Protocol of the Session on November 25, 2020

Deshalb hoffe ich heute auf diesen großen Konsens. Ich hoffe, dass auch der Bund diesen Konsens mitgeht. Diesmal ist der Weg ja umgekehrt: Die 16 Länder haben etwas erarbeitet, und der Bund wird dazu Stellung nehmen. Je stärker und je gemeinsamer das auf der Bundesebene gelingt, desto klarer ist das Signal an die Menschen im Land.

Das ist auch meine Bitte hier in Nordrhein-Westfalen, weil es eben keine parteipolitische Frage ist – das habe ich eben deutlich gemacht –: Je stärker wir heute hier im Konsens zu den Maßnahmen stehen, die ab morgen in 16 deutschen Ländern gelten, desto stärker ist das Signal an die Menschen in NordrheinWestfalen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Wir sollten uns diesen Klein-Klein-Streit hier sparen. Wir können noch über vieles streiten, dafür gibt es genug Themen im Plenum. Aber bei der Frage, bei der das Signal an die Menschen wichtig ist, wünsche ich mir, dass wir einen möglichst großen Konsens schaffen. Wir versprechen den Menschen: Bei sinkenden Infektionszahlen werden wir die Einschränkungen auch zurücknehmen. Das können Sie mir persönlich abnehmen.

(Zuruf von der FDP)

Ich sage auch, wo wir beginnen: Bei der Jugend, dem Sport und der Kultur muten wir den Menschen viel zu. Wenn irgendeine Chance besteht, etwas zu verändern, dann werden wir bei der Jugend und der Kultur beginnen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Das ist mein Signal und mein Versprechen. Ich hoffe auf viel Gemeinsamkeit und werde Ihnen dann morgen darüber berichten, was wir in den Beratungen, die – ich muss gleich etwas früher weg – in wenigen Minuten mit den Vorbesprechungen beginnen, gemeinsam in Deutschland hinbekommen. Wenn wir weitermachen wie bisher, dann kommen wir gut durch die Pandemie und gut durch die vor uns liegenden Feiertage. Dann können wir entspannter in das Jahr 2021 gehen. – Vielen Dank und gute Beratungen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Ministerpräsident. – Ich eröffne damit die Aussprache und erteile als erstem Redner für die SPD dem Fraktionsvorsitzenden Kutschaty das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Heute werden in einer Videokonferenz wieder weitreichende Entscheidungen getroffen, die in das Berufs- und Privatleben aller Bürgerinnen und Bürger unseres Landes eingreifen werden.

Grundrechtseinschränkungen werden verlängert – zum Teil möglicherweise noch verschärft –, und zwar nicht von einem Parlament, sondern von 17 Regierungschefinnen und Regierungschefs. Deswegen ist es auch richtig und wichtig, dass wir heute vor dieser Videokonferenz der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs über die Maßnahmen debattieren, die jetzt ergriffen werden müssen.

Der Landtag vertritt die Interessen der betroffenen Bürgerinnen und Bürger. Deshalb ist es folgerichtig, dass die Landesregierung auch vor der Konferenz hier zuhören muss, was wir zu diesem Thema zu sagen haben. Aber genauso haben Sie die Verpflichtung, uns Abgeordnete darüber in Kenntnis zu setzen, was Sie vorhaben, heute bei dieser Konferenz als Interessen aus Nordrhein-Westfalen einzubringen. Es ist – so hat man das ja fast schon herausgehört – kein besonderes Entgegenkommen der Landesregierung, dass Sie sich bereit erklärt haben, vor der Konferenz zu berichten. Sie mussten dazu durch einen Antrag aus der Opposition ja regelrecht gezwungen werden.

(Christof Rasche [FDP]: Schauspiel!)

Ich verweise in dem Zusammenhang …

(Angela Freimuth [FDP]: Ha!)

Das war doch vorher nicht vorgesehen.

(Bodo Löttgen [CDU]: Schauspiel! Unfassbar!)

Damit verstoßen Sie gegen die Landesverfassung. Schauen Sie sich mal Art. 40 unserer Landesverfassung an.

(Zuruf von Bodo Löttgen [CDU])

Da steht nämlich, dass die Landesregierung das Parlament vor allen wichtigen Entscheidungen informieren muss.

(Beifall von der SPD)

Da dieses Verfassungsgebot von dieser Regierung zu lange ignoriert worden ist, können Sie sich ab jetzt sicher sein,

(Henning Höne [FDP]: Warum haben Sie denn im Ältestenrat der Tagesordnung zugestimmt, Herr Kutschaty?)

dass wir vor jeder Ministerpräsidentinnenkonferenz zum Thema Corona auch eine solche Unterrichtung vor den entsprechenden Beschlussfassungen in der Konferenz hier von Ihnen erwarten. Es gehört zum guten Ton und guten Stil, dass wir Ihnen unsere Meinung für solche Konferenzen mit auf den Weg geben können, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD)

Von der Landesregierung sind immerhin zehn Minuten angemeldet worden. Ich glaube, das ist die kürzeste Unterrichtung, die wir in diesem Parlament jemals hatten, um die Position der Landesregierung zu diesem Thema hier darzulegen. Die Lage, meine Damen und Herren

(Unruhe – Glocke)

beruhigen Sie sich mal ein bisschen –,

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Das ist so peinlich, Herr Kutschaty!)

die Lage ist so ernst, dass es eigentlich gar keinen Anlass gibt, sich hier jetzt künstlich aufzuregen.

(Beifall von der SPD – Michael Hübner [SPD]: Was ist denn daran schäbig, Josef? Schäbig ist das, was du reinrufst!)

Es wird gerade darüber berichtet, dass die Infektionszahlen nicht mehr so stark steigen wie in den letzten Wochen.

(Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])

Aber nach wie vor sind sie auf einem hohen Niveau. – Herr Kollege Hovenjürgen, wir unterhalten uns an dieser Stelle gerade über die 14.771 Toten, die Corona schon als Opfer gebracht hat, und Sie rufen und pöbeln hier dazwischen. Das passt überhaupt nicht, Herr Hovenjürgen.

(Beifall von der SPD)

Wir sprechen heute von einem neuen Höchststand, der mitgeteilt worden ist. Der Präsident hat es vorhin

gesagt: 410 Menschen sind in den letzten 24 Stunden an oder mit Corona gestorben. Der letzte Höchstwert war Mitte April mit 315 Menschen. Das zeigt, wie dramatisch die Lage heute ist. Wenn wir als Land jetzt Stehvermögen und Entschlossenheit beweisen, dann haben wir eine echte Chance, das Ende der Pandemie zu sehen. Wenn nicht, dann kann uns auch immer noch das Schicksal Italiens oder Frankreichs ereilen. Unsere Pflicht ist es, das gemeinsam zu verhindern.

Vielleicht wird im nächsten Jahr schon niemand mehr darüber reden, ob denn ein ausgefallenes Feuerwerk an Silvester wirklich so tragisch oder so schlimm gewesen ist. Aber wenn uns kurz vor der Einführung des Impfstoffes die Lage noch aus den Händen entgleitet, dann werden sich in 20 Jahren die Menschen noch fragen: Wie konnte das geschehen? – Das ist die Lage, in der wir uns befinden. Das ist das Risiko, das wir heute – insbesondere die Regierungschefinnen und -chefs – abzuwägen haben.

Die SPD-Fraktion kennt ihre Verantwortung. Wir werden auch weiterhin alle Maßnahmen mittragen, die notwendig und angemessen sind, um die Coronapandemie zu bekämpfen. Mehr noch: Wir werden sie auch dann in der Öffentlichkeit verteidigen, wenn sie unpopulär erscheinen. Aber wir haben auch klare Erwartungen an die Landesregierung, wenn wir in diesen Bereichen – wie auch in der Vergangenheit – hinsichtlich der Maßnahmen an ihrer Seite stehen.

Die letzte Ministerpräsdentinnenkonferenz war wahrlich kein Ruhmesblatt für Entscheidungsfreudigkeit. Am Montag letzter Woche hat die Kanzlerin schon vieles vorgeschlagen, nämlich: Kontaktbeschränkungen im privaten Bereich mit nur noch zwei Angehörigen aus anderen Haushalten. Das ist damals noch von dieser Landesregierung als zu früh abgelehnt worden. Drei Tage später macht der Ministerpräsident ein Interview in den Stuttgarter Nachrichten und sagt – ich darf zitieren –: Eine Familie darf sich nur noch mit zwei weiteren Personen aus einem anderen Hausstand treffen. – Das ist drei Tage vorher die Idee der Kanzlerin gewesen. Glauben Sie wirklich, Herr Laschet, dass es der Sache dient, erst die Bundeskanzlerin letzten Montag zu blamieren und sich dann mit ihren Vorschlägen profilieren zu wollen?

(Jochen Klenner [CDU]: Das zu „sachlich blei- ben“!)

Das sollte man besser andersherum machen, Herr Ministerpräsident.

(Beifall von der SPD)

Eine zweite Auffälligkeit, die man heute hier ansprechen muss: Herr Laschet, Sie loben das neue Infektionsschutzgesetz des Bundes. Die Veränderung in § 28a haben Sie als sehr weitreichend und sehr gut dargestellt. Das Gesetz ermöglicht eine noch größere Rechtssicherheit.

Dann erklären Sie uns heute hier in diesem Parlament aber doch bitte, Herr Laschet – was viele aus Ihrer Fraktion vielleicht auch gar nicht wissen –: Warum hat diese Landesregierung letzten Freitag im Bundesrat diesem doch so guten Gesetz nicht zugestimmt? Warum hat Nordrhein-Westfalen dem neuen Infektionsschutzgesetz die Zustimmung im Bundesrat verweigert? – Keine Zustimmung aus NordrheinWestfalen zur Politik der Bundesregierung. Ist das die Gemeinsamkeit, das gemeinsame Vorgehen? Ich glaube, der dahinterstehende Grund ist doch klar: Diese Landesregierung spricht nicht mit einer Stimme.

(Beifall von der SPD)

Sie halten uns vor, wir sollten solidarisch sein. Werden Sie erst einmal in Ihrer eigenen Landesregierung solidarisch! CDU und FDP wissen doch offensichtlich selbst nicht, was sie machen. Dann kommt es zu so peinlichen Situationen im Bundesrat, dass bei solch wichtigen Gesetzen die Zustimmung NordrheinWestfalens ausbleiben muss.

Die FDP ist hierbei der Auffassung gewesen – ich weiß nicht, wie es jetzt ist, das werden wir gleich hören –: Gastronomie, Kultur, Freizeit und Sport sollten möglichst nicht geschlossen werden. Die FDP hat angekündigt, ein eigenes Gesetz – auch hier in Nordrhein-Westfalen – auf den Weg bringen zu wollen. Von der CDU habe ich da bislang noch nichts gehört. Wie sollen wir eigentlich sicher sein, dass das, was Sie heute auch in der Ministerpräsidentinnenkonferenz besprechen, die Stellungnahme der gesamten Landesregierung ist? Vor einer abgestimmten Regierungserklärung drücken Sie sich ja bis heute noch, weil Sie diese nicht zusammenbekommen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall von der SPD)

Die Konsequenz haben wir doch heute in Ihrer Unterrichtung gehört, Herr Laschet. Das, was Sie hier gesagt haben, war so unverbindlich, so abstrakt und so gewunden, als müssten Sie durch rote Laserschranken klettern.