Protocol of the Session on November 28, 2019

Ich möchte nur die amtliche Abschlussbilanz, für die nicht wir bezahlt haben, sondern die offiziell vom RWI festgestellt worden ist, verlesen, Herr Becker. In Ihrem letzten vollen Regierungsjahr 2016 ist das Bruttoinlandsprodukt der Bundesrepublik Deutschland um 1,9 % gewachsen; in Nordrhein-Westfalen waren es 0,9 %. Zwischen 2010 und 2017 ist das Wachstum jedes Jahr um im Durchschnitt 0,8 Prozentpunkte unter dem Bundesdurchschnitt geblieben.

Das erklärt die höhere Arbeitslosigkeit in NordrheinWestfalen und auch manch anderen Rückstand gegenüber anderen Bundesländern, den wir erlebt haben.

(Ralph Bombis [FDP]: So ist es!)

Dies hat viele Ursachen. Aber eines ist klar: Damit kann und darf sich dieses Land nicht zufriedengeben. Wir müssen hart daran arbeiten, dass es in den nächsten Jahren besser wird. Dafür müssen wir die Voraussetzungen schaffen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Ich empfinde es nicht als Beschimpfung, dass Sie mir bescheinigen, ich hätte vielleicht auch etwas mit den Wissenschaften zu tun. Ja, ich bin auch für Innovation zuständig. Innovation findet an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Wirtschaft statt. Ich arbeite mit meiner geschätzten Kollegin Frau PfeifferPoensgen konkret daran, dass wir die Mittel, die das Land Nordrhein-Westfalen einsetzt, die Sie, das Hohe Haus, uns als Landesregierung dankenswerterweise zur Verfügung stellen, die die Steuerzahler dankenswerterweise bereitstellen und die wir für Forschung und Wissenschaft ausgeben, in Zukunft noch stärker mit der Praxis in Verbindung bringen und durch besseren Transfer, auch durch Förderung von Start-ups, nutzen können, um die Wirtschaft wettbewerbsfähiger und die Arbeitsplätze zukunftsträchtiger zu machen.

Daran arbeitet diese Landesregierung. Wir sind technologieoffen. Wir haben keine ideologischen Scheuklappen, wie das vorher der Fall war. Wir nutzen die Chancen der Hochschul- und Forschungseinrichtungen

(Beifall von der CDU und der FDP – Zurufe von der SPD)

und versuchen, mit den Firmen zusammenzuarbeiten.

Das gilt auch für ein Kernthema, das gerade von Ihrer Fraktion, Herr Becker, über Jahre immer wieder propagiert wird, nämlich den Klimaschutz. Wir haben als erste Landesregierung – und nicht Sie – gesagt: Wenn wir zu den Pariser Klimaschutzzielen stehen – und das tun wir –, wenn die Industrie sich bis zur

Mitte dieses Jahrhunderts in Richtung Klimaneutralität entwickeln soll und wenn wir alle als Gesellschaft uns in Richtung Klimaneutralität entwickeln wollen, dann werden wir das nicht erreichen können, indem wir nur inkrementelle Innovationen betreiben und Energieeffizienz weiter vorantreiben, wie wir das über Jahrzehnte durchaus erfolgreich hier am Standort Nordrhein-Westfalen getan haben; dann werden wir auch zu disruptiven Innovationen kommen müssen.

Wir haben eine Landesinitiative mit über 30 Industrieunternehmen gegründet, Herr Sundermann. Wir haben uns mit den Industrieunternehmen, mit den Betriebsräten und mit den Gewerkschaften abgestimmt und uns gefragt: Wie schaffen wir es in Nordrhein-Westfalen, unser Know-how an den Forschungseirichtungen in der Wissenschaft zu nutzen und zusammen mit der Industrie zu einer klimaneutralen Industrie in Nordrhein-Westfalen zu kommen?

Auf dieser Grundlage entwickeln wir unsere Wasserstoffstrategie – aber nicht nur als ein Papier. Denn wir setzen es schon um. Wir sind das erste Land der Welt, das zeigt, dass wir am laufenden Hochofen die Kohlenstoffreduktion durch Wasserstoffreduktion ersetzen können –

(Beifall von der CDU und der FDP)

eine weltweite Premiere hier in Nordrhein-Westfalen. Das treiben wir voran. Wir setzen mit IN4climate diese Initiative um.

Wir sprechen mit der Industrie – mit Chemie, mit Zement, mit Stahl, mit Glas. Wir reden mit allen auch über die Frage der Genehmigungsverfahren. Wie bekommen wir das hin, und zwar möglichst schnell? Und: Welche Technologien haben wir, um das tatsächlich umsetzen zu können?

Dann kommt uns doch wieder der eigene Standort zugute. Wir haben hier einen tollen Anlagenbau. Wir haben Maschinenbau, gerade in der Metropole Ruhr. Auch durch die gute Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften – das will ich unterstreichen –, mit den Betriebsräten und mit den Unternehmensleitungen haben wir die Initiative „Spitzencluster Industrielle Innovationen“ im Ruhrgebiet gestartet. Hier wollen wir die Elektrolyseure entwickeln. Hier wollen wir auch digitale Instrumente entwickeln, damit die Industrie und die verschiedenen Branchen diese Entwicklungen mit neuesten Technologien voranbringen können.

Wenn wir hier in Nordrhein-Westfalen zeigen können, wie das geht, dann schaffen wir für diese Industrien auch die internationalen Marktplätze, auf denen sie die Technologien später weltweit vertreiben können.

So begreifen wir unsere Arbeit in Nordrhein-Westfalen. Wir sehen die großen Herausforderungen durch den Klimawandel. Wir sehen die Globalisierung. Wir

sehen die Themen in der Digitalisierung und auch in der Demografie. Wir nutzen die Technologien, die wir haben. Wir bringen die Menschen zusammen. Mit ihnen zusammen arbeiten wir hier in NordrheinWestfalen daran, dass dieser Standort wieder seine Leistungsfähigkeit entfalten kann. Dafür machen wir unsere Entfesselungspolitik. Dafür machen wir unsere Forschungs- und Innnovationspolitik.

Ich danke den Regierungsfraktionen sehr herzlich für die tolle Unterstützung und für die Mittel, die uns hierfür im Haushalt bereitgestellt werden. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Minister Professor Dr. Pinkwart. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, weitere Wortmeldungen liegen zum Teilbereich a), Wirtschaft, nicht vor, sodass ich die Aussprache dazu schließe.

Wir kommen zum Teilbereich

b) Energie, Landesplanung

Als erstem Redner erteile ich dem Kollegen Sundermann für die Fraktion der SPD das Wort. Bitte sehr.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich meine Ausführungen zum Teilbereich Energie beginnen, indem ich an den Teilbereich Wirtschaft anknüpfe. Was kann die Landesregierung in diesem Bereich noch mehr tun? Der Staat kümmert sich um Infrastruktur. Das ist eine aktive Wirtschaftspolitik und auch eine aktive Energiepolitik. Hier sehen wir an zwei Stellen ein deutliches Systemversagen.

Das Erste ist – das werden wir gleich unter dem Punkt „Digitales“ diskutieren –: Der Breitband- und Glasfaserausbau ist in Nordrhein-Westfalen privatisiert und funktioniert nicht.

Das Zweite ist – das ist jetzt unser Bereich – der Ausbau der Übertragungsnetze. Vier Netzbetreiber sollen diesen Netzausbau in Deutschland vornehmen. Wir stellen fest: Es klappt nicht. Wie das Kaninchen vor der Schlange sitzen wir da. Wir initiieren Maßnahmen, schauen und fragen uns, was man tun kann, um die Energiewende zu gestalten. Aber einer der wichtigsten Bestandteile, vielleicht der wichtigste überhaupt, nämlich der Netzausbau, funktioniert an dieser Stelle nicht.

Meine Damen und Herren, was kann man denn dann tun? Natürlich fallen uns als Erstes die Genehmigungen ein. Die Genehmigungsverfahren müssen schneller werden. Der Minister hat letztes Mal in ei

nem Halbsatz ein weiteres Deregulierungspaket angekündigt. Ich sage Ihnen: Ja, das ist wichtig. Natürlich ist es wichtig, dass auch wir hier die entsprechenden Dinge tun. Unterhalten Sie sich einmal mit den Leuten von Amprion. Aber es ist zu spät, Herr Minister. Sie haben sich als Erstes um die Hygieneampel gekümmert und kümmern sich erst jetzt um den Netzausbau. Das ist eine falsche Prioritätensetzung.

(Beifall von der SPD)

Als Zweites geht es um die Bereitschaft der Unternehmen, dieser vier Netzausbaubetreiber, mehr Geld in die Hand zu nehmen und schneller zu werden. Wir müssen ernsthaft darüber diskutieren, ob sich der Staat nicht an diesen Netzagenturen, an diesen Unternehmen, beteiligt. Denn ich glaube, dass bei diesem wichtigen Infrastrukturprojekt der Staat es besser und schneller macht als die Unternehmen, die es heute tun. An dieser Stelle – das können wir, glaube ich, feststellen – unterscheidet sich unser wirtschaftspolitischer Ansatz sehr deutlich, meine Damen und Herren.

Damit komme ich zu dem nächsten Punkt, auf den ich eingehen möchte. Wir setzen uns immer zwei entscheidende Benchmarks, wenn wir über Energiepolitik reden. Die eine Benchmark ist das Klimaabkommen von Paris, das wir alle einhalten wollen. Die zweite Benchmark ist, dass wir die Ergebnisse der WSB-Kommission und die entsprechenden Maßnahmen hier umsetzen wollen.

An dieser Stelle muss ich Kritik an der Landesregierung üben. Wir sind der Meinung – und nicht nur wir –, dass genau das nicht funktioniert. Wir haben uns in der WSB-Kommission auf einen Ausstiegspfad festgelegt. Wie steigen wir aus der konventionellen Energieversorgung aus? Auf der anderen Seite brauchen wir dann natürlich einen Zuwachs an erneuerbaren Energien, die dieses Delta schließen.

Meine Damen und Herren, ich möchte an dieser Stelle aus einer Anhörung zitieren. Diese Anhörung hat sich mit den Maßnahmen beschäftigt, die Sie über Ihre Energieversorgungsstrategie aufgelegt haben. Der BDEW äußert sich zu Ihrer Energieversorgungsstrategie folgendermaßen:

„Kritisch sieht der BDEW allerdings die aus unserer Sicht weiterhin zu geringen Ambitionen der Landesregierung in Bezug auf den nötigen weiteren Ausbau der Windenergie und FreiflächenPhotovoltaik.“

Der BDEW regt an, dass die Landesregierung ihre Haltung dort ändert.

Der VKU führt aus:

„Bei der Windenergie an Land bleibt die Strategie allerdings hinter unseren Erwartungen zurück. Hier gibt es eine deutliche Diskrepanz zwischen Anspruch (Ausbauziele) und Wirklichkeit …“

Das stellen also nicht nur wir fest, sondern das stellen maßgebliche Akteure fest, die sich mit Energie in unserem Land beschäftigen.

Meine Damen und Herren, Sie bedienen sich immer wieder der Taktik, auf den Bund zu verweisen. An allen Stellen verweisen Sie auf den Bund. Jetzt sagen Sie: Der Bund legt 1.000 m fest; das hat auch Auswirkungen auf unsere Repowering-Aktivitäten. – Meine Damen und Herren, mit diesen Nebelkerzen werden Sie nicht durchkommen. Das wird nicht funktionieren.

Ich sage Ihnen auch ganz ehrlich – ich habe Ihnen das schon im Ausschuss gesagt und wiederhole es hier gerne –: Diese Strategie hält bis zum 13.09.2020, bis zu den Kommunalwahlen.

Danach werden Sie diese Strategie einpacken müssen; denn sonst werden Sie den Energieausbau, den wir brauchen, nicht schaffen. Dann wird alles das scheitern, und dann werden genau die Benchmarks, die wir uns immer setzen – das Umsetzen des Klimaschutzabkommens und die Eins-zu-eins-Umsetzung der Ergebnisse der WSB-Kommission –, nicht erreicht. Ihre Energiepolitik wird genau an diesem Punkt scheitern. Deswegen lehnen wir sie auch ab. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Sundermann. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der CDU Herr Kollege Rehbaum das Wort.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Mit der Energiewende erleben wir eine Operation am offenen Herzen der größten Volkswirtschaft Europas. Wir schalten bis Ende 2020 die sechs letzten Atomkraftwerke ab. Jedes dritte Kohlekraftwerk wird in den nächsten zwei Jahren geschlossen. 60 % der Kohlekraft werden bis 2030 vom Netz gehen, und der Rest wird 2038 oder eventuell sogar schon 2035 vom Netz gehen.

Gleichzeitig müssen wir die Erneuerbaren in gleichem Maße ausbauen, ebenso wie Gaskraftwerke, Leitungen und Speicher. Das ist eine riesengroße Aufgabe.

Wenn wir es falsch machen, werden wir nicht nur Stromausfälle erleben, sondern auch die Verteuerung von Strom, die Aufgabe von Unternehmen oder die Verdrängung der Produktion ins Ausland und Arbeitslosigkeit mit all ihren negativen Effekten für die Betroffenen und für die Gesellschaft. CO2 wird in diesem Falle im Ausland ausgestoßen, und dem Klima wäre nicht geholfen.

Wenn man es richtig macht – und das wollen wir –, ist die Energieversorgung für die Bürger, für die Unternehmen und zum Beispiel auch für die Krankenhäuser zu jeder Sekunde des Jahres sichergestellt. Dann sind die Strompreise für Familien und Firmen bezahlbar, ist der Strukturwandel erfolgreich gemeistert, produzieren die Unternehmen bei uns vor Ort mit gut bezahlten Arbeitsplätzen und halten wir die CO2Ziele von Paris ein.

Wir als NRW-Koalition wollen, dass die Energiewende eine Erfolgsgeschichte wird.