. Daher ist es gut, dass wir dieses größer werdende Problem heute auch in der Aktuellen Stunde thematisieren.

Der Staat muss die Menschen, die sich für ihn einsetzen, bei Bedarf aber auch schützen. Dafür brauchen wir unter anderem eine starke Polizei. Mit einem deutlichen Stellenaufwuchs zeigt die Landesregierung bereits an dieser Stelle eine klare Haltung.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Die von unserem Innenminister Herbert Reul praktizierte Nulltoleranzstrategie muss auch hinsichtlich der Angriffe auf unsere kommunalen Amtsträgerinnen und Amtsträger gelten.

(Beifall von der CDU)

Aber das alleine wird das Problem natürlich nicht lösen. Es ist eine große gesellschaftliche Aufgabe, die da vor uns liegt.

Die Auseinandersetzungen mit den unterschiedlichsten Themen wie aktuell zum Klimaschutz oder zu Schule und Bildung polarisieren.

Diskussionen werden allerdings viel zu oft mit Häme, mit Vorwürfen oder sogar mit persönlichen Attacken geführt. Die Hemmschwelle von verbalen Attacken zum tatsächlichen Großszenario oder zu einem Anschlag ist dann geringer, als viele denken. Jeder muss wissen, dass hetzerische Sprache die Vorhut von Gewalt ist.

(Beifall von der CDU)

Kommunalpolitiker zu sein – das weiß ich aus eigenem Erleben –, hat mit viel Engagement, mit Zuhören, mit Diskussion und auch mit Streit zu tun. Für viele Ziele und Erfolge zu streiten und zu kämpfen, ist nichts Verwerfliches. Man fragt sich nur, wie ein Streit geführt wird.

Wenn ich im Bekanntenkreis von Anfeindungen in meiner politischen Laufbahn berichte, höre ich oft die Reaktion: Du hättest ja auch einen anderen Job machen können.

„Nein, verdammt noch mal“, will man sagen. Ich mache den Job nicht, um mich verbal und nonverbal verhauen zu lassen. Ich mache diesen Job, weil ich Teil dieser Gesellschaft bin und das Ideal verfolge, sie ein kleines bisschen besser machen zu wollen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Das heißt aber nicht, dass es anderen das Recht gibt, mich oder andere Kolleginnen und Kollegen anzufeinden oder zu bedrohen.

(Beifall von der CDU)

Hetze und Gewalt gegen Kommunalpolitiker, Polizisten, Rettungskräfte und Beschäftigte in den Verwaltungen sowie vieler Institutionen scheinen nur die Spitze des Eisbergs zu sein. So fängt es meines Erachtens schon im Ehrenamt insgesamt an – Stichwort: Schiedsrichter, die jede Woche in den Amateurklassen unterwegs sind. Sie kennen diese Vorfälle.

Doch was ist nun unsere Aufgabe? – Wo es notwendig ist, muss der rechtliche Rahmen angepasst werden, ganz klar.

Übergriffe jedweder Art müssen schnelle Konsequenzen haben. Dafür brauchen wir eine starke Justiz mit spezialisierten und sensibilisierten Staatsanwaltschaften und Gerichten. Nur eine schnelle und konsequente Ahndung schafft Vertrauen in unseren Rechtsstaat.

Hierbei sollte aber der Rechtsstaat in Form seiner Gerichte auf die Wirkung auf unsere Gesellschaft achten. So sendet meines Erachtens ein Gericht wie das Berliner Kammergericht ein falsches Signal, wenn der Straftatbestand der Beleidigung gegen die Bundestagsabgeordnete Renate Künast im Urteil – bei allem Respekt vor dem Gericht – ad absurdum

geführt wird. Auch wenn gestern Teile des ursprünglichen Beschlusses revidiert wurden, bleibt der schale Nachgeschmack.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir brauchen eine umfassendere Wertschätzung der Arbeit der Kommunalpolitiker. Kommunalpolitik ist der Stoff, aus dem die wahre Demokratie gemacht wird.

(Beifall von der CDU, der FDP und Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Sie muss immer wieder neu gelernt, neu erkämpft und neu gelebt werden. Die Arbeit, die vor Ort oft ehrenamtlich geleistet wird, braucht bestmögliche Unterstützung, und wir brauchen da, wo es nötig ist, einen umfassenden Schutz von gefährdeten Personen.

Ohne die Arbeit der Kommunalpolitiker, der Polizisten, der Rettungskräfte und der zahlreichen Verwaltungsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter könnte unser Staat nicht funktionieren. Deshalb haben gerade sie in besonderer Weise unseren Dank, unsere Anerkennung und auch unseren Schutz verdient. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die FDP-Fraktion hat nun Herr Abgeordneter Lürbke das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube nicht, dass die Bewaffnung jedes Kleinstadtpolitikers zur Stärkung der inneren Sicherheit beiträgt.

(Michael Hübner [SPD]: Das ist eine Unver- schämtheit)

Wir sind in Deutschland, wir sind nicht im Wilden Westen.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Daher sollte bei der Debatte die Kirche im Dorf bleiben, und wir sollten uns dem Thema rational nähern. Das empfehle ich.

(Christian Dahm [SPD]: Rational? Bei diesem Thema?)

Vielmehr müssen wir darüber reden, wie wir Angriffen auf unsere Gesellschaft konsequent entgegentreten können. Hysterisch aufgeladene Debatten sind bei diesem wichtigen Thema in meinen Augen wenig hilfreich.

Wir müssen uns dem Thema nüchtern und mit klarer Kante nähern und gegen die vorgehen, die sich mit

unserer Gesellschaft, unseren ehrenamtlich Aktiven, unseren Rettern und Helfern anlegen wollen.

Hierbei ist es nicht hilfreich, liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD, diese Hysterie weiter zu bedienen.

Ich habe mir selbstverständlich heute Morgen Ihren Antrag zur Aktuellen Stunde durchgelesen: Da wird erst einmal über eine halbe Seite versucht, einen Bürgermeister einer kleineren Stadt, der sich letztlich mit seinem Wunsch nach Großkaliber im Sakko völlig verrannt hat, zum Helden einer gesellschaftspolitischen Debatte zu erhöhen.

(Michael Hübner [SPD]: Unverschämtheit! – Weitere Zurufe von der SPD)

Allein mit dieser Schwerpunktsetzung

(Gordan Dudas [SPD]: Hetzer!)

nähern wir uns dem Thema nicht richtig.

(Zuruf von Dietmar Bell [SPD] – Weitere Zu- rufe – Unruhe – Glocke)