Über Jahre sind dazu in Deutschland Dieselsubventionen gewährt worden. Das heißt, Autofahrer sind ganz bewusst dazu erzogen worden, Diesel zu kaufen. Gerade Pendler, die lange Strecken fahren und häufig in die großen Innenstädte müssen, sind möglicherweise in besonderer Weise von Fahrverboten, die kommen könnten und auch kommen werden – das ist jetzt schon absehbar –, betroffen.
Bemerkenswert vage blieb dabei Herr Wolf von der SPD, der zwar erklärt hat, dass man die Kommunen nicht alleine lassen soll, aber nicht einen Vorschlag dazu gemacht, was denn jetzt passieren muss, damit wir das verhindern.
Nein, es war eben nichts dabei. Jedenfalls war ich offenbar nicht klug genug, Sie zu verstehen. Vielleicht müssen Sie sich dann deutlicher ausdrücken, Herr Wolf.
Herr Middeldorf hat sich sogar zum IndustrieBashing verstiegen. Es ist interessant, das nun ausgerechnet von der FDP zu hören.
Meine Damen und Herren, wie wäre es denn, wenn wir endlich an die Grenzwerte rangingen? Das ist doch die Ursache. Wenn wir die Grenzwerte tatsächlich einhalten müssen – das ist nun mal Rechtslage –, gleichzeitig aber der Meinung sind, dass wir die Fahrverbote nicht wollen, müssen wir entweder andere Möglichkeiten finden, NOx einzusparen, oder aber wir verändern die Grenzwerte. Meine Damen und Herren, das ist die einzig realistische Möglichkeit. Wenn wir uns alle gemeinsam dafür einsetzen, dann bin ich zuversichtlich, dass wir das auch schaffen. – Herzlichen Dank.
Vielen Dank. – Für die Landesregierung erteile ich nun der Ministerin Frau Schulze Föcking das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem gestrigen Urteil hat das Bundesverwaltungsgericht für Rechtssicherheit gesorgt. Nunmehr ist klar, dass es nach geltendem Recht grundsätzlich als letzte Option möglich ist, Fahrverbote anzuordnen. Grundlage hierfür ist nicht das Bundesrecht, sondern das EU-Recht. Auch wenn das Gericht unsere Revision zwar überwiegend zurückgewiesen hat, so ist doch hervorzuheben, dass es, davon unbenommen, unseren Bedenken in vielen Punkten gefolgt ist.
Was bedeutet das nun für die Praxis? – Das Urteil hat als Konsequenz keinesfalls den Automatismus zur Folge, dass jetzt in Düsseldorf und anderen Städten, in denen die Grenzwerte der Luftqualität überschritten werden, unmittelbar Fahrverbote angeordnet werden. Vielmehr ist das Gegenteil der Fall. Das Bundesverwaltungsgericht hat deutlich gemacht, dass Fahrverbote für Dieselfahrzeuge nur dann zulässig sind, wenn sie sich als die einzige geeignete Maßnahme erweisen, den Zeitraum einer Nichteinhaltung der NO-Grenzwerte so kurz wie möglich zu halten. Diese Einschränkung ist wichtig. Die Richter haben damit einhergehend deutlich gemacht, dass es sich bei der Anordnung eines Verkehrsverbotes für Dieselfahrzeuge um einen massiven Eingriff in die Grundrechte handelt.
Zudem müssen den Betroffenen Möglichkeiten der Anpassung und der Vorbereitung gegeben werden. Um es also auf den Punkt zu bringen: Fahrverbote
sind die Ultima-Ratio-Option, von der nicht ohne sorgfältige Abwägung Gebrauch gemacht werden kann. So haben die Richter klargestellt, dass im Falle der Anordnung von Fahrverboten Übergangsfristen vorzusehen wären und dass dies abgestuft zu erfolgen hätte. Darüber hinaus bedarf es hinreichender Ausnahmen, zum Beispiel für Handwerker oder bestimmte Anwohnergruppen.
Durch die Betonung der Wahrung der Verhältnismäßigkeit haben die Richter wichtige Hinweise für den Vollzug sowie für den Gesetzgeber gegeben. Ob und inwieweit Fahrverbote zur Einhaltung der gesetzlichen Grenzwerte erforderlich und zudem verhältnismäßig sind, obliegt weiterhin der Prüfung und Entscheidung der zuständigen Bezirksregierung.
Durch das ergangene Urteil wurde das Augenmerk jedoch noch stärker auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gelenkt. Das machte einen großen Anteil der Verhandlung aus. Darüber wurde lange debattiert. Damit wird im Urteil unterstrichen, dass Verbote nach Umsetzung vieler anderer Maßnahmen zur Luftreinhaltung nur das letzte Instrument sein können und sollen.
Das Urteil bestätigt damit unsere grundsätzliche Linie; denn im Falle von Fahrverboten würden ganz klar die Falschen für das Fehlverhalte anderer bestraft. Gerade Autobesitzer, die erst vor wenigen Jahren ein neues Dieselfahrzeug angeschafft haben, würden sich nunmehr plötzlich mit einem großen Wertverlust konfrontiert sehen.
Deshalb gebührt es auch ein Stück Verantwortung gegenüber unseren Bürgerinnen und Bürgern, dass wir uns um alternative Lösungen bemühen. Da sind wir auf einem guten Weg. Unser Ziel ist es, den Ausstoß von Stickoxiden mit geeigneten Maßnahmen so schnell und so weit wie möglich zu reduzieren. Klar ist, jedes Mikrogramm Stickstoffdioxid weniger ist ein Mehr an Gesundheitsschutz.
Nach den uns vorliegenden Prognosen sind wir weiterhin zuversichtlich, dieses Ziel und damit die geltenden Grenzwerte durch eine ambitionierte Umsetzung des vorhandenen Maßnahmenbündels zu erreichen. Ich sage Ihnen sehr deutlich: Wir haben diesen Ehrgeiz. Dazu werden alle Maßnahmenpotenziale ausgeschöpft, die einen geringeren Eingriff in die Rechte der Bürgerinnen und Bürgern bedeuten, als dies durch Fahrverbote der Fall wäre.
Leider stellt sich die Wirkung nicht bei allen Maßnahmen und Aktivitäten von heute auf morgen ein. Die Mobilität der Zukunft ist nicht von jetzt auf gleich zu erreichen. Es wäre schön, wenn da in der Vergangenheit schon mehr geleistet worden wäre. Aber das darf kein Hinderungsgrund sein. Wir müssen an diesem Thema dranbleiben. Nicht nur zur Luftreinhaltung, sondern auch zum Schutz des Klimas und zur Erhöhung der Wohnqualität müssen wir Mobilität neu denken und neu gestalten.
Wir unterstützen daher Städte, Gemeinden und Wirtschaftsunternehmen bei der Umsetzung neuer Verkehrskonzepte. Unter anderem fördern wir mit dem Ziel immissionsarmer Innenstädte die Anschaffung von Elektrofahrzeugen und Ladesäulen.
Eines ist auch klar: Wir sehen die Automobilbranche in der Pflicht. Bevor weiter über Fahrverbote diskutiert wird, müssen alle, alle technischen Möglichkeiten zu Nachrüstungen geprüft werden, und zwar zeitnah und nicht auf Kosten der Autofahrer und der Steuerzahler.
Es gilt also weiterhin, die bisherigen Bemühungen zu intensivieren, mit den Akteuren in den Kommunen bzw. bei den Herstellern nach Lösungen zu suchen und vor allem die Bürgerinnen und Bürger nicht unverhältnismäßig zu belasten. Fahrverbote sind und dürfen auch nur Ultima Ratio sein.
Abschließend, Herr Wolf: Wie Sie wissen, hat der Ministerpräsident vor dem Gipfel auf Bundesebene mit den betroffenen Kommunen gesprochen. Das werden wir selbstverständlich auch weiterhin intensiv tun. Des Weiteren wurden ebenso selbstverständlich in der interministeriellen Arbeitsgruppe auch Vorschläge für einen Maßnahmenkatalog erarbeitet. Da sind wir nach wie vor dran.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin, Ihre Ausführungen reihen sich nahtlos in die Argumentationskette der Mitte-rechts-Koalition bei diesem Thema ein.
Nämlich: Es wird von Wertschöpfungsketten gesprochen, es wird von Verschwörungstheorien gesprochen. Bei der FDP wird auch noch davon gesprochen, es sei ein unglaublicher Eingriff in die persönliche Freiheit. – Fragen Sie die Menschen, die an diesen Stellen wohnen, welchen Eingriff diese sich gefallen lassen müssen, wenn es um den Gesundheitsschutz geht, liebe Kolleginnen und Kollegen. Bei FDP und CDU kein Wort davon, kein Wort!
Kolleginnen und Kollegen, wenn die Bundesumweltministerin gerade von der FDP angegangen wird, will ich nur daran erinnern, dass Frau Hendricks diejenige war, die deutlich gemacht hat, dass eine Nachrüstung nur mit technischen Möglichkeiten machbar ist. Wir erinnern uns an den Dieselgipfel, bei dem es
die Kanzlerin nicht einmal nötig hatte, an einigen Teilen teilzunehmen. Vor diesem Hintergrund: Lesen Sie erst einmal nach, was in Berlin beschlossen wird, bevor Sie hier herumpoltern und Dinge in die Gegend stellen, die so nicht zutreffen!
Die Landesregierung, liebe Kolleginnen und Kollegen, bemüht häufig den Begriff der Heimat. Das wird fast zum Modewort. Wenn wir Sozialdemokraten uns den Heimatsbegriff einmal anschauen, dann hat er für uns zwei Perspektiven: Einmal haben die Menschen in dieser Frage ein Recht darauf, vor Feinstaub und Stickoxiden geschützt zu werden, um nicht krank zu werden. Zum anderen haben sie natürlich das Recht auf Teilhabe an Mobilität. Diese beiden Dinge müssen zusammen verhandelt werden.
Es ist daher erstaunlich, dass die Heimatministerin auch heute bei diesem Termin nicht anwesend ist. Ortsschilder mit plattdeutschen Namen reichen nicht, um Heimat zukunftsfest zu machen. Dazu gehören vielmehr eine gesunde Umwelt, gute Quartiere und eine vernünftige Mobilität in Nordrhein-Westfalen. Das macht noch einmal deutlich, dass gerade Sie hier nur plakative Äußerungen auf den Lippen führen, aber sonst nicht handeln wollen, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen.
Die Vorredner von CDU und FDP und auch die Ministerin haben den Verbraucher mit ein paar Silben erwähnt. Der Verbraucher hat – das ist richtig – eine Kaufentscheidung getroffen, weil klar wurde, dass der Diesel besonders CO2-arm ist.
Aber Sie müssen noch einmal deutlich machen, Frau Schulze Föcking: Sie sind Verbraucherschutzministerin. Schließen Sie sich unserer Musterfeststellungsklage doch an – das gilt auch für die Vertreter der FDP –, damit die Verbraucher auf Augenhöhe mit den Automobilkonzernen den Kampf führen können, dass sie das, was sie vorgeblich gekauft haben, auch wirklich in der Garage stehen haben und damit fahren können, und dass die Schadstoffgrenzwerte, die von der EU vorgegeben werden, wirklich eingehalten werden.
Schließen Sie sich der SPD an, machen wir die Musterfeststellungsklage und sorgen wir dafür, dass die Verbraucherrechte – und das betrifft auch den Wertverlust, der hier angesprochen wurde – hier in Nordrhein-Westfalen Wirklichkeit werden, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Wenn wir uns der Debatte nähern wollen, müssen wir einen Schritt zurückgehen. Die sozialdemokratische Fraktion im Landtag hat die Landesregierung im August, im Dezember und nicht zuletzt in der vorletzten Sitzung des Umweltausschusses aufgefordert darzulegen: Was tun Sie eigentlich, wenn der Tag X kommt? –
(Lachen und Beifall von der CDU – Dr. Gün- ther Bergmann [CDU]: Ehrlich währt am längs- ten! – Weitere Zurufe von der CDU)
Herr Rehbaum, wenn Sie einmal zuhören würden! Mit Ihrer hohen Wirtschaftskompetenz wissen Sie, dass gerade dieses Urteil auch auf Zulieferer in Nordrhein-Westfalen einen erheblichen Einfluss hat.
Sie heften sich „Wirtschaft“ ans Revers und tun nichts, obwohl über Monate klar wurde, dass wir auf diesen Tag hinsteuern, und über Monate klar wurde, dass Sie eine Entscheidung fällen müssen. Sich zu entscheiden, Herr Rehbaum, ist ja das Schwierigste für Ihre Regierung. Sie machen Arbeitskreise, Arbeitsgruppen und verschieben und verschieben. Wir wissen sehr wohl, wie die Debatten zu den Anträgen gelaufen sind.
Da haben Sie versucht – der Kollege Wolf hat das hier noch einmal deutlich gemacht –, die Verantwortung bei den Kommunen abzuladen. Das geht aber nicht, denn die Bezirksregierung – Herr Rehbaum, nur einmal kurz ins Organigramm der Landesregierung geguckt – untersteht der Ministerin, die da vorne sitzt, und nicht der UNO. Deswegen stehlen Sie sich nicht aus dieser Verantwortung!
Weil Sie Ihre Wirtschaftskompetenz hier immer wieder anführen, sollten Sie deutlich machen, welche Auswirkungen das hat. Der Kollege Wolf hat das vorhin ausgeführt. Wir haben 3,1 Millionen zugelassene Dieselfahrzeuge. 2,6 Millionen können von einem Fahrverbot betroffen sein. Das heißt Wertverlust, das heißt, Zulieferbetriebe kommen in eine schwierige Phase ihrer Planung. Das ist doch das, was Sie immer anführen. Aber dies macht noch einmal deutlich, dass es Ihnen egal ist, was passiert, und dass Sie den Kopf in den Sand stecken, egal was das Bundesverwaltungsgericht hier entscheidet, Herr Kollege.