Protocol of the Session on April 10, 2019

Wir Grüne wollen die Schiffe auf den Ozean bringen, während Sie die motivierten Leute in die Hafenkneipe einladen, um sie mit einem schönen Grog zu sedieren. Das ist der Unterschied. Diese Leuchttürme brauchen wir im Jahr 2019 nicht mehr.

(Beifall von den GRÜNEN)

Noch ein Unterschied zeigt sich hier: Wenn Sie von digitaler Verwaltung reden, dann meinen Sie in der Regel „billiger“. Das ist ein grundsätzliches Missverständnis, denn Digitalisierung kann niemals bedeuten: „das Gleiche wie analog, nur jetzt digital und billiger“, sondern das muss bedeuten: besser. Digitale Verwaltung muss bedeuten: effizienter, agiler, näher an den Bürgerinnen und Bürgern. Das wollen wir gestalten, und zwar mit den Beschäftigten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das mediale Echo ist in der Regel so, dass Herr Pinkwart ganz gut ankommt. Das hat auch einen Grund: Wer nichts macht, der macht nichts falsch.

(Zurufe von der FDP)

Digitalisierung wartet nicht, bis Herr Pinkwart und seine Beamtinnen und Beamten sie kleingearbeitet haben. Wir brauchen keinen digitalen Dienst nach Vorschrift. Wir brauchen einen Highspeed-Minister.

Man sagt ja, ein Lächeln sage mehr als tausend Worte. Herr Pinkwart, ich glaube, da haben wir auf der Regierungsbank einen echten Experten sitzen: viel, viel Lächeln, tausend Worte gibt es gratis dazu, nur fehlen leider die Taten.

Da sind wir das Kontrastprogramm, liebe Kolleginnen und Kollegen. Wir Grünen wollen den digitalen Wandel mit Mut und Zuversicht gestalten. Wir stellen seine Chancen in den Mittelpunkt für die Menschen und vor allem für das Klima, den Klimaschutz in un

serem Land, für eine digitale Wirtschaft, die die Digitalisierung endlich als Motor des Klimaschutzes betrachtet, für neue, moderne Arbeitsmodelle, in denen es kein digitales Lumpenproletariat gibt, für eine digitale Demokratie, die die Menschen online wie offline mitnimmt, und für eine smarte Heimat, in der niemand abgehängt wird.

Da ist der große Unterschied: Wir haben die Konzepte, Sie haben die Überschriften, aber es gehen keine Maßnahmen daraus hervor. Deswegen ist diese Digitalstrategie viel schön bedrucktes Papier, viel totes Holz, aber es ist kein Fortschritt für ein digitales Nordrhein-Westfalen. – Ich danke Ihnen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Bolte-Richter. – Für die FDP-Fraktion spricht Herr Kollege Hafke.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Minister Pinkwart, vielen Dank für Ihre Ausführungen zur vorliegenden Digitalstrategie. Bevor ich dazu ein paar Anmerkungen aus Sicht der FDP-Fraktion mache, möchte ich gerne auf meine beiden Vorredner aus der Opposition eingehen.

Es ist bemerkenswert, dass Sie hier Ihre Redezeit dafür verwenden, ein Haar in der Suppe zu finden, anstatt die Chance zu nutzen, uns Ihre Ideen für die Zukunft des Landes im Parlament darzustellen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Keiner von Ihnen beiden hat auch nur einen einzigen Vorschlag gemacht, wie die digitale Zukunft in Nordrhein-Westfalen aussehen soll. Das ist ein Armutszeugnis. Genau das ist die Bilanz, die Sie uns 2017 hinterlassen haben.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Wir haben folgende Bilanz vorgefunden: Die Schulen waren offline. Die Gewerbegebiete waren offline. Mobilfunk hat nicht funktioniert. Sie haben kein Konzept gehabt. Sie haben fünf Hubs eingerichtet. Das war auch alles. Sie haben sich noch nicht einmal über künstliche Intelligenz ausgetauscht. Die ehemalige Ministerpräsidentin, die heute bei diesem wichtigen Thema noch nicht einmal im Raum ist, hat eine Regierungserklärung dazu gehalten, die megapeinlich war, bei der sie noch ein Kunstherz ausgepackt hat.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Das war Ihre Regierungsbilanz. Deswegen ist es auch richtig, dass Sie abgewählt wurden, meine Damen und Herren.

(Zuruf von der SPD: Und was machen Sie?)

Das sage ich Ihnen jetzt.

Die Digitalisierungsstrategie schafft den Rahmen dafür, dass Nordrhein-Westfalen in der Gegenwart ankommt und die Weichen für die Zukunft stellen kann. Ich sage Ihnen deutlich: Es geht hier um die ganzen Zukunftsthemen wie Bildung, Forschung, Mobilität, Arbeit, Wirtschaft und Wissenschaft, eben um die Zukunftsfähigkeit unseres Landes und den Wohlstand der Bürgerinnen und Bürger.

Deswegen ist es so traurig, dass Sie weder in den vergangenen zwei Jahren im Ausschuss noch heute die Chance genutzt haben, uns zu sagen, was Sie besser machen wollen. Denn für gute Ideen sind wir offen. Das ist ja die Chance dieser Digitalstrategie, gute Ideen mit aufzunehmen.

Meine Damen und Herren, Herr Pinkwart hat schon sehr umfangreich über die Inhalte der Strategie gesprochen. Daher konzentriere ich mich auf einige übergeordnete Fragen, warum wir eine solche Strategie brauchen.

Ich will in Erinnerung rufen: In Deutschland sind wir in Teilen etwas verwöhnt. In den westlichen Industrienationen, in Deutschland – in Nordrhein-Westfalen – ging es in den letzten Jahren immer aufwärts. Wir haben Freihandel, Wohlstand, Frieden. Das ist alles exzellent und super. Wir sind die viertgrößte Volkswirtschaft auf der Welt.

Die große Frage, die sich stellt, lautet: Wie sieht es im Jahr 2030 oder 2050 aus? Kann Deutschland, kann Nordrhein-Westfalen da mithalten? Die große Gefahr besteht doch darin, dass wir bequem werden und wichtige Entwicklungen verschlafen. Deswegen ist es so entscheidend, dass wir über die Wertschöpfungsketten in diesem Land sprechen und schauen, wie wir uns dort richtig aufstellen können.

Die Welt um uns herum ist deutlich schneller geworden. Die Wertschöpfung findet nicht mehr unbedingt nur in Deutschland statt. Ich spreche nicht nur von Ländern wie den USA oder China, die aufgeholt haben oder an uns vorbeigezogen sind, sondern von Ländern wie Südkorea, Taiwan, Australien, Kanada oder Israel.

Die Digitalisierung dampft so manchen Wettbewerbsnachteil aus früheren Zeiten ein. Ich will Ihnen ein konkretes Beispiel nennen, zum Beispiel aus Afrika. In Silicon Savannah in Kenia werden manche Phasen der Industrialisierung komplett übersprungen, und die Produktion fließt direkt in das digitale Zeitalter ein. Ein Online-Payment-System, das es dort flächendeckend gibt, sorgt inzwischen überall für Wohlstand, Arbeit, Zugang zu Bildung bis in den letzten Winkel des Landes.

Ich will Ihnen nicht sagen, dass wir das eins zu eins übertragen müssten, aber es zeigt, dass sich die Welt dramatisch schnell verändert und wir unsere Hausaufgaben machen müssen. Wir dürfen nicht in

panischen Aktionismus verfallen, aber wir müssen aktiv werden.

Die gute Nachricht ist: Die Landesregierung hat sich seit Amtsübernahme, seit 2017 auf den Weg gemacht, genau das zu tun. Die Digitalisierung ist nämlich eine Gestaltungsaufgabe. Sie ist kein Schicksal. Sie ist im besten Sinne menschengemacht von Menschen für Menschen. Deswegen bin ich auch so enttäuscht über Ihre Kritik in dieser Art und Weise. Statt den Menschen Angst zu machen, hätten Sie hier wirklich große Chancen gehabt, zu sagen, wie Sie sich die digitale Zukunft vorstellen und wie wir die Menschen mitnehmen und Risiken minimieren können.

Ich meine, wir müssen sehr stark auf den Erfindungsgeist und die Tüftler und Denker in unserem Land setzen. Ich möchte Sie hier und heute noch einmal einladen, ein digitales Nordrhein-Westfalen mitzugestalten, das alle Menschen mitnimmt. Denn nur, wenn wir gemeinsam unsere Kräfte bündeln, können wir unser Land erfolgreich in die Zukunft führen.

Die Digitalisierung ist ein allumfassender Prozess. Dafür brauchen wir Antworten. Es gilt nämlich immer noch der Grundsatz, dass in Zukunft alles digitalisiert werden wird, was man digitalisieren kann. Deswegen ist es eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, wobei es die große Herausforderung ist, die Menschen mitzunehmen, über den Wohlstand zu sprechen, Innovationen zu nutzen, nachhaltiger und ressourcenschonender zu leben.

Das Gute an dem Wandel, den wir feststellen, besteht darin, dass es ein tiefgreifender Wandel ist, den wir heute schon in großen Teilen absehen und entsprechend vorbereiten können. Diese Transformation, diese Entwicklung möchte ich gern anhand einiger Punkte noch einmal verdeutlichen, und zwar an einigen Fragestellungen.

Die große Frage ist doch: Wie können wir den Wohlstand in unserem Land sichern? Ich glaube nicht, dass wir es in der Quantität mit China und Indien aufnehmen können. Wir müssen über unsere Stärken und über Qualität sprechen.

Der Kollege Matthias Bolte hat vorhin schon das Thema „künstliche Intelligenz“ angesprochen. Wenn China 115 Milliarden Euro investiert, Amazon hingegen als größtes Forschungsunternehmen 15 Milliarden Euro investiert und die Bundesrepublik Deutschland 4 Milliarden Euro, dann ist es doch klar: Wir werden nie mit dem Investitionsvolumen von China und anderen Ländern mithalten können.

Wir müssen aber schauen, dass wir das Geld, das wir haben, so zielgerichtet einsetzen, dass wir die Stärken, die wir in diesem Land haben, auch richtig nutzen. Da sind solche Dinge wie Industrie 4.0, verknüpft mit künstlicher Intelligenz, Maschinen-Learning und Ähnliches hervorzuheben. Wir haben jetzt

beispielsweise die KI-Plattform in Wuppertal ins Leben gerufen, damit man über Forschung spricht und darüber, wie man die guten Ideen tatsächlich in die Anwendung, das heißt in die Produktion, überführt.

Ein zweites großes Thema: Wie nehmen wir die Bürger in unserem Land mit? Wir müssen sie einerseits informieren, wir müssen andererseits aber auch über Medienkompetenz sprechen, sodass Fake News und anderes erkannt werden. Wichtige Stichworte sind: Weiterbildung und lebenslangem Lernen. Es werden Berufe verschwinden, neue werden hinzukommen. Deswegen glaube ich, dass wir eine ganz große Chance haben, wenn wir die digitale Dividende gerade in soziale Tätigkeiten investieren.

Ich will es in aller Deutlichkeit sagen, weil ich den Eindruck habe, dass die SPD da auf einem vollkommen falschen Pfad ist: Es geht nicht darum, den Menschen Angst zu machen, wie viele Arbeitsplätze wir verlieren können.

Es geht vielmehr darum, den Menschen zu sagen, welche Chancen die Digitalisierung bietet: dass wir vielleicht Arbeitsplätze, die im Moment körperliche Schwerstleistungen erfordern, die gesundheitlich problematisch sind, die große Gefahren für die Menschen bergen, outsourcen können, dass man sie durch andere Techniken erledigen kann und die Menschen sich eher auf das konzentrieren können, was sie ausmacht: sich umeinander zu kümmern, füreinander da zu sein und in soziale Berufe zu gehen.

Wir haben einen enormen Pflegenotstand. Den werden wir nicht ohne die Digitalisierung bekämpfen können. Da geht es nicht nur um den Roboter, den wir bei der Arbeit brauchen, sondern wir brauchen die Menschen. Deswegen werden wir darüber sprechen müssen: Wie bekommen wir unsere Arbeit in Zukunft neu organisiert? Wie schaffen wir es, dass Menschen sich auf diesen Weg machen, sich ein Leben lang fortzubilden?

(Beifall von der FDP und der CDU)

Drittens ist da noch die ethische Frage, die meines Erachtens heute zu kurz gekommen ist. Wir werden und müssen darüber sprechen, was Digitalisierung mit unserer Gesellschaft macht und wie wir dort Einfluss nehmen können. Welchen Einfluss hat der Mensch? Wie kann er künstliche Intelligenz und Algorithmen bewerten? Wie gehen wir mit den Daten in unserem Land um?

Ich habe den Eindruck, dass wir viel zu wenig über Datenrecht und Datensouveränität sprechen. In diesem Land wird nur über Datenschutz gesprochen. Da sind wir führend auf der Welt; das ist auch richtig und wichtig. Aber wir müssen, wenn wir den Wohlstand erhalten und neue Innovationen zulassen wol

len, schon überlegen: Wie können wir Daten zur Verfügung stellen? Denn der Rohstoff der Zukunft sind Daten.

Deswegen ist es so entscheidend, dass wir vermehrt über ein neues Datenrecht in Europa und in Deutschland reden, damit Innovationen hier stattfinden und nicht in China und Indien, wo auf Datenschutz nicht so viel Wert gelegt wird.

Meine Damen und Herren, ich bin froh, dass diese Digitalstrategie ressortübergreifend ist, dass man die Entwicklung antizipieren kann, dass sie flexibel bleiben wird und dass sie Querschnittsthemen berücksichtigt.

Das ist der große Unterschied zu dem, was wir im Moment in Deutschland in einer Großen Koalition in Berlin feststellen, in der man über Digitalisierung spricht, aber keine Kompetenzzuweisungen hat, wo keine klare Haltung dahintersteht. Dann finden solche Debatten über Milchkannen und 5G statt, was ich teilweise absurd finde, weil – ich habe es eben schon gesagt – in Zukunft alles digitalisiert werden wird, was digitalisiert werden kann. Dann wird und muss auch die Milchkanne dazugehören.

In Nordrhein-Westfalen haben wir uns auf den Weg gemacht, genau das umzusetzen. Wir haben von Anfang an die Menschen mitgenommen in einem Dialogprozess. Wir haben die Akteure aus Wirtschaft, Gesellschaft und der Öffentlichkeit eingebunden. Ich bin froh, dass wir keine statische Strategie haben, sondern eine dynamische, bei der man sich immer wieder an die aktuellen Entwicklungen anpassen kann.