Inzwischen haben vier von zehn Menschen in Nordrhein-Westfalen mindestens eine Impfung erhalten. Bei den besonders gefährdeten Altersgruppen über 60 Jahre sind es sogar drei Viertel.
Ab dem 7. Juni werden wir auch die Betriebsärzte in die Impfkampagne aufnehmen und damit zugleich auch die Impfpriorisierung aufheben. Für die weitere Strecke braucht es hier eine andere Flexibilität. Ich danke auch den vielen Betrieben, die seit Langem ihre Bereitschaft erklärt haben, mit ihren Betriebsärzten Impfungen durchzuführen, dass sie dazu bereit sind. Der 7. Juni war der erste Termin, da die Priorisierung ja dann nicht mehr diese Rolle spielt, den wir für richtig gehalten haben.
Klar ist jedoch, dass, wenn die Impfpriorisierung aufgehoben wird, nicht jeder sofort einen Termin bekommt. Auch hier wird es ein gutes Management brauchen. Unser Versprechen, jedem im Sommer ein Impfangebot machen zu können, werden wir einhalten.
Dies alles zusammen – rückläufige Infektionszahlen, umfassendes Testangebot und vor allem die großen Impffortschritte – schafft neue Perspektiven.
Am heutigen Tag liegt in 27 Kreisen und Städten die Sieben-Tage-Inzidenz stabil unter 100. Dort konnten bereits erste vorsichtige Öffnungsschritte im Einzelhandel, im Sport, in der Kultur und in der Außengastronomie erfolgen. Münster ist die erste Stadt, die heute sogar stabil unter 50 liegt. Soest und Coesfeld werden wahrscheinlich morgen folgen. Dort sind dann auch weitere Öffnungsschritte möglich.
Wichtig ist: Die Richtung ist klar. Einschränkungen müssen so schnell wie möglich zurückgenommen werden. Wenn das Infektionsgeschehen weiter so sinkt, werden wir den nächsten Öffnungsschritt nicht, wie bisher geplant, erst am 4. Juni, sondern bereits zum Ende der kommenden Woche möglich machen können. Wir werden nach den Pfingsttagen erneut
die Lage analysieren und dann möglicherweise zu schnelleren Öffnungen kommen, als es bisher in der Coronaschutzverordnung vorgesehen ist.
Wir gehen mit Vorsicht vor, und zwar bewusst. Die Öffnungen erfolgen Schritt für Schritt. Wir müssen weiter wachsam bleiben; denn die indische Variante ist inzwischen auch auf dem Kontinent Europa vorhanden, und das erfordert behutsame Schritte.
Was ich heute in den Mittelpunkt der Unterrichtung stellen werde, ist der Blick auf die Jüngeren. Wir haben uns 15 Monate mit guten Gründen um die Älteren, um die Vulnerablen gekümmert. Die Ergebnisse zeigen ja auch, dass eine Schutzmauer um die Pflegeheime, um die Altenheime errichtet wurde und dass wir Leben retten konnten, weil die absolute Priorität bei den Älteren, bei den Vulnerablen gelegen hat.
Aber Corona ist generell eine Gefahr für das Leben – für die Älteren kurzfristig, für die Jüngeren langfristig. Das ist genau der Gedanke, den wir von Anfang an immer in die Debatten mit eingebracht haben. Ja, wir bekommen jeden Tag die Zahlen des RKI. Ja, wir bekommen die Zahlen darüber, wer denn infiziert ist, wer auf der Intensivstation gelandet ist. Das war unser wichtigstes Merkmal im Management dieser Krise. Aber man musste immer dazusagen: Es gibt auch andere Schäden.
Ich darf einmal unseren Expertenrat aus dem April 2020 zitieren. Das war der Zeitpunkt, als wir die ersten Öffnungen behutsam begonnen haben. Er hat damals in Bezug auf die durch diese Pandemie entstehenden Schäden gesagt:
„Hinzu kommen die wegfallende Essensversorgung in Kitas und Schulen für Kinder aus armen Familien, Wohnungslosigkeit, eine Zunahme häuslicher Gewalt und Kindeswohlgefährdung, die sehr unterschiedliche Beschulung zu Hause während des Lockdowns und nicht zuletzt auch psychosoziale Folgewirkungen der wirtschaftlich extrem schwierigen Situation.“
Darum ging und geht es, wenn wir über den Ausfall vieler Präsenzangebote in Betreuung und Bildung sprechen. Es betrifft besonders die Schwächsten. Wenn ein Großteil des Unterrichts zu Hause stattfindet und Kinder nur selten in die Kita gehen können, wirken unterschiedliche Möglichkeiten von Elternhäusern umso gravierender auf das einzelne Kind. Es ist die nächste große soziale Frage, gerade die Kinder aus Elternhäusern, die nicht diese Unterstützungsmöglichkeit haben, stärker in den Blick zu nehmen.
Mein Dank gilt Joachim Stamp und Yvonne Gebauer, die sich immer für diese Kinder eingesetzt haben. Gegen viele Widerstände, gegen Bedenken, gegen Vorwürfe haben sie dafür gesorgt …
Ganz exakt auch gegen Ihre Widerstände haben wir dafür gesorgt, den Präsenzunterricht so lange wie möglich aufrechtzuerhalten und Betretungsverbote in Kitas so schnell wie möglich aufzuheben.
Deshalb ist unsere Botschaft auch: Wir müssen so schnell wie möglich in den Präsenzunterricht zurückkommen – noch vor den Sommerferien. Das ist der Wille dieser Regierung und dieser Koalition.
Kinder und Jugendliche mussten vielfach Verzicht üben und erhebliche Einschränkungen erleiden, nicht nur in der Schule. Für Kinder und Jugendliche – daran können wir uns alle noch erinnern – ist der unbeschwerte Kontakt zu Freunden und zur Familie auch für die eigene Persönlichkeitsbildung wichtig. Die sozialen Kontakte über ein Jahr hinweg so massiv einschränken zu müssen, dürfte für viele eine schlimme Folge der Pandemiebekämpfung gewesen sein.
So exzellent der Distanzunterricht auch sein mag, so toll die Giganetze ausgebaut sind und so toll wir iPads verteilt haben, damit jedes Kind teilnehmen kann: Soziale Kontakte kann kein Bildschirm ersetzen. Deshalb ist der Präsenzunterricht so wichtig.
Hier vor dem Landtag – das haben vielleicht einige gesehen – gab es im Winter einen Wunschbaum, an dem bunte Zettel hingen, auf denen Kinder ihre Wünsche und Forderungen aufgeschrieben hatten. Ich lese einmal einige Beispiele vor: Ich wünsche mir, meine Lehrerin endlich wiederzusehen. – Ich wünsche mir für meine Schwester, dass die Grundschule wieder geöffnet wird. – Oder die vierjährige Maja: Ich wünsche mir, meine Freunde umarmen zu können. – Ich möchte wieder turnen an Geräten mit meinen Freundinnen. – Und, und, und.
Auch viele Eltern haben mir in den letzten Wochen geschrieben – zum Beispiel eine Mutter aus Nordwalde. So gut es geht, hat sie ihren Sohn, der in die 1. Klasse geht, unterstützt und gefördert, und dennoch macht sie sich große Sorgen.
Auch von der elfjährigen Helena aus Duisburg wurde mir berichtet. Sie besucht die 5. Klasse und war seit Anfang des Jahres gerade einmal an sechs Tagen in der Schule. – Den meisten Kindern ging es nicht anders.
Familien haben hier unendlich viel aufgefangen. Sie waren und sind unsere stärksten Pandemiebekämpfer in den letzten Monaten gewesen.
Drei Schulen aus Nordrhein-Westfalen haben für ihr herausragendes Engagement in der Coronapandemie den Deutschen Schulpreis erhalten. Meine Glückwünsche gehen an die Grundschule am Dichterviertel in Mülheim, die Städtische Gesamtschule Münster Mitte und die Städtische Gesamtschule Körnerplatz in Duisburg.
Mein Dank geht aber in alle Teile des Landes und an alle, die sich in der Kindertagesbetreuung und in der Unterstützung von Kindern und Jugendlichen engagieren. Überall wurde unter schwierigen Bedingungen viel geleistet.
Als Landesregierung haben wir zusätzliche Unterstützungsmaßnahmen ergriffen, beispielsweise das Programm für Alltagshelfer in Kitas, aber auch die Unterstützung der Kommunen beim teilweisen Verzicht auf Elternbeiträge. Das Land leistet damit seinen Beitrag dazu, dass im ersten Halbjahr 2021 die Hälfte der Elternbeiträge erlassen werden kann. Zu nennen sind ferner die Bewilligung von jetzt schon über 550 Millionen Euro für die Digitalisierung der Schulen und die Anschaffung von digitalen Endgeräten für Lehrkräfte und bedürftige Schüler in einem sehr schnellen Prozess. Sie wissen, wie der Rechnungshof auf Ausschreibungen guckt. Es musste trotzdem schnell gehen. Unter diesen Bedingungen ist das hier in den Schulen und Kitas sehr gut gelungen. Das Helferprogramm für Ganztags- und Betreuungsangebote gehört ebenfalls dazu.
Erstens: ein sicherer Präsenzbetrieb in Kita, Schule und Hochschule. Betreuung und Bildung brauchen Präsenz. Kitas und Schulen sind und bleiben die besten Orte des Lernens. Daher kehren die Kitas bereits heute überall dort, wo die Inzidenz stabil unter 165 liegt – das ist fast das gesamte Land –, in den eingeschränkten Regelbetrieb zurück, mit reduziertem Angebot und festen Gruppen.
Die Schulen aller Schulformen werden bei stabilen Inzidenzen unter 100 ab dem 31. Mai in den Präsenzunterricht zurückkehren.
Yvonne Gebauer hat hierzu bereits gestern mit den Verbänden Gespräche geführt; sie wird das gleich näher erläutern. Damit folgen wir auch einer Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin, die für Kinder und Jugendliche so viel normales und soziales Leben wie möglich fordert. So ermöglichen wir fünf Wochen Präsenzunterricht vor
Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte warnt in diesen Tagen noch einmal eindringlich vor den Langzeitfolgen für Kinder und Jugendliche, die gar nicht mit einer Coronaerkrankung zusammenhängen. Ich zitiere:
Das ist ein bestürzendes Alarmsignal, das uns die Kinder- und Jugendärzte entgegenrufen. Umso wichtiger ist die Rückkehr in eine verantwortungsvolle Normalität für die Kinder und Jugendlichen.
Diese Wochen in Präsenz in den Schulen sind auch wichtig, um die Lernstände feststellen und Defizite identifizieren zu können. Dazu brauchen wir ein passgenaues Neustart-Programm.
Ein weiterer Bereich, der nicht so im Fokus der medialen Berichterstattung war, sind die Hochschulen. Auch an den Hochschulen eröffnen sich neue Perspektiven. Die Allgemeinverfügung vom vergangenen Freitag ermöglicht bereits jetzt mehr Präsenz bei Prüfungen. Wir wollen darüber hinaus Raum für Präsenzangebote noch in diesem Semester geben.
Manche werden sich jetzt fragen: Warum noch in diesem Semester? Muss das denn sein? – Ich rufe ihnen zu: Ja, drei ganze Semester, darunter auch viele Erstsemesterstudierende aus dem Sommer 2020, haben ihre Hochschule zum Teil noch kein einziges Mal von innen gesehen. Und es macht sehr wohl einen Unterschied, ob das noch vor dem Sommer möglich ist oder erst im Oktober.
Frau Ministerin Pfeiffer-Poensgen ist mit der Landesrektorenkonferenz bereits in einem engen Austausch. Aber wir wollen, dass noch vor den Ferien ein kleines Stück Normalität, ein kleines Stück Präsenz auch an den Hochschulen unseres Landes wieder möglich wird.