Protocol of the Session on November 15, 2018

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Jetzt haben wir eine breite Debatte. Es ist vieles gesagt worden, es ist viel Richtiges gesagt worden, auch vieles, was zu hinterfragen ist. Das Thema ist wichtig; das ist gar keine Frage. Ich möchte nur auf drei, vier Punkte eingehen.

Frau Gebauer, Sie haben es noch einmal sehr breit ausgeführt, und es steht auch in Ihrem Antrag. Sie wollen, dass im Ausschuss berichtet wird, und Sie betonen dann, Best-Practice-Beispiele sollten seitens des Ministeriums berichtet werden. Ich habe nichts gegen Best-Practice-Beispiele. Nur, wie Sie es formulieren, klingt es nach „ausschließlich BestPractice-Beispiele“.

Das ist eigentlich nicht das Bild, das wir von der Arbeit im Parlament haben, dass wir sozusagen das Forum sind zum Abnicken und Beifallklatschen für Best-Practice-Beispiele, und dann geht das Ministerium wieder.

Unser Vorschlag wäre, neben den Best-Practice-Beispielen auch die schlechten Beispiele darzulegen. Meine Lebenserfahrung sagt mir: Bei 100.000 – das hat der Minister eben vorgetragen – vermittelten Menschen gibt es sicher auch schlechte Vermittlungen. Daher würde ich dafür plädieren, dass wir die ganze Bandbreite der Realität widerspiegeln und nicht nur Best-Practice-Beispiele nehmen.

Herr Lenzen trägt hier eine Binsenweisheit vor, tut aber so, als wäre das etwas Neues. Er formuliert es netter und schöner, meint aber, dass die Leiharbeit durch die Arbeitsagenturen einfach zu vermitteln sei. Das wissen wir. Das hat aber nichts mit Flüchtlingen zu tun, sondern es hat etwas mit Leiharbeit zu tun. Wo es eine hohe Fluktuation von Arbeit gibt, wo möglichst viel geheuert und gefeuert wird, da kann man auch viel vermitteln.

Ich werfe nicht den Arbeitsagenturen vor, dass sie das so machen, sondern ich werfe Ihnen vor, dass Sie das auch noch toll finden. Das ist schon eine merkwürdige Herangehensweise.

Außerdem: Gut vermittelbare Arbeit ist nicht gleich gute Arbeit, sondern häufig sogar das Gegenteil. Die Argumentation, die Sie vorgestellt haben, kann ich

also überhaupt nicht nachvollziehen. Und zum Vorwurf, dass wir etwas gegen Leiharbeit hätten: Das haben wir in der Tat, weil es schlechte Arbeitsverhältnisse sind. Aber nur zu sagen, die Arbeit sei gut vermittelbar – da gibt es überhaupt keinen Zusammenhang und es ist völlig an den Haaren herbeigezogen.

Herr Laumann, der jetzt auch wieder abwesend ist

(Minister Karl-Josef Laumann: Hallo!)

da ist er ja! –, stand meiner Meinung nach ziemlich lustlos am Redepult und las ab. Ich habe ihn schon viel leidenschaftlicher erlebt. Bei anderen Fragen ist er das.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Das war bei Ihnen noch nie der Fall!)

Herr Minister Laumann und ich beschäftigen uns schon ziemlich lange mit der Sache, und deshalb möchte ich Ihnen ein Beispiel nennen. Wozu ich heute gar nichts gehört habe, ist die Modulausbildung. Das ist ein Thema, welches meiner Meinung nach sehr wichtig ist.

Es mag zum Beispiel einen syrischen Flüchtling geben, der in Syrien ein hervorragender Fliesenleger war. Er kann hundertprozentig Fliesen legen, hat aber keinen deutschen Gesellenbrief. Es gibt ja auch keine duale Ausbildung in Syrien, aber er kann das.

Dann muss er meiner Meinung nach in einem Modul ausgebildet werden, damit er auf dem Arbeitsmarkt vermittelbar ist, damit seine Fähigkeiten einfließen. Er muss auch keine dreieinhalbjährige Ausbildung machen, sondern er muss das lernen, was er zusätzlich benötigt – natürlich aufbauend auf dem Deutschkurs und dem Integrationskurs.

(Minister Karl-Josef Laumann: Einverstan- den!)

Der Arbeitsminister und der Wirtschaftsminister – er ist heute nicht anwesend – stehen hier vor einer großen Aufgabe. Wir diskutieren schon ewig darüber, und es wirkt für mich so, dass es bei vielen Innungen und Kammern so etwas wie eine Verherrlichung des deutschen Gesellen- und Meisterbriefs gibt.

Ich finde ihn auch gut, und er ist auch wichtig, aber er ist kein Heiligtum, keine Ikone. Jemand muss nicht genauso ausgebildet worden sein wie in Deutschland, damit er dasselbe leisten kann.

Da ich weiß, dass Sie selbst eine duale Ausbildung gemacht haben, würde es gerade Ihnen gut zu Gesicht stehen, bei den Kammern und Verbänden stärker einzufordern, eine Flexibilität und Offenheit für ein solches Modul zu entwickeln, um möglichst viele Menschen in den Arbeitsmarkt zu bringen. Ansonsten kommt es zu folgender Situation: Man fordert Module, man verhindert im Grunde, dass sie umgesetzt werden, und in den Sonntagsreden beklagt man den

Fachkräftemangel. Das passt natürlich nicht zusammen, sondern daran muss man arbeiten.

Abschließend: Wir sprechen über den Antrag – ich habe meine Brille nicht dabei und kann es nicht ganz vorlesen – „Integration beginnt mit Ausbildung und Arbeit“ der CDU.

(Minister Karl-Josef Laumann: Wollen Sie meine Brille haben?)

Nein, das geht schon. – Uns liegt ein Antrag aus dem Oktober seitens der CDU zur Verbesserung der Berufsanerkennungsverfahren vor. Seitens der SPD läuft ein noch nicht abgeschlossener Antrag mit dem Titel „Die Landesregierung muss die Integration von geflüchteten Menschen in den Arbeitsmarkt vorantreiben!“. Wer nachsieht, wird übrigens auch herausfinden, wer sich zuerst mit dem Thema auseinandergesetzt hat – das war nämlich der SPD-Antrag. Er ist aus dem Frühjahr; darauf haben Sie aufgebaut.

Nichtsdestotrotz scheint es mir vernünftig zu sein, die drei Anträge in den Beratungen im Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales und im Integrationsausschuss zusammenzufassen, um dann vielleicht eine gemeinsame Anhörung durchzuführen, in welcher man das Thema vertieft. – Ich sehe zumindest den Minister nicken. Meiner Meinung nach ist es ein kluger Vorschlag, diese drei Anträge zusammenzufassen und sich dann inhaltlich mit dem Thema auseinanderzusetzen.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche Ihnen noch einen angenehmen Tag. Danke schön.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Bischoff. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der FDP der Abgeordnete Lenzen das Wort.

Frau Präsidentin! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Erst einmal vielen Dank an den Kollegen Bischoff. Er brachte ein bisschen Emotion in die Debatte. Ich fände es gut, wenn er mir jetzt auch noch kurz seine Aufmerksamkeit schenken würde.

Die Idee, das Ganze im neuen Jahr in einer großen Anhörung mit den Anträgen zum BQFG und dem Antrag der SPD zusammenzufassen, ist sinnvoll. Die Idee kam genauso auch bei den Koalitionsfraktionen auf; das nehmen wir gerne mit auf. Es macht Sinn, das zusammenzufassen.

Ganz im Gegensatz zu Ihrem Kollegen Yüksel haben Sie wenigstens versucht, zum Antrag von CDU und FDP zu sprechen. Beim Kollegen Yüksel hatte man den Eindruck, er führe eine Debatte von vorgestern

mit dem Fokus auf der Produktionsschule. Hier geht es aber darum, wie wir junge Menschen in Ausbildung und Arbeit integrieren können. Dabei sind viele Bestandteile zu berücksichtigen und eben nicht nur die Produktionsschule. Das wirkte so ein bisschen wie eine Generalabrechnung.

Wenn man schon über Gutes und Schlechtes spricht: In der Debatte kam auch das Thema „Förderlücken schließen“ auf. Man kann an dieser Stelle durchaus mal erwähnen, dass wir uns sehr freuen würden, wenn der zuständige SPD-Bundesminister für Arbeit und Soziales Herr Hubertus Heil das Ganze aufgreifen und die Lücke schließen würde.

Was aber auch in der Debatte im Ausschuss aufkam – da muss man sich hier am Redepult vielleicht etwas bremsen, Herr Bischoff –: Wenn man ein Urteil des Landessozialgerichts Essen aus dem Frühjahr dieses Jahres irgendwie verpasst hat, dann sollte man jetzt vielleicht noch einmal nachdenken und konstruktiv an diesem Antrag mitwirken. Ich gehe davon aus, dass Sie das im neuen Jahr tun wollen.

Es kam auch der Vorwurf auf – ob von der Kollegin Aymaz oder vom Kollegen Yüksel –, landesseitig würde da zu wenig passieren. Man kann trotzdem darauf verweisen, dass wir natürlich im Bundesrat daran arbeiten. Es gibt auch einen einstimmigen Beschluss der Integrationsministerkonferenz aus dem März dieses Jahres. Wir werden an dem Thema dranbleiben. Ein bisschen mehr Akzeptanz auf Bundesebene wäre auch für uns sicherlich hilfreich.

Bei diesem Antrag von CDU und FDP geht es doch darum, wie wir mehr Geflüchtete, mehr junge Menschen in Ausbildung und Arbeit bringen. Frau Kollegin Aymaz sprach noch zwei Punkte an. Auch wenn es mit dem Antrag wenig zu tun hat, kann man zum Thema „Asylstufenplan“ schon sagen, dass das Ansinnen der NRW-Koalition klar ist: auf der einen Seite die Kommunen zu entlasten und sich auf der anderen Seite auf genau diejenigen zu konzentrieren, von denen wir wissen, dass sie eine gute Bleibeperspektive haben. Da müssen wir unsere Anstrengungen erhöhen.

Ganz wichtig ist der zweite Punkt – da haben Sie mich bestätigt, und ich fühle mich auch nicht angesprochen –, nämlich das Thema „Abschottung und Ausgrenzung“. Darauf setzt die NRW-Koalition beileibe nicht, aber wir haben eben zwei Seiten im Blick. Es ist wichtig, klarzustellen, dass wir sehr wohl unseren Fokus auf der einen Seite auf die Abschiebung von Gefährdern und Straftätern, auf der anderen Seite aber auch auf die Integration durch Arbeit und Ausbildung legen können. Darin sehe ich keinen Widerspruch, und es ist wichtig, das hier klarzustellen.

Nun freue ich mich auf die Beratungen in den entsprechenden Fachausschüssen im nächsten Jahr. – Danke schön.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Lenzen. – Für die Fraktion der AfD hat jetzt Frau Kollegin Walger-Demolsky das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! 3,5 Millionen Deutsche leben dauerhaft irgendwo im Ausland. Gegangen sind vor allem hochqualifizierte junge Menschen, aber auch gestandene Handwerksmeister, Ärzte und Ingenieure. Viele von ihnen wurden insbesondere von besseren Arbeitsbedingungen, weniger Bürokratie, aber manchmal von einem höheren Gehalt gelockt.

Heute steht häufig die Work-Life-Balance im Mittelpunkt; das verändert auch den Arbeitsmarkt. Egal ob sich im Jahr 2016 die statistischen Erhebungsmethoden geändert haben, eines fest steht: Jedes Jahr verlassen deutlich mehr Menschen unser Land als wieder zurückkommen.

Statt auf diese Entwicklung adäquat zu reagieren, propagierte der neue Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer jüngst, noch viel mehr ungelernte Zuwanderer nach Deutschland zu holen. Schon heute haben wir in NRW 132.000 Flüchtlinge, die einen Job suchen. Die allermeisten sind nach wie vor gering oder gar nicht qualifiziert. Nur 4.800 von ihnen befinden sich in Ausbildung; das sind gerade einmal 1,2 % der 400.000 in NRW lebenden Flüchtlinge.

Über Erfolgsquoten bei diesen Ausbildungen ist wenig bekannt. In Bayern spricht man von rund 50 %, die ihre Ausbildung vorzeitig abbrechen. Eine Erfolgsstory sieht wahrlich anders aus. Vielleicht sollte Herr Kramer mal nach China blicken, bevor China uns mit seiner vollkommen anderen Anwerberstrategie in Kombination mit anderen günstigen Faktoren komplett ins wirtschaftliche Abseits befördert.

Womit beschäftigen wir uns mit aller zur Verfügung stehenden Kraft und mit unglaublichem Einsatz? Im vorliegenden Antrag steht, dass 50 % der Flüchtlinge die Integrationskurse derzeit nicht schaffen würden. Noch schlimmer sieht es bei den Deutsch- und den Alphabetisierungskursen aus. Da liest man in einem Bericht von nur 8 % Erfolgsquote; in einem anderen heißt es, einer von fünfen schaffe das erhoffte Ergebnis. Da liegen die Abbrecherquoten bei 50 %.

Weil viele Akteure auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene im Spiel sind, scheinen hier die Statistiken unzureichend zu sein. Wie zum Beispiel die Erfolgsquoten bei Minderjährigen aussehen, weiß keiner so genau.

Unsere Arbeitgeber beklagen eine zu geringe schulische Bildung junger Menschen, die die deutschen

Schulen verlassen haben. Und wir glauben, Menschen, die zu uns gekommen sind, und die teilweise sehr wenig Bildung in ihren Heimatländern erfahren haben, mit Alphabetisierungs- und Deutschkursen auffangen zu können? Ich bitte Sie! – Bei den Syrern sieht es immerhin noch gut aus. Laut einer PISAStudie waren die Abiturienten aus Syrien – vor dem Krieg, wohlgemerkt – etwa zweieinhalb Jahre hinter unseren Abiturienten zurück.

Natürlich müssen wir die Menschen, die länger bei uns bleiben, und vor allem diejenigen, die für immer bei uns bleiben, in Arbeit integrieren. Das sehen auch wir so. Aber eine Logik erschließt sich mir nicht: Sie behaupten, alle Flüchtlinge müssten integriert werden; denn alle blieben auf Dauer hier.

(Zurufe von Katharina Gebauer [CDU] und Marco Schmitz [CDU])

Das Gesetz sieht diese Logik nun mal nicht vor. Das ist nicht Ihre Forderung; das ist insbesondere eine Forderung der Fraktion der Grünen.

(Zuruf)