Protocol of the Session on November 27, 2020

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist sehr, sehr gut, dass wir das Thema „thyssenkrupp“ und das Thema „Stahl“ heute noch einmal auf die Tagesordnung gesetzt haben. Schließlich ist in der Debatte klar geworden, dass es diesbezüglich und auch bezüglich dessen, was in der Vergangenheit passiert ist und jetzt getan werden muss, unterschiedliche Wahrnehmungen gibt.

Einen Punkt kann ich in Richtung der Landesregierung und auch der regierungstragenden Fraktionen zu diesem Zeitpunkt der Debatte festhalten: Auch heute ist die Frage unbeantwortet geblieben, was die Landesregierung konkret macht, was Sie konkret machen, um akut den Menschen zu helfen, denen der Arbeitsplatzverlust droht. Diese Frage ist von Ihnen auch heute leider wieder nicht konkret beantwortet worden.

(Beifall von der SPD)

Insofern stellt sich für uns die Frage, wie wichtig Ihnen das Thema eigentlich ist bzw. ob Sie überhaupt den Ernst der Lage erkannt haben.

Wir haben heute über Duisburg gesprochen. Wir haben über verschiedene Standorte gesprochen. Und wir wissen nicht erst seit letzter Woche, sondern seit mehreren Monaten, dass die Lage besorgniserregend ist und sich weiter zuspitzt. Die Zahl der Stellen, die wegfallen sollen, ist größer geworden, als ursprünglich geplant war.

Die drohende Schließung des Grobblechwerks im Duisburger Süden – auch darüber haben wir heute gesprochen – macht den Ernst der Lage in Duisburg noch einmal deutlich. 800 Beschäftigte bangen dort zurzeit um ihren Job, und diese Beschäftigten machen nicht nur einen tollen Job an diesem Standort, sondern – auch das gehört zur Debatte dazu – haben auch schon in der Vergangenheit sehr viele Opfer zugunsten des Unternehmens erbracht.

Deshalb hat die SPD-Landtagsfraktion dieses Thema bereits einige Male in den letzten Monaten hier in den Landtag eingebracht und mehrfach auf die Tagesordnung gesetzt. Wir haben Sie nach Ihren Ideen gefragt, nach den Ideen der Landesregierung, nach den Plänen. Wir haben nach der Unterstützung gefragt. Wir haben natürlich auch eigene Vorschläge gemacht, und darüber möchte ich heute etwas ausgiebiger sprechen.

Wir haben in der letzten Plenarwoche einen Antrag gestellt und Sie zu einer möglichen Landesbeteiligung an thyssenkrupp befragt. Das ist übrigens keine Idee, die einzig und allein von der SPD stammt, sondern darauf sind auch andere gekommen. Dieser

Antrag – das möchte ich auch deutlich sagen – konnte in der vergangenen Plenarsitzung allerdings bei keiner der übrigen Fraktionen Zustimmung finden.

Was mir aus der letzten Plenardebatte noch sehr gut im Gedächtnis geblieben ist und was die Debatte heute bestätigt hat, ist – und das hat auch die Argumentation deutlich gemacht –, dass der Ernst der Lage noch nicht bei allen angekommen ist und dass offensichtlich unterschiedliche Wahrnehmungen bestehen, was jetzt akut getan werden muss und was perspektivisch durchaus sinnvoll sein kann. Ich glaube, hier werden einige Punkte miteinander vermengt.

Ich möchte es hier sortieren, um es noch mal klarzumachen. Denn letztendlich ist es – und darüber müssen wir heute reden – eine Frage der Prioritätensetzung der Landesregierung, eine Frage, was man jetzt politisch zu tun bereit ist. Hier muss man unterscheiden: Was ist jetzt angesagt? Und was ist mittelfristig und langfristig sinnvoll?

Ich möchte auf den ersten Punkt eingehen. Dazu hat sich die Landesregierung ausgiebig geäußert, dazu haben sich aber auch die regierungstragenden Fraktionen in der letzten Plenarwoche und auch heute wieder zu Recht und ausgiebig geäußert. Es geht natürlich darum, den Stahlstandort hier in NordrheinWestfalen perspektiv gut und neu aufzustellen. Das ist gar nicht das Thema.

Wir haben über das Thema „Wasserstoff“ gesprochen, ebenso über die Wasserstoffstrategie. All das spielt eine große Rolle, um die Stahlproduktion zukunftsfähig aufzustellen. Sie haben in der letzten Debatte und auch heute wieder auf Ihre WasserstoffRoadmap und darauf, was die Landesregierung da getan hat

(Henning Rehbaum [CDU]: Ist ja auch eine gute Sache!)

und auch in Zukunft weiterhin tun wird, abgezielt. Das ist grundsätzlich ein guter Ansatz. Aber die Frage ist doch: Welche Maßnahmen sind jetzt notwendig? Und was muss eigentlich getan werden, um diese aktuelle und bedrohliche Lage anzugehen?

Darüber müssen wir sprechen; das ist mir in der heutigen Debatte bislang zu kurz gekommen: Wenn es keine Produktion mehr gibt, wenn es keine Werke mehr gibt, kann diese Wasserstoff-Roadmap leider niemandem mehr helfen. Wenn nichts mehr da ist, kann auch nichts mehr transformiert werden; das ist der entscheidende Punkt. Darüber müssen wir heute reden, und darüber müssen wir uns mehr Gedanken machen.

Der zweite Punkt: Wir sind zutiefst davon überzeugt, dass eine Landesbeteiligung, ein Einstieg des Staates bei thyssenkrupp in der jetzigen Lage sehr helfen

würde. Vielleicht ist es sogar das Einzige, was in der jetzigen Situation noch helfen kann.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP – das sage ich auch in Richtung Landesregierung –: Wenn Sie schon nicht auf uns hören, wenn Sie nicht bereit sind, auf die Anträge der Opposition bzw. der SPD-Fraktion anzuspringen – das kann ich ja nachvollziehen –, und auch nicht über Ihren ideologischen Schatten springen möchten, hören Sie doch wenigstens anderen Menschen zu, die sich dazu ihre Gedanken gemacht und sich zum Thema geäußert haben.

Ich will zum Beispiel Professor Dr. Achim Truger zitieren – das ist einer der fünf Wirtschaftsweisen –, der in der vergangenen Woche laut „WAZ“ vom 19. November 2020 sagte – ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin –:

„Bei der strategisch bedeutsamen Stahlbranche finde ich es sehr einleuchtend, einen Einstieg zu prüfen, diese Schlüsselindustrie kann der Staat schlecht fallen lassen.“

Er sagt weiter:

„Angesichts der ohnehin anstehenden ökologisch-sozialen Transformation (…) könnte eine kurzfristige Staatsbeteiligung (…) helfen, die akute Coronakrise zu überstehen. Mittelfristig kann man etwa durch eine Anschubfinanzierung die Umstellung auf grünen Stahl fördern. Das wäre aus meiner Sicht ein plausibler Plan.“

(Beifall von der SPD und von Arndt Klocke [GRÜNE])

Aus unserer Sicht ist das ganz klar ein sehr plausibler Plan, den wir ausdrücklich unterstützen wollen. Wenn Sie schon nicht auf die SPD im Landtag hören wollen, hören Sie doch bitte zumindest auf einen Wirtschaftsweisen.

Nehmen Sie sich diese Einschätzung zu Herzen, und denken Sie noch einmal darüber nach, welchen Weg man gemeinsam finden kann, denn es geht um Tausende Arbeitsplätze. Tun Sie endlich das Richtige. Unterstützen Sie einen Staatseinstieg. Machen Sie eine Landesbeteiligung möglich.

(Beifall von der SPD)

Wenn Sie noch einmal darüber nachdenken, wird das auch klar, denn am Ende gilt für Sie und für uns alle –: Man kann nicht den zweiten Schritt tun, ohne den ersten gemacht zu haben.

Hier von grünem Stahl zu reden, was absolut richtig ist und was wir zu 100 % unterstützen, geht am Ende nur, wenn auch morgen noch in Nordrhein-Westfalen produziert werden kann. Verstehen Sie das endlich. Handeln Sie. Das können die Menschen in NordrheinWestfalen von ihrer Landesregierung erwarten. – Ganz herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Philipp. – Für die CDU-Fraktion hat Frau Kollegin Vogt das Wort.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die heutige Debatte zeigt, dass wir uns hier im Hause einig sind, dass Stahl systemrelevant ist. Wir alle haben ein hohes Interesse am Erhalt der nordrhein-westfälischen Stahlindustrie, insbesondere des Standorts Duisburg, des größten Stahlstandorts Europas.

(Vereinzelt Beifall von der CDU sowie Beifall von Ralph Bombis [FDP] und von Dietmar Bro- ckes [FDP])

Als Duisburgerin bin ich der Landesregierung daher sehr dankbar, dass sie in enger Abstimmung mit der Bundesregierung und den in der nationalen Stahl-Allianz vertretenen Bundesländern alle denkbaren Unterstützungsmöglichkeiten auslotet.

Die zentrale Bedeutung der Stahlindustrie für unser Land erkennt man auch an dem geplanten zweiten nationalen Stahlgipfel, der nun leider coronabedingt von Dezember auf das kommende Jahr verschoben werden muss.

Unser besonderer Fokus liegt dabei natürlich auf den direkt und indirekt Beschäftigten. In der Stahlindustrie haben wir zahlreiche hoch qualifizierte Arbeitsplätze, die wir zum Wohle der Menschen in der Region und zum Wohle der gesamten Region unbedingt erhalten wollen. Dafür wird die CDU-Fraktion ihren vollen Einsatz zeigen.

(Vereinzelt Beifall von der CDU und Beifall von Dietmar Brockes [FDP])

Die Stahlindustrie in Nordrhein-Westfalen kann aber nur langfristig eine Zukunft haben, wenn ihr der Transformationsprozess hin zu einer modernen und wettbewerbsfähigen Industrie gelingt.

Wir sind bereit, diesen Wandel nach Kräften politisch zu unterstützen. Allerdings ist hier natürlich auch das Management der Konzerne gefragt. Im Unternehmen selbst weiß man, dass es auch hausgemachte Fehler gibt, die nicht erst in den Monaten der Coronaphase entstanden sind, sondern bereits Jahre zurückliegen.

Die Politik ist nicht in der Lage, und es ist auch nicht ihre Aufgabe, alle unternehmerischen Fehlentscheidungen zu kompensieren.

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU] – Zuruf)

Anders verhält es sich – das haben meine Vorredner schon angesprochen – natürlich bei coronabedingten Schieflagen oder aber auch bei Wettbewerbs

verzerrungen. Hier – das hat der Minister schon klar ausgeführt – setzt sich die Landesregierung ganz stark für die Stahlindustrie ein.

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU] und von Dietmar Brockes [FDP])

Es ist daher wichtig, gemeinsam nach vorne zu schauen und Lösungen zu entwickeln, die für die Zukunft tragen und dazu führen, dass wir weiterhin die modernste und größte Stahlindustrie bei uns haben werden.

Ein ganz wesentlicher Schritt ist dabei unter anderem das Reallabor der Energiewende, für das thyssenkrupp den Zuschlag erhalten hat; auch das wurde vorhin schon angesprochen.

Dort wird der Wasserstoffeinsatz in einem Stahlwerk mit dem Ziel untersucht, eine CO2-neutrale Stahlproduktion auf den Weg zu bringen. Das ist sehr kostenintensiv, aktuell aber absolut zukunftsweisend und für uns alle auch der richtige Weg.

Diese federführende Zukunftstechnologie und viele weitere Programme, die bereits aufgezählt wurden, geben Hoffnung, dass NRW auch in den kommenden Jahren ein bedeutender Stahlstandort sein wird. Daran sollten wir weiterhin mit aller Kraft arbeiten. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Vereinzelt Beifall von der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Frau Kollegin Vogt. – Für die AfD-Fraktion spricht Herr Kollege Strotebeck.

Frau Präsidentin! Meine Damen, meine Herren! Wenn August Thyssen und Alfred Krupp heute noch leben würden: Was würden sie über ihr Unternehmen denken? Was würden sie über die deutsche Wirtschaftspolitik denken?