Für meine Generation ist Europa kein Projekt, aus dem man wieder austreten kann, das man rückabwickeln muss. Für meine Generation ist Europa eine Tatsache. Für meine Generation ist Europa die Zukunft. Für uns – ich spreche zumindest für diesen Teil des Plenums – ist Europa eine Herzensangelegenheit, und dafür werden wir uns einsetzen.
Deswegen muss ich hier ganz klar sagen: Ich finde es unglaublich bedauerlich, dass wir jetzt mit dem Brexit zu tun haben. Aber klar ist auch: Großbritannien muss jetzt endlich sagen, was es eigentlich will, nicht nur, was es nicht will. Sie müssen sagen, was sie wollen.
In einer Diskussionsrunde der BBC wurde das sehr deutlich, als eine Zuschauerin, die mittlerweile durch die sozialen Medien bekannt ist, erklärte: 27 Länder in der EU sind in der Lage, sich auf etwas zu einigen, und unsere Regierung kriegt es nicht hin. – Das ist die Situation, mit der wir es im Moment zu tun haben. Großbritannien muss jetzt sagen, wo es hinwill.
Die Briten sind für uns natürlich ein wichtiger Partner, auch wirtschaftlich. Das wurde hier eben schon ausgeführt. Die Landesregierung bereitet sich auf alle möglichen Szenarios, die es da gibt, vor. Wir haben auch das Ergebnis der Umfrage gesehen – es wurde vorhin bereits angesprochen –: 88 % der vom Brexit betroffenen Unternehmen sagen, sie bereiten sich darauf entsprechend vor.
Deswegen, muss ich ganz ehrlich sagen, kann ich die Grünen hier nicht verstehen. Ich habe mit großem Interesse eine Studie der Grünen-Fraktion im Europaparlament über die Auswirkungen des Brexits auf NRW gelesen. Darin stand: Konkrete Handlungsempfehlungen für die Politik sind nicht möglich, weil die Szenarien noch nicht so klar sind.
Sie haben sich hier immer über die Initiativen lustig gemacht, die der Ministerpräsident in Sachen Europa ergriffen hat. Jetzt fordern Sie zusätzliche Reisetätigkeit. Das passt nicht zusammen, liebe Kollegen von den Grünen.
Und Sie von der SPD müssten doch eigentlich jeden Tag mit Ihren Kollegen von Labour sprechen, um sie davon zu überzeugen, dass sie vielleicht doch noch
das People’s Vote initiieren, damit wir diesen ganzen Albtraum beenden können. Stattdessen sind Sie ausschließlich damit beschäftigt, den Brexit-Beauftragten in den Europaausschuss zu zitieren.
Dann komme ich zur AfD. Sie haben offensichtlich erkannt, dass ein Ausstieg, ein Brexit wirtschaftliche Nachteile bringt. Aha! Das war von vornherein klar.
Übrigens: Jede Form des Brexits, egal welche Version, egal ob man den Briten noch weiter entgegenkommt, wird wirtschaftliche Nachteile haben, weil der Binnenmarkt als Ganzes Vorteile bringt. Das ist die Situation.
Deswegen ist es völlig falsch, was Herr Tritschler gerade gesagt hat. Nicht wir spielen mit den wirtschaftlichen Existenzen. Populisten, die die Menschen erst in den Brexit getrieben haben, haben mit den Existenzen gespielt. Das ist die Wahrheit.
Ja, okay. Wenn ich ein Eurokrat bin, weil ich für eine Institution bin, die den größten Binnenmarkt der Welt hervorgebracht hat, die die längste Friedensgeschichte in Europa organisiert hat,
die das größte Forschungsprogramm der Welt und das beste Austauschprogramm für Studenten hervorgebracht hat, wenn ich für diese Institution bin, die ich besser machen will und für die ich kämpfe, weil sie die Zukunft für Nordrhein-Westfalen und Europa ist,
Wenn Sie sagen, dass man die Personenfreizügigkeit jetzt aufgeben sollte, dass man Großbritannien in dieser Hinsicht entgegenkommen sollte, dann antworte ich: Das können wir nicht tun. Denn dabei geht es – das ist zentral und die eigentliche Tragik – um 4
Millionen Menschen – 3 Millionen Europäer in Großbritannien und ungefähr 1 Million Briten in Europa –, die jetzt vor existenziellen Problemen stehen, weil sie ihre ganze Lebensplanung auf dem Traum vom gemeinsamen Europa aufgebaut haben. Deswegen dürfen wir die Personenfreizügigkeit als eines der größten Freiheitsprojekte in Europa niemals aufgeben, liebe Freunde.
Wenn wir in diesem Hohen Hause über den Brexit diskutieren, dann müssen wir ganz klar fragen: Was kommt denn nach dem „Take back Control“ und diesen ganzen Slogans der Populisten? Was ist denn, wenn nach dem „America First“, nach dem „Brazil First“, nach dem „Italy First“ irgendwann niemand mehr „Second“ sein will? Dann werden wieder Nationalstaaten gegeneinander arbeiten. Die Lehre aus dem letzten Jahrhundert ist: Dann gibt es wieder Krieg. – Und das wollen wir nicht.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich erinnere mich noch sehr gut an den Morgen, als das Ergebnis der Volksabstimmung über den Brexit klar war. Ich war an diesem Morgen zufällig bei meiner Oma, die übrigens morgen 90 Jahre alt wird. Sie sagte an jenem Tag zu mir: Moritz, passt mir auf, dass ihr nicht wieder Krieg in Europa bekommt.
Für diese Zukunft sind 1 Million Erasmus-Babys der beste Beweis. Deswegen müssen wir zum Beispiel dafür kämpfen, dass Großbritannien Erasmus-Partnerland und eng mit uns verbunden bleibt. Ich will ein Europa, eine EU, die weiter Erasmus-Babys hervorbringt statt Nationalisten. Ich will eine EU, die vom Morgen träumt. Denn das ist das Beste für Nordrhein-Westfalen. – Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Kollegen! Wir führen im Landtag wieder einmal eine Debatte über den Brexit. Fakt ist: Nordrhein-Westfalen kann zum Thema Brexit relativ wenig sagen und vor allen Dingen relativ wenig bewegen.
Warum ist das so? Das liegt ganz einfach daran, dass Herr Juncker unmittelbar nach dem Brexit sehr deutlich gesagt hat: keine bilateralen Verhandlungen mit Großbritannien. – Herr Juncker hat es sich verbeten, dass irgendein Land bilaterale Verhandlungen mit Großbritannien führt. Das war gar nicht gewollt, geschweige denn, dass ein Bundesland Verhandlungen mit Großbritannien führt.
Mit anderen Worten: Wir gucken jetzt zu, was Eurokraten und Technokraten – es verwundert mich nicht, dass man in der FDP jetzt auch gern -krat ist – dort tun.
Fakt ist: Man hat von europäischer Seite, von den Institutionen lauter Leute verhandeln lassen, die den Brexit nicht wollten.
Herausgekommen ist ein Ergebnis, das den Brexit a) zu einer ungewissen Frage gemacht hätte und b) Bedingungen enthalten hat, die kein vernünftiger Brite wollen konnte. Deswegen hat zum Beispiel Labour nahezu geschlossen gegen dieses Abkommen gestimmt. Deswegen hat aber auch eine Reihe von den Regierungsabgeordneten der Tories dagegen gestimmt. Die Zweidrittelmehrheit dagegen ist ja nicht zustande gekommen, weil die Briten alle blöd sind, sondern weil zwei Drittel gesagt haben: Dieses Abkommen ist eine Zumutung.
Meine Damen und Herren, der Brexit war nicht gewollt. Schön und gut, das verstehe ich. Es wäre so einfach, mit Großbritannien ein faires Abkommen auszuhandeln. Das wäre insofern simpel, weil die Briten unbedingt im Binnenmarkt bleiben wollen, weil sie unbedingt den Freihandel haben wollen. Warum geben wir ihnen den nicht?
Ich kann es Ihnen sagen: Weil zum Beispiel Herr Verhofstadt, der Fraktionsvorsitzende der ALDE im Europäischen Parlament, der sogenannten Liberalen, nicht müde wird, zu betonen, dass die Briten am Ende auf keinen Fall besser dastehen dürften als zu dem Zeitpunkt, als sie noch in der Union waren. Man will auf jeden Fall verhindern, dass ein Großbritannien, das ausgetreten ist, am Ende wirtschaftlich besser funktioniert als vorher in der Europäischen Union. Das wiederholt Herr Verhofstadt jedes Mal – er wird nicht müde –, wenn diese Debatte kommt. Warum haben Sie eigentlich solche Angst, dass die Briten außerhalb der Union wirtschaftlich besser funktionieren könnten als vorher in der Union?