Protocol of the Session on July 12, 2017

Wir haben aber auch die Situation, dass Mieterinnen und Mieterinnen vielfachen Problematiken ausgesetzt sind, weil Wohnungsunternehmen oder Vermieter nicht fair mit ihnen umgehen. Zwar bin ich davon überzeugt, dass 80 % bis 90 %der Vermieterinnen und Vermieter sowie der Wohnungsunternehmen fair und sachlich mit ihren Mietern umgehen, aber es gibt auch Problemfälle.

Deshalb hat die vorherige Landesregierung ein ganzes Maßnahmenbündel auf den Weg gebracht, um Mieterinnen und Mieter zu schützen.

Diese Initiative ging zurück auf die Enquetekommission „Wohnungswirtschaftlicher Wandel“, die in der Zeit der Minderheitsregierung und am Anfang der zweiten rot-grünen Regierungszeit unter der Leitung meiner früheren Kollegin Daniela Schneckenburger getagt hat. Im Anschluss an die Enquetekommission wurde ein ganzes Bündel von Maßnahmen erlassen.

Wenn man sich nun den Koalitionsvertrag der neuen Landesregierung anschaut, stellt man fest, dass wirklich jede Maßnahme, die auf den Weg gebracht worden ist und dazu geeignet war, dass Mieterinnen und Mieter heute in diesem Land besser geschützt sind, abgeschafft werden soll.

Deswegen haben wir diesen Antrag heute vorgelegt – auch die SPD-Fraktion hat einen ähnlich lautenden Antrag eingereicht –, um diese Tatsache deutlich zu machen und entsprechend scharf zu kritisieren.

Sie müssen uns, liebe Landesregierung und liebe Frau Ministerin Scharrenbach, bitte mal erklären, warum Sie diese erfolgreichen Instrumente für mehr Schutz von Mieterinnen und Mietern in NordrheinWestfalen wieder abschaffen wollen. Diese Auffassung teilen wir explizit nicht.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Sie stellen nicht nur die Förderinstrumente infrage, sondern – das belegen Sie heute mit Ihrem Interview in der „Rheinischen Post“ – Sie denken auch darüber nach, wieder stärker in die Eigenheimförderung zu gehen, wieder stärker auf die grüne Wiese zu gehen, wieder stärker den Wohnungsbau im ländlichen Raum vorantreiben zu wollen. Darüber hinaus wollen Sie insbesondere in den Schutz der Mieterinnen und Mieter eingreifen.

Sie kritisieren – hier liegen Sie mit Ihrer Grundkritik unserer Meinung nach sogar richtig –, dass die Mietpreisbremse nicht greife. Statt jedoch zu sagen, was man an der Mietpreisbremse ändern müsste, die die CDU als Teil der Bundesregierung mit auf den Weg gebracht hat, wollen Sie die Mietpreisbremse komplett abschaffen und sagen im Koalitionsvertrag explizit, das heutige Mietrecht gebe Mieterinnen und Mietern genügend Möglichkeiten, um sich gegen unfaire Vergabe und Druck vonseiten der Vermieter zu wehren.

Ich sage Ihnen: Diese Einschätzung teilen wir explizit nicht. Wir brauchen weitergehende Instrumente, und wir brauchen eine Anschärfung der Mietpreisbremse, die den Mieterinnen und Mietern die Möglichkeit gibt, entsprechend rechtlich vorzugehen.

Sehr geehrte Frau Scharrenbach, Sie müssen uns die Frage beantworten, warum Sie im Gegensatz zu allen Trendvorhersagen für die nächsten Jahre und Jahrzehnte – und zwar nicht vom Deutschen Mieterbund, sondern insbesondere vom Institut der deutschen Wirtschaft, das nicht unbedingt im Ruch steht, den Grünen allzu nahezustehen – Instrumente auf den Weg bringen wollen, die in die völlig andere Richtung zielen.

Es zieht die Menschen und vor allen Dingen die jungen Menschen in die Städte. Wir müssen uns insbesondere darum kümmern, dass die Städte und großen Kommunen, die einem entsprechend großen Druck auf dem Wohnungsmarkt unterliegen, unterstützt werden, um ein besseres Angebot machen zu können.

Warum Sie in die Peripherie und auf die grüne Wiese wollen – gerne mit S-Bahn-Anschluss, wie Sie heute in der „Rheinischen Post“ sagen –, ist uns nicht klar. Warum Sie in den nächsten Jahren mehr Flächenverbrauch betreiben wollen, statt die Kommunen, die unter Druck stehen, dabei zu unterstützen, die Wohnungsnachfrage auch nur annähernd befriedigen zu können, ist aus unserer Sicht nicht nachvollziehbar, liebe Frau Ministerin.

(Beifall von den GRÜNEN)

Um es zusammenzufassen: Wir haben in den letzten Jahren auf dem Wohnungsmarkt in Nordrhein-Westfalen viel vorangebracht, und mit „Wir“ meine ich gar nicht nur die vorherige Landesregierung, sondern auch das „Bündnis für Wohnen“, einen Zusammenschluss aus allen relevanten Akteuren der Wohnungswirtschaft. Dazu gehören der Mieterschutzbund, der Verband der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft, aber auch Haus & Grund – ein Verband ist, der nicht unbedingt im Verdacht steht, der SPD oder den Grünen nahezustehen.

Ich erinnere mich noch an eine Veranstaltung in Krefeld im Rahmen des Wahlkampfes, bei der ich neben dem damaligen CDU-Spitzenkandidaten Armin Laschet saß. Allein von der Tonalität her war Haus & Grund so zugespitzt gegen die vorherige Landesregierung, dass Herr Laschet in seinem Grußwort gar nichts mehr in diese Richtung sagen musste. Aber trotzdem hat sich Haus & Grund an diesem „Bündnis für Wohnen“ beteiligt und in diesem Frühjahr Bilanz dahin gehend gezogen, dass die Wohnungswirtschaft bzw. der Wohnungsmarkt in Nordrhein-Westfalen auf einem guten Weg sei.

In dem Koalitionsvertrag findet sich viel Lyrik und viele wohlklingende Worte. Man wird wahrscheinlich

erst im Herbst bei Vorlage des ersten Haushaltes sehen, was es damit auf sich hat und ob Sie als Landesregierung diese Versprechen auch erfüllen konnten.

Aber im Bereich des Wohnungsmarktes gibt es ganz klare Aussagen, die sich von der vorherigen Politik unterscheiden – insbesondere in der Frage, ob Mieterinnen und Mietern noch der gleiche Schutz gewährleistet wird, wie es zu Zeiten der vorherigen Landesregierung der Fall war. Daher müssen Sie an dieser Stelle Farbe bekennen: Wie stehen Sie zum Mieterschutz? Wie stehen Sie zu den ganzen Instrumenten der Wohnungswirtschaft, die in den letzten Jahren in Nordrhein-Westfalen erfolgreich waren?

Laut Ihrem Koalitionsvertrag wollen Sie all das zurückdrehen und infrage stellen. Das weisen wir scharf zurück. Deswegen haben wir diesen Antrag vorgelegt und führen heute diese Debatte. Wir wollen, dass Sie heute hier im Plenum als neue Ministerin erstmals Farbe bekennen. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Klocke. – Für die SPD-Fraktion spricht nun Frau Kollegin Philipp.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Wenn 74 m2 für vier Personen reichen müssen“ titelt die „WELT ONLINE“ am 2. Juli dieses Jahres. Ein Ehepaar aus Düsseldorf-Eller ist gemeinsam mit seinen beiden Kindern händeringend seit Monaten auf der Suche nach einer ausreichend großen Wohnung – mit einem Budget von 850 € in Düsseldorf offensichtlich ein unmögliches Unterfangen.

Ein paar Kilometer weiter, in Monheim, muss ein Rentnerehepaar die gemeinsame Wohnung verlassen, weil der Vermieter ihm wegen eines Eigenbedarfsanspruchs gekündigt hat. Das Ehepaar, so berichtet die „Rheinische Post“ am 9. Juni 2017, ist seit Monaten auf der Suche nach einer barrierefreien Wohnung. Bei einem geschätzten Anteil von 2 % barrierefreier Wohnungen in der Stadt ist das auch sehr aussichtslos.

Auf der anderen Rheinseite, in der Bonner Reutersiedlung: Nach 33 Jahren droht der Rentnerin Gisela Matrisch ebenfalls eine Kündigung seitens ihres Vermieters. Nach einigen wenigen Renovierungsarbeiten kommt auf die Frau eine Mieterhöhung von 156 € im Monat zu. Auf Dauer ist das für die 73-jährige Frau nicht zu stemmen, schildert sie „Westpol“ am 2. Juli dieses Jahres. Sie wird nach 33 Jahren leider aus ihrer Wohnung ausziehen müssen.

Nebengeschichte zu dieser Wohnung: Diese Wohnung war bis zum Jahr 2008 im Besitz der LEG. Schwarz-Gelb hat sie privatisiert.

(Jochen Ott [SPD]: Hört! Hört!)

Familie Dreyer in Düsseldorf, das Rentnerehepaar in Monheim, Frau Matrisch in Bonn: Das sind nur drei Beispiele, die exemplarisch für Millionen von Menschen in Nordrhein-Westfalen sind – Mieterinnen und Mieter, die zu Recht von der Politik erwarten, dass man ihre Probleme ernst nimmt und ihnen eine Lösung anbietet.

(Jochen Ott [SPD]: Hört! Hört!)

Herr Ministerpräsident Laschet ist bis zum 14. Mai 2017 mit dem Slogan „Zuhören. Entscheiden. Handeln“ durch die Lande gereist. Dieser Spruch, den er angeblich sogar selbst erfunden hat, ist im Wahlkampf gebetsmühlenartig wiederholt worden.

Wirft man nun aber einen Blick in den Koalitionsvertrag, so sieht man, dass von diesem Anspruch schon jetzt nicht mehr viel übrig geblieben zu sein scheint.

Denn wer die sozialen Maßnahmen zur Begrenzung des Mietpreisanstiegs zurücknehmen will, die Mietpreisbremse und die Kappungsgrenzenverordnung ohne Überprüfung einfach wieder abschaffen will, das Wohnungsaufsichtsgesetz, das vielen Kommunen hilft und das bislang in Nordrhein-Westfalen über 6.200 Mal angewendet werden konnte, ohne Not auf den Prüfstand stellt, die Regelungen zu den Kündigungssperrfristen bei Eigenbedarfskündigungen des Vermieters zurückschrauben will, die Zweckentfremdung von Wohnraum wieder liberalisieren will und die Umnutzung trotz steigenden Wohnungsbedarfs erleichtern will, der macht eindeutig Politik gegen die Menschen in Nordrhein-Westfalen und gegen die Mieterinnen und Mieter.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Hier stellt sich für uns die Frage: Wem hat die Landesregierung da eigentlich genau zugehört? Den Mieterinnen und Mietern sicherlich nicht, aber offensichtlich einigen anderen!

Mein Kollege Klocke hat den Verband Haus & Grund schon angesprochen. Ich habe einmal einen Blick in das neueste Verbandsmagazin gewagt und die Aussagen zum neuen Koalitionsvertrag gelesen. Das war sehr aufschlussreich. Ich zitiere:

„Haus & Grund Rheinland war über die Ergebnisse im Koalitionsvertrag positiv überrascht.“

Dort hat man den NRW-Wahlsiegern also offensichtlich erst einmal nicht so viel zugetraut.

„Sämtliche Vorschläge, die Haus & Grund NRW vor Beginn der Koalitionsverhandlungen sowohl der CDU als auch der FDP unterbreitet hat, sind aufgenommen worden.“

So kommt der Verband dann auch folgerichtig zu dem Schluss:

„Aus Sicht von Eigentümern und Vermietern lässt der Vertrag keine Wünsche offen.“

(Jochen Ott [SPD]: Hört! Hört!)

Das ist eine sehr interessante Aussage. Daran ist auch erst einmal nichts auszusetzen.

Aber – und das wollen wir festhalten – NRW ist ein Mieterland.

(Beifall von Marc Herter [SPD])

Mehr als 10 Millionen Menschen leben in NordrheinWestfalen in Mietwohnungen. Das sind rund 4,5 Millionen Haushalte. In einigen Städten – das dürfen wir nicht vergessen – haben rund 50 % der Menschen Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein, weil sie finanziell nicht auf Rosen gebettet sind und auf eine Sozialwohnung, auf eine geförderte Wohnung, angewiesen sind.

Wenn Sie diesen 10 Millionen Menschen ernsthaft zuhören wollen, wenn sie deren Interessen ernst nehmen wollen, dann können Sie nicht die Mieterrechte in diesem Land abschaffen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wenn Sie diese 10 Millionen Menschen wirklich ernst nehmen und ihnen zuhören, dann können Sie nicht sofort und ungeprüft alle Vorkehrungen abschaffen, die der Mietpreisexplosion entgegenwirken sollen.

Von der FDP haben wir, ehrlich gesagt, nicht viel mehr erwartet. Aber von Ihnen, sehr geehrte Frau Ministerin Scharrenbach, muss man schon mehr erwarten können. Es ist schade, dass Sie sich Ihre Wohnungspolitik in einer so offensichtlichen Art und Weise von dem kleineren Koalitionspartner diktieren lassen. Da wedelt offensichtlich der Schwanz mit dem Hund, was die Wohnungspolitik angeht.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

„ZEIT ONLINE“ kommentiert Ihre Vorhaben am Beispiel der Mietpreisbremse dann auch sehr passend und macht vor allen Dingen auf die fehlende Logik bei Ihrer Herleitung in Bezug auf die Mietpreisbremse aufmerksam. Ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten: