Protocol of the Session on May 24, 2019

Wer die Zusammenarbeit mit den Kommunen und den Menschen vor Ort verbessern möchte, der sollte am besten nicht über sie, sondern mit ihnen sprechen. Deshalb haben wir uns von der SPD Zeit genommen und uns genau angehört, was die Betroffenen zu unserem ursprünglichen Antrag, der gerade schon erwähnt worden ist, vom letzten November zu sagen haben. Mit diesem Antrag haben wir uns in einem umgekehrten Verfahren im Plenum und auch darüber hinaus befasst.

Wir hatten – ich möchte daran erinnern – eine Sachverständigenanhörung zu dem ursprünglichen Antrag im Ausschuss. Die meisten der Expertinnen und Experten aus Kommunen, Verbänden und Organisationen waren der Meinung, unser Antrag habe genau die richtige Stoßrichtung. Das kann man im Übrigen auch im Protokoll sehr gut nachlesen.

Parallel dazu sind wir Anfang dieses Jahres wochenlang durch NRW getourt und haben von Eslohe bis Rheine, von Wuppertal bis Bielefeld Gespräche geführt – nicht nur mit den kommunalen Verwaltungen, sondern auch mit den Menschen vor Ort. Wir haben uns die Vorschläge von Städtepartnerschaftsvereinen, Sportvereinen, Sozialverbänden, von Beigeordneten, von ehrenamtlich Engagierten, von Lehrerinnen und Lehrern, von Schülerinnen und Schülern, von Unternehmerinnen und Unternehmen angehört und mit ihnen diskutiert.

Viele der Wünsche, der Anregungen und der Sorgen, die wir erfahren haben, haben wir in unseren Antrag überführt, der Ihnen heute vorliegt. Sie sehen also: Worüber wir heute abstimmen, ist kein Antrag aus einer verstaubten Schublade; es ist ein Vorschlag für eine Neuausrichtung der Zusammenarbeit innerhalb des Mehrebenensystems, wie die nordrhein-westfälischen Bürgerinnen und Bürger und die Kommunen vor Ort sie sich wünschen.

Es ist ein Vorschlag, der die kommunale Europaarbeit stärkt, und der die Kommunen bedarfsgerecht unterstützt. Es ist ein Vorschlag, der sicherstellen soll, dass alle Menschen in Europa und auch in NRW gleichermaßen von Europa profitieren. Denn ob und wie Europa vor Ort funktioniert und ankommt, das darf doch, bitte schön, nicht vom Engagement von Einzelpersonen abhängen.

In Ihrem Haushalt für 2019 stellen Sie 210.000 Euro mehr zur Stärkung der Europafähigkeit des Landes bereit. Das ist zunächst einmal begrüßenswert. Aber viel wichtiger als eine Budgetaufstockung für Leuchtturmprojekte wäre doch eine grundlegende Verbesserung der Europafähigkeit nicht nur des Landes, sondern auch der angesprochenen Kommunen. Unseren Vorschlag dazu haben Sie vorliegen. Es wäre eine vertane Chance für das Land, für uns alle, wenn dieser Antrag aus parteistrategischen Gründen abgelehnt würde.

(Markus Wagner [AfD]: Das machen Sie ja nie!)

Wenn es noch eines Beweises bedarf, wie nah wir alle – hoffentlich – bei dieser Frage beieinander sind, dann lassen Sie mich aus einem Gastartikel unseres Europaministers Herrn Dr. Holthoff-Pförtner zitieren, den ich gestern in den „Ruhr Nachrichten“ lesen konnte:

(Sven Werner Tritschler [AfD]: Ist das seine ei- gene Zeitung?)

Denn auch das vereinte Europa ist kein Wunder, sondern ein Friedensprojekt, dessen Erfolg von der Mitwirkung aller Bürgerinnen und Bürger abhängig ist.

Ich komme nicht umhin, zu sagen: Das ist doch geradezu so, als hätte der Minister an unserem Antrag mitgeschrieben. So hört sich das schon fast an.

(Beifall von der SPD)

Zum Schluss kann ich als überzeugter und leidenschaftlicher Europäer nur an Sie appellieren: Helfen Sie mit, Europa besser zu machen, indem wir es gemeinsam zu den Menschen vor Ort tragen. Stimmen Sie deshalb unserem Antrag zu! – Danke schön.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Weiß. – Für die FDP-Fraktion spricht nun der Abgeordnete Nückel.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Da wir sicherlich alle darauf brennen, nach unserer heutigen Sitzung schnell in den Wahlkampf eilen zu können, mache ich es kurz, aber nicht ganz schmerzlos.

Lieber Kollege Weiß, manchmal hört man wohl nur das, was man hören möchte. Ihren Eindruck von der Anhörung kann ich nicht bestätigen. Wir waren auch im Lande unterwegs, und da haben wir gehört: Da, wo Sie waren, haben Sie viel geredet, wo Sie eigentlich zuhören wollten. Vielleicht ist deshalb auch ein etwas schräger Eindruck entstanden.

Die Antragsteller befürchten, dass die Ergebnisse der Taskforce im Sande verlaufen. Diese Befürchtung haben die Sachverständigen in der Anhörung nicht bestätigt. Auch die Kommission hat angekündigt, dass sie das Prinzip stärken will und dass es positiv ist. Das spricht gegen Ihren Antrag.

Die Antragsteller möchten, dass die Landesregierung das Konzept „Europaaktive Kommune“ fortführt. Genau das hat die jetzige Landesregierung bereits vor Monaten gemacht, und das haben auch die Sachverständigen bestätigt. Sie haben auch gelobt, dass es auf das Element „Zivilbevölkerung“ erweitert wird.

Ich meine auch, dass die Landesregierung die in den Kommunen eingerichteten Europabeauftragten bereits unterstützt. Das zeigt, dass die Forderung auch an diesem Punkt eigentlich überflüssig ist. Sie ist inhaltlich zwar richtig, aber sie ist eigentlich schon erfüllt.

Kommen wir zum Änderungsantrag. Ich sage mal: Wenn jemand eine Rosinenschnecke isst, dann wird er noch nicht zum Teilchenbeschleuniger.

(Heiterkeit von der FDP und der CDU)

Ebenso führt es nicht automatisch zur Beförderung der Sinnigkeit des Antrags, wenn man einen Änderungsantrag stellt. Der ursprüngliche Antrag wird damit leider nicht besser gemacht.

Viele Forderungen im Änderungsantrag sind nämlich auch schon erfüllt. Die Kommunen erhalten Hilfestellungen bei der Antragstellung, und es findet auch ein regelmäßiger Austausch statt. Und was Sie dann vom Land noch fordern – zusätzliche Berichtspflichten –, fördert doch nur wieder die Bürokratie und sicherlich nicht die Europafähigkeit der Kommune.

Das ist wieder – so nenne ich es mal – das SPDtypische Gängelband des Misstrauens. Deswegen ist das Thema, das Sie im Antrag ansteuern wollen, verfehlt. Ich sage: Setzen! Von einer Note sehe ich besser mal ab. – Danke.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die Fraktion der Grünen spricht nun der Abgeordnete Herr Remmel.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich muss zugeben: Auch ich tue mich schwer, zwei Tage vor der Europawahl mit einem solchen Antrag in besonderer Weise für Europa werben zu wollen. Denn das macht an mancher Stelle schon deutlich, wie schwierig Prozesse gestaltet worden sind und wie schwierig es ist, unseren föderalen Aufbau auch noch mit einem wie auch immer gearteten Aufbau in Europa zusammenzubringen. Das bedarf in der Tat der Sorgfalt, es bedarf der intensiven Diskussion.

Tatsächlich beschreiben Sie vieles in Ihrem Antrag richtig. Auch die Schlussfolgerungen gehen zum Teil in die richtige Richtung. Teilweise nehmen Sie allerdings neuere Dokumente nicht auf, die in der letzten Zeit erschienen sind – beispielsweise die Mitteilung der Europäischen Kommission aus dem letzten Oktober, die Erklärung der Subsidiaritätskonferenz in Bregenz oder die Brüsseler Erklärung der Präsidenten der deutschen und österreichischen Landesparlamente. Auch darüber könnte man noch einmal reden.

Worum geht es? Es geht um die Frage, inwieweit bestimmte Aufgaben auf bestimmten Ebenen angesiedelt werden – möglichst bei den Kommunen; bei den Bürgerinnen und Bürgern; das ist selbstverständlich. Gleichzeitig sagt aber die entsprechende Taskforce, die Sie zitieren, dass Aufgaben, die von Europa wahrgenommen werden, auch dort fixiert und angebracht werden sollen.

Insofern ist unser Eindruck differenziert. Wir werden uns deshalb an dieser Stelle enthalten und hoffen, dass in der Diskussion nach der Europawahl erneut die Frage aufgegriffen wird, wie insbesondere Kommunen gestärkt werden können.

Wir haben dazu auch Vorschläge gemacht: dass bestimmte Teilbereiche der europäischen Förderung

den Kommunen direkt von Europa zugänglich gemacht werden. Das ist zurzeit in der Diskussion, insbesondere mit Blick auf die Mittelverwendung in einigen Staaten, bei denen wir derzeit Fragen an den Rechtsstaat haben. Das könnten wir, denke ich, gut miteinander diskutieren, aber heute ist nicht der richtige Zeitpunkt. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die AfD hat der Abgeordnete Herr Tritschler das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! So wenig es der SPD auch gefallen mag: Die Europäische Union ist ein Staatenbund oder Staatenverbund. Die Nationalstaaten sind nicht aufgelöst, und sie werden sich auch nicht auflösen – so sehr Sie sich das auch wünschen mögen. Nationalstaaten sind nämlich der natürliche Raum für eine gemeinsame Demokratie, für eine gemeinsame Öffentlichkeit und für gemeinsame Werte.

(Beifall von der AfD)

Wenn man in Deutschland zumindest unter den Parteien damit eine Minderheitenposition vertritt – europaweit sieht das gottlob ganz anders aus.

Hinzu kommt: Unser deutscher Nationalstaat ist traditionell kein Zentralstaat, sondern ein vielgliedriger Bundesstaat, dessen Glieder wiederum in selbstverwaltete Gebietskörperschaften unterteilt sind. Dieser Föderalismus, der eine bürgernahe Politik zumindest ermöglichen kann, wird leider seit vielen Jahren ausgehöhlt unter maßgeblicher Beteiligung der Sozialdemokratie, wie wir das gerade zum Beispiel im Bildungsbereich erleben.

Jetzt tun Sie so, Herr Weiß, als wollten Sie die Kommunen und Regionen irgendwie stärken. Wenn Sie das wollten, würden Sie ihnen mehr Autonomie geben. Aber in Wahrheit streben Sie das genaue Gegenteil an. Sie wollen den EU-Superstaat, und dann wandern die Kompetenzen naturgemäß nach oben und nicht nach unten. Würde sich Ihre Politik durchsetzen, die Nationalstaaten und erst recht die Gliedstaaten und Regionen würden zu bloßen Verwaltungseinheiten herabgestuft.

Aber das ist sogar in Deutschland nicht mehrheitsfähig, und deshalb wird das getarnt. Allenthalben ist von Subsidiarität die Rede; wir haben es vorhin schön öfters gehört. Seit dem Vertrag von Maastricht ist der Subsidiaritätsgrundsatz Primärrecht der Union. Es soll also auf der höheren Ebene nur das entschieden werden, was nicht auch darunter geregelt werden kann.

Aber das Problem ist doch, dass es in Brüssel keinen einzigen Menschen gibt, der glaubt, ein Nationalstaat oder vielleicht sogar nur ein Gliedstaat dessen könnte etwas besser regeln als die Zentrale. Deshalb gibt es auch keinen einzigen Fall, wo man zugunsten von Subsidiarität, zugunsten der unteren Ebene, entschieden hätte – nicht einen Fall seit 1993.

Das ist nicht nur mir aufgefallen, und deshalb hat Jean-Claude Juncker in einem offensichtlich nüchternen Moment die Taskforce für Subsidiarität gebildet, und in die setzen Sie laut Ihrem Antrag auch große Hoffnungen. Anscheinend ist Ihnen die Ironie nicht aufgefallen. Denn wenn Jean-Claude Juncker eine Subsidiaritätskommission einrichtet, ist das, als ob Kim Jong-un ein Bürgerrechtskomitee einrichtet oder Nicolás Maduro einen Rat für Wirtschaftsweise. Erwartungsgemäß kommt auch nichts dabei heraus, außer hier und da ein bisschen mehr anhören und am Ende doch wieder das machen, was man will.

Große Hoffnungen setzen Sie auch auf den Ausschuss der Regionen, ein Organ der EU, das man in Brüssel – das kann ich aus eigener Erfahrung berichten – für so notwendig hält wie einen Blinddarm. Es tut mir leid, Herr Brockes, aber das ist das, was ich da gehört habe. Der Ausschuss darf Stellungnahmen abgeben, die vielleicht jemand liest, vielleicht oder wahrscheinlich aber auch nicht. Am Ende entscheidet die Zentrale.

Genau das, Herr Weiß, ist es, was Sie und Ihre Partei sich vorstellen und wünschen: einen degenerierten und entkernten Föderalismus, bei dem sich die Rechte der Glieder auf bloße Anhörungsrechte beschränken – mit dem angenehmen Nebeneffekt, dass man in all den vielen Koordinations- und Anhörungsgremien zwar nichts entscheidet, aber immerhin ein paar Parteifreunde versorgen kann.

Das alles hat mit Föderalismus und mit kommunaler Selbstverwaltung nichts, aber auch überhaupt nichts zu tun. Das ist schlecht getarnter Zentralismus, und deswegen lehnen wir Ihren Antrag ab, geändert oder auch nicht.

(Beifall von der AfD)

Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die Landesregierung spricht Herr Minister Dr. Holthoff-Pförtner.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Zu den letzten Ausführungen kann ich nur sagen: Ich habe über Föderalismus promoviert. Von all dem, was ich gerade gehört habe, habe ich da aber nichts gelernt.

(Beifall von der CDU, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Die Landesregierung nimmt den Antrag der Fraktion sehr gerne zur Kenntnis, da er die von uns ebenso eingeschätzte wichtige Europaarbeit der kommunalen Ebene noch einmal unterstreicht und mir die Gelegenheit gibt, auf die Erweiterung des Wettbewerbs zur Auszeichnung „Europaaktive Kommune“ hinzuweisen und darüber hinaus aufzuzeigen, dass wir in der Ergänzung mittlerweile auch die zivilgesellschaftlichen Engagements besonders auszeichnen.