Protocol of the Session on December 18, 2019

(Beifall von den GRÜNEN)

Die größte Unzufriedenheit in NRW gibt es beim Thema „Umweltpolitik“. Zwei Drittel der Befragten zeigen sich unzufrieden mit der Leistung der Landesregierung, und Herrn Löttgen – er ist jetzt nicht mehr im Raum – ist das noch nicht mal einen Satz in seiner heutigen Haushaltsrede wert.

(Norwich Rüße [GRÜNE]: So ist das!)

Herr Löttgen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, so regiert man weiter an den Menschen und ihren Bedürfnissen vorbei.

(Beifall von den GRÜNEN)

Die Menschen erwarten Antworten zu diesen Themen. Uns kann es recht sein, aber mir ist es diesen Prozentpunkt, den wir dadurch vielleicht morgen in

den Säulendiagrammen der Umfragen mehr haben, nicht wert.

Frau Umweltministerin, es geht hier um etwas anderes. Es geht nicht darum, hier Grünen-Bashing zu betreiben, wie Kollege Löttgen es gemacht hat. Es geht darum, diese Bedürfnisse der Menschen ernst zu nehmen und sich tatsächlich und nicht nur mit ein paar Überschriften

(Beifall von Sigrid Beer [GRÜNE])

gegen die Umweltzerstörung einzusetzen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wir mussten leider in den letzten zweieinhalb Jahren dieser Anti-Öko-Koalition bei der Arbeit zusehen. Nein, Ökologie und Ökonomie – Herr Löttgen ist wieder anwesend; das ist ja auch Ihr Anspruch –

(Zuruf von Bodo Löttgen [CDU])

versöhnt man nicht, wenn man einer geradezu zukunftsvergessenen Losung in der Wirtschaftspolitik folgt. Denn dieser folgt der Landesentwicklungsplan und mit ihm Wirtschaftsminister Pinkwart: weniger Umweltstandards gleich mehr Wirtschaftswachstum. – Nein, so funktioniert das zukünftig nicht mehr.

Denn zukünftig müssen die Umweltkosten dem Verursacher angelastet werden, wenn wir Anreize für nachhaltiges Wirtschaften schaffen wollen. Das heißt, Herr Minister, nur diejenigen werden zukünftig erfolgreich wirtschaften, die möglichst wenig Umweltbelastungen produzieren.

Die gegenteiligen Anreize setzen Sie durch den Landesentwicklungsplan:

(Beifall von den GRÜNEN)

mehr Flächenfraß; der Massentierhaltung mit all ihren schädlichen Folgen für Gesundheit und Umwelt wird wieder Tür und Tor geöffnet; der Kiesabbau mit der massiven Umweltzerstörung wird erleichtert. Und so weiter und so fort.

Beispiel: Kohleausstieg. Was ich nicht mehr hören kann, ist dieses ewige Mantra mit den Bekenntnissen der Landesregierung zur Eins-zu-eins-Umsetzung des Berichts der Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“. Herr Ministerpräsident, Sie sagen es ja auch selbst immer wieder: In nur sieben Monaten konnte eine Kommission aus unterschiedlichsten Interessenvertretern von Greenpeace über die IG BCE bis hin zum BDI einen Fahrplan für einen Kohleausstieg vorlegen. Wohlgemerkt in sieben Monaten! Und sage und schreibe elf Monate später hören wir aus Berlin was? – Dass die Umsetzung nun doch leider ins nächste Jahr geschoben werden muss, weil das ja alles so furchtbar komplex sei.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Herr Ministerpräsident, was ist bitte schön daran komplex, wenn man

bis 2022 drei Gigawatt Braunkohle, vier Gigawatt Steinkohle und bis 2030 dann noch einmal sechs Gigawatt Braunkohle und sieben Gigawatt Steinkohle vom Netz nehmen will und spätestens 2038 das letzte Kohlekraftwerk abgeschaltet werden soll?

Herr Minister Pinkwart, Herr Ministerpräsident, jedem ist doch klar – das steht im Bericht der Kohlekommission –, um welche Meiler es sich hier handelt. Die ältesten und die dreckigsten kommen zuerst dran und die neueren am Ende. Was bitte schön ist daran zu komplex, es umzusetzen?

(Beifall von den GRÜNEN)

Meine Vermutung – wir sitzen ja da nicht mit am Verhandlungstisch – ist, dass komplex offenbar nur die Zockerei um die maßlosen Entschädigungen der Energieunternehmen ist. Die sind es ja gewohnt, an den Kabinettstischen zu sitzen und mitzuregieren.

Was macht da unser Ministerpräsident, Herr Laschet, der Ministerpräsident des Energielandes Nummer eins? Sie sind ja auch noch stellvertretender Bundesvorsitzender einer Partei, die in Berlin regiert. Sagen wir es mal so: Armin Laschet bemüht sich redlich. Ja, er fordert sogar in regelmäßigen Abständen, dass dieses Kohleausstiegsgesetz doch jetzt endlich, bitte schön, mal kommen müsse. Das hat er vor Kurzem noch einmal ganz knallhart gefordert. Medienwirksam hat er die Bundesregierung ultimativ aufgefordert, bis Ende November müsse dieses Gesetz durchs Kabinett.

Doch was macht die Bundeskanzlerin? Was macht Angela Merkel? – Sie hört einfach nicht auf ihn. Dabei – wir konnten es ja in der „Bild“-Zeitung lesen – sollen Sie ja jetzt angeblich der Kronprinz der Kanzlerin sein. Und Sie sollen – Achtung, Zitat – auffällig von ihr gelobt und in Entscheidungen eingebunden werden.

(Zurufe von der SPD und den GRÜNEN: Oh! – Martin Börschel [SPD]: Da wird er jetzt ganz rot!)

Immerhin. – So ein Kronprinzendasein, Herr Laschet, verhilft aber offenbar doch nicht zum Erfolg, wenn es um die entscheidenden Themen geht. Denn die viel gepriesene Stimme in Berlin ist wohl dann doch eine reine Wahlkampftour in eigener Sache.

Ich fände es spannend, gleich von Ihnen zu hören, was Sie denn jetzt eigentlich mit dem Ergebnis des Vermittlungsausschusses zum Klimapaket machen. Herr Lindner – er ist ja hier Ihr Koalitionspartner – zieht in Berlin geradezu gegen das Ergebnis zu Felde. Ich hoffe, Herr Kollege Rasche, vielleicht auch von Ihnen gleich ein Wort dazu zu hören, dass diese Koalition hier vernünftiger ist – verglichen mit dem, was Herr Lindner gerade präsentiert –

(Beifall von den GRÜNEN)

und diesem Vermittlungsausschussergebnis im Bundesrat abschließend zustimmen wird. Hört man das nicht aus allen Ländern, in denen die FDP am Kabinettstisch sitzt? Ich hoffe da heute auf Zustimmung und auf ein Wort von Ihnen.

Noch nicht einmal bemüht – sich zu bemühen, muss man dem Ministerpräsidenten ja zugestehen – ist Minister Pinkwart, wenn es um die andere Seite des Kohleausstiegs geht, den Umstieg auf die Erneuerbaren. Herr Minister, Ihr Entfesselungspaket V, das Sie gestern vorgestellt haben, hört sich ja wie immer bei Ihnen ganz nett an, aber anstatt eines Pakets ist das nur noch eine kleine Weihnachtspostkarte, was Sie da verteilt haben.

(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Ralph Bombis [FDP])

Denn die Grundproblematik beim notwendigen Ausbau der Windenergie wird damit nicht gelöst, nämlich eine wirksame Verfahrensbeschleunigung zu erreichen, die wir dringend brauchen, die Aufhebung dieser absurden Abstandsregelung

(Beifall von Arndt Klocke [GRÜNE])

und die Akzeptanzförderung. Wie Sie – das haben Sie ja gestern wieder bei der Pressekonferenz vorgetragen – mit einer Halbierung der Ausbauflächen die Stromerzeugung durch Windenergie bis 2030 verdoppeln wollen, bleibt weiter Ihr Geheimnis, und logisch ist daran gar nichts.

(Beifall von den GRÜNEN)

Eine echte Akzeptanzförderung mit einem Dialog mit den Standortkommunen findet doch nicht statt. Denn dann müssten Sie mit denen wirklich mal darüber reden, was denn hilft, vor Ort die Akzeptanz zu erhöhen. Da liegen doch Konzepte auf dem Tisch. Mit einem Konzessionsabgabenmodell von 1 bis 2 % des Ertrags einer Anlage könnte man die Standortkommunen an der Wertschöpfung beteiligen und so die Akzeptanz steigern. Das fordern einige Länder im Bundesrat. Das fordern sogar die Betreiber. Die wollen Geld abgeben. Wer will das heute schon noch? Die wollen Geld abgeben, um die Akzeptanz zu erhöhen. Wieso unterstützen Sie solche Initiativen nicht, Herr Minister? Dann wären wir weiter.

Ich frage mich auch: Warum meint der Ministerpräsident, dass bei einem Abstand von 650 m zu einer Siedlung niemand in Nordrhein-Westfalen ein modernes Windrad errichten darf? Aber beim größten Kohlekraftwerkskühlturm Europas in Datteln spielen die berechtigten Schutzinteressen der Bevölkerung offenbar keine Rolle.

(Beifall von den GRÜNEN)

Herr Ministerpräsident, warum wollen Sie mit der Forderung nach der Inbetriebnahme von Datteln 4 den Kohlekompromiss aufkündigen? Sie sprechen doch

immer von der Eins-zu-eins-Umsetzung. Die Kommissionsmitglieder haben sich klar gegen eine Inbetriebnahme ausgesprochen.

Während dieses Gezerres in Berlin, bei dem sich Nordrhein-Westfalen mit dem Kronprinzen der Kanzlerin offenbar nicht durchsetzen kann, bleiben die Menschen in den Garzweiler-Dörfern im Unklaren. Das ist das Allerschlimmste daran. Sie wissen nicht, ob sie ihre Heimat verlieren und ob es das letzte Weihnachtsfest ist, das sie in ihren Häusern verbringen können.

Wissen Sie eigentlich, was das mit den Menschen macht, Herr Ministerpräsident? Nicht zu wissen, ob man den Umzug planen soll oder ob es doch noch Hoffnung gibt, zerreißt dort Menschen und ganze Familien. Wollen Sie den Familien ein solches Weihnachtsfest zumuten?

(Dietmar Brockes [FDP]: Sie sind doch die Einzigen, die den Leuten Sand in die Augen streuen!)

Herr Ministerpräsident, nutzen Sie heute die Chance und schaffen Sie Klarheit für die Menschen in der Region! Diese Klarheit kann nur sein: ein Angebot an all diejenigen, die bleiben wollen, in ihrer Heimat bleiben zu können.

(Beifall von den GRÜNEN)

Es ist möglich: Mit der Abschaltung der Kraftwerke und mit der Verkleinerung des Abbaugebiets können der Hambacher Wald und die Dörfer erhalten bleiben. Herr Ministerpräsident, jetzt muss endlich Schluss sein mit der weiteren Zerstörung jahrhundertealter Dörfer.

(Zuruf von Dietmar Brockes [FDP])

Wollen Sie ernsthaft zusehen, wie die Abrissbirne die Kirche von Keyenberg – eine Kirche, älter als der Kölner Dom – zerstört?

(Henning Rehbaum [CDU] und Dietmar Bro- ckes [FDP]: Sie haben das selber beschlos- sen! – Zuruf von Armin Laschet, Ministerpräsi- dent)