Herr Minister, wenn sich die Situation so zuspitzt, wie wir es zurzeit sehen, dann gibt es die Beschäftigten gar nicht mehr, die sich um den grünen Stahl kümmern können. Das ist die Sorge der SPD-Fraktion, die uns heute hier veranlasst, noch einmal deutlich das Wort zu ergreifen.
Wir Sozialdemokratinnen wollen, dass der Stahlstandort Zukunft hat. Dazu gehört sicherlich auch die Entwicklung von grünem Stahl – auch im Hinblick auf Klimaschutz –, aber das alleine ist nicht ausreichend, um den Stahlstandort zu sichern. Es bedarf eines Zukunftskonzepts und – für die Zukunftsinvestitionen – einer gesicherten Finanzierung, damit die Stahlsparte eine Perspektive und Planungssicherheit hat.
Vor diesem Hintergrund findet es die SPD-Landtagsfraktion mehr als fragwürdig, dass Sie, Herr Minister, gegenüber dem Handelsblatt bereits zu diesem Zeitpunkt eine Beteiligung des Landes ausgeschlossen haben, obwohl die Debatte noch läuft und das Spitzengespräch, das anstelle des Stahlgipfels geplant ist, noch gar nicht stattgefunden hat. Wir müssen doch – so verstehe ich auch Ihre Wirtschaftspolitik – alle Möglichkeiten in Erwägung ziehen, um dazu beizutragen, dass der Stahlstandort Nordrhein-Westfalen eine Zukunft hat. Eine Staatsbeteiligung hat Vor- und Nachteile, aber Offenheit dafür dürfen wir in dieser prekären Lage schon erwarten.
Ministerpräsident Armin Laschet und Sie haben die Systemrelevanz von Stahl immer beteuert. Jetzt schließen Sie bereits eine Tür, die eine Lösung und zumindest Teil einer Lösung sein könnte. Verständnis dafür ernten Sie bei der SPD-Fraktion nicht. Wenn Ihnen die Zukunft des Stahls, die über Worte hinaus gehen muss, wichtig ist, dann haben Sie gleich im Parlament die Chance, zu erläutern, wie Sie zu dieser Entscheidung kommen. Sie stehen in der Verantwortung. Wir erwarten von Ihnen nicht nur warme Worte und die Verabschiedung von industriepolitischen Leitlinien im Kabinett. Sie müssen diese Frage mit Leben füllen und die Beschäftigten auf dieser Reise mitnehmen, sehr geehrte Damen und Herren.
Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten werden uns weiterhin für die Beschäftigten und für die Zukunft des Stahlstandortes Nordrhein-West
falen stark machen. Das beinhaltet mehr, als Türen zuzuschlagen. Deswegen freuen wir uns auf die Debatte und vielleicht auf Erläuterungen aus Ihrem Munde, wie Sie sich die Situation vorstellen. – Vielen Dank.
Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Noch vor zwei Wochen haben wir an gleicher Stelle zur Lage von thyssenkrupp debattiert. Seitdem hat sich die Informationslage weiter verdichtet. Die Nachrichten aus Essen werden nicht besser. Mittlerweile geht es laut Konzernchefin Merz um 11.000 Stellen, die im Gesamtkonzern abgebaut werden sollen. Das ist eine Hiobsbotschaft.
Dazu kommt der konzernweite Verlust von 1,6 Milliarden Euro pro Jahr, davon entfällt allein 1 Milliarde Euro auf den Stahlbereich. Das bedeutet, dass auch in den übrigen – nach Verkauf der Aufzugssparte – verbleibenden Geschäftsbereichen 600 Millionen Euro Verlust jährlich auflaufen.
Damit ist die Schieflage thyssenkrupps nicht nur ein massives aber lokales Thema im Ruhrgebiet. Nein, bis nach Südwestfalen und ins Münsterland hinein stehen Niederlassungen von thyssenkrupp, in denen mit vielen Tausend Fachkräften Industrieanlagen, Marinetechnik, Elektrolyseure für die Wasserstoffherstellung und viele andere Produkte für den Weltmarkt entworfen und hergestellt werden.
Thyssenkrupp ist Dreh- und Angelpunkt für lange industrielle Wertschöpfungsketten mit unzähligen Arbeitsplätzen. Auch deshalb hat die NRW-Koalition großes Interesse an einer guten Zukunft des Essener Traditionskonzerns und dem Erhalt möglichst vieler Arbeitsplätze.
Dass nicht nur wir, sondern auch zwei Oppositionsfraktionen eine Aktuelle Stunde zu thyssenkrupp beantragt haben, zeigt die parteiübergreifende Einschätzung der Lage. Zigtausende Familien leben von und mit thyssenkrupp. Sie alle brauchen Planungssicherheit und eine gute Zukunft in Nordrhein-Westfalen.
„Erst am Dienstag, den 17.11., musste Thyssenkrupp bekannt geben, dass der letzte derzeit verbliebene Kaufinteressent für das Grobblechwerk
in Duisburg abgesprungen und die Wahrscheinlichkeit einer Schließung des Werkes mit 800 Mitarbeitern damit stark gestiegen ist.“,
Seitdem gibt es eine neue Entwicklung. Die „WAZ“ meldet, dass die Dillinger Hütte bzw. Saarstahl Interesse an dem Grobblechwerk prüft. Anfang Januar übernimmt Karl-Ulrich Köhler, ehemaliger Vorstand bei thyssenkrupp Steel die Leitung der Dillinger Hütte und von Saarstahl. Jetzt hat Köhler mögliches Interesse an dem Werk geäußert, er sei der Auffassung, dass jetzt für alle noch mal die Gelegenheit sei, ihre Argumentationslage zu überprüfen. So Köhler gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters.
Die Dillinger Hütte ist nach eigenen Angaben weltweit führender Hersteller von Grobblechen. Wir als CDU-Fraktion hoffen sehr, dass die beteiligten Unternehmen zu positiven Ergebnissen kommen und das Grobblechwerk in Duisburg damit eine Zukunft bekommt.
Die SPD fragt, ob es für Nordrhein-Westfalen eine Landesstrategie gibt, die das „Handlungskonzept Stahl“ des Bundes ergänzt und unterstützt. Ja, liebe Kolleginnen und Kollegen, die gibt es. Die NRWLandesregierung hat ein umfangreiches Paket vorgelegt, das in Summe zu einer Stärkung des Industrie- und damit auch des Stahlstandorts Nordrhein-Westfalen beiträgt – das industriepolitische Leitbild, die Energieversorgungsstrategie, die Wasserstoff-Roadmap. Wir haben schon intensiv darüber debattiert.
Wichtig ist vor allem eine Erkenntnis: Die europäische und internationale Stahlindustrie hat strukturelle Schwierigkeiten wie Überkapazitäten, Dumpingpreise und Handelshemmnisse, die durch Aktionen einzelner Bundesländer nicht gelöst werden können. NRW hat sich deshalb aktiv und gestaltend in die Konzeption des „Handlungskonzepts Stahl“ auf Bundesebene eingebracht und zudem die „Allianz für Stahl“ mit initiiert.
Ein Staatseinstieg erweckt große Hoffnungen, ist aber per se kein Allheilmittel für strukturelle Probleme. Auch beseitigt er keine Überkapazitäten im Markt. Auch die Vision einer Deutschen Stahl AG wird wieder benannt. Doch weder Salzgitter noch Saarstahl ziehen eine Fusion der deutschen Stahlproduzenten ernsthaft in Erwägung; sie haben diese stets öffentlich abgelehnt.
„Ruhrbischof“ Franz-Josef Overbeck hat angesichts des verschärften Stellenabbaus bei thyssenkrupp dazu aufgerufen, nach außergewöhnlichen Antworten auf die Krise des Stahl- und Industriekonzerns zu suchen. Die derzeitig extrem schwierige Lage von thyssenkrupp sei ganz wesentlich auch auf die Coronapandemie zurückzuführen, sagt Bischof Overbeck.
„In einer solchen außerordentlichen Krise sind außergewöhnliche Antworten nötig, die man in normalen Zeiten so nicht in Erwägung ziehen würde.“
Ja, ein möglicherweise entscheidender Teil der Misere bei thyssenkrupp beruht auf coronabedingten Umsatzeinbrüchen, insbesondere in der Automobilindustrie.
Für systemrelevante Großunternehmen, die durch Corona in existenzielle Schwierigkeiten geraten, hat die Bundesregierung den Wirtschaftsstabilisierungsfonds ins Leben gerufen. Auf den ersten Blick scheint der Wirtschaftsstabilisierungsfonds das Mittel der Wahl zu sein, um thyssenkrupp Steel direkt zu unterstützen und Liquidität zu sichern. Gespräche unter Einbeziehung des Landes NRW dazu laufen. Der Bund ist in der Hauptverantwortung, die Modalitäten mit dem Unternehmen zu klären.
Zur Frage einer Übernahme oder Fusion gibt es unterschiedliche Informationen, ob Liberty Steel, die schwedische SSAB oder ein zweiter Anlauf der damals gescheiterten Fusion mit Tata Steel. Wir als Landespolitiker legen Wert darauf, dass Standorte und Arbeitsplätze erhalten bleiben.
Und auch so viel sei gesagt: Dass mit Premal Desai, der Ex-Stahlchef von thyssenkrupp, jetzt bei Liberty am Tisch sitzt, stößt vielen sauer auf. Doch sollte es in dieser Situation verständlich sein, dass Eigentümer und Aufsichtsgremien Angebote, die eingehen, sorgfältig prüfen und beraten, selbstverständlich unter aktiver Einbeziehung der Betriebsräte, die schon beim ersten Anlauf zu einer Fusion mit Tata Steel sehr verantwortungsvoll agierten.
Unabhängig von einer Fusion und/oder einer Bundeshilfe über den Wirtschaftsstabilisierungsfonds ist für alle deutschen Stahlhersteller wichtig, die europäischen Handelsbeschränkungen für chinesischen Dumpingstahl zu erhalten, zu wirksamen Maßnahmen gegen Carbon Leakage zu kommen und den Regierungswechsel in den USA zu nutzen, um dort wieder ins Geschäft zu kommen.
Hinzu kommt die Daueraufgabe eines wettbewerbsfähigen Industriestandorts Nordrhein-Westfalen und die Zukunftsinvestitionen in die Umstellung der Hochöfen auf klimafreundliche Stahlproduktion. Auch diese Herausforderung ist milliardenschwer, hat aber große Aussichten, eine NRW-Erfolgsgeschichte zu werden.
Ich komme zum Schluss. Bei der Frage der Stärkung des Industriestandorts und der Umrüstung von Stahlwerken auf Wasserstoff hat NRW industriepolitisch bundesweit die Poleposition, und nach der „H2“, der Wasserstoff-Weltpremiere am 11.11. des letzten Jahres bei thyssenkrupp, werden viele Millionen
Thyssenkrupp hat im Zusammenhang mit Corona und internationalen Handelsauseinandersetzungen die Hände des Bundes für sich da. Die Landesregierung steht im Interesse zigtausender Arbeitsplätze und wichtiger industrieller Wertschöpfungsketten dem Bund bei diesen wichtigen Entscheidungen mit Rat und Tat zur Seite.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Thyssenkrupp hat einen weiteren erheblichen Stellenabbau angekündigt. Die Rede ist von insgesamt 11.000 Arbeitsplätzen. Diese Entscheidung markiert den bisher größten Sparkurs des Unternehmens, sie stellt aber auch einen tiefgreifenden Einschnitt in den nordrhein-westfälischen Industriestandort dar.
Das Unternehmen hat eine lange Tradition. Es hat über Generationen hinweg entscheidend zur Wertschöpfung und Arbeitsplatzsicherung in NordrheinWestfalen beigetragen und unseren Industriestandort entsprechend deutlich mitgeprägt.
Aber wir reden wir hier nicht nur über die Probleme beim Stahlgeschäft von thyssenkrupp Steel. Der Konzern insgesamt befindet sich in erheblicher wirtschaftlicher Schieflage, insbesondere auch aufgrund von Fehlentscheidungen des Managements in der Vergangenheit. Seit Jahren stehen dadurch keine Gelder für Sanierungsmaßnahmen zur Verfügung, was sich auch auf die Erneuerung der Produktion und Anlagen auswirkt.
Die Vorstandsvorsitzende von thyssenkrupp, Frau Martina Merz, geht das Thema jetzt an. Sie will dem Konzern eine neue Struktur geben. Ihr Plan sieht vor, eine Sparte zu verkaufen, das Stahlgeschäft abzutrennen, und eine Sparte soll im Unternehmen bleiben.
Meine Damen und Herren, wir erleben derzeit einen weltweiten Umbau der Stahlindustrie. Die Investitionen für den erforderlichen Transformationsprozess und den Umbau hin zu klimaneutralen Anlagen bewegen sich in einer Höhe von 3 bis 10 Milliarden Euro. Es gibt für uns keinen Zweifel: Stahl als Ganzes ist systemrelevant und für ganz Deutschland, für
Das zeigen auch und gerade die aktuellen Vorgespräche in Berlin über mögliche Investitionen des Wirtschaftsstabilisierungsfonds für thyssenkrupp Steel, nicht aber für den Konzern insgesamt.
Auch aus unserer Perspektive richten sich die Gespräche in Berlin an den richtigen Adressaten. Die Bedingungen des Wirtschaftsstabilisierungsfonds werden derzeit geprüft. Der Vorstand von thyssenkrupp, die Gewerkschaften und die SPD fordern eine Beteiligung Nordrhein-Westfalens am Unternehmen. Selbst wenn man das wollte, muss man doch sehen, dass die Auflagen für eine Beteiligung des Landes immens hoch sind und praktisch kaum realisierbar wären. Im Vergleich dazu hat der Bund im Rahmen des Strukturstabilisierungsfonds deutlich bessere Möglichkeiten.