Protocol of the Session on June 26, 2019

Auch der Tatort und die Neonazistrukturen sind von hoher Relevanz. Es bestehen engste Verbindungen der rechtsextremen Szenen in Dortmund und Kassel, die über die Neonazi-Band „Oidoxie“ und offenbar auch über „Combat 18“ zusammenlaufen.

Wir konnten hier in NRW im NSU-Unter-suchungsausschuss zwar nicht nachweisen, dass es ein Unterstützernetzwerk des NSU gab; wir konnten aber sehr wohl und sehr dezidiert nachweisen, dass es Waffen, dass es Ideologie und dass es die Gewaltbereitschaft bei den Neonazis in Dortmund und Kassel gibt. Deshalb fände ich es fatal, wenn sich die Sicherheitsbehörden jetzt nur auf den sehr eng gefassten Begriff der strafrechtlichen Mittäterschaft beziehen würden.

Ich finde es vielmehr total wichtig und relevant, dass es zur Aufklärung von rechtsextremen Netzwerken kommt, um in Zukunft solche Taten hoffentlich zu verhindern.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Ein Schlüssel ist aber aus meiner Sicht die Organisation „Combat 18“, der sogenannte bewaffnete Arm des verbotenen Blood-and-Honour-Netzwerkes, eine Organisation, die klandestin ist, die Schießtrainings abhält, und deren zwölf Mitglieder in NordrheinWestfalen in den vergangenen Jahren 84 Straftaten begangen haben. Mir ist völlig unverständlich, warum

„Combat 18“ nicht im Jahr 2000 als Teilorganisation von „Blood and Honour“ verboten wurde.

Ich weiß, Herr Reul: Über Verbote redet man nicht; man erlässt sie. Deshalb fordere ich Sie heute auch gar nicht auf, hierzu etwas zu sagen. Aber ich fordere Sie auf, zu handeln. Herr Reul, sorgen Sie bitte dafür, dass der Bundesinnenminister im Verbund der Sicherheitsbehörden die rechtsterroristische Organisation „Combat 18“ verbietet und ihre Strukturen zerschlägt.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Klar ist aber auch – das möchte ich nochmals in aller Deutlichkeit sagen –, dass Repression nur ein Teil der Bekämpfung von Rechtsextremismus und Rechtsterrorismus ist. Ich sehe – ausgehend von dem Fall Lübcke – besonders die Politik in der Verantwortung; ich sehe uns in der Verantwortung.

Wir als Politikerinnen und Politiker sind dafür verantwortlich, wie wir über Themen diskutieren, und inwieweit sich demokratische Parteien vom parlamentarischen Arm des Rechtsextremismus treiben lassen.

Schon die Täter des Anschlags auf das Haus der Familie Genç im Jahr 1993 sahen sich als legitime Vollstrecker eines vermeintlichen Volkswillens – übrigens, und das ist wichtig, nur drei Tage nach der Einschränkung des Grundrechts auf Asyl im Grundgesetz.

Rechtsextreme Straftaten – das muss man erkennen – passieren ja nicht im luftleeren Raum. Sie passieren nicht einfach so, sondern sie finden immer in einem gesellschaftlichen Kontext statt. Rechtsextreme nehmen gesellschaftliche und politische Stimmungen als Legitimation für ihre Taten. Das ist wichtig, um zu verstehen, worauf es ankommt.

Wir Demokratinnen und Demokraten sind in der Pflicht, der Verrohung der Sprache und einer weiteren Diskursverschiebung nach rechts Einhalt zu gebieten. Nur so können wir gemeinsam den Neonazis den Boden für ihre vermeintliche Legitimation ihrer menschenverachtenden Taten entziehen. Ich

glaube, dass die Taten in den letzten Wochen noch einmal sehr deutlich gezeigt haben, wie notwendig es ist, dass wir dies tun. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU und der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin. – Für die CDU-Fraktion hat nun der Abgeordnete Sieveke das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es kommt nicht oft vor, dass Frau Schäffer und meine Person inhaltlich in den

meisten Punkten übereinstimmen, aber gerade bei diesem Tagesordnungspunkt ist das der Fall.

Viele von uns haben in den letzten Jahren immer wieder Debatten zu den Herausforderungen im Zusammenhang mit Extremismus in unserem Land geführt. Dabei haben wir zuletzt insbesondere über Linksextremismus und über Islamismus, aber auch über Rechtsextremismus gesprochen.

Vielleicht geht es dem einen oder anderen von Ihnen so, dass wir in den Diskussionen hier im Landtag das Gefühl aufkommen ließen: Gibt es einen „schlimmeren“ Extremismus? Gibt es etwas, das nicht so schlimm ist? – Aber genau das wäre ein Fehler. Jeder Extremismus ist gleich zu behandeln.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP und der AfD)

Ich weiß, dass man gerade meiner Partei, den Konservativen, von bestimmten Seiten gern immer wieder vorwirft, insbesondere den Rechtsextremismus zu verharmlosen. Nachvollziehen kann ich das in keiner Weise; berechtigt ist es ebenso wenig.

Ich darf für die CDU-Landtagsfraktion sagen: Davon distanzieren wir uns und ich mich auch ganz persönlich; denn die CDU ist nicht nur eine Volkspartei, sondern auch eine Union, die über eine außerordentliche Fähigkeit zur Selbstkritik verfügt. Das haben wir bei mehr als einer Gelegenheit in den letzten 70 Jahren bewiesen.

Wenn unsere Kritiker ehrlich wären, würden sie sehr wohl auch wahrnehmen und anerkennen, dass wir uns ausgesprochen schnell von einigen wenigen verirrten Mitgliedern – gerade in den letzten Tagen – klar abgegrenzt haben.

Auch in den Fernsehsendungen der letzten Tage oder im Internet erlebt meine Partei jetzt noch immer entsprechende Vorwürfe oder Andeutungen, obwohl mit Walter Lübcke ein CDU-Politiker ermordet wurde und weitere CDU-Vertreter bzw. von der CDU unterstützte Repräsentanten des Staates offen bedroht werden.

Dabei war es insbesondere Walter Lübcke, der sich nachweislich gegen rechtspopulistische Parolen und Stimmungsmache gestellt und damit im wahrsten Sinne des Wortes staats- und verantwortungstragend gewirkt hat. Gerade deshalb wurde er zum Feind der Feinde unserer Demokratie.

Sie wissen, liebe Kolleginnen und Kollegen hier im Hohen Hause, welche Formel, welches Leitmotiv mir in diesem Kontext immer wichtig war: Jeder Extremist ist Mist.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP und der AfD)

Aktuell wird auch über politische Jugendorganisationen in Deutschland debattiert, und ich bin dankbar, dass zumindest – dies gilt vielleicht auch für andere

Fraktionen – wir eine Jugendorganisation haben, für die dieses Leitmotiv immer feststand.

Aber wissen Sie, warum ich diese Formulierung so gut finde? Weil sie nicht verharmlost, sondern immer daran erinnert, auf keinem Auge blind sein zu dürfen, weil sie nicht die Zahl der Morde und Verletzungen gegeneinander aufrechnet, weil sie nicht zuerst fragt, ob es um einen Einzeltäter oder um ein Netzwerk geht, sondern weil selbstverständlich Einzeltäter und etwaige Netzwerke verfolgt und hinter Gitter gehören, und weil ich persönlich mit diesem Leitmotiv immer beides ansprechen möchte: die gesellschaftliche Diskussion und das Bekämpfen von Extremismus gleichermaßen.

Das ist die große und auch notwendige Einigkeit von CDU, FDP, Grünen und SPD bei dieser aktuellen Diskussion. Man sieht es schon an den Überschriften der Anträge, aber auch an den wesentlichen Inhalten: null Toleranz gegenüber Extremismus und damit auch null Toleranz gegenüber jeder Form von Rechtsextremismus.

Das sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit in unserem Lande sein, ist es aber leider nicht. Daher müssen wir es auch heute erneut in dieser Gemeinsamkeit und Deutlichkeit aussprechen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Der Bundespräsident hat kürzlich über das Sagbare und Unsägliche in unserer Gesellschaft gesprochen und wurde dafür zu Recht viel gelobt. Häufig wurde in den letzten Tagen – das geschah auch gerade eben – von einer Verrohung der Sprache gesprochen.

Ich halte mich durchaus für einen Freund deutlicher und auch einmal emotional-politischer Debatten. Die Menschen fordern zu Recht eine Unterscheidbarkeit der demokratischen Parteien in unseren Parlamenten ein. Warum sollte man für seine Überzeugungen nicht auch hin und wieder etwas lauter und emotional streiten dürfen?

Es gibt aber für alles im Leben Grenzen. Diese Grenze wird in deutschen Parlamenten insbesondere von einer Partei nicht eingehalten: einer Partei, die sonst jede Form von Grenzübertritt auf das Schärfste kritisiert und die sich – da bin ich mir mit den führenden Vertretern meiner Partei in Berlin völlig einig – in diesen Tagen fragen muss, welche Verantwortung, welche politische Mitschuld sie trägt.

(Beifall von der CDU und der FDP – Vereinzelt Bei- fall bei der SPD – Zuruf von Helmut Seifen [AfD])

Ich meine nicht die Grünen, sondern diejenige Partei, deren Vertreter gerade einen Zwischenruf gemacht hat.

Ich habe eben schon die selbstkritische Haltung unserer Partei, der CDU, angesprochen. Ich bitte Sie

aber auch alle, dafür Sorge zu tragen und mitzuhelfen, dass man in diesem Land trotzdem von Vaterlandsliebe sprechen kann und dass ein unverkrampftes Umgehen mit unserem Vaterland möglich ist.

Ich bin davon überzeugt, dass wir auf der Grundlage eines gesunden, aufgeklärten Patriotismus eine gute Gesellschaft weiterentwickeln können. Auch damit wird dem Rechtsextremismus der Nährboden entzogen. Lassen Sie es nicht zu, dass dieser Begriff von dem einen oder anderen in diesem Land missbräuchlich verwendet wird.

Lassen Sie uns als demokratische Parteien in diesem Hohen Hause daran mitwirken, dass der Rechtsextremismus nicht Blüten trägt, sondern schnellstmöglich austrocknet und verkümmert. Der Rechtsextremismus ist ein Übel, das wir an den Wurzeln packen und ausreißen müssen. Wenn wir dabei parteiübergreifend weiter als bisher aufeinander zugehen, bleiben wir gemeinsam auf dem richtigen Weg. – Vielen Dank, dass Sie mir zugehört haben.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die FDP hat nun der Abgeordnete Lürbke das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Unsere Demokratie und unsere Freiheit sind keine Selbstverständlichkeit. Demokratie und Freiheit fallen nicht einfach so mir nichts, dir nichts vom Himmel, sondern sie sind ein hohes und sehr verletzliches Gut.

Jeder Einzelne, wir als Parlament, aber auch der wehrhafte Rechtsstaat müssen deshalb jederzeit unsere freiheitliche demokratische Grundordnung mit dem, was zur Verfügung steht, gegen Extremismus jeder Art, gegen Gewalt und Hetze konsequent verteidigen.

(Beifall von der FDP und der CDU – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Wir treten Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Rechtsextremismus über alle Parteigrenzen hinweg entschieden entgegen. Alle demokratischen Kräfte ziehen hier und heute an einem Strang. Dafür bin ich dankbar; das ist auch das richtige und notwendige Signal. Für rechte Hetze und rechte Gewalt ist in Nordrhein-Westfalen kein Platz!

(Beifall von der FDP und der CDU – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ein Politiker der CDU, der sich vor vier Jahren getraut hat, einem Kasseler Ableger der Pegida eine klare Ansage und sich für die Errichtung einer Flüchtlingsunterkunft stark zu