Protocol of the Session on March 21, 2018

Danke sehr. Ich gratuliere Ihnen ganz herzlich und wünsche Ihnen alles Gute.

Ich rufe auf:

2 Luftqualität in unseren Städten verbessern,

Fahrverbote vermeiden – Maßnahmen der Landesregierung für eine nachhaltige Mobilitätswende

Unterrichtung der Landesregierung

In Verbindung mit

Hardware-Nachrüstung bei Dieselfahrzeugen auf Kosten der Automobilindustrie – jetzt!

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/2144

Der Chef der Staatskanzlei hat mit Schreiben vom 16. März 2018 mitgeteilt, dass die Landesregierung

beabsichtigt, den Landtag zu dem oben genannten Thema zu unterrichten. Die Unterrichtung erfolgt durch Herrn Ministerpräsident Laschet. Ich erteile Herrn Ministerpräsident Laschet das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Viele Millionen Menschen in unserem Land beschäftigt die Debatte um den Diesel, um die Stickoxidwerte, um mögliche Gesundheitsauswirkungen, um die Luft in unseren Städten, aber auch um Mobilität, um den Weg von zu Hause zur Arbeit. Viele Tausend Menschen haben Sorge um die Zukunft ihrer Arbeit, ihre Arbeitsplätze in unserer Leitindustrie, der deutschen Autoindustrie. Das gilt auch für die vielen Tausende, die in der Zulieferindustrie gerade auch in Nordrhein-Westfalen arbeiten.

Das legt uns Politikern, aber auch den Medien, den Gerichten, den Verwaltungen und, wie ich finde, selbst Lobbyverbänden oder Abmahnvereinen eine hohe Verantwortung auf. Die schnelle Schlagzeile, der flotte Spruch, die simple Zuspitzung, die Verkürzung oder Verfälschung verunsichern jedes Mal Menschen. Mich wundert manchmal, mit welcher Leichtfertigkeit wir über eine Quelle unseres Wohlstands und des sozialen Zusammenhalts angesichts einer dramatisch veränderten Arbeitswelt reden.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Es legt allerdings besonders der Autoindustrie eine besondere Verantwortung auf. Die Manipulationen und Tricksereien gefährden das Ansehen einer ganzen Branche und eines ganzen Landes. Ich finde, solches Verhalten und solche Faktoren sollten genauso auf Bonizahlungen angerechnet werden wie Bilanzen. In diese Zeit passt das nicht hinein.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Die Dieseldebatte hat aber auch enorme Bedeutung für unsere Gesellschaft und unser Land. Es geht um die Zukunft von Arbeitsplätzen. Ein Aus der Dieseltechnik träfe massiv auch den Wirtschaftsstandort Nordrhein-Westfalen.

Vor dem ersten „Nationalen Forum Diesel“ habe ich deshalb im vergangenen Sommer als Erstes das Gespräch mit der IG Metall und unternehmer nrw gesucht, um zu sehen, wie auch deren Interessen in einen solchen Gipfel einmünden können. Es geht um Technologieführerschaft im internationalen Wettbewerb. Und es gibt außerhalb Deutschlands auch ein Interesse daran, dass die Dieseltechnik weicht. Es gibt ohne Zweifel nicht nur durch den Protektionismus mancher großer Supermächte, sondern auch auf andere Weise eine Art Handelskrieg, der mit den Fragen, die wir hier diskutieren, eng verknüpft wird.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Alles das muss man im Blick halten. Gleichzeitig muss man im Blick halten, dass, wenn der Diesel diskreditiert wird, die Menschen auf Benziner umsteigen und wir bezüglich der CO2-Werte in absehbarer Zeit eine völlig andere Debatte führen müssen, weil die CO2-Werte beim Benziner natürlich wesentlich ungünstiger sind als beim Diesel.

Deshalb steht die Landesregierung in dieser Frage in einer Kontinuität zu der Vorgängerlandesregierung. Ich denke, es war richtig, dass sich Ministerpräsidentin Kraft immer gegen Fahrverbote ausgesprochen hat. Es war richtig, dass die Vorgängerlandesregierung bereits erste Aktivitäten angestoßen hat, um zu einer Minderung der Stickoxidwerte zu kommen. Und es war richtig, dass die Vorgängerlandesregierung eine Sprungrevision beim Bundesverwaltungsgericht gegen das Düsseldorfer Urteil angestrengt hat, um für eine Klärung der rechtlichen Verhältnisse zu sorgen. Diese Klärung ist jetzt da. Ich will dazu nachher noch einiges sagen.

Ich will in Erinnerung rufen, was schon vor Mai 2017 an Initiativen ergriffen worden ist.

Im Januar 2016 ist das Land Nordrhein-Westfalen wegen des Luftreinhalteplans Düsseldorf verklagt worden. Im September 2016 erfolgte das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf, in welchem die Möglichkeit bejaht wurde, nach bestehendem Recht Fahrverbote für Dieselfahrzeuge anzuordnen. Im Juli 2017 kam dann das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart. Der Tenor entsprach im Wesentlichen dem Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf.

Genau in diese Phase fiel der Regierungswechsel, sodass es eine Kontinuität von vorherigem Handeln und vorheriger Rechtsbeurteilung hin zu den dann folgenden Urteilen gab. Es war eines der ersten Themen der Nordrhein-Westfalen-Koalition, in der sogenannten Dieselkrise eine Antwort zu finden.

Im August 2017 fand das „Nationale Forum Diesel“ statt, auf dem wir mit Gewerkschaften, Wirtschaft und Experten unsere Position abgestimmt haben. In vier Expertengruppen hat das Land Nordrhein-Westfalen mitgearbeitet: „Emissionsreduzierung in den im Verkehr befindlichen Fahrzeugflotten“, „Verkehrslenkung, Digitalisierung und Vernetzung“, „Umstieg öffentlicher Fahrzeugflotten auf emissionsarme Mobilität“ und „Optimierung von Antriebstechnologien und alternative Kraftstoffe“.

Dann, im September 2017 – das alles passiert nach dem Urteil; es ist wichtig, dass man erkennt, dass Maßnahmen nach dem Urteil von 2016 ergriffen werden –, fand der Dieselgipfel mit der Bundeskanzlerin und den Kommunen statt. Hier in Nordrhein-Westfalen gab es vorab einen eigenen Termin mit den nordrhein-westfälischen Oberbürgermeistern, um unsere Forderungen für diesen Gipfel vorzubereiten.

Im Oktober 2017 haben wir eine interministerielle Arbeitsgruppe zur Luftreinhaltung eingesetzt, wo die beteiligten Ressorts sich vernetzt haben, der Informationsaustausch mit den Arbeitsgruppen auf Landes- und Bundesebene stattfindet und die Informationen an die Bezirksregierungen weitergegeben werden.

Dieser Prozess des Dialogs mit den Bezirksregierungen findet ständig statt. Sie waren natürlich auch über die Rechtsauffassung der Landesregierung zu Fahrverboten unterrichtet, was in der letzten Woche von einigen Verbänden versucht wurde, in Zweifel zu ziehen.

Ende November 2017: zweiter Dieselgipfel mit konkretem Maßnahmenpaket für die betroffenen Kommunen. Unser Maßstab bei allem war immer, Maß und Mitte auch in dieser Frage einzuhalten, Abstand von einer Ausstiegsmentalität zu nehmen und Problemlösungen vor Ort zu suchen.

Wir haben in den letzten Tagen noch einmal verdichtet Studien und Informationen darüber bekommen, dass es keine monokausalen Erklärungen für die Belastungen in den Städten gibt.

Wir haben die Studie von Wissenschaftlern der Universität Duisburg-Essen zur Kenntnis genommen, die sich mit der Binnenschifffahrt beschäftigt hat, die natürlich insbesondere für Düsseldorf, Köln und Bonn eine hohe Relevanz hat.

Wir wissen, dass die Industrie, die bei uns besonders verdichtet ist, natürlich Einfluss auf die Städte hat, und wir wissen auch, dass der Flugverkehr mit den großen Flughäfen in Düsseldorf und Köln/Bonn Einfluss auf die Luftqualität in den Städten hat.

(Monika Düker [GRÜNE]: Aha! – Christian Dahm [SPD]: Hat das Einfluss auf die Corneli- usstraße? – Monika Düker [GRÜNE]: Weiß das auch der Wüst?)

Wenn die Werte auch dort hoch sind, wo kaum Autos fahren, dann fragen die Menschen doch zu Recht, ob Fahrverbote überhaupt der richtige Weg sind.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Deshalb brauchen wir pragmatische und individuelle Lösungen. Wir wollen und wir werden die Stickoxidwerte im Sinne der Menschen, ihrer Gesundheit und ihrer Mobilität herunterbringen.

Auch an dem Punkt muss man feststellen – das gehört zur Abwägung bei Fahrverboten dazu –, dass in Nordrhein-Westfalen und in ganz Deutschland seit Jahren die Stickoxidwerte Monat für Monat und Jahr für Jahr sinken. Die Belastung der Luft mit Stickstoffdioxid ist laut Umweltbundesamt im Jahr 2017 im Vergleich zum Vorjahr erneut zurückgegangen.

Der Rückgang der Zahl der deutschen Kommunen mit Grenzwertüberschreitungen beläuft sich nach

erster Schätzung auf 20 Kommunen – von 90 auf 70. Ein Diagramm des Umweltbundesamtes zeigt, dass von 1990 bis 2015 der Stickoxidausstoß um über 1,7 Millionen t bzw. um 59 % gesunken ist.

Für Nordrhein-Westfalen lauten die aktuellen Zahlen, dass es in 2016 – als das erste Urteil erfolgte – noch 32 Kommunen mit Grenzwertüberschreitungen gab. In 2017 gab es unter diesen 32 Kommunen nur vier, in denen die Messwerte gestiegen sind. In zwei Kommunen sind sie gleich geblieben, und in 26 Kommunen sind die Messwerte signifikant gesunken. Bei sechs Kommunen führte der Rückgang inzwischen zur Einhaltung des Grenzwerts.

Wir hatten 2017 noch 27 Kommunen mit Grenzwertüberschreitungen. Ich zitiere aus dem Bericht des LANUV zur Luftqualität 2017, der gestern dem Landtag überstellt worden ist, dass, verglichen mit dem Vorjahr, an den Verkehrsstandorten in NordrheinWestfalen beim Stickstoffdioxid ein Rückgang der Belastung um fast 5 % feststellbar ist. Damit ist der Rückgang im Jahre 2017 deutlich stärker ausgefallen als im Mittel der letzten Jahre.

Die Werte sinken also, und sie sind im letzten Jahr sogar proportional noch stärker gesunken als in den Jahren davor. Dieser dynamische Rückgang scheint sich – bei aller Vorsicht – fortzusetzen; denn die monatlich verfügbaren aktuellen Messdaten, die jeder im Internet einsehen kann, zeigen sowohl für den hochbelasteten Clevischen Ring in Köln als auch für die Düsseldorfer Corneliusstraße für die ersten beiden Monate des Jahres 2018 einen Rückgang der Werte um rund 15 %.

Das zeigt: Wir sind auf einem guten Weg.

Hinkommen wird die weitere technische Entwicklung.

Der kontinuierliche Austausch der Fahrzeugflotten geht weiter. Berechnungen im Handbuch „Emissionsfaktoren für den Straßenverkehr“ – das ist die Quelle für Umweltämter, Landesumweltämter und das Bundesumweltamt – zeigen: Das Problem der Stickoxidabgasbelastung ist in Bezug auf die jetzt produzierten Diesel gelöst und wird sich durch eine kontinuierliche Flottenerneuerung materialisieren.

Anders gesagt: Alle Experten, auf die sich die Umweltämter stützen, sagen: Wir sprechen hier über ein Problem von nur noch wenigen Jahren, und wir sprechen vor allem über alte Dieselfahrzeuge. Wir sprechen auch über Dieselfahrzeuge, die mit der Manipulationsdebatte wenig zu tun haben. Das ist ein eigenes Thema. Da muss die Industrie ihren Beitrag leisten. Aber wir haben auch nicht manipulierte alte Dieselfahrzeuge, die hohe Stickoxidwerte ausstoßen, und die gehen derzeit Stück für Stück mit großer Dynamik aus dem Markt. Der moderne 6d-Diesel ist im Augenblick die ökologisch beste Lösung.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Das Zweite: Der Bund hat nach dem Urteil jetzt ein „Sofortprogramm Saubere Luft 2017 bis 2020“. Wir müssen ja Maßnahmen benennen, die wir als Staat, als Bund, als Land und als Kommune nach dem Urteil einleiten.

Nach dem Urteil sind das für Elektrifizierung zusammen 393 Millionen €. Das betrifft den urbanen Wirtschaftsverkehr. Das betrifft die Elektrifizierung von Taxis, Mietwagen und Carsharing. Das betrifft die Elektrifizierung von Busflotten im öffentlichen Personennahverkehr, die Ladeinfrastruktur für die beschafften Elektrofahrzeuge und die Förderung für die Errichtung von Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge im engen Zusammenhang mit dem Abbau bestehender Netzhemmnisse.

Wir haben in den Dieselgipfel die Lage der nordrheinwestfälischen Kommunen mit eingebracht. Es ist ja nicht jede Kommune direkt in der Lage, Elektrofahrzeuge zu kaufen. Hamburg hat erklärt, es hat die ganze Flotte umgestellt; dort fahren 2020, glaube ich, nur noch Elektrofahrzeuge. Das kann nicht jede auch finanziell hoch belastete Kommune beispielsweise im Ruhrgebiet leisten.

Wir haben gesagt, wir brauchen für die Zwischenzeit einen Zwischenschritt. Es gibt eine eigene Software, mit der man jeden alten Dieselbus auf bessere Werte umrüsten kann. Diesen Vorschlag hat der Bund aufgegriffen. Von der Milliarde, die bereitsteht, werden allein 107 Millionen € für diese provisorische Umrüstung der alten Busse zur Verfügung gestellt, die insbesondere Städten in Nordrhein-Westfalen zugutekommt.

Auch die Landesregierung hat eine Vielzahl von Maßnahmen ergriffen: den Ausbau alternativer Antriebe sowie der entsprechenden Infrastruktur, neue Verkehrskonzepte für Städte und Gemeinden und für Wirtschaftsunternehmen, die Weiterentwicklung emissionsarmer konventioneller Antriebe, den Ausbau des ÖPNV und die Schaffung von elektro- und wasserstoffbetriebenen Linienbussen.