Protocol of the Session on December 16, 2020

(Christian Dahm [SPD]: Wir machen das doch!)

Inhaltlich unterstützen wir Grüne den Antrag, weil es um ein wichtiges Thema geht, aber wir werden die Dinge in der Debatte jetzt nicht klären können. Am Rande würde mich durchaus interessieren, warum ihr mit diesem Antrag nicht einmal in den eigenen Reihen durchdringt. – Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von den GRÜNEN, der CDU und der FDP)

Vielen Dank, lieber Kollege Klocke. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der AfD Herr Abgeordneter Beckamp das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Heute geht es um ein Kündigungsmoratorium für Wohnungsmieter bis zum 30. Juni 2021. Die SPD wünscht sich also, dass Wohnungsmieter wegen einer ausbleibenden Mietzahlung aufgrund von Corona bis zum 30. Juni 2021 nicht mehr gekündigt werden können. Die nicht gezahlte Miete muss dann aber später nachgezahlt werden.

Stellen Sie sich also vor, Sie sind ein Vermieter. Sie sitzen gerade auf Ihrem Segelboot, irgendwo, wo es warm ist, links neben Ihnen Ihre viel zu junge Frau, rechts neben Ihnen ein prickelndes Getränk.

Stellen Sie sich vor, es ist erst Mittag.

(Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])

Aber für Sie als Vermieter ist natürlich jeder Tag ein Sonntag. Es gilt das gute alte Vermietermotto: keine Termine und leicht einen sitzen.

Stellen Sie sich vor, Sie schauen ab und zu auf Ihr Onlinekonto und freuen sich über das viele Geld, das Ihre Mieter für die abgewetzten Buden jeden Monat zahlen. Sie sind dankbar – dankbar sich selbst gegenüber, dass Sie sich die Mühe gemacht haben, so viel Glück zu haben.

Dann stellen Sie sich vor, Sie schauen auf Ihre deutlich jüngere Frau, erheben das Glas und freuen sich über Ihr leistungsloses Einkommen.

Das ist ganz offenbar die Vorstellungswelt der SPDAbgeordneten hier im Hause, wie Vermieter leben. So stellen Sie sich das vor, so klingt Ihr Antrag. In Ihrer Fantasie macht es dann natürlich nichts, wenn dieser Vermieter ein paar Monate später sein Geld bekommt. Wohin auch mit dem vielen Geld?

Wieso haben Sie diese Fantasie, liebe SPD? – Vermutlich, weil Sie kaum Vermieter kennen oder vielleicht selbst Vermieter sind bzw. der Genosse neben Ihnen auf dem Stuhl.

Vielleicht lassen 11.500 Euro Abgeordnetendiät und in Ihrem Fall noch die eine oder andere kleine Einnahme von der Arbeiter- oder wahlweise Politikerwohlfahrt so denken. Welch noble Geste, wie solidarisch, dann einfach in Verträge Dritter einzugreifen.

Jetzt stellen Sie sich bitte vor – wir nähern uns der Wirklichkeit –, Sie sind ein Kleinvermieter – wir haben es eben schon mehrfach gehört –, einer derjenigen, die rund 60 % der Mietwohnungen bei uns im Land anbieten; in den NRW-Metropolen sind sogar zwei Drittel in privater Hand. Es gibt knapp 4 Millionen Kleinvermieter in Deutschland, ungefähr 15 Millionen Wohnungen sind in deren Besitz. Das sind Frei

berufler, Selbstständige, aber vor allen Dingen Rentner und Angestellte, ganz normale Leute.

Über die Hälfte der Kleinvermieter erzielt durch die Vermietung weniger als 5.000 Euro im Jahr, nur knapp 20 % liegen bei über 10.000 Euro im Jahr, und das alles bei stetig steigenden Anforderungen wegen energetischer Sanierungen oder Regulierungen wie der Mietpreisbremse. Die Politik der SPD will genau diesen Menschen noch mehr aufbürden. Meine Damen und Herren, der reiche Vermieter ist ein Mythos, von Ausnahmen abgesehen.

Dazu passt übrigens auch – das ist wichtig und interessant –, dass die SPD ein Kündigungsmoratorium nur für Wohnungsmieter fordert. Tatsächlich galt das Moratorium in den drei Sommermonaten dieses Jahres auch für Unternehmer, also für Wohnungsmieter und Gewerbemieter. Das soll ausweislich Ihres Antrages nun nicht mehr der Fall sein, weil der Unternehmer wahrscheinlich auch immer reich ist, siehe zurzeit die Gastwirte.

Liebe SPD, ich verstehe Ihr Anliegen, das ist ja gar nicht so verkehrt. Sie wollen Wohnungsmieter schützen, die unverschuldet durch Coronaauswirkungen in Not geraten, ihre Wohnung zu verlieren. Das Anliegen ist wirklich gut und richtig, aber derzeit gibt es genau für diese Fälle viele Hilfen: Hilfszahlungen an Selbstständige, Wohngeld oder auch – ja, ganz oft – den guten Willen der Vermieter, die sich eine Stundung der Miete leisten können. Auch die gibt es.

Ein solches Vorhaben, wie Sie es fordern, ohne jegliche finanzielle Abfederung für Vermieter, ist völlig lebensfremd. Wann und womit soll ein Vermieter die Handwerker bezahlen, die wichtige Arbeiten an den Mietwohnungen durchführen? Wann und womit soll ein Vermieter sein Darlehen bei der Bank bezahlen? Das haben Sie auch vergessen. Wie und womit soll ein Vermieter, der zwei, drei Wohnungen zur Altersvorsorge besitzt und keine hohe Rente hat, seinen Lebensunterhalt bestreiten?

Im Übrigen gibt es derzeit jedenfalls keine massenhaften Zahlungsprobleme am Mietmarkt. Wenn es mit den kopflosen Maßnahmen dieser Regierung so weitergeht, mag das bald anders aussehen, dann müssen wir neu darüber reden. Dann sollte den Leuten auch geholfen werden, direkt und mit Geld, wie es jetzt schon der Fall ist.

Vielleicht wundern Sie sich jetzt, aber ich kann nur sagen: Wir lehnen den Antrag ab.

(Beifall von der AfD)

Vielen Dank. – Als nächster Redner hat nun Herr Minister Biesenbach das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich unterstelle einmal jedem in diesem Raum, dass Sie genauso wie die Landesregierung natürlich ein Interesse daran haben, dass Mieter und Mieterinnen vor Wohnungsverlust geschützt werden.

Lieber Herr Becker, der den Antrag für die SPD begründet hat, ich meine, die Fragen, die Kollege Klocke hier gestellt hat, sind schon zu beantworten. Nicht nur die SPD ist Teil der Bundesregierung. Die Bundesregierung hat ja gerade und bewusst im Sommer dieses Jahres die Verlängerung abgelehnt. Warum? – Weil sie die Notwendigkeit nicht erkannte. Warum jetzt plötzlich die Notwendigkeit wieder da sein soll, ist zumindest aus Ihrer Antragsbegründung nicht erkennbar. Aus der Sicht der Landesregierung liegt auch keine belastbare Grundlage dafür vor, dass eine Wiederaufnahme des Kündigungsmoratoriums zum derzeitigen Zeitpunkt erforderlich ist.

Herr Kollege Paul hat dazu schon einige Zahlen deutlich genannt, ich will nur wenige wiederholen. Nach den bekannten Umfragen ist es infolge der Coronapandemie bisher nur zu einer geringen Zunahme an Mietrückständen gekommen.

Laut einer Umfrage unter den Mitgliedern des Bundesverbands deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen ist es zwischen April und Juni, also dem Zeitpunkt des ersten Moratoriums, nur bei 0,6 % der Mietverhältnisse zu Zahlungsausfällen gekommen. Stundungsanträge sind gerade einmal bei 0,3 % aller Mieterverhältnisse gestellt worden.

Vonovia wurde hier schon erwähnt. Laut Angaben war es bei rund 1 % der Mieterinnen und Mieter notwendig, einvernehmliche Lösungen zu finden.

Haus & Grund hat im August mitgeteilt, dass 90 % der Vermieter keine coronabedingten Mietausfälle zu beklagen haben.

Dieser geringe Anstieg von Mietrückständen bei Wohnraummieten spricht aus Sicht der Landesregierung dafür, dass die sozialen Sicherungssysteme, wie hier bereits betont wurde, und die ergriffenen Hilfsmaßnahmen derzeit als ausreichend anzusehen sind, um Mieterinnen und Mieter vor Wohnungsverlust zu schützen.

Wir gehen auch davon aus – das wurde schon mehrfach betont –, dass Vermieterinnen und Vermieter natürlich ein Interesse daran haben, Mieter zu behalten, und daher eine große Gesprächsbereitschaft besteht.

Ergebnis: gegenwärtig keine Erkenntnis. Hier sind sich Bundesregierung und Landesregierung einig. Sollte sich das ändern, dann können wir gerne wieder darüber sprechen. Dann mag es auch eine neue Grundlage zu einer Entscheidung geben. Im Augenblick kann dieser Antrag wirklich nur abgelehnt werden.

(Beifall von der CDU, der FDP und Roger Beckamp [AfD])

Vielen Dank, Herr Minister Biesenbach. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, weitere Wortmeldungen liegen zu diesem Tagesordnungspunkt nicht vor, sodass wir am Schluss der Aussprache sind.

Da die antragstellende Fraktion der SPD direkte Abstimmung beantragt hat, lasse ich somit über den Inhalt des Antrags Drucksache 17/12056 abstimmen und frage, wer dem Inhalt zustimmen möchte. – Das sind die Abgeordneten der Fraktion der SPD sowie der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Gegenstimmen? – Das sind die Abgeordneten der Fraktion der CDU, der Fraktion der FDP sowie der AfD. Gibt es eine Kollegin oder einen Kollegen, der sich der Stimme enthalten möchte? – Das ist erkennbar nicht der Fall. Dann stelle ich fest, dass der Antrag Drucksache 17/12056 abgelehnt wurde.

Damit kommen wir zu:

4 Wo Naturschutz draufsteht, muss Naturschutz

drin sein – keine Pestizide in Naturschutzgebieten!

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/12048

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die antragstellende Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Herrn Abgeordneten Rüße das Wort. Bitte sehr, Herr Kollege.

Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Themen „Zustand der Natur“ und „Artenvielfalt“ beschäftigen uns hier im Landtag schon seit ein paar Jahren.

Wir alle haben am Anfang etwa entlang folgender Frage darüber zu diskutieren begonnen: Wie kommt es eigentlich, dass beispielsweise die Kiebitzbestände im Kreis Warendorf so massiv gesunken sind? Herr Rehbaum, genau wie ich werden Sie die Kartierung kennen, die es dazu gibt.

(Zuruf von Henning Rehbaum [CDU])

Früher gab es flächendeckend grüne Gebiete, in jedem Ort, überall fand sich der Kiebitz. Jetzt sieht man auf der Karte im Bereich des Kreises Warendorf fast nur noch rote Gebiete, das heißt, der Kiebitz ist dort in der Fläche verschwunden.

Dann kam die Studie aus Krefeld. Die ersten Hinweise aus dem Jahr 2015 wurden noch belächelt,

(Dr. Christian Blex [AfD]: Ach!)

aber im Endeffekt hat sich doch ergeben, dass die dort gesammelten Erkenntnisse sehr wohl tragfähig sind. Das Besondere an dieser Studie war die damals neue Erkenntnis, dass wir auch dort erhebliche Verluste haben, wo die Natur eigentlich geschützt sein sollte, nämlich in Naturschutzgebieten.

Das Land NRW gibt eine Menge Geld für Naturschutzgebiete aus. Wir haben in der Vergangenheit viele Flächen aufgekauft, um Naturschutz betreiben zu können. Wenn man dann feststellt, dass die Natur dort nicht hinreichend geschützt wird, muss man sich überlegen, wie man damit umgeht.

Über die vielen Ursachen haben wir in den vergangenen Jahren diskutiert. Wir haben über Vermaisung gesprochen, und wir haben über den zu hohen Flächenverbrauch gesprochen. In diesem Zusammenhang will ich daran erinnern, dass wir in NordrheinWestfalen in den vergangenen 50 Jahren von den ehemals 1,8 Millionen Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche 400.000 Hektar verloren haben. Die sind weg, dort entwickelt sich schon mal keine Natur mehr. Deshalb lautet der dringende Appell in Richtung Landesregierung, in puncto Flächenverbrauch deutlich zuzulegen und hier mehr zu tun.

(Beifall von den GRÜNEN)