Die brauchen keine Strukturhilfe. Aber die haben auch eine Menge Steinkohlekraftwerke, lieber Kollege der grünen Fraktion. Auch mit grünen Ministerpräsidenten ist es manchmal so, dass man immer noch verdammt viele Steinkohlekraftwerke hat.
Das Entscheidende ist jetzt nur – das wissen wir aus dem letzten Strukturwandel bei der Steinkohle –, diese Hilfen müssen jetzt bereitstehen, damit man den Umstrukturierungsprozess beginnen kann. Denn wenn erst nach Abschaltung die Planung und das Geld bereitstehen, vergehen zu viele Jahre. Jetzt kann man frühzeitig planen, Konzepte entwickeln.
Viele dieser Steinkohlestandorte bieten sich an für moderne, effiziente GuD-Kraftwerke. Aber selbst wenn man diese errichtet, braucht man einen Vorlauf, braucht man eine Planung, braucht man ein Konzept, das nicht erst dann beginnen darf, wenn das andere Kraftwerk geschlossen wird. Deshalb ist es gut, dass auch das zeitnah erfolgt.
Fest steht, dass es nicht nur für alle Standorte Hilfe des Bundes gibt, sondern wir auch bei der Flächenentwicklung weiter mit der Region arbeiten müssen. Das wird vor allem in der Ruhr-Konferenz geschehen. Aber ich bin dem Wirtschaftsminister dankbar, dass er für die Landesregierung den Dialog mit allen Standortkommunen von Steinkohlekraftwerken, die heute noch aktiv sind, aufgenommen hat. Diesen Dialog werden wir fortsetzen. Er darf nicht nur das Rheinische Revier betreffen, sondern muss auch die Regionen einbeziehen, in denen potenziell Steinkohlekraftwerke abgeschaltet werden.
Wie geht es jetzt weiter? Bis zur Sommerpause soll dieser 40-Seiten-Eckpunktebeschluss in ein Bundesgesetz münden. Das wird dann wieder vom Bundeskabinett beschlossen, dann wird es dem Bundestag zugeleitet, und dann wird es parlamentarisch beraten. Danach kommt noch in diesem Jahr das Kohleausstiegsgesetz, aus dem man dann ablesen kann, nach welchem Zeitplan welches Kraftwerk abgeschaltet wird.
Wir rechnen nach dem Bericht der Kohlekommission in den Jahren 2022, 2023, 2024 mit den ersten konkreten Abschaltungen von Kohlekraftwerken. Wenn dieser Zeitplan feststeht – und nicht vorher –, kann
die Regierung eine neue Leitentscheidung entwickeln, weil wir dann wissen: Was sind die energiewirtschaftlichen Voraussetzungen, die der Bund in seiner Zuständigkeit gefasst hat?
Dann kommt die neue Leitentscheidung, und parallel dazu berät der Bund das Klimaschutzgesetz, das nicht nur die Energiewirtschaft betrifft, sondern auch die Bereiche Wohnen und Verkehr in diese Gesamtstrategie einbetten kann.
Wir wollen den Klimakonsens eins zu eins umsetzen. Mit der hohen Summe, die Nordrhein-Westfalen jetzt erhält, war auch die Zusage verbunden: Wir fangen an! In Nordrhein-Westfalen sind am Ende die ersten Tagebaue verändert. In Nordrhein-Westfalen werden die ersten Kraftwerke abgeschaltet. Die Lausitz hat etwas mehr Zeit. Deshalb bekommen wir mehr finanzielle Mittel, und diesem Anspruch müssen wir auch gerecht werden. Wir müssen jetzt daran arbeiten, dass die Zusagen, die die Kohlekommission gegeben hat, in einen Energiekonsens münden, den wir als verantwortliche Politiker aller Fraktionen umsetzen müssen.
Vielen Dank, Herr Ministerpräsident. – Ich eröffne nun die Aussprache und erteile als erstem Redner für die Fraktion der SPD dem Fraktionsvorsitzenden Kutschaty das Wort.
Ich darf noch darauf hinweisen, dass die Folgeredner bei Bedarf 5:37 Minuten zusätzlich zur Verfügung haben.
Vielen Dank. – Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Ministerpräsident! Lassen Sie mich zu Beginn dieser Debatte betonen, dass es im Hinblick auf die Ergebnisse der Kohlekommission und des Kohlekompromisses viele Gemeinsamkeiten zwischen unserer Fraktion und Ihrer Regierung gibt.
Uns eint die Bewertung der Kommissionsbeschlüsse. Sie müssen eins zu eins umgesetzt werden. Uns einen die Ziele der Strukturpolitik für die Kohlereviere. Die Kohlereviere brauchen eine aktive Industriepolitik für neue Arbeitsplätze, für neue Wertschöpfung und für neue Wachstumspfade. Nicht zuletzt eint uns die Überzeugung, dass wir gerade bei diesem Thema gemeinsam die Interessen Nordrhein-Westfalens vertreten müssen und der Parteienwettbewerb zwischen uns an der einen oder anderen Stelle auch einmal zurückstehen kann.
Aber die Abläufe des gestrigen Tages, Herr Ministerpräsident, irritieren uns schon. Das, was Sie gerade erzählt haben, konnte ich heute Morgen schon alles
in den Zeitungen lesen. Es stände Ihnen deshalb gut zu Gesicht, wenn Sie in Zukunft zuerst das Parlament und die Fraktionen über wichtige Verhandlungsergebnisse informieren würden und erst dann die Presse.
Das ist nicht nur eine Frage des guten Stils und des gebotenen Respekts der Exekutive gegenüber dem Parlament und übrigens auch gegenüber den Abgeordneten Ihrer eigenen Partei, sondern es würde auch den Geist der Zusammenarbeit – ich habe sie gerade angeboten – stärken, dem wir uns gemeinsam verpflichtet sehen sollten. Das sei vorweg gesagt.
Meine Damen und Herren, die SPD-Fraktion begrüßt die Eckpunkte zum Strukturänderungsgesetz, die das Bundeskabinett gestern beschlossen hat. Diese Eckpunkte sind tatsächlich ein bedeutsamer Meilenstein auf dem Weg der Umsetzung der Empfehlungen der Kommission hin zu ganz konkreten Gesetzen. Die Bundesregierung hat mit diesen Eckpunkten ganz wesentliche Elemente für einen erfolgreichen und berechenbaren Strukturwandel festgehalten. Ich spreche vom Sofortprogramm für die Kohlereviere, vom langfristigen Finanzierungsrahmen, von den Strukturförderprojekten, nicht zuletzt aber auch von den entstandenen Leitbildern für die jeweiligen Kohlereviere.
Unsere erste gemeinsame Aufgabe ist es nun, eine sehr starke politische Druckwelle von Düsseldorf nach Berlin zu senden, damit die entsprechenden Gesetze möglichst noch im Laufe dieses Jahres vom Bund beschlossen werden können. Wir als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sind dazu bereit. Ich weiß, die Abgeordneten der CDU sind es auch.
Ich möchte auch noch einmal betonen, welch großen gesellschaftlichen Wert diese Kompromisse und Ergebnisse der Strukturwandelkommission für Nordrhein-Westfalen, aber auch für ganz Deutschland haben. Das gilt übrigens nicht nur für die Ergebnisse, sondern auch für den Entscheidungsprozess, wie man zu den Ergebnissen gekommen ist.
Wir überlassen den Kohleausstieg und die nächsten Schritte der Energiewende nicht einfach nur dem Markt, denn das wäre ein verhängnisvoller Fehler. Der Weg der Marktentfesselung wäre ein Irrweg. Kraftwerke, Wertschöpfungsketten und Arbeitsplätze würden verschwinden, ohne dass etwas Neues nachwachsen könnte. Das wäre das Ende der Zukunft des Rheinischen Reviers gewesen. Das wollen wir nicht, und deswegen haben wir den Weg der Marktentfesselung verhindert.
ein Dach zu bringen. Die Energiewende wird endlich als wirtschaftliches und soziales Projekt definiert, bei dem Arbeitsplätze, Versorgungssicherheit und bezahlbare Strompreise die gleiche Bedeutung haben wie die notwendige CO2-Reduzierung.
Deswegen ist die Strukturwandelkommission nicht nur Vorbild für eine moderne und erfolgreiche Industriepolitik; sie ist auch ein Vorbild für die Entwicklung demokratiekonformer Märkte, in diesem Fall für einen demokratiekonformen Markt in der Energiewirtschaft. Darauf können wir alle stolz sein und sagen herzlichen Dank an alle, die in der Kommission daran gearbeitet haben.
Mit den Eckpunkten der Bundesregierung und der jetzt hoffentlich zügigen Verabschiedung der nötigen Bundesgesetze ist aber die Arbeit der Landesregierung – und damit Ihre Arbeit, Herr Ministerpräsident, noch nicht getan. Ganz im Gegenteil: Die Arbeit beginnt jetzt erst. Sie müssen jetzt Ihre Hausaufgaben machen, und da gibt es einiges nachzuholen.
Lassen Sie mich vier Punkte nennen. Zu allererst müssen Sie die Städte und Gemeinden viel besser einbinden und informieren, als Sie das bisher getan haben. Sie haben gerade selbst gesagt, wie wichtig die Beteiligung der Kommunen ist, Herr Laschet. Dann machen Sie das doch endlich!
Es ist noch keine zehn Tage her, da haben sich 19 Bürgermeister aus dem Rheinischen Revier in einem gemeinsamen Appell an die Landesregierung gewandt. Ihre eigenen CDU-Bürgermeister fühlen sich übergangen und schlecht eingebunden. Sie fordern eine stimmberechtigte Mitgliedschaft in der Zukunftsagentur Rheinisches Revier. Das ist nur recht und billig. Ein Landrat Ihrer Partei schreibt Ihnen noch am 9. Mai dieses Jahres, es gebe keine Mitsteuerungsmöglichkeit der Reviere; es sei nicht erkennbar, ob die konkreten Bedarfslagen und Ziele der Reviere ausreichend berücksichtigt werden.
Ich selbst habe diese Woche noch mit Bürgermeistern aus der Region gesprochen. Meine Damen und Herren, Strukturwandel gelingt nur, wenn Sie die Verantwortlichen vor Ort auch wirklich mitnehmen und nicht nur darüber reden, Herr Laschet.
Die zweite Hausaufgabe ist die Sicherstellung der Kofinanzierung der Förderprogramme. Liest man sich das Eckpunktepapier einmal genau durch, wird man an ganz vielen Stellen lesen und feststellen können, dass die nun aufzustockenden bestehenden oder auch neuen Förderprogramme landesseitig kofinanziert werden müssen. Der Finanzminister muss jetzt unverzüglich darlegen, wie die nötigen Landesmittel
im Haushalt abgebildet werden. Bisher sind sie in der mittelfristigen Finanzplanung nicht vorgesehen.
Gestern sprach der Finanzminister viel von der schwarzen Null. In Wahrheit hat er aber offensichtlich null Bock, hier aktiv zu werden. Sagen Sie uns, Herr Laschet: Wie viele Landesmittel wollen Sie zur Verfügung stellen, um diesen Strukturwandel zu begleiten?
Wir erwarten des Weiteren von Ihnen, dass Sie eines sicherstellen: Die Entschädigungszahlungen an RWE und andere Kraftwerkbetreiber dürfen nicht auf den Kapitalmarkt fließen oder für Firmenzukäufe im Ausland zweckentfremdet werden. Ich möchte nicht, dass mit den steuerfinanzierten Abwrackprämien Beteiligungen an Müllverbrennungsanlagen in Bolivien gekauft werden, meine Damen und Herren. Stellen Sie das sicher!
Dritte Hausaufgabe der Landesregierung ist die Entwicklung einer Strategie für die Standorte der Steinkohlekraftwerke im Ruhrgebiet. Sie taten gerade so, Herr Laschet, als ob das schon immer Ihre Idee gewesen sei, auch das Steinkohlerevier, das Ruhrgebiet, besonders in den Fokus zu nehmen. Das ist meines Erachtens nicht ganz so ehrlich.
Am Anfang hatten Sie das Ruhrgebiet in dem Bereich leicht übersehen; Sie hatten das Ruhrgebiet nicht auf dem Schirm. Es waren die Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten, die hier deutlich gemacht haben: Wir müssen in diesem Bereich auch das Ruhrgebiet fördern.
Dass das dann gelungen ist und es mit aufgenommen wurde, ist nicht zuletzt auch ein Verdienst der sozialdemokratischen Bundestagsabgeordneten aus Nordrhein-Westfalen.
Es ist gut so, dass jetzt Mittel für die Steinkohlekraftwerkstandorte zur Verfügung stehen. Insgesamt 1 Milliarde Euro steckt in dem Bundestopf; das steht so in dem Eckpunktepapier, das haben Sie gerade so verkündet. In Nordrhein-Westfalen haben Duisburg, Gelsenkirchen, Hamm, Herne und der Kreis Unna einen Anspruch auf diese Fördermittel, auf diese Strukturhilfen. Das ist auch vernünftig so.