Jetzt sollen wir über die Bundespolitik für Weichenstellungen und Investitionen sorgen, die Sie selbst nicht zustande gebracht haben – in der Industrie- und Energiepolitik, beim Wohnungsbau oder bei Investitionen in ein besseres und gerechteres Bildungssystem. Tatsächlich – ja, ich gebe es zu – hat die SPD in den fünf Tagen der Sondierungen in Berlin mehr für Nordrhein-Westfalen erreicht als der Ministerpräsident in den wochenlangen und schließlich gescheiterten Jamaika-Verhandlungen. Ja, das ist so.
(Beifall von der SPD – Marc Herter [SPD]: So ist das! – Zuruf von Dietmar Brockes [FDP] – Zurufe von der CDU)
In ihrer Not greift die Regierung des Ministerpräsidenten jetzt in der Landespolitik selbst auf sozialdemokratische Rezepte zurück, indem sie die industriepolitischen Leitlinien der Regierung Kraft übernehmen will. Das ist auch nicht falsch; das ist gut und richtig für unser Land.
In den letzten fünf Jahren unserer Regierungszeit sind in Nordrhein-Westfalen mehr als 700.000 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze entstanden, allein 400.000 in den letzten zwei Jahren. In Nordrhein-Westfalen gibt es ein robustes Wirtschaftswachstum und einen Gründerboom, und nichts, aber auch gar nichts davon geht auf das Konto dieser Koalition, meine Damen und Herren.
Halten wir das einmal fest: Bei der Schaffung von Arbeitsplätzen steht es zwischen Rot-Grün und Schwarz-Gelb – Stand heute – 700.000 zu null. Den Rückstand müssen Sie erst einmal aufholen.
Gleichwohl weiß ich, dass die vielen Arbeitsplätze, die im Dienstleistungssektor entstanden sind, bei Weitem nicht so gut bezahlt sind und weniger soziale Sicherheit bieten als die Arbeitsplätze in der Industrie. Ich weiß auch, dass die Menschen, die dort Arbeit gefunden haben, nicht das Gefühl haben, ihnen sei irgendetwas geschenkt worden.
Zu viele Menschen, die ihr Leben lang hart gearbeitet haben, müssen befürchten, dass ihre Rente trotzdem nicht reichen wird oder dass ihre Kinder nicht die Aufstiegschancen haben, die sie verdienen. Sie befürchten, dass Bildung, Aufstieg und soziale Sicherheit ein Nullsummenspiel sind: Deine Chancen gehen zulasten meiner Chancen. – Doch das darf und muss auch nicht sein.
Wir haben in unserer Regierungszeit vieles auf den Weg gebracht, um dieses Nullsummenspiel zu beenden. Wahrscheinlich war das nicht genug – ich weiß das –; denn wenn wir alles richtig gemacht hätten, hätten wir die Wahl nicht verloren. Das ist völlig klar.
CDU und FDP haben ihren Erfolg nicht begriffen. Sie glauben, Sie könnten mir Ihrer Marktentfesselungsideologie einfach dort weitermachen, wo Sie 2010 aufhören mussten.
Diese Landesregierung wollte die Menschen glauben machen, sie hätte einen Zauberstab, mit dem sie die Probleme des Landes lösen könnte. Doch dem ist nicht so. Das Einzige, was sie anzubieten hat, ist das Programm einer profanen Mitte-rechts-Regierung: Deregulierung und Marktentfesselung. Das ist das Einzige, was Sie anzubieten haben.
Diese Regierung kann nicht zaubern. Sie ist inzwischen schon entzaubert. Bereits nach fünf Monaten war die Regierung Laschet – ich habe es vorhin einzeln nachgewiesen –
eine Regierung gebrochener Versprechen. Nach fünf Jahren wird sie eine Regierung der enttäuschten Hoffnungen sein.
Für mehr Gerechtigkeit, für Innovation, für soziale Sicherheit bedarf es auf Dauer neuer Mehrheiten, und zwar jenseits der Union in Deutschland, in NordrheinWestfalen. – Vielen Dank für das Zuhören. Glück auf für unser Land, meine Damen und Herren!
Herr Römer, bleiben Sie bitte am Redepult stehen. Es gibt eine Kurzintervention der AfD. Dazu erteile ich dem Abgeordneten Beckamp das Wort.
Vielen Dank, Herr Römer. Der Raum füllt sich immer mit sozialer Wärme, wenn Sie sprechen. Das war auch heute wieder der Fall. Vielen Dank dafür.
Ich frage mich, ob diese soziale Wärme auch zu spüren war, als Sie gestern mit den anderen Fraktionen, außer uns, im Hinterzimmer ausgekungelt haben, dass die Personalausgaben für Mitarbeiter von Abgeordneten und Fraktionen um 14 Millionen € aufgestockt werden. War da auch eine soziale Wärme im Raum zu spüren? Haben Sie da an die alleinerziehende Mutter Jennifer gedacht? Haben Sie dabei auch an die Arbeitslosen in der Stahlbranche gedacht?
Das sind Fragen, die ich mir stelle, die ich leider nicht zwischendurch stellen konnte, weil Sie das nicht zugelassen haben. Insofern fassen Sie es als rhetorische Fragen auf.
Mit keiner Silbe haben Sie in Ihrer Rede erwähnt, dass Sie, ohne den Haushaltsausschuss in irgendeiner Form hinzuzuziehen, im Hinterzimmer einfach 14 Millionen € mehr aus der Staatskasse geholt, sich den Staat zur Beute gemacht haben. Das ist Ihnen keine Debatte wert. – Vielen Dank.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir nehmen unsere Verantwortung als Opposition wahr. Ich gehe davon aus, dass CDU und FDP als Regierungskoalition dies genauso handhaben. Das ist gerade in meiner Rede deutlich geworden. Ich bin gespannt, wie Sie darauf reagieren werden.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor Beginn einer abschließenden Haushaltsberatung in dritter Lesung fragt man sich: Tritt das Erwartbare ein, eine Fundamentalkritik der Opposition am Regierungshandeln, oder sind vielleicht konstruktive Ansätze erkennbar? Antwort: Beides war der Fall. Viel vom Ersten, sehr wenig leider vom Zweiten.
Trotzdem will ich für die konstruktiven Beratungen einiger Haushaltsanträge – zur NRW-Stiftung, zur Kriegsgräberfürsorge, den Gedenkstättenfahrten oder auch einem „Haus der Landesgeschichte“ – ausdrücklich auch den beiden Oppositionsfraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen danken.
Zur Kritik des Fraktionsvorsitzenden Norbert Römer: Zunächst, Herr Römer, muss ich mich herzlich dafür bedanken, dass Sie so eng und so nah am Haushalt gesprochen haben. Es war für jeden erkennbar, dass der Haushalt Grundlage Ihrer Rede war.
Sie verzeihen mir den Sarkasmus, der da mitschwingt. Aber wäre Ihre Rede mit Vermutungen, mit Berichten vom Hörensagen, mit Fischen im Trüben Gegenstand der allmorgendlichen „Copacabana“Boys Jötz, Jürgen und Jünter im Radio gewesen, dann wäre vermutlich auch deren immer wiederkehrendes Fazit für Ihre Rede die richtige Zusammenfassung: Klingt interessant, war es aber nicht.
(Beifall von der CDU und der FDP – Marc Her- ter [SPD]: Das war aber falsch zitiert! – Nadja Lüders [SPD]: Wir sind jetzt mal auf Ihre Rede gespannt!)
Im Übrigen zitiere ich, was Ihre Kritik an der Heimatministerin angeht: „Nur wer weiß, woher er kommt, weiß, wohin er geht.“ Dazu sage ich Ihnen: Lieber einmal und ab und zu an früher denken, als ständig, wie Sie, im Gestern leben.
Das, lieber Herr Römer, ist auch in einer sehenswerten Fernsehsendung des WDR am 5. Januar um 20:15 Uhr mit dem Titel „Der lange Abschied von der Kohle“ deutlich geworden, unterlegt von einem höchst hörenswerten Soundtrack der Bochumer Symphoniker.
leute daran erinnert, was unsere gemeinsame Aufgabe in diesem Landtag ist: Bei allem Streit, bei allem, was uns trennt, tragen wir eine gemeinsame Verantwortung für unser Land. Wir werden nicht nur als Parteien, nicht als Fraktionen, sondern als Politiker daran gemessen, ob es uns gelingt, die großen Probleme unseres Landes zu lösen.
Deshalb hat die Einordnung von Herrn Professor Heinrich Theodor Grütter, Direktor des Ruhr Museums, gegen Ende des Films, wie ich meine, über das Ruhrgebiet hinaus für uns alle in Nordrhein-Westfalen besondere Bedeutung. Ich zitiere:
Wenn die letzte Zeche geschlossen wird, ist, glaube ich, allen Beteiligten klar, dass das, was früher war, nie wieder kommen wird und wir uns jetzt endgültig in die Zukunft hineinbewegen, und das ist ein mentaler Bruch. Das ist das, wo wir im Moment noch einmal daran erinnert werden – kulturell –, woher wir kommen, wo wir sind und wohin wir gehen. In diesem Moment befinden wir uns derzeit, und das ist ein spannender Moment, auch ein wichtiger Moment, weil jetzt, glaube ich, alle Fragen der Neuorientierung zielgerichtet noch einmal zur Verhandlung stehen. Und das ist, glaube ich, noch einmal die Chance des Ruhrgebiets zur Ausrichtung für die nächsten Jahrzehnte.
Alle Fragen einer notwendigen Neuorientierung zielgerichtet betrachten, Chancen zur Neuausrichtung für die nächsten Jahrzehnte nutzen, sich bewusst werden, woher wir kommen, wo wir sind und wohin wir gehen, besser kann man die Herausforderungen der nordrhein-westfälischen Politik, aber auch die Zielvorstellungen unserer NRW-Koalition nicht beschreiben.
Zu diesen Zielvorstellungen gehört es, die Interessen des einwohnerstärksten Bundeslandes, des Energie- und Industrielandes Nummer eins mit Nachdruck auf der Bundesebene in Berlin zu vertreten.