Protocol of the Session on May 24, 2019

Die Politikverdrossenheit in der Gesellschaft hat in den vergangenen Jahren leider zugenommen, und die Wahlbeteiligung hat sich tendenziell verringert. Was Sie an dieser Stelle also auf keinen Fall machen sollten, ist, den Wahlgang komplizierter und aufwendiger zu gestalten. Darum sind Ihre Modelle auch ungeeignet.

Sie wollen die relative Mehrheitswahl durch eine Zustimmungswahl ersetzen. Die Folge einer solchen Wahlrechtsänderung wird sein, dass die Wahlbeteiligung sinken wird. Das darf und sollte nicht der Effekt einer Wahlrechtsänderung sein.

Bei der Zustimmungswahl kann jeder Wahlberechtigte beliebig viele Kandidaten wählen, ohne jede Gewichtung, nur ja oder nein. Wenn anstatt des besten Kandidaten aber beliebige viele, mehr oder weniger akzeptable Kandidaten auf dem Wahlzettel angekreuzt werden dürfen, wird am Ende der am wenigsten unsympathische Kandidat die Wahl gewinnen.

Unsere Demokratie lebt von einem klaren Bekenntnis des Wählers zu einem bestimmten Kandidaten.

Der Wählerauftrag beinhaltet eine klare Bindung zwischen Wähler und Mandatsträger. Ihr System schwächt diese Bindung.

Außerdem erklären Sie mit keinem Wort, wie Sie mit einem komplizierten Wahlsystem Menschen einfacher erreichen wollen. Wir haben vollstes Vertrauen in den Wähler. Im Vorfeld einer Wahl sollte sich aber der Wähler mit Inhalten und nicht mit grundlegend veränderten Wahlsystemen beschäftigen. Alles andere führt zu einer niedrigen Wahlbeteiligung.

(Michael Hübner [SPD]: Dann hätten Sie die letzte Änderung auch nicht machen dürfen!)

Weil die AfD-Fraktion anscheinend auch selbst nicht komplett von ihrer Idee überzeugt ist, hat sie auch noch eine Alternative formuliert, das sogenannte Instant Runoff Voting. Einzelne Kandidaten, egal wie viele, sind bei der Wahl nach Präferenz aufzulisten. Das klingt nicht nur komplizierter, sondern das ist es auch, insbesondere was die Nachvollziehbarkeit des Stimmenauszählens und der Gewichtung der Zweit-, Dritt- oder Viertstimme angeht.

(Zurufe von der AfD)

Fazit: Die Zustimmungswahl und das Instant Runoff Voting verkomplizieren die Wahl

(Zurufe von der AfD)

und würden sich deshalb negativ auf die Wahlbeteiligung und damit auch auf die Legitimation der Mandatsträger auswirken.

Der Überweisung an die Fachausschüsse stimmen wir aber trotzdem zu. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die SPD-Fraktion hat der Abgeordnete Kramer das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Damen und Herren! Wenige Wochen nach Verabschiedung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalwahlgesetzes mit der Abschaffung der Stichwahl für die Wahl der Bürgermeister und Landräte legt die Fraktion der AfD heute den Gesetzentwurf zur Einführung der Zustimmungswahl für Hauptverwaltungsbeamte vor. Der Kern des Antrags lautet:

„Die Abschaffung der Stichwahlen wird akzeptiert und beibehalten. Gleichzeitig wird aber die relative Mehrheitswahl durch die Zustimmungswahl ersetzt.“

So weit das Zitat.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie werden Verständnis dafür haben, dass die SPD

Landtagsfraktion einen solchen Antrag derzeit aus grundlegenden Überlegungen heraus als deplatziert empfindet.

Sie alle wissen, dass wir die Abschaffung der Stichwahl für einen politisch motivierten, nicht verfassungskonformen Anschlag auf die Demokratie halten

(Beifall von der SPD)

und deshalb gemeinsam mit der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen eine rechtliche Überprüfung durch den Landesverfassungsgerichtshof anstreben.

Unsere Argumente haben wir in den vergangenen Monaten zu zahlreichen Anlässen überzeugend vorgetragen und mit Ihnen ausgetauscht.

Die Abschaffung der Stichwahlen akzeptieren wir, anders als im Gesetzentwurf der AfD vorausgesetzt, angesichts der Beurteilung durch namhafte Verfassungsrechtler eben nicht.

Insofern halten wir es für dringlich, den Ausgang dieses Verfahrens vor dem Landesverfassungsgesetzhof zunächst einmal abzuwarten. Bevor wir erneute Änderungen am Wahlrecht in Betracht ziehen, sollte erst einmal feststehen, ob die jüngst beschlossenen Neuerungen überhaupt Bestand haben werden.

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Dies müsste auch der bisherigen Haltung der AfD entgegenkommen, die selbst gegen die Abschaffung der Stichwahl votiert hat. Auch der Respekt vor dem Verfassungsgerichtshof gebietet es nach meiner Überzeugung, dem nicht vorgreifen zu wollen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es galt in diesem Hohen Hause über sehr lange Zeit als stille Übereinkunft, Diskussionen und Änderungen am Kommunalwahlrecht möglichst mit breiten Mehrheiten und mit deutlichem zeitlichen Abstand zu Kommunalwahlen vorzunehmen. Insbesondere letzterer Aspekt ist mit Blick auf die kommenden Wahlen im Jahr 2020 kritisch.

Die gerade beschlossene Abschaffung der Stichwahlen und die Neuregelungen mit Blick auf den Zuschnitt der Stimmbezirke waren in diesem Jahr insofern ein schwerer Sündenfall der regierungstragenden Fraktionen.

(Beifall von der SPD)

Unsere ehrenamtlichen Kommunalpolitiker und die Kommunalverwaltungen hätten sich mit Blick auf das Jahr 2020 völlig verständlich sehr viel früher Rechtssicherheit gewünscht.

Auch wegen dieser aus Sicht der Kommunen ohnehin kritischen aktuellen Situation sollten wir jetzt nicht

noch zusätzlich neue Diskussionen beginnen, sondern zunächst die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs abwarten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, aus meinen Worten erkennen Sie, dass die SPD auch weiterhin auf die Mehrheitswahl mit Stichwahl setzt. Ich will das aus unserer Sicht heraus mit einem inhaltlichen Aspekt begründen:

Das Verfahren der Zustimmungswahl stellt ebenso wie die Mehrheitswahl ohne Stichwahl nicht sicher, dass die letztlich gewählte Person auch die absolute Mehrheit der gültigen Stimmen auf sich vereinigt hat. Das leistet nur die Direktwahl mit Stichwahlen.

(Beifall von der SPD)

Die Stellung des Bürgermeisters und Landrates setzt unserer Meinung nach eine solche eindeutige Mehrheit voraus.

Ich möchte am Ende meiner Ausführungen an den Hinweis von mehreren Teilnehmern der Expertenanhörung zur Stichwahl erinnern. Dort wurde ausdrücklich betont, dass es das Anliegen des Gesetzgebers sein muss, ein Wahlsystem auch im Bewusstsein der Wählerinnen und Wähler zu verankern.

Vor dem Hintergrund, dass der dritte Regierungswechsel in Folge zur Frage der Stichwahl auch zur dritten Kommunalwahlrechtsreform in Folge geführt hat, sollten wir zunächst die Entscheidung zur Stichwahl abwarten. Das sollten wir auch deshalb beherzigen, weil die Idee der Zustimmungswahl eine grundlegende Diskussion ohne Zeitdruck verdient hat.

Insofern stimmen wir heute der Überweisung in den Fachausschuss gerne zu. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Kramer. – Für die FDP hat nun der Abgeordnete Paul das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Kramer, Sie haben gerade von Ihrem Manuskript abgelesen, die Änderung des Wahlverfahrens für die Bürgermeister und Landräte sei ein Anschlag auf die Demokratie.

(Michael Hübner [SPD]: Ist es auch! Ob mit oder ohne Manuskript ist das ein Anschlag!)

Das hat uns gerade etwas erschrocken; denn wir haben hier gestern überparteilich die Demokratie gefeiert, indem wir an 70 Jahre Grundgesetz erinnert haben. Bürgermeister und Landräte werden in diesem

Land auch künftig weiter demokratisch von den Bürgerinnen und Bürgern gewählt; das muss man klar sagen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Zum Antrag der AfD: Wichtig ist uns allen, parteiübergreifend, dass unsere Demokratie funktioniert – das wird ein gemeinsames Anliegen sein –, dass sich das Wahlverhalten abbilden kann in einer Sitzverteilung in Mehrheitsverhältnissen: in den Stadträten, in den Gemeinderäten, in den Kreistagen wie auch in den Parlamenten.

Wir werden uns auch einig sein, dass möglichst viele Mitbürgerinnen und Mitbürger das Wahlverfahren verstehen und wählen gehen und dass das Wahlverfahren nicht als zu kompliziert erscheint.

Jetzt das Wahlverfahren zu ändern – da haben wir unsere Zweifel. Das wird nicht der richtige Weg sein, erstens weil wir bei der Kommunalwahl in den Landkreisen jetzt schon mindestens vier Stimmzettel haben: Wahlgang für den Stadt- oder Gemeinderat, Wahlgang für den Kreistag, die Wahl der Bürgermeisterin oder des Bürgermeisters, die Wahl der Landräte.