Wenn die Menschen im Stau stehen oder die Züge ausfallen und überfüllt sind, behauptet diese Landesregierung einfach, dass die Staus angeblich kürzer geworden sind; und der Ministerpräsident fliegt derweil mit dem Hubschrauber zum Beispiel zu einem Jugendreitturnier.
Und was sagt der Ministerpräsident den Menschen, die verzweifelt eine bezahlbare Wohnung für sich und ihre Familie suchen und die Angst haben, dass sie sich ihr Leben in ihrer Heimat bald nicht mehr leisten können? Er sagt ihnen, dass er demnächst in einem „Tatort“-Krimi zu sehen sein wird. Einen ganzen Arbeitstag sollen die Dreharbeiten in Anspruch genommen haben, meine Damen und Herren. „Tatort“ statt Tatkraft – das ist wohl das neue Motto Ihrer PRAbteilung.
Aber vielleicht brauchen Sie ja solche Marketinggags. Ich gönne sie Ihnen sogar. Ich gönne Ihnen auch den „Tatort“-Auftritt, Herr Laschet. Denn ich kann Sie für Ihre Zukunftsplanung nur ermutigen, auf ein zweites Standbein zu setzen.
Aber ein bisschen Sorge mache ich mir schon, was dann ab 2022 kommt: „Let’s Dance“, „Frauentausch“, „Dschungelcamp“? Ich bin gespannt, was Sie uns noch zu bieten haben.
Ich habe auch gelesen, dass dieser „Tatort“, für den Sie angefragt worden sind und bei dem Sie jetzt mitdrehen, ein sogenannter Improvisations-“Tatort“ sein soll –
also sozusagen ohne Plan; mal schauen, was sich so ergibt. Dass man dann auf Sie als Darsteller kommt, wundert mich natürlich nicht, Herr Laschet.
Denn dass Sie ein Talent für Improvisation haben, haben Sie ja schon einmal bewiesen. Geht ein Stapel Klausuren verloren, geben Sie einfach allen eine Eins oder eine Zwei. So löst man das in der Improvisation, meine Damen und Herren.
Wenn allerdings – neben Ihren schauspielerischen Ambitionen – Menschenorganisationen mit ernsten Problemen an Sie herantreten, beispielsweise die Kirchen, die in Sorge um die Finanzierung ihrer Kin
dertagesstätten sind und an Sie appellieren, schicken Sie noch nicht einmal die berühmte Empfangsbestätigung. Dafür haben Sie keine Zeit.
Wenn der Deutsche Gerichtsvollzieher-Bund Sie anschreibt und wegen der stark gestiegenen Zahl von Angriffen auf Vollstreckungsbeamte und Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher um Ihre Hilfe bittet, bekommen die Kolleginnen und Kollegen noch nicht einmal eine Antwort.
Dabei haben Sie doch am 21. Mai dieses Jahres beim Gewerkschaftstag des Deutschen Beamtenbundes zum Thema „Gewalt gegen Beschäftigte des öffentlichen Dienstes“ erklärt – ich zitiere Sie –:
„… es gab früher die Praxis, dass man manchmal wegen Bagatellen auch Verfahren eingestellt hat – wir stellen keine Verfahren wegen angeblichen mangelnden öffentlichen Interesses mehr ein. Jedes Verfahren wird jetzt verfolgt.“
Wir haben bewusst sechs Monate im Land verstreichen lassen und im Rechtsausschuss einmal nach dem Sachstand gefragt, was denn aus dieser Ansage des Ministerpräsidenten geworden ist. Ich darf aus dem schriftlichen Bericht des Justizministers zitieren:
„Jeder Praktiker weiß: Es werden immer Fälle bleiben, in denen eine Einstellung sachgerecht sein kann.“
Der Justizminister widerspricht dem Ministerpräsidenten öffentlich. Konsequenzen: keine. Ihre Ankündigung beim Deutschen Beamtenbund ist also ein leeres Versprechen. Das weiß jeder Praktiker. Fragen Sie einmal Herrn Biesenbach. Ich fürchte, der hat das aber auch schon wieder vergessen.
Herr Ministerpräsident, Ihre Regierung hat ein erhebliches Glaubwürdigkeitsproblem. Keine der Vorgängerregierungen ist so oft der Unwahrheit überführt worden wie Ihre Regierung. Damit muss jetzt Schluss sein. Das ist einer Regierung unwürdig.
Ist es Ihnen denn wirklich egal, dass Ihrem Regierungssprecher nach der fulminanten Pressemitteilung zum Hackerangriff niemand mehr über den Weg traut? Ist es Ihnen wirklich gleichgültig, dass Ihrem Innenminister regelmäßig Unwahrheiten nachgewiesen werden, die er mit Erinnerungslücken und Schusseligkeit zu erklären versucht? Wollen Sie wirklich darüber hinwegsehen, dass Ihr Justizminister seinen letzten Rest an Glaubwürdigkeit verschwendet, um irgendwie im Amt zu bleiben?
Sie schauen ja immer gerne nach Bayern und möchten den Bayern gerne nacheifern. In Bayern heißt das Motto „Laptop und Lederhose“. Herausgekommen ist bei Ihnen aber nur „Handy und Hosentasche“. So telefoniert angeblich der Justizminister. Niemand glaubt ihm mehr.
Nutzen Sie Ihre Organisationsgewalt, und beenden Sie diese Tragikomödie. Es ist eben nicht egal, ob es einer Regierung an Wahrhaftigkeit mangelt oder nicht, meine Damen und Herren.
Sie können für Ihre Glaubwürdigkeit aber eine ganze Menge tun, wenn Sie hin und wieder auch mal eines Ihrer Wahlversprechen einhalten.
In der letzten Legislaturperiode haben Sie sich massiv über die Erhöhung der Grunderwerbsteuer beschwert. Sie sei eine unerträgliche Belastung für junge Familien, haben Sie hier in mehreren Plenardebatten lautstark zum Ausdruck gebracht. Jetzt regieren Sie seit zweieinhalb Jahren. Reden Sie mir hier nicht von einer Bundesratsinitiative, die Sie gestartet haben, die aber zum Scheitern verurteilt gewesen ist. Sie können jetzt handeln. Mit einem Handstreich können Sie die Grunderwerbsteuer wieder senken. Aber Sie werden es nicht tun. Sie haben Ihr Versprechen gebrochen, meine Damen und Herren.
Dann fragen sich die Menschen natürlich schon: Liegen Ihnen diese jungen Familien, die Sie ja vielfach zitiert haben, jetzt plötzlich nicht mehr am Herzen?
Wissen Sie was, Herr Laschet? Ich mache Ihnen einen Vorschlag: Sie und Ihre Koalitionsfraktionen können heute unserem Antrag zustimmen und die KitaGebühren in Nordrhein-Westfalen komplett abschaffen. Keine Steuersenkung würde junge Eltern stärker entlasten als die Abschaffung dieser Gebühren.
Im Gegenzug verspreche ich Ihnen im Namen meiner Fraktion: Wir werden das Wort „Grunderwerbsteuer“ nie wieder in den Mund nehmen. – Das Thema ist dann erledigt, und junge Eltern sind von Gebühren entlastet. Das ist heute unser Angebot, Herr Laschet.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich kann mich noch sehr gut an die Haushaltsdebatten in den Jahren 2015 und 2016 erinnern, als Armin Laschet, Christian
Lindner und auch Hendrik Wüst wie Rumpelstilzchen schimpften, weil das Wirtschaftswachstum in Nordrhein-Westfalen nur 0,9 % bzw. 1,0 % betrug. Jetzt haben wir zwei Jahre sogenannte Entfesselung erlebt. Und was ist das Ergebnis? Gerade mal 0,1 % Wirtschaftswachstum in Nordrhein-Westfalen im ersten Halbjahr!
Wenn wir Glück haben, kommen wir vielleicht im Jahresdurchschnitt noch auf 0,3 %. Das wäre dann aber auch immer noch sehr, sehr deutlich unter dem Bundesdurchschnitt. Es ändert auch nichts daran, dass die Industrieproduktion in unserem Land im ersten Halbjahr 2019 besorgniserregend um 1,6 % zurückgegangen ist.
Im Gegensatz zu Ihnen früher behaupte ich übrigens nicht, dass für die Wachstumsdelle die Landesregierung verantwortlich ist – schon gar nicht einzig und allein. Das wäre heute genauso unsinnig, wie es damals unsinnig war. Aber ich halte fest, dass zur Regierungszeit von SPD und Grünen das Wirtschaftswachstum in Nordrhein-Westfalen dreimal so stark war, wie es unter CDU und FDP heute ist, meine Damen und Herren. Ihre Entfesselungspolitik wirkt nicht. Das ist das Ergebnis.