Protocol of the Session on June 15, 2018

(Helmut Seifen [AfD]: Hat kein Mensch gesagt! Hören Sie einfach zu!)

die Nummer geht auch nicht mehr. Damit kommen wir keinen Millimeter weiter.

Das heißt übrigens zweitens, wir müssen gemeinsam an die Aufgabe rangehen, das kann einer alleine nicht machen. 11.000 Salafisten in Deutschland, 3.000 in NRW, 840 gewaltbereit – es ist übrigens, auch das sei hinzugefügt, nicht nur eine Aufgabe für Sicherheitsbehörden, Polizei, Justiz und Verfassungsschutz, sondern: Wir müssen uns nicht nur um Symptome kümmern, wir müssen auch den Schulterschluss vieler Institutionen und Behörden in unserem Lande nutzen, um wirkungsvoll zu sein.

Deshalb finde ich den Antrag hilfreich. Er zeigt klar auf, dass alle Demokraten diese menschenfeindliche und hasserfüllte Ideologie gemeinsam bekämpfen müssen,

(Helmut Seifen [AfD]: Das tun Sie ja eben nicht!)

und zwar mit Polizei, Verfassungsschutz und auch präventiv. Prävention und Repression gehören zusammen. Das ist das Spannende.

Die Ursachen, warum solche Menschen zu Extremisten werden, sind vielfältig. Deswegen braucht es eine ganzheitliche Strategie. Das ist nicht so einfach. Da gibt es nicht eine Antwort und eine Ursache.

Es gibt auch keine einfachen Antworten, warum sich plötzlich ein 16-jähriges Mädchen komplett verschleiert oder nicht mehr am gesellschaftlichen Leben teilnehmen will oder warum sich ein 20-Jähriger für dschihadistische Propaganda interessiert, sein persönliches Umfeld in Gläubige und Ungläubige einteilt.

Da gibt es nicht so etwas wie eine Checkliste: Wenn A, B, C zutrifft, dann ist das einer, der einen bewaffneten Kampf gegen alle Ungläubigen will. Oder: Eine Person wandert aus, um sich dem bewaffneten Kampf anzuschließen. So einfach ist es leider nicht. Die Welt ist kompliziert. Das macht es anstrengend. Und jeder Radikalisierungsfall ist individuell vielschichtig.

Deswegen gibt es bei uns in Nordrhein-Westfalen zum Beispiel ein Präventionsprogramm gegen Salafismus, das auf den Dreiklang von Ganzheitlichkeit, Zusammenarbeit und Nachhaltigkeit ausgerichtet ist. Es sind ganz unterschiedliche Projekte und Maßnahmen. Bewährte Projekte werden wir weiterentwickeln und neue hinzufügen.

Ich will vielleicht auf zwei Säulen hinweisen, auf denen dieses Konzept basiert: Nachhaltigkeit, also die Schaffung eines fortwährenden Netzwerks aller Beteiligten in den Ministerien und Orientierung an der gesamten biografischen Entwicklung eines Menschen. Das ist das Fundament. Damit sind wir weitergekommen.

Ständiges Weiterarbeiten ist angesagt. Aber wir brauchen da nicht jeden Tag ein neues Programm; das ist auch Quatsch. Konsequent sein und verstetigt arbeiten – wir packen das ressortübergreifend an und passen es auch an neue Entwicklungen kontinuierlich an. Es werden bereits 27 Einzelprojekte in den jeweiligen Ressorts umgesetzt.

Um aus meinem nur ein Projekt zu nennen, was schon vorgetragen worden ist: Wegweiser – viel beachtet, nicht von uns erfunden, aber trotzdem gut. Deswegen haben wir damit auch kein Problem.

Wo ist die Dame, die eben gesagt hat, es gäbe keine Erfolge? – In fast 700 Fällen ist es gelungen, betroffene Jugendliche zu erreichen. In 300 komplexen Fällen wurden langfristige Beratungsprozesse initiiert. Es ist sehr davon auszugehen, dass die überwiegende Anzahl der Beratungsfälle einen positiven

Verlauf nimmt. Das heißt, es gelingt offensichtlich, extremistische Verhaltensweisen und Einstellungen zu verändern. Durch die Wegweiser-Beratungsstellen sind fast 12.000 Umfeldberatungen und nahezu 2.000 Sensibilisierungsveranstaltungen durchgeführt worden.

Die Zahlen alleine reichen nicht; das weiß ich. Aber drei Viertel davon sind Jugendliche und Kinder, die sich in einer schwierigen Altersphase befinden, die für radikale Verführer ganz besonders von Interesse sind.

Damit Sie es endlich mal hören: 80 bis 90 % sind erfolgreich. Ob das jede Maßnahme von sich sagen kann, weiß ich nicht. Ich finde jedenfalls, das ist nicht so schlecht. Dafür gibt es dieses Programm.

Im Übrigen, Frau Schäffer, noch eine kleine Ergänzung – wir machen nicht jeden Tag für jede Maßnahme eine einzelne Presseshow –: Wir haben längst Streetworker im Einsatz, und zwar nicht nur auf den Straßen, sondern auch im Internet, die dafür da sind, Jugendliche anzusprechen. Das klappt, und zwar seit geraumer Zeit.

(Verena Schäffer [GRÜNE]: Das ist doch et- was völlig anderes, Herr Reul!)

Also: Es funktioniert. Es geht. Es wird gemacht. Dafür brauchen wir Ihren Vorschlag nicht, aber es ist trotzdem gut, dass wir darin übereinstimmen.

(Josefine Paul [GRÜNE]: Oh je!)

Dass der Fokus auf Familien, auf die Rolle von Müttern, auf Kinder gelegt wird, ist richtig und unstrittig. Genau deshalb geht es auch darum, mit Jugendämtern, Kindergärten und Schulen zusammenzuarbeiten. Da müssen auch Sicherheitsbehörden helfen.

(Josefine Paul [GRÜNE]: Was heißt das denn konkret?)

Ich bin relativ sicher, dass wir da vorankommen. Wir sind im Übrigen auch dabei, Handlungsempfehlungen zu erstellen. Das ist also nicht nur l‘art pour l‘art, sondern es handelt sich um ganz konkrete Handlungsempfehlungen.

Zum Beispiel wurde vor Kurzem auf Initiative des Verfassungsschutzes ein Facharbeitskreis gegründet, der die wichtigen Akteure an einen Tisch bringt, denn es stimmt: Diejenigen, die in den Jugendämtern und Schulen unterwegs sind, kennen die Sachverhalte nicht zwingend alle – der eine mehr, der andere weniger. Im Verfassungsschutz gibt es eine Menge an Informationen, die genutzt werden müssen.

Der sogenannte Islamistische Staat ist zurückgedrängt worden. Jetzt kommen viele ehemals Ausgereiste wieder zurück. Wir haben damit eine neue Aufgabe, über die noch nicht so sehr geredet worden ist: die Rückkehrer, insbesondere die Kinder. Was machen wir mit denen eigentlich?

(Zuruf von der SPD: Das ist doch nicht neu!)

Aus Nordrhein-Westfalen sind 260 ausgereist. Es gibt 72 Rückkehrer – im letzten halben Jahr acht Frauen mit 20 Kindern. – Frau Schäffer, damit Sie es von mir noch einmal hören: Wir müssen über die Frage reden, wie wir auch die Daten und Informationen über diese Kinder bekommen. Ich bin kein Datensammelwutexperte, aber wir müssen wissen, was mit diesen Kindern passiert.

(Verena Schäffer [GRÜNE]: Schon! Das ist ja das Problem!)

Passen Sie mal auf, können wir so etwas nicht einmal sachlich pragmatisch angehen?

(Zuruf von der CDU: Nein, das können die nicht!)

Es laufen immer mehr Kinder herum, die sind extremistisch,

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

die sind hoch radikalisiert, die haben nichts anderes gelernt. Sie kommen in eine freiheitliche Gesellschaft und wissen nicht, wie sie damit umgehen sollen.

(Josefine Paul [GRÜNE]: Und was passiert denn dann?)

Man kümmert sich zuerst darum, sie in ein normales Leben zurückzuführen.

(Josefine Paul [GRÜNE]: Dafür hat man aber die Jugendhilfe und nicht den Verfassungs- schutz!)

Das ist doch unstrittig. Aber bis sie so weit sind, dass sie wirklich integriert sind, was Zeit braucht, müssen wir doch wenigstens wissen, was da läuft. Oder wollen Sie die einfach herumlaufen lassen?

(Beifall von der CDU und der FDP – Josefine Paul [GRÜNE]: Unglaublich!)

Ich glaube, das ist der kleine Unterschied: Man muss beides machen. Der Antrag lautet: „Prävention und Repression“. Beides muss man machen.

(Verena Schäffer [GRÜNE]: Natürlich!)

Man darf nicht zwischendurch die Augen zumachen, sonst rennt man nämlich vor die Wand.

(Beifall von der CDU – Widerspruch von Jose- fine Paul [GRÜNE])

Dazu gehören übrigens auch Transparenz und Ehrlichkeit. Natürlich gibt es das Problem auch bei unbegleiteten und auch begleiteten minderjährigen Flüchtlingen. Das ist so. Die kommen indoktriniert hier an. Das ist doch klar. Deswegen ist der Facharbeitskreis auf Landesebene, von dem ich geredet habe, bei dem es einen fachlichen Austausch gibt, natürlich ungeheuer bedeutungsvoll, damit einer vom anderen lernt.

Übrigens wird ein Bundesland das alleine nicht lösen können, weil es ein bundesweites Thema ist. Deswegen haben wir darüber auch in der letzten Innenministerkonferenz geredet, wie man intensiver zusammenarbeiten kann. – Gab es eine Meldung? Das habe ich nicht gesehen.

Nein, eine Kurzintervention zum Schluss.

Trotz aller präventiven Anstrengungen werden wir aber nicht verhindern können, dass es Menschen gibt, die entweder im Salafismus sind und bleiben oder auch abrutschen. Dabei kann man eben auch nicht tatenlos zusehen. Darauf habe ich immer schon hingewiesen.

Die Sicherheitsbehörden beobachten deshalb, bewerten und treffen dann Entscheidungen. Gott sei Dank tun sie das. Ich kann Ihnen zum Kölner Vorgang vor Kurzem sagen: Ich bin froh, dass wir einen aktiven Verfassungsschutz und eine aktive Polizei haben, die entscheiden, beobachten und wissen, was los ist. Gott sei Dank!

(Beifall von der CDU und der FDP – Vereinzelt Beifall von der AfD)

Übrigens brauchen wir auch keine Hinweise aus Österreich. Dass Moscheen bei uns beobachtet werden, ist auch keine Neuigkeit. Wir plappern darüber nur nicht jeden Tag in der Öffentlichkeit, weil das nichts bringt.

(Zuruf von der AfD)