Protocol of the Session on November 29, 2018

(Markus Wagner [AfD]: Wir lehnen die politi- sche Verpflichtung nicht ab!)

Herr Wagner, ich sage Ihnen klipp und klar: Sie haben Angst – das hat mein Kollege Franken vorhin auch so ausgeführt –, dass Ihnen ein Thema abhandenkommt und dass Sie die Menschen nicht mehr auf die Straße hetzen können.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Hel- mut Seifen [AfD]: Im Gegenteil!)

Das waren Kurzintervention und Erwiderung. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der FDP nun der Abgeordnete Lenzen das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Frau Präsidentin! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! In der letzten Zeit standen folgende Fragen im Vordergrund: Wie integrieren wir Geflüchtete in Ausbildung und Arbeit? Wie verbessern wir Anerkennungsverfahren von ausländischen Berufsabschlüssen? Wie können wir die Migrantenselbstorganisationen stärken? Wie können wir die Kommunen bei der Integrationsarbeit vor Ort unterstützen?

Das sind nur einige Fragestellungen in der nordrheinwestfälischen Integrationspolitik der Vergangenheit gewesen, mit denen sich nicht nur FDP und CDU, sondern auch Teile der Opposition beschäftigt haben. Die Zahl der politischen Initiativen der AfD in diesen Bereichen, gerade in Bezug auf praktische Fragen, geht leider gegen null.

Ich habe mir schon fast Sorgen gemacht, als ich im letzten Plenum von Ihnen überhaupt keinen Antrag zur Migrations- und Flüchtlingspolitik gesehen habe. Das ist man von Ihnen gar nicht gewohnt. Schließlich

ist das quasi Ihr Kernthema. Thematisch gehen Ihre Kompetenzen eher gen null.

Mit dem heutigen Antrag zeigen Sie erneut: Manchmal ist weniger mehr. Diesen Antrag hätten Sie sich schlicht schenken können.

(Beifall von der FDP – Helmut Seifen [AfD]: Das könnte Ihnen so passen! – Lachen von der AfD)

Das war zum einen Copy-and-paste bei der Bundestagsfraktion, zum anderen zitieren Sie die JUNGE FREIHEIT, ein Sprachrohr der Neuen Rechten. Mehr hat der Antrag leider nicht zu bieten. Er enthält keine eigenen Ideen und Inhalte. Alles Fehlanzeige! Eine landespolitische Maßnahme kann man ihm genauso wenig entnehmen. Spätestens nach anderthalb Jahren im Parlament hätte ich erwartet, dass Sie den Unterschied zwischen Landtag und Bundestag erkennen. Das hätten Sie bereits verinnerlichen können.

Ihr Kollegen Wagner führte vorhin noch aus, Sie sähen sich als Quelle der Demokratie.

(Zuruf von der AfD – Lachen von der SPD)

Das wäre wie ein Fluss, der aufwärts fließt. Diesen Fluss müssen Sie mir erst mal zeigen.

(Beifall von der FDP)

Der globale Pakt für eine sichere, geordnete und reguläre Migration, kurz UN-Migrationspakt, ist ein richtiger und wichtiger Schritt, gerade was die Ordnung und Steuerung von Migration angeht. Das sollte, wenn man Ihren Wortbeiträgen der Vergangenheit Glauben schenkt, in einer Hinsicht vielleicht auch in Ihrem Interesse liegen, obwohl wir das natürlich von mehreren Seiten betrachten. Ausschnittsweise

müsste er Ihnen aber eigentlich entgegenkommen.

Der Pakt behandelt alle Dimensionen der weltweiten Migration, von der Arbeitsmigration über Aspekte der Identitätsfeststellung bis hin zur Bekämpfung der Schleusung; die Kollegen Yetim und Franken sind bereits darauf eingegangen. Den Faktencheck kann ich mir deshalb an manchen Stellen sparen. Das eine oder andere muss ich aber doch noch einmal wiederholen, um mit Ihren Fake News aufzuräumen.

Herr Kollege, es gibt den Wunsch nach einer Zwischenfrage des Abgeordneten Beckamp.

Ja, sofort. Ich möchte den Satz noch zu Ende führen. Kein Problem.

Die Bekämpfung von Schleusern und Menschenhandel sollte auch Ihr Interesse sein, ebenso Grenzmanagement und Rückführung. Lesen Sie den Pakt doch mal! Da steht das alles drin, bis hin zu Fragen der Integration in die Aufnahmegesellschaften. Das

sind Punkte, bei denen ich der Meinung war, dass die AfD richtige Freudensprünge hätte machen müssen. Aber anscheinend haben Sie den Pakt nicht gelesen. Die demokratischen Fraktionen hingegen – das merken wir an dieser Stelle auch wieder – sehen das Ganze als eine Chance an.

Jetzt nehme ich gern die Zwischenfrage des Kollegen Beckamp entgegen.

Vielen Dank, Herr Lenzen. – Uns wurde jetzt mehrfach vorgehalten, wir hätten den Pakt nicht verstanden. Sie hingegen sagen...

(Stefan Lenzen [FDP]: Ich habe behauptet, Sie hätten ihn nicht gelesen. Verstanden ha- ben Sie ihn aber auch nicht.)

Im Ergebnis hätten wir ihn nicht verstanden, vielleicht hätten wir ihn nicht einmal gelesen. Sie haben ihn gelesen und verstanden. Sie sprachen auch von einem Faktencheck. Können Sie mir beantworten, was in dem Pakt der Unterschied zwischen irregulärer und regulärer Migration ist? Haben Sie das verstanden?

Wenn Sie ab und zu in der Plenardebatte zugehört hätten – zum Beispiel dem Integrationsminister –, dann wüssten Sie, dass Deutschland fast alle Forderungen des Migrationspakts bereits erfüllt. An einer Stelle – darauf hat der Kollege Franken bereits hingewiesen – haben wir noch Nachholbedarf, und das ist ein in sich konsistentes Einwanderungsgesetzbuch.

Wenn Sie von regulärer Migration sprechen, dann müssen Sie auch solche Fragen beantworten, wie Arbeitsmigration – sprich: die Arbeitszuwanderung von Fachkräften, also von Menschen, die hier arbeiten wollen – ermöglicht werden kann. Das ist ein wichtiger Punkt.

Wir müssen bei der Migration zwischen illegal und legal unterscheiden. Bei der legalen Migration ist es wichtig, das Grundrecht auf Asyl nicht infrage zu stellen. Ebenso müssen wir wissen, von wo die Menschen vor Krieg flüchten.

Wir brauchen ein in sich konsistentes Einwanderungsgesetzbuch, in dem klar unterschieden wird: Wann haben wir es mit einem Asyl nach der Genfer Flüchtlingskonvention zu tun? Wo besteht ein Schutzstatus für Kriegsflüchtlinge, die nicht dem Asylverfahren unterliegen? Eine weitere Frage lautet: Wie bekommen wir die Arbeitsmigration geordnet?

Wenn jemand keines dieser Kriterien erfüllen wird, bleiben uns in einem Rechtsstaat wie dem unseren am Ende nur noch Ausreise und Abschiebung. Es schockiert mich, dass ich Ihnen das noch einmal erklären musste. Ich hätte gedacht, dass Sie das nach

anderthalb Jahren inzwischen begriffen hätten. Jedenfalls wissen Sie jetzt, was wir unter legaler Migration verstehen.

(Beifall von der FDP und von Josef Hovenjür- gen [CDU])

Wir hatten eben schon die Gelegenheit für den Faktencheck zum Thema „Souveränität der Staaten bei der Gestaltung ihrer nationalen Migrationspolitik“. Die Kollegen Franken und Yetim haben sogar die entsprechenden Stellen im Pakt genannt. In den Zielen 7, 15 b) und 15 c) beispielsweise wird noch einmal ausdrücklich betont, dass die Souveränität der Staaten gewahrt wird; die wird kein bisschen infrage gestellt.

Das fordert die NRW-Koalition zusammen mit unserem Integrationsminister übrigens auch. Wir wollen mit dem Einwanderungsgesetz eine Regelungslücke in Deutschland schließen. Wir wollen das zusammenführen. Die Ziele des Paktes sollen – so steht es unter Nummer 41 – unter Berücksichtigung der unterschiedlichen nationalen Realitäten und Kapazitäten sowie unter Beachtung der nationalen Politiken und Prioritäten umgesetzt werden. Der Pakt ist somit rechtlich nicht verbindlich. Er stellt vielmehr nur einen Kooperationsrahmen dar. Das haben meine Vorredner auch schon zu erklären versucht.

Nehmen Sie doch mal Folgendes zur Kenntnis: Es ist doch beachtlich, dass über 180 Staaten diesen Pakt gemeinsam erarbeitet haben.

(Zurufe von der AfD)

Der Pakt kann auch als Grundlage für eine Diskussion über künftige Regelungen dienen. Er kann anderen Staaten, die noch nicht so weit sind wie wir, als Anleitung dienen. Wir müssen uns überlegen, wie wir die internationale Zusammenarbeit mit allen relevanten Akteuren in Sachen Migration fördern können.

Würde man diesen Pakt konsequent anwenden, und zwar verbunden mit der konsequenten Einhaltung der allgemeinen Menschenrechte – auch die sollten Sie nicht infrage stellen – in allen Regionen der Welt, dann würde das den Migrationsdruck auf Europa und auf Deutschland spürbar senken. Spätestens hier sollten Sie verstehen, dass dies im Sinne von NRW und Deutschland ist. Genau das haben die Kollegen Yetim und Franken Ihnen erklärt.

Der Pakt kann auch zu einer gerechteren Lastenverteilung beitragen, indem man die Herkunftsländer dazu verpflichtet, ihre Staatsangehörigen zurückzunehmen und darüber hinaus für bessere Standards – gerade bei der Unterbringung und Versorgung – in den Herkunftsländern zu sorgen, damit nicht so viele Menschen ihr Land verlassen wollen. So kann ihre Not dahin gehend gelindert werden, dass sie sich nicht auf den Weg nach Europa machen müssen.

Deutschland erfüllt – das habe ich eben schon erwähnt – fast alle Anforderungen des Migrationspakts bereits heute.

Es gibt einen Punkt – den habe ich Ihnen skizziert –, bei dem wir noch nachsteuern müssen; das ist das Thema „Einwanderungsgesetz“. Deshalb brauchen wir auch Zeit, damit der Unterzeichnung des Pakts in Marrakesch auch ein echtes Einwanderungsgesetz folgen kann.

Der UN-Migrationspakt erkennt Migration als das an, was sie ist: als Realität. Migration gab es zu jeder Zeit und findet überall auf der Welt statt. Migration zu ordnen, liegt in unserem Interesse – anscheinend nicht in Ihrem. Das stellen wir heute in der Debatte fest.

Wir dürfen den UN-Migrationspakt nicht überschätzen. Er ist nicht verbindlich, sondern eine Absichtserklärung. Es ist weiterhin unsere Pflicht – auch für uns in NRW; daran arbeiten wir –, eine geordnete Einwanderungs- und Flüchtlingspolitik in Deutschland zu schaffen. Deswegen sind Ihre Wortbeiträge nur noch verwunderlich. Ich glaube, dass auch jetzt aus Ihrer Ecke nichts substanziell Neues oder Erhellendes kommen wird. Aber ich sehe schon die Kurzintervention und bin gespannt. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Lenzen. – Jetzt gibt es in der Tat die vom Abgeordneten Wagner der Fraktion der AfD angemeldete Kurzintervention. – Bitte, sehr geehrter Herr Wagner, das Mikrofon ist freigeschalten.

Herr Lenzen, Sie haben in Ihrer Rede auf vieles hingewiesen. Ich möchte mich nur auf zwei Dinge konzentrieren. Zum einen geht es natürlich darum, legale und nicht illegale Migration zu fördern. Zum anderen haben Sie gesagt, dass die Bekämpfung von Schleusung und Menschenhandel ein Ziel des Migrationspaktes sei.

Ja, die Überschrift von Ziel 9 sagt: „Verstärkung der grenzübergreifenden Bekämpfung der Schleusung von Migranten.“

Unter Punkt 25 heißt es dann:

„Wir verpflichten uns ferner,...“

wieder taucht das Wort „verpflichten“ auf; über 80mal kommt es vor –