Protocol of the Session on January 18, 2018

Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich halte es zunächst einmal für richtig, dass wir heute über dieses Thema reden.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Klar ist: Die veröffentlichten Spenderzahlen bei uns in Nordrhein-Westfalen machen deutlich, dass wir uns kümmern müssen. So kann es nicht weitergehen. Für die Transplantationsmedizin ist es fünf vor zwölf, bedenkt man, dass lediglich 146 Organentnahmen in dem Bundesland erfolgten, in dem es die meisten Krankenhäuser und Transplantationszentren gibt. Das ist unsolidarisch denjenigen gegenüber, die in diesen Verbund wesentlich mehr Energie einbringen als wir. Man kann nicht auf der einen Seite von der Transplantationsmedizin profitieren wollen und sich auf der anderen Seite nicht die Frage der Organentnahme stellen.

Das ganze Drumherumreden nutzt ja nichts. Die Identifizierung von möglichen Organspendern erfolgt in den Krankenhäusern. Alle Maßnahmen, die dazu beitragen, dass viele Menschen einen Organspenderausweis haben, sind gut. Das gilt auch für den Organspende-Informationstag. Es ist richtig, wenn Menschen selber für sich entscheiden und nicht andere in die Verlegenheit bringen, im Falle eines Falles entscheiden zu müssen, zumal es sein kann, dass sie nicht wissen, wie man selber darüber gedacht hat.

Meine persönliche Meinung ist seit vielen Jahren klar: Die Organspende ist in Wahrheit der größte Liebesbeweis des einzelnen Menschen für die Gesellschaft, für andere Menschen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Ich möchte es noch in etwas schönerer Sprache zum Ausdruck bringen. Ich habe einmal in einer Kirche einen Aufkleber gefunden, auf dem stand: Du kannst ganz sicher sein, im Himmel brauchst du deine Organe nicht.

Trotzdem werden wir nicht umhinkommen, dass in Kliniken entschieden werden muss, ob ein Patient, ein verstorbener Mensch ein geeigneter Organspender ist.

Schauen wir uns einmal die Kliniken in NordrheinWestfalen an, egal welchen Typus. Es gibt Kliniken, die sich sehr stark mit dem Thema beschäftigen. Aber ich muss Ihnen leider sagen, dass es auch Kliniken gibt, in denen nicht ein einziger Kontakt zur DSO im Jahr zustande kommt. Dabei handelt es sich um vergleichbare Kliniken. Deswegen müssen die Krankenhäuser der Ansatzpunkt sein.

In meiner ersten Amtszeit haben wir in NordrheinWestfalen zusammen mit der DSO gute Beispiele aufgezeigt. Wir haben für diejenigen eine Feierstunde eingeführt, die sich besonders kümmern. Es ist immer gut, andere mit guten Beispielen dazu zu motivieren, dem nachzufolgen.

Bei dem Stand von 146 Organspenden in diesem Bundesland – die Zahlen in Deutschland können ja nicht besser sein, wenn wir in Nordrhein-Westfalen nicht besser werden, weil wir ja so groß sind – muss jetzt etwas passieren. Es ist fünf vor zwölf. Deswegen sollten wir ganz vorbehaltlos prüfen, ob wir die gesetzliche Stellung der Transplantationsbeauftragten in diesem System stärken müssen. Ich habe dazu noch keine abschließende Meinung, aber man muss sich das ansehen. Man muss sich auch angucken, welche Rechte die Zuständigen in den Kliniken haben.

Weiterhin werde ich, wie ich es zwischen 2005 und 2010 gemacht habe, nicht umhinkommen, mit denjenigen, die in den Kliniken die Verantwortung für Organspenden tragen, zu reden und dafür zu werben, sich erheblich stärker um dieses Thema zu kümmern.

In einem Transplantationscheck der DSO werden nicht nur Todesursachen analysiert, sondern es wird auch festgestellt, wie viele mögliche Spender nicht gemeldet worden sind. Die Zahl für Nordrhein-Westfalen lautet: 180 mögliche Spender wurden nicht gemeldet. Damit müssen wir uns gemeinsam mit unseren Krankenhäusern auseinandersetzen. Dabei spielen die Maximalversorger eine große Rolle, aber genauso auch die neurologischen Kliniken; jeder, der ein bisschen von Medizin versteht, weiß das. Wie gesagt, bei dem Engagement gibt es sehr große Unterschiede.

Für die Chefs der Krankenhäuser muss klar sein, dass die Frage der Transplantation und der Erkennung von möglichen Spendern zur Aufgabe eines Krankenhauses gehört. Diese Verpflichtung haben sie als eine über die gesetzlichen und privaten Krankenkassen finanzierte Institution für die Solidargemeinschaft der Versicherten wahrzunehmen. Ihnen muss deutlich sein, dass sie die Verantwortung nicht einfach beiseiteschieben können.

Wir müssen offen darüber reden, ob es in den Krankenhäusern Rahmenbedingungen gibt, die dazu führen, dass das so schwierig ist. Vielleicht wird auch zu wenig darüber geredet.

Wie reagiert man in einer solchen Situation, wenn man weiß, dass man das Intensivbett bis zur Entscheidung der Familie noch einen gewissen Zeitraum weiterbetreiben muss, wenn dann ein Unfallopfer hereinkommt? Dann steht man vor solchen Fragen.

Auch darüber müssen wir mit den Krankenhäusern reden. Denn – und das muss man ganz klar sagen – wenn die Zahlen noch schlechter werden, erfüllen wir die vertraglichen Voraussetzungen nicht mehr, um an der Verteilung, über die wir vorhin gesprochen haben, teilzunehmen. Da wurde vereinbart, dass man bestimmte Werte bringt.

Ich habe Verständnis dafür, dass andere Länder oder auch Bundesländer sagen, wenn Deutschland bzw. Nordrhein-Westfalen das nicht hinbekommt: Auch in unseren Transplantationszentren haben wir zu wenige Organe.

Deswegen ist für mich vollkommen klar, dass jeder in der Medizin und auch in der Gesellschaft wissen muss: Die Transplantationsmedizin ist ein Segen, aber dazu gehört auch die Organentnahme in einem medizinisch verlässlichen und menschlich würdigen Rahmen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Sich dafür einzusetzen ist eine wichtige Sache. Ich meine auch, dass wir das nur gut machen können, wenn wir mit gutem Beispiel vorangehen, wenn sich der Landtag, egal welcher Partei, welcher Konfession wir angehören, einig ist in der Frage, dass das eine gewichtige gesellschaftliche Aufgabe ist, dass wir nach vernünftigen Wegen für die Umsetzung suchen müssen.

Zum Schluss noch ein Gedanke, der mir sehr wichtig ist –: Ich habe mich damals sehr mit dem Thema beschäftigt; wir werden die Dinge auch im Ministerium personell verstärken, um da mehr Power hineinzubringen –: Die Ärzte und Seelsorger, wer immer es macht, die zum Beispiel der Ehefrau, dem Ehemann die Nachricht überbringen müssen, dass der Partner verstorben ist, die dann noch ein Gespräch über das Thema „Organentnahme“ führen sollen, haben meine Hochachtung. Das gehört zu den schwierigsten Gesprächen, die man sich vorstellen kann.

Deswegen will ich auch sagen: All den vielen Menschen in unseren Krankenhäusern, die sich damit beschäftigen, bin ich sehr, sehr dankbar. Daher dürfen wir sie jetzt nicht unter Druck setzen, sondern wir müssen überzeugen und dafür sorgen, dass trotz aller wirtschaftlichen Anspannungen Freiräume im Gesundheitssystem bestehen, damit man sich in Ruhe um diese Frage kümmern kann. Dann kommen wir

auch in der Sache weiter. – Schönen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU, der FDP und den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Minister Laumann. – Für die AfD hat jetzt Herr Loose das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin noch so bewegt von den Worten von Herrn Minister Laumann. – Bereits zu Beginn der Jahrtausendwende haben wir das Thema der Organspende diskutiert. Es geht immer wieder um die gleichen Dinge: Widerspruchslösung, Zustimmungslösung.

Alle fünf bis zehn Jahre diskutieren wir das Thema neu. Eigentlich ist seitdem nichts passiert, außer mehr Aufklärung, mehr Aufklärung, mehr Aufklärung und mehr Aufklärung. Dementsprechend ist das Thema entweder nie aktuell oder eben immer, aber es eignet sich eigentlich nicht für eine Aktuelle Stunde. Man hätte es mit einem Bericht der Landesregierung im Ausschuss behandeln können. Man hätte auch einen Antrag einbringen können, wie wir zukünftig besser werden wollen. Vielleicht kommt da ja noch etwas von Ihnen. Ich hoffe, es kommt ein bisschen mehr als „mehr Aufklärung“.

Eigentlich wollte ich das Thema nicht ansprechen, aber da es hier von einigen parteipolitisch genutzt wird, möchte ich auf einen Punkt eingehen, der die Bürger immer wieder verunsichert, nämlich diesbezügliche Fake News. Das ehemalige grüne Bundestagsmitglied Harald Terpe hat 2012, als die Diskussion aufkam, noch einmal Öl ins Feuer gegossen, indem er behauptete, dass Privatpatienten bei den Organspenden bevorzugt behandelt würden.

(Minister Karl-Josef Laumann: Das stimmt nicht!)

Dabei stellte sich heraus, dass der Unterschied zu den Kassenpatienten marginal und die Sterbewahrscheinlichkeit der Privatpatienten in dem Zeitraum sogar größer war. Mit solchen bewusst oder unbewusst gestreuten Falschmeldungen werden immer wieder Nebelkerzen und Neiddebatten aufgebracht, die die Spendenbereitschaft in der Bevölkerung reduzieren.

Das Ganze hat zwei wesentliche Effekte: Zum einen sind die Kosten für die Behandlung der Patienten während der Wartezeit um ein Vielfaches höher als die Kosten der Transplantation und der Nachsorge. Im Moment sind dies mehr als 2 Milliarden € pro Jahr. Zum anderen – noch viel wichtiger – starben in der letzten Zeit jedes Jahr etwa 1.000 Patienten, weil sie auf ein Organ warten mussten.

Wie wollen wir dem Ganzen nun begegnen? Mit neuen jahrelangen Diskussionen um noch mehr Aufklärung? Gehen wir jetzt eine Widerspruchslösung an, oder probieren wir einmal etwas Neues?

Sie haben in Ihrem Papier explizit darauf hingewiesen, dass Sie Diskussionen wünschen. Deshalb lassen Sie uns auch einmal über Alternativen sprechen; ob man die jetzt angeht oder nicht, ist eine andere Sache. Ich möchte einen von vielen möglichen Alternativvorschlägen zur Diskussion stellen.

In der Ökonomischen Theorie und in der Medizin werden immer wieder sogenannte Bonus-Anreiz-Modelle diskutiert. Bei solchen Modellen erhalten Personen bevorzugt ein Organ, die seit längerer Zeit selbst bereit sind, ein Organ zu spenden. Dazu kann sich jeder freiwillig in ein Register eintragen und auch – zum Beispiel mit einer Kündigungsfrist von sechs Monaten – wieder austragen lassen. Lediglich Notfallpatienten erhalten die Organe weiterhin zuerst.

Was ist der Vorteil dabei? – Im Todesfall brauchen die Ärzte nur noch in dieses Register zu schauen und müssen keine schwierigen Gespräche mit den Angehörigen führen. Sie können die Organe entnehmen, um Menschenleben zu retten.

Der Clou dabei ist, dass jeder Mensch einen Anreiz hat, sich in ein solches Register eintragen zu lassen, wenn er dadurch neben seiner moralischen Rendite der Spendenbereitschaft im Bedarfsfall auch noch bevorzugt wird. Das kann sogar dazu führen, dass sich so viele Menschen in ein solches Register eintragen lassen, dass der Mangel nach wenigen Jahren behoben wird, und wir Deutsche Leben in anderen Ländern retten können.

Letztlich liegt dem Bonus-Anreiz-Modell schlicht der Gedanke der Gegenseitigkeit und der Solidarität zugrunde. So wie man in der Krankenkasse seinen finanziellen Beitrag leistet, um anschließend als Mitglied der Solidargemeinschaft Leistungen daraus zu erhalten, kann eine solche Spendenbereitschaft auch ein Beitrag für die Solidargemeinschaft sein, und es kann gerecht sein, bevorzugt bei der Organvergabe berücksichtigt zu werden.

Lassen Sie uns bei diesem Thema allgemein über alle Grenzen diskutieren, neue Wege gehen und neu denken. Wir sind es den leidenden Menschen in Deutschland schuldig. – Danke schön.

(Beifall von der AfD)

Vielen Dank. – Ich habe jetzt keine weiteren Wortmeldungen mehr vorliegen. Daher sind wir am Schluss der Aussprache, und ich schließe die Aktuelle Stunde.

Wir kommen zu:

2 Sockelfinanzierung einführen: Für eine ehrli

che, auskömmliche und qualitätsfördernde Finanzierung der frühkindlichen Bildung in NRW

Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 17/1666

Ich eröffne die Aussprache und darf Herrn Dr. Maelzer das Wort erteilen.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein neues Kitagesetz muss einen Qualitätsschub für die Betreuung, Bildung und Erziehung unserer Kinder bedeuten. Den Erzieherinnen und Erziehern muss es gute, feste und sichere Beschäftigung bieten. Ein neues Kitagesetz muss Eltern ein gehöriges Stück der Beitragslast von den Schultern nehmen. Den Trägern muss es wieder die Spielräume eröffnen, die pädagogischen Ansprüche auch umsetzen zu können, die sich mit ihrer Arbeit verbinden.

Das und nichts weniger muss der Anspruch an eine grundständige Reform der frühkindlichen Bildung in Nordrhein-Westfalen sein.

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Ehrlich, auskömmlich und qualitätsfördernd – das ist es, was die SPD mit ihrer Idee einer Sockelfinanzierung verbindet.

(Zurufe von Daniel Sieveke [CDU] und Hen- ning Höne [FDP])