Protocol of the Session on December 18, 2019

Ja, Herr Schultheis.

Meine Damen und Herren, vor rund 300 Jahren haben wir zum ersten Mal in schriftlicher Form von Nachhaltigkeit erfahren. Hans Carl von Carlowitz hat mit der nachhaltigen Forstbewirtschaftung die Grundlage für den heute im politischen Leben nicht mehr wegzudenkenden Begriff der Nachhaltigkeit gelegt.

Diese Idee ist heute deutlich komplexer. Unsere Aufgabe ist es, den zuweilen falsch gebrauchten – das möchte ich in diesem Zusammenhang erwähnen – Gedanken der Nachhaltigkeit handhabbar und greifbarer zu machen.

Auch die Agenda 2030 der Vereinten Nationen löst diese Grundkomplexität nicht auf. Sie macht Nachhaltigkeit aber vermittelbarer und vor allen Dingen messbarer. Die 169 globalen Zielvorgaben der Agenda sollen national umgesetzt werden.

Deutschland und auch die Bundesländer sind seit Beginn mit gutem Beispiel vorangegangen und haben im Rahmen der Nachhaltigkeitsstrategie auch ein Programm für nachhaltigen Konsum entwickelt. Ende 2016 ist eine veröffentlichte Vergleichsstudie zu dem Ergebnis gekommen, dass Deutschland unter den 34 bewerteten Staaten auf Platz 6 liegt – nach Schweden, Norwegen, Dänemark, Finnland und der Schweiz. Aber die Wahrheit ist auch: Es gibt noch viel zu tun.

Was ist Nachhaltigkeit im Konkreten? Ich möchte ein Dreieck beschreiben, das dies grob veranschaulicht. Nachhaltigkeit bedeutet, dass Wirtschaft, Soziales und Umwelt in Einklang gebracht werden. Die große Aufgabe von Politik ist, einen Ausgleich zu schaffen, ohne dass eine Seite dieses Dreiecks die anderen verdrängt oder sogar komplett dominiert.

(Beifall von Petra Vogt [CDU])

Nachhaltigkeit steht dann natürlich auch in Zusammenhang mit nachhaltigem Konsum und betrifft wahrscheinlich alle Lebensbereiche.

Wenn wir heute über Nachhaltigkeit und nachhaltigen Konsum reden, muss ich an die SPD gerichtet sagen, dass Nachhaltigkeit – auch in diesen Zielen ist das so verankert – ebenfalls fiskalische Nachhaltigkeit umfasst, verehrte Kolleginnen und Kollegen. Unser aller Ziel muss demnach auch ein nachhaltiger Staatshaushalt sein.

Es ist im Interesse der Generationengerechtigkeit, eines stabilen Rechtsstaates und unserer Demokratie, dass wir nachhaltige Staatshaushalte haben. Das bedeutet konkret, sich finanziell nicht mehr zu leisten, als man erwirtschaftet. Wie das mit Ihrer Milliarde Euro auf Pump von heute Morgen zusammenpasst, erklärt sich mir nicht, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der SPD. Diesen Widerspruch müssen Sie aufklären. Wir als NRW-Koalition stehen jedenfalls auch zu den Zielen nachhaltiger Finanzpolitik.

An einem konkreten Beispiel möchte ich Ihnen aufzeigen, dass nachhaltige Politik vitaler Bestandteil dieser NRW-Koalition und der Landesregierung ist.

Vor einigen Wochen hat die Landesregierung mit allen Waldbesitzern und ihren Partnern Lösungsansätze und Maßnahmen festgesetzt. Es soll genau das stattfinden, worüber wir gerade reden: Der Einsatz von Holz als regionalem und klimafreundlichem Baustoff soll zukünftig noch deutlicher gesteigert werden. Das ist nachhaltige Politik in konkreter Umsetzung. Wir werden die Landesregierung diesbezüglich weiter unterstützen.

(Vereinzelt Beifall von der CDU und der FDP)

An zwei Beispielen möchte ich noch deutlich machen, wie schräg wir manchmal die Debatte über Nachhaltigkeit führen.

Es kann doch nicht sein, dass jeder private Haushalt im Jahr 62 kg Lebensmittel wegwirft und wir damit Lebensmittel, die teuer produziert worden sind und letztendlich dazu dienen, die Welt zu ernähren, wegschmeißen. Es muss viel mehr getan werden, um das Bewusstsein der Bevölkerung, der Bürgerinnen und Bürger, zu schärfen. Das Verbraucherschutzministerium macht das mit vielen Projekten.

Aber es geht ja noch weiter. Im Vorfeld dieser Rede habe ich mich damit beschäftigt, wie wir uns ernähren und was wir zu uns nehmen. Ich will Ihnen hier

das geflügelte Beispiel der Avocado näherbringen. Sie wird in allen Medien als Superfood dargestellt. Wenn man sich aber konkret damit auseinandersetzt, stößt man darauf, dass für die Produktion einer einzigen Avocado bis zu ihrer Reife rund 1.000 l Wasser verbraucht werden

(Norwich Rüße [GRÜNE]: Das gilt für Tomaten aber auch!)

und sie gerade dort produziert wird, wo ohnehin Wasserknappheit herrscht, lieber Herr Kollege Rüße. Das ist doch perfide.

Dann müssen wir festhalten, dass es viel sinnvoller ist, den Bürgerinnen und Bürgern die Entscheidung zu ermöglichen, die regional produzierte Kartoffel, Möhre oder Walnuss zu wählen. Auch damit kaufen sie ein Superfood, dessen Nachhaltigkeit aber stimmt. Ob sie nun mit Bio-Label ist oder nicht – die Avocado produziert viel Schaden an ihrem Herstellungsort.

Meine Damen und Herren, meine Redezeit ist zu Ende. Es wird viel passieren. Die Nachhaltigkeitsstrategie Nordrhein-Westfalen wird in vielen Bereichen weiterentwickelt, und wir werden uns im Jahr 2020 damit auseinandersetzen.

Mein Fazit lautet: Wir als NRW-Koalition haben die Notwendigkeit erkannt. Nachhaltigkeit ist auch christdemokratische Leitlinie und christdemokratisches Grundwerkzeug. Wir wollen den Menschen ermöglichen, nachhaltig zu konsumieren, zu wirtschaften und zu handeln – ohne Bevormundung und ohne Verbote, sondern mündig und mit einem guten Gewissen. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege. – Damit leite ich für die FDP-Fraktion über zum Abgeordneten Haupt.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als ich den Antrag der SPD-Fraktion gelesen habe, war ich zunächst etwas erstaunt und auch ein wenig ungläubig. So sollte dieser Antrag ursprünglich erst einmal nur im Wirtschaftsausschuss behandelt und der eigentlich ursächlich zuständige Umweltausschuss nicht einmal beteiligt werden. Dann kam die Nachricht: „alles anders“, und jetzt ist der eigentlich ursächlich zuständige Umweltausschuss auch federführend.

Nun gut, das kann passieren, liebe SPD, wenn man sich an Themen neu versucht. Nicht nachzuvollziehen ist für mich jedoch, wieso Sie in Ihrem Antrag eigentlich nur Dinge fordern, die längst umgesetzt werden.

Im Programm MehrWertKonsum, das wir zusammen mit den Verbraucherzentralen umsetzen, sind entsprechende Förderprogramme und Initiativen angesiedelt, die die im Antrag genannten Handlungsfelder bereits heute schon abdecken. Hierzu zählt auch die Auslobung eines Preises für nachhaltigen Konsum, der von Ihnen gefördert wird.

Auch Ihre geforderten Landkarten der Nachhaltigkeit findet man im Netz bereits mehrfach von verschiedenen Akteuren, und der Sinn einer weiteren Landkarte der Nachhaltigkeit erschließt sich mir, ehrlich gesagt, nicht.

Sachlich bringt uns Ihr Antrag also nicht wirklich weiter.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Landesregierung handelt zudem längst nach den Grundsätzen des SDG 12. Hinter der Abkürzung SDG 12 verbirgt sich bekanntlich das zwölfte Ziel der insgesamt 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen.

Im Übrigen sind wir auch in Europa nicht so schlecht, und in Deutschland schon gar nicht, wie Sie es in Ihrem Antrag suggerieren. Betrachtet man alle 17 Nachhaltigkeitsziele der UN, so gehören sieben EUStaaten zu den weltweiten Spitzenreitern. Deutschland liegt dabei auf Platz 6, und die nachhaltigste Kleinstadt kommt mit Bad Berleburg sogar aus Nordrhein-Westfalen.

Absolut bedauernswert finde ich, dass Sie dieses Thema missbrauchen, um wieder einmal dem Ansehen der Landwirte zu schaden.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Es hilft in der Sache nichts, die Landwirtschaft erneut als Schuldigen auszuwählen. Die in Ihrem Antrag genannten Details zur Güllethematik sind durch Gesetze geregelt, an die sich die Landwirte halten.

Sie stellen aber bewusst die rechtliche und vor allem die tatsächliche Situation zulasten der Landwirte falsch dar. Das ist billigste Polemik und gegen unsere Landwirte. Dafür sollten Sie sich schämen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Anteil der Menschen, die auf Produkte aus fairem und nachhaltigem Handel achten, ist seit dem Jahr 2012 von 11,2 Millionen auf 15,8 Millionen Menschen angestiegen. Hieran sieht man, dass der Ansatz der begleitenden Aufklärung bei Verbraucherentscheidungen zum Thema „Nachhaltigkeit“ von den Verbrauchern angenommen wird und entsprechend auch zielführend ist.

Trotzdem greifen Sie wieder in die sozialdemokratische Mottenkiste und wollen den Verbraucher bevormunden. So schreiben Sie in Ihrem Antrag, dass der Verbraucher nachhaltiger konsumieren müsse.

Diese Entscheidung könne er aber nicht alleine treffen, sodass es eines starken staatlichen Handelns bedürfe.

Ihre angebliche Hilfestellung kommt aber als trojanisches Pferd daher: Es ist eine staatliche Bevormundung, die Sie eigentlich wollen. Ein mündiger Verbraucher kommt in Ihrem Weltbild leider nicht vor.

Wir hingegen misstrauen dem Verbraucher nicht, sondern wir vertrauen ihm und werden ihn nicht entmündigen.

Herr Kollege, es gibt den Wunsch nach einer Zwischenfrage.

Danke, aber ich spreche jetzt zu Ende. – Wir werden weiter den erfolgreichen Weg gehen und mit unseren Angeboten dafür Sorge tragen, dass der Verbraucher aufgeklärt seine freien Konsumentscheidungen treffen kann.

(Beifall von der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, mehr geht beim Thema Nachhaltigkeit natürlich immer. Es kommt jedoch darauf an, nicht einfach nur mehr, sondern auch das Richtige zu fordern. In Ihrem Antrag kann ich das bisher leider nicht entdecken. Wir können das aber gerne im richtigen Ausschuss, dem dann zuständigen Umweltausschuss, weiter diskutieren. – Danke.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vielen Dank. – Für die Fraktion der Grünen hat nun der Abgeordnete Herr Becker das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich, dass die Kollegen und Kolleginnen der SPD die Frage der nachhaltigen Wirtschaft und des fairen weltweiten Handels nach meinem Eindruck offensichtlich einen Tick ernster nehmen, als wir das in der gemeinsamen Regierungszeit erleben durften.

Damals haben wir bei dieser Frage durchaus den einen oder anderen Widerstand erfahren dürfen. Soviel übrigens zu der Frage, wer sich durchgesetzt hat: manchmal wir, aber auch nicht immer.

Zunächst ist aber festzustellen, dass – das ist jedenfalls mein Eindruck – sich dieser Antrag ein ganzes Stück weit mit der Großen Koalition und den Auseinandersetzungen, die Sie in Berlin führen, auseinandersetzt.

Das ist auch richtig, denn die Große Koalition hat es bis heute nicht geschafft, einen europäischen Green Deal zu unterstützen. Sie schafft es bis heute nicht,