Protocol of the Session on November 13, 2019

Alleine die Vorstellung, dass 1.800 Menschen in einem Chat Kinderpornos tauschen, haut einem ja die Füße weg. Mehr als 250 Kräfte der Polizei arbeiten derzeit mit Hochdruck an diesem Mammutfall – das darf ich Ihnen versichern; das ist genau wie bei der Staatsanwaltschaft –, und zwar mit diesen Zielen:

Ziel eins ist, möglicherweise noch laufende Missbräuche aufzudecken und möglichst schnell zu stoppen. Ich sage bewusst: möglichst schnell. Denn man weiß: Bei den Kapazitäten wird das nicht so schnell passieren, wie wir uns das alle erträumen oder wünschen.

Ziel zwei ist, die Opfer der Missbräuche professionell zu betreuen, um eine Aufarbeitung zu ermöglichen.

Ziel drei ist, alle Straftaten beweissicher aufzuklären.

Da es sich bei diesen Ermittlungen – das hat der Kollege Biesenbach auch schon gesagt – um laufende Ermittlungen handelt, kann ich dazu nicht mehr sagen. Aber erschreckend genug sind die Informationen schon, die ich Ihnen gegeben habe oder die wir auch schon gelesen haben.

Ich habe eine Bitte an uns alle. Vielleicht klingt das komisch, aber ich habe diese Bitte immer wieder geäußert, auch als ich mit den Obleuten geredet habe. Ich habe einen Appell oder eine Bitte: Lassen Sie uns die Staatsanwälte und die Polizei ihren Job machen.

Das ist ein schwieriger, ein belastender Job, aber einer, der sich lohnt, wie man jetzt in diesen Tagen sieht. Es lohnt sich, wenn man die arbeiten lässt und sie Stück für Stück die Sache aufrollen. Das Wort „lohnen“ ist schon komisch. Denn das klingt ja positiv. Ich befürchte, es kommt noch mehr zutage. Das ist nicht das Ende. Aber das muss weiter betrieben werden.

Ich möchte mich bei all denen, die daran arbeiten – das geht bei solchen Debatten oft unter –, egal, an welcher Stelle, Staatsanwaltschaft, Polizei, Jugendämter, dafür bedanken, dass sie sich so engagiert da reinklemmen und arbeiten. Ich hoffe, dass sie durchhalten. Wir versuchen, wie Sie der Presse entnehmen können, die so zu begleiten, dass man das einigermaßen ertragen kann.

Also: Kein Wunder, dass die Geschichte weitergeht.

Wir dürfen auf keinen Fall in der Intensität nachlassen, die Sachen aufzubereiten, und genauso nicht in der Intensität, unsere Arbeitsweisen zu verändern und anzupassen, immer, wenn neue Erkenntnisse kommen, dafür zu sorgen, dass wir besser werden, genauer werden, exakter werden, und da, wo einer es noch nicht ganz verstanden hat, den auch noch einmal aufzuklären.

Manchmal hofft man – ich habe es ja auch gedacht –, das passiert einmal, und dann ist – Simsalabim – alles in Ordnung. Aber das ist leider komplizierter. Dafür möchte ich ein Stück werben. – Danke sehr.

Vielen Dank, Herr Minister Reul. – Bevor ich Herrn Kollegen Wolf von der SPD-Fraktion das Mikro freischalte für die erste Nachfrage, will ich rein vorsorglich darauf hinweisen, dass selbstverständlich auch in der Fragestunde der Datenschutz gilt und einzuhalten ist. Das bezieht sich sowohl auf diejenigen, die gleich Fragen stellen, als auch auf die beiden Minister, die Antworten geben. Wenn wir uns nicht daran halten, haben wir alle miteinander ein wirklich ernsthaftes Problem.

Herr Kollege Wolf, bitte.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Ich möchte zunächst an die Vorbemerkungen der beiden Minister anschließen, wenn Sie gestatten. Auch für mich führt dieser Fall zu Sprachlosigkeit. Ich glaube, alle hier im Haus sind von diesem Thema tief bewegt, weil man es so schwer greifen und verstehen kann.

Eine zentrale Frage steht für uns im Mittelpunkt. Das entnehme ich jetzt auch den Schilderungen von Ihnen, Herr Minister Biesenbach. Sie haben das ja ergänzt, Herr Minister Reul. Der verdächtige oder beschuldigte Kinderschänder zeigt sich an und räumt ein, dass er sich den Kindern nicht mehr nähert.

Nach der jetzt aktuellen Berichterstattung soll er sich noch dahin gehend eingelassen haben – wenn ich hier die Berichterstattung zitieren darf –, dass er sich bereits in den Jahren 2012 und 2013 kinderpornografisches Material angesehen habe. Womöglich – das wird auch in der Presseberichterstattung berichtet – hätte es bereits im Jahr 2018 Hinweise aus dem Kindergarten gegeben. Das ist das, was ich der aktuellen Presseberichterstattung entnehme. Das ist der Sachverhalt, den ich lediglich wiedergebe.

Trotzdem sahen Polizei und Staatsanwaltschaft keinen Grund zur Eile oder auch zur Überprüfung der Angaben.

Sie, Herr Minister Biesenbach, haben das aufgrund der Erläuterungen und der Überprüfungen durch den Generalstaatsanwalt wiedergegeben. Ich habe jetzt daraus geschlossen, dass Sie sich diese Rechtsansicht des Generalstaatsanwaltes zu Eigen machen, diese Beanstandung der nicht beschleunigten Beschlagnahme von Daten.

Mich würde trotzdem interessieren: Warum sahen sowohl die Polizei als auch die Staatsanwaltschaft keinen Grund zur Eile?

Vielen Dank, Herr Kollege Wolf. – Auch wenn das eine wirklich sehr erschütternde Thematik ist und ich nachvollziehen kann, dass man Fragen in diesem Zusammenhang nicht einfach so in den Raum stellen kann, weil man sie herleiten muss, will ich noch einmal für alle, die noch fragen, darauf aufmerksam machen, dass wir uns nicht in einer Debatte, sondern in der Fragestunde befinden.

Ich vermute, dass Sie Ihre Frage zunächst an Herrn Minister Biesenbach gestellt haben. Und dann gucken wir mal, wie es weitergeht. – Herr Biesenbach, bitte.

Herr Kollege Wolf, das, was mein Haus im Augenblick weiß, habe ich vorgetragen. Wir haben den Bericht heute bekommen, und Dr. Burr war bis 13 Uhr damit beschäftigt, mich ganz schnell zu informieren. Alles andere ist noch ungesichert. Ich habe mir vorgenommen, wenn ich hier irgendetwas vortrage, das wirklich erst dann zu machen, wenn ich belastbar etwas dazu sagen kann.

Ebenso steht unsere Bewertung noch aus. Denn auch wir kennen erst seit wenigen Stunden die Bewertung des Generalstaatsanwaltes. Deswegen bitte ich um Verständnis, wenn ich jetzt nicht aus dem Lamäng heraus eine Bewertung abgebe. Aber ich kann eines sagen: Ich habe erst einmal keinen Anlass, dem Generalstaatsanwalt nicht zu folgen.

Wir haben am nächsten Mittwoch Rechtsausschusssitzung. Ich habe den Tagesordnungspunkt bereits

angemeldet und werde dann möglicherweise weitere Details in einer nichtöffentlichen Sitzung nennen, die ich öffentlich nicht nennen darf. Denn die Staatsanwaltschaften – sowohl Kleve als auch die Generalstaatsanwaltschaft – haben ausdrücklich darauf hingewiesen.

Wegen der andauernden Ermittlungen und deren möglicher Gefährdung sowie der schutzbedürftigen Interessen der minderjährigen Geschädigten habe ich gegen die öffentliche Erörterung auch in parlamentarischen Gremien Bedenken.

Nächste Woche – nichtöffentlich – sind wir weiter und können dann auch Dinge berichten, die wir selbst im Augenblick erst einmal zur Kenntnis genommen haben, aber noch nicht in irgendeiner Form verarbeiten können.

Vielen Dank, Herr Minister Biesenbach. – Herr Reul bitte.

Herr Abgeordneter Wolf, Sie haben nach der polizeilichen Seite gefragt. Ich kann wie Peter Biesenbach die Berichterstattung der Presse weder bestätigen noch dementieren, erstens aus grundsätzlichen Gründen und zweitens … Bleiben wir bei den grundsätzlichen Gründen, das reicht.

Wir haben am 04. und am 06.11., nachdem wir die Information bekommen haben, die Leitung der Polizei Wesel bei uns im Haus gehabt, und der Landrat des Kreises Wesel hat umgehend eine Taskforce eingesetzt, um die genauen Abläufe zu klären, die noch zu klären sind. Es kann sein, dass es da neue Erkenntnisse gibt, es kann aber auch sein, dass es keine gibt.

Das andere ist in den Abläufen so gewesen, wie soeben von mir und Herrn Biesenbach vorgetragen. Das ist unser jetziger Stand.

Vielen Dank. – Nun stellt Herr Kollege Engstfeld von Bündnis 90/Die Grünen die nächste Frage.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Vielen Dank auch, Herr Minister Biesenbach und Herr Minister Reul, für Ihre Ausführungen. Wenn ich Sie richtig verstanden habe, befinden wir uns zum jetzigen Zeitpunkt in einer Phase, in der die Ermittlungen andauern und sich auf mögliche weitere Taten, Opfer und Täter beziehen. Wahrscheinlich sind Zugriffe – und das wäre meine Frage – zum jetzigen Zeitpunkt noch möglich bzw. könnten noch vollzogen werden.

Wenn dem so ist, würde ich in der heutigen Fragestunde – und ich vermute, das kann ich im Namen

meiner anwesenden Kolleginnen und Kollegen sagen – von weiteren Fragen absehen,

(Beifall von der CDU)

nicht weil wir nicht viele Fragen hätten – gerade nach der aktuellen Berichterstattung, da kann ich an den Kollegen Wolf anknüpfen, sind noch sehr viel mehr Fragen entstanden –, sondern für mich und für uns steht in dieser Phase, zum heutigen Zeitpunkt, der Ermittlungserfolg im Vordergrund, und wir wollen die Behörden arbeiten lassen.

(Beifall von der CDU, der FDP und Matthi Bolte-Richter [GRÜNE])

Wir werden sicherlich – wir haben das schon angedeutet – nicht nur im Rechtsausschuss nächste Woche, sondern auch im Innenausschuss, im Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend und im Plenum diese Vorgänge aufzuarbeiten haben. Das tun wir dann nächste Woche.

Meine Frage ist, ob es richtig ist – das wäre die Prämisse –, dass die Ermittlungen noch laufen und Zugriffe noch möglich wären.

Vielen Dank, Herr Kollege Engstfeld. – Ich schalte nun das Mikrofon für Herrn Minister Biesenbach frei.

Herr Engstfeld, so ist es, und ich fürchte, dass wir uns damit noch sehr lange beschäftigen müssen. Wenn meine Infos stimmen, dann hat alleine ein Chat, in dem derjenige aus Bergisch Gladbach unterwegs war, etwa 1.800 Kontaktpersonen gehabt. Insbesondere die ZAC in Köln versucht intensiv, zu ermitteln, wer das ist, denn die Personen melden sich nicht mit Klarnamen und einer ladungsfähigen Anschrift an. Die Namen lauten etwa „Pinguin“ oder „Herzblatt 3“. Das sind alles Geschichten, mit denen wir gar nichts anfangen können.

Jetzt ist es wichtig, ob wir über die Spur, die wir haben, an denjenigen herankommen. Das wird bei allen nicht gelingen, wenn der Server im Ausland steht. Je nachdem wo der Server steht, sind Rechtshilfeersuchen oft Monate unterwegs. Meine Sorge ist, dass wir aus technischen Gründen längst nicht alle werden ermitteln können. Und ansonsten müssen wir – und das wollen wir auch – richtig viel Arbeit investieren, um das aufzuklären.

Herbert Reul hat soeben die Zahlen genannt – mich hauen sie um –: 600.000 Blätter in Aktenordnern. Diese Dinge – und sie machen uns alle betroffen – werden uns noch lange beschäftigen, gemeinsam mit dem, was wir da noch aufzuklären haben und auch aufklären werden. Das schließt aber nicht aus, dass wir auch zwischendurch schon Gerichtsverfahren beginnen; denn wenn neue Sachen kommen,

können wir ja auch nachschieben. Daran wird es nicht mangeln.

Wenn Sie jetzt ganz viele Fragen haben: Wir werden sie dann, wenn wir sie beantworten können, auch gerne beantworten.

Vielen Dank, Herr Minister. – Die nächste Frage stellt Ihnen Herr Kollege Wolf von der SPD-Fraktion.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Wir sind uns, glaube ich, alle einig – so habe ich Herrn Kollegen Engstfeld und auch Sie, Herr Minister Biesenbach und Herr Minister Reul, verstanden –, dass wir bei diesem Fall die Ermittlungen abwarten wollen und sie nicht durch die parlamentarische Kontrolle in irgendeiner Weise dem Risiko aussetzen wollen, dass etwas nicht ermittelt werden kann.

Insbesondere Ihre, Herr Minister Biesenbach, Ausführungen zu den Bewertungen durch den Generalstaatsanwalt und auch die Tatsache, dass das Parlament gegenüber der Exekutive eine Kontrollfunktion auszuüben hat, gebieten es, dass wir uns mit dem Thema weiterhin beschäftigen.

Ich will noch eine Frage zu dem Zeitraum zwischen Juni und Oktober formulieren, weil das eine Frage ist, die uns alle umtreibt. Haben Sie – ich richte die Frage an Sie beide – Verdachtsmomente, dass der Verdächtige bzw. Beschuldigte in diesem Zeitraum weitere Taten begangen hat?

(Gregor Golland [CDU]: Genau das sind die Fragen, die die Ermittlungen gefährden!)