Protocol of the Session on May 24, 2016

Sechstens stimmen wir ab über den Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 17/2616. Wer möchte diesem Entschließungsantrag der Grünen folgen? – Das sind die Grünen. Wer ist dagegen? – Das sind die CDU, die FDP, die AfD und die drei Fraktionslosen. Wer enthält sich? – Das ist die SPD. Damit ist der Entschließungsantrag Drucksache 17/2616 wie festgestellt abgelehnt.

Siebtens stimmen wir ab über den Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP Drucksache 17/2630. Wer möchte dem zustimmen? – Das sind CDU und FDP. Wer ist dagegen? – SPD, Grüne, AfD und die drei Fraktionslosen. Wer enthält sich? – Damit ist dieser Entschließungsantrag Drucksache 17/2630 wie gerade festgestellt angenommen.

Wir kommen zu:

11 Mehr Biss für den zahnlosen Tiger: Bundes

netzagentur braucht Sanktionsmöglichkeiten

Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 17/2559

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die SPD dem Abgeordneten Schneider das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Antrag, zu dem ich heute spreche, hat eine Geschichte, und die beginnt in meinem Wahlkreis; sie könnte aber auch irgendwo anders in Deutschland und Nordrhein-Westfalen spielen.

Mehrmals bin ich in den vergangenen Monaten auf mangelnde Postdienstleistungen angesprochen worden.

Fall Nummer eins im vergangenen Herbst: Zwei Briefkästen in Kamp-Lintfort bleiben tage-, ja vielleicht sogar wochenlang ungeleert. Das fällt auf, nachdem die erste Post schon oben aus dem Schlitz quillt.

Fall Nummer zwei, der wesentlich bedauerlicher ist: Ein Witwer gibt die Einladungen zur Beisetzung seiner Frau in einen Briefkasten in Alpen. Auch da wird der Briefkasten nicht geleert, was auffällt, weil er in Rücksprache mit dem einen oder anderen Eingeladenen feststellt, dass die Einladungen zur Beisetzung seiner Frau nicht angekommen sind. Er muss sie händisch verteilen.

Fall Nummer drei ist wenige Wochen alt: In einem Neubaugebiet in Neukirchen-Vluyn stellt die Post dankenswerterweise einen Briefkasten auf und vergisst leider, ihn zu leeren. Auch das fällt erst nach vielen Tagen auf, nachdem die Post schon herausquillt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, drei Orte, drei Fälle. Ich glaube, das ist aber im Moment exemplarisch für die Situation in Nordrhein-Westfalen und auch in Deutschland, und das – so möchte ich ergänzen – liegt nicht an der Leistung der Postbotinnen und Postboten.

Allen Fällen gemein ist, dass sich die Kundinnen und Kunden, die Anwohnerinnen und Anwohner in den

meisten Fällen an die Beschwerde-Hotline der Deutschen Post gewandt haben. Ergebnis: halbgare Auskünfte und das Versprechen „Wir kümmern uns.“ Doch meist passiert nichts – bis zu dem Zeitpunkt, zu dem sich die Presse, die Medien dieser Fälle annehmen und in der Pressestelle nachfragen.

Man könnte jetzt einwenden, dass der Markt es schon richten wird und sich jeder Postkunde alternativ auch einen anderen Anbieter aussuchen kann. Aber das ist einerseits nicht so leicht, weil das Angebot doch sehr überschaubar ist. Meine Damen und Herren, überlegen Sie nur einmal, wie viele Briefkästen Sie in Ihrer Stadt haben, die nicht das schwarze Posthorn auf gelbem Grund tragen.

Die Dominanz der Deutschen Post wäre auch kein Problem, wenn der Bund seiner besonderen Verantwortung gerecht würde. Die Bundesregierung muss eine ordentliche Versorgung mit Postdienstleistungen sicherstellen. Denn das garantiert das Grundgesetz. Laut Art. 87f – Zitat – „gewährleistet der Bund im Bereich des Postwesens und der Telekommunikation flächendeckend angemessene und ausreichende Dienstleistungen.“

Wochenlang nicht geleerte Briefkästen, tagelange Zustellwege, Briefkästen, die gleich ganz vergessen werden. Meine Damen und Herren, als angemessene und ausreichende Dienstleistungen würde ich das nicht gerade bezeichnen.

Die Bürgerinnen und Bürger haben aber – wie gesagt – ein Grundrecht auf diese Dienstleistungen. Der Bund steht in der Pflicht, dieses Recht zu erfüllen, und überlässt der Bundesnetzagentur, kurz BNetzA, die Überwachung. So weit, so gut.

Aber welche Möglichkeiten hat denn die BNetzA tatsächlich, um zu überprüfen, ob die Postdienstleister ausreichend gut arbeiten? Die Antwort ist: keine. Die Behörde kann einzelnen Beschwerden bei dem Unternehmen nachgehen. Die Fragen der Behörde müssen jedoch nicht beantwortet werden. An Schlichtungsverfahren, die die BNetzA anregt, müssen sich Unternehmen nicht beteiligen. So oder so gibt es null Sanktionsmöglichkeiten.

Das weiß die Behörde, und sie hat dies zuletzt bei der Vorstellung ihres Jahresberichts 2017 scharf kritisiert. Die Postdienstleister wissen um die Ohnmacht der BNetzA, und sie haben kein Interesse daran, dass der zahnlose Tiger jemals in die Lage versetzt wird, zuzubeißen. Aber das braucht es, damit die Dienstleistungen in Zukunft nicht noch schlechter werden und auf Kosten des Services gespart wird.

Wenn es der Bundesgesetzgeber so weiterlaufen lässt, ist es kein Wunder, wenn vor allem die Beförderung von Briefpost, aber auch die Qualität der Postpaketzustellung immer schlechter wird. Strafe muss schließlich kein Unternehmen befürchten, und

für 70 Cent Porto wird wohl kaum jemand Schadenersatz einklagen.

Die ganze Hoffnung der Kundinnen und Kunden ruht also auf der BNetzA, die endlich mal dazwischenhauen muss. Das kann sie aber nicht mit GlacéHandschuhen, die ihr zur Verfügung stehen; sie braucht mindestens ein paar Boxhandschuhe, um endlich mit Nachdruck tätig werden zu können.

So, wie es jetzt ist, macht es jedenfalls keinen Sinn, meine Damen und Herren. Das ist so, als wenn Sie eine Politesse losschicken und ihr sagen: Sorge mal dafür, dass keiner mehr falsch parkt. Aber du darfst keine Knöllchen schreiben, und eigentlich darfst du die Falschparker auch nicht ansprechen oder ihnen böse sein, wenn sie dich einfach ignorieren und ihr Auto im Parkverbot stehen lassen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, auf diese Idee würde niemand kommen.

Sie brauchen Sanktionsmöglichkeiten und die Verpflichtung der Unternehmen, der Behörde Auskunft zu geben. Wenn es zu Schlichtungsverfahren kommen soll, müssen die Unternehmen gezwungen werden, diesen auch beizutreten. Und da rede ich nicht über die eben erwähnten 70-Cent-Verfahren.

Liebe schwarz-gelbe Regierungskoalition, wenn Sie mal wirklich etwas richtig entfesseln wollen, fangen Sie doch bitte bei der Bundesnetzagentur an! Helfen Sie mit, dem zahnlosen Tiger Biss zu geben und ihn anschließend von der Leine zu nehmen, damit Postkunden endlich wieder das bekommen, was ihnen von Rechts wegen zusteht, nämlich angemessene und ausreichende Dienstleistungen.

Meine Damen und Herren, ich bin gespannt auf die Diskussion im Ausschuss und wünsche dem Antrag viel Erfolg. Glück auf und Gottes Segen! – Danke schön.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank. – Für die CDU hat nun der Kollege Déus das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich, heute zum Antrag der SPD-Fraktion mit dem wirklich schönen Titel „Mehr Biss für den zahnlosen Tiger: Bundesnetzagentur braucht Sanktionsmöglichkeiten“ für die CDU Stellung nehmen zu können.

Das hat nicht nur damit zu tun, dass ich meinen eigenen Zahnarzt gestern Abend davon überzeugen musste, nichts zu tun, was der Rede heute entgegensteht – nein, die Bundesnetzagentur hat ihre Heimat als oberste Bundesbehörde zudem in meiner Heimatstadt Bonn.

Gestatten Sie mir, Ihnen einen kurzen Überblick über die wesentlichen Aufgabenbereiche der Bundesnetzagentur, aber auch einen Blick hinter die Kulissen der Behörde zu geben.

Die Bundesnetzagentur ist Regulierungsbehörde, sie ist wettbewerbliche und technische Aufsichtsbehörde für die fünf Netzmärkte Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnverkehr, und sie ist Ansprechpartner für die Bürgerinnen und Bürger. Die Aufgabenfülle der Bundesnetzagentur ist somit die eines Tigers.

Wir alle wissen aber, dass eine erfolgreiche Bewältigung von Aufgaben maßgeblich durch Organisation und Rahmenbedingungen bestimmt wird. Allein acht Abteilungen bzw. Beschlusskammern mischen mit, wenn es um die Belange des Verbraucherschutzes geht. Die Bundesnetzagentur ist auf etwa 45 Standorte verteilt, teils mit nur zehn Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.

Ist die Behörde damit überhaupt organisatorisch richtig aufgestellt, um bei Bedarf durchgreifen und sanktionieren zu können? Das ist eine der Fragen, die man sicher diskutieren mag, wobei sich aber die antragstellende SPD nicht aus der Verantwortung stehlen kann. Schließlich unterstand sie, 1998 gegründet, die ersten sieben Jahre Bundeskanzler Gerhard Schröder, und auch heute wird die Postregulierung innerhalb der Bundesnetzagentur vollständig durch einen, sagen wir, der SPD zuzurechnenden Vizepräsidenten ausgeübt.

Die Postmärkte sind ein gewaltiger Wirtschafts- und Gesellschaftsfaktor mit einem Gesamtumsatz von über 31 Milliarden €. Besonders der lizenzfreie Paketmarkt mit einem Jahresumsatz von 21 Milliarden € gewinnt angesichts der rasanten Entwicklungen des Onlinehandels an Bedeutung. Eine große Anzahl von Paketdienstleistern konkurriert um die Gunst der Kunden.

Im Jahr 2017 gingen rund 6.100 Verbraucherbeschwerden bei der Bundesnetzagentur ein. Zustellmängel waren der Hauptgrund. Es folgten Verlust, Beschädigung von Sendungen, zu lange Laufzeiten und mangelnde Sendungsverfolgung im Paketbereich. Aber bei näherer Betrachtung der Menge von knapp 16 Milliarden Briefsendungen allein, also ohne Pakete, pro Jahr relativiert sich die Zahl der Beschwerden. Es handelt sich somit um 0,00004 % Beschwerdefälle. An dieser Relation ändert auch eine beschworene Dunkelziffer nichts Wesentliches. Von einem generellen flächendeckenden Problem kann hier wirklich nicht gesprochen werden. Eine Verbraucherumfrage der Bundesnetzagentur aus dem letzten Jahr ergab eine Kundenzufriedenheit von über 80 %.

Wir meinen daher, es bedarf keiner weiteren gesetzlichen Regelung bzw. weiterer Sanktionsmöglichkeiten. Der bestehende Rechtsrahmen, zum Beispiel

die Kontrollmöglichkeit der Lizenznehmer auf Lizenztauglichkeit, die Erhebung von Zwangsgeldern bis hin zum Lizenzentzug sowie das Verhängen von Bußgeldern bei Verstößen, sollte zunächst konsequent angewandt werden. Die Bundesnetzagentur ist nicht zahnlos, wie es im SPD-Antrag heißt. Die Frage lautet eher, ob von den bestehenden Kontroll- und Sanktionsmöglichkeiten auch ausreichend Gebrauch gemacht wird.

Im nichtlizenzpflichtigen Bereich, im Bereich der Paketpost, hat der Verbraucher bereits eine starke Stellung, da er durch die Wahl des jeweiligen Dienstleisters eine Handhabe hat, um auf unzufriedene Dienstleistungen zu reagieren.

Bei der Schlichtungsstelle der Bundesnetzagentur sind im Jahr 2017 rund 1.000 Anträge auf Schlichtung eingegangen. In 25 % der Fälle konnte eine gütliche Einigung herbeigeführt werden, 10 % wurden von der Schlichtungsstelle abgelehnt, 7 % zurückgezogen, 17 % sind noch in Bearbeitung, und 41 % bekamen eine Ablehnung vom Postdienstleister. Die Behauptung des SPD- Antrags, dass „in fast allen Fällen“ die Postdienstleister die Teilnahme an diesem Verfahren ablehnten, ist somit falsch. 41 % ist richtig, und der Rechtsweg bleibt natürlich offen.

Sofern ein Schlichtungsverfahren zustande gekommen ist, erfolgt auch eine Einigung. Diese außergerichtlichen Verfahren sind übrigens im Jahr 2016 durch das sogenannte Verbraucherstreitbeilegungsgesetz geschaffen worden. Es ist somit viel zu früh, erneut gesetzgeberisch tätig zu werden. Eine Zwangsteilnahme würde zudem dem Wesen einer Schlichtung widersprechen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Fraktion der CDU nimmt Fragen des Verbraucherschutzes, aber auch des mündigen Verbrauchers sehr ernst. Daher blicke ich erwartungsvoll auf die zu führende Diskussion zu dem Thema im hierfür zuständigen Ausschuss. Vielleicht gelingt es uns ja, die von CDU und SPD gemeinsam getragene Bundesregierung zu einer Prüfung zu motivieren, ob die Bundesnetzagentur wirklich zum Zahnarzt muss und welche Behandlungsmethoden geboten wären. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Déus. – Nun hat für die FDP der Kollege Bombis das Wort.

Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen, sehr geehrte Herren! Zum Einstieg möchte ich klarstellen, dass für uns als Freie Demokraten Verbraucherschutz durch Wettbewerb natürlich ein enorm wichtiges Thema ist.

Das ist auch völlig logisch, denn es geht um faire Bedingungen für Verbraucherinnen und Verbraucher, aber natürlich auch für Unternehmen. Denn wenn es keinen echten Wettbewerb gibt, dann ist das immer schlecht für die Kunden, weil sie keine Wahl haben, und wer keine Wahl hat, kann auch nicht frei entscheiden. Dann können sich Unternehmen Dinge erlauben, die sie sich im Wettbewerb mit anderen Marktteilnehmern nicht erlauben könnten. Das ist übrigens auch die regulierende Wirkung des Wettbewerbs, die hier ansonsten so häufig infrage gestellt wird.

Deswegen muss zunächst einmal festgehalten werden, dass die Liberalisierung des Postmarktes und das damit einhergehende Ende eines Staatsmonopols der absolut richtige Weg war, und dass die Dienstleistungsqualität durch diesen Schritt besser und die Preise günstiger wurden.

(Beifall von Angela Freimuth [FDP])

Trotzdem ist es natürlich richtig, dass der Postmarkt von seiner Art und seiner Geschichte her weniger wettbewerblich ist als andere Märkte. Deswegen ist es ebenso richtig, dass mit der Bundesnetzagentur eine Regulierungsbehörde existiert. Klar ist auch, dass diese Behörde dann über Instrumente verfügen muss, um den Markt wirksam zu regulieren. Das ist das notwendige, ordnende Prinzip einer sozialen Marktwirtschaft, um Fairness zu erhalten oder zu erreichen.