Protocol of the Session on November 25, 2020

Ich sage das jetzt so präzise, weil ich dem Minister an der Stelle Vorwürfe machen muss, denn er hat in

diesem Jahr auch diesen Eindruck erweckt. Ich kann mich gut an die Diskussion in Essen erinnern, bei der es um die Frage der Schließung von zwei Standorten der Contilia Gruppe ging. Da haben die Christdemokraten vor Ort alle nur auf die Contilia Gruppe gezeigt und überhaupt nicht gesagt, dass die Konsolidierung in der Region Rhein-Ruhr etwas mit der Planung der Landesregierung zu tun hat. Deswegen, Herr Minister, müssen Sie Farbe bekennen, ob Sie weiterhin zu Ihrer Ausgangsannahme stehen, dort zu konsolidieren und den Prozess nach vorne zu begleiten. Das heißt: weniger Krankenhausstandorte in meiner Heimatstadt und weniger Krankenhäuser gerade in diesem verdichteten Raum. – Stehen Sie noch dazu?

(Karl-Josef Laumann, Minister für Arbeit, Ge- sundheit und Soziales: Ja!)

Oder gibt es im Kommunalwahlkampf dazu immer eine andere Meinung, damit der Oberbürgermeister der schwarzen Partei die Wahl gewinnen kann? – Das müssen Sie sich an der Stelle im Zweifel schon gefallen lassen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Das ist deswegen auch jetzt so wichtig, weil wir gerade bei Corona Prioritätenentscheidungen treffen müssen. Ich bin nicht mehr sicher, ob die Nachverfolgungsorgien – das sage ich Ihnen ganz offen – in den Gesundheitsämtern die richtige Strategie ist. Herr Drosten schlägt eine völlig andere Strategie vor. Er sagt: Seht zu, dass die infizierten Leute selber dafür sorgen, ihre Kolleginnen und Kollegen zu informieren, während wir uns eher darum kümmern müssen, die Impfungen und die Teststrategien vorzubereiten.

Es ist doch jetzt so – obwohl Herr Spahn die Teststrategien im Bund verordnet hat –, dass die Besucherinnen und Besucher in den Pflegeheimen definitiv nicht getestet werden, Herr Minister. Ich habe mich bei den Trägerinnen und Trägern der Einrichtungen mehrfach vergewissert: Es wird nicht oder nur sporadisch getestet. Das war nicht der Wille der Bundesregierung, Herr Minister Laumann.

Ich möchte noch einen zweiten wichtigen Punkt ansprechen, weil Sie sowohl Arbeits- als auch Gesundheitsminister sind. Wir haben im Frühjahr im harten Kampf das Freiwilligenregister umgesetzt. An dieser Stelle noch einmal vielen Dank an die Kolleginnen und Kollegen, insbesondere der Fraktionsführung meiner und auch der SPD-Fraktion, dass dieses Pandemiegesetz so nicht durchgekommen ist, wie Sie es vorgeschlagen haben. Das bestehende Freiwilligenregister – das haben Sie am Montag selber noch einmal angesprochen – ist in seiner jetzigen Form ein zahn- und papierloser Tiger. Die Menschen, die dort auf dem Papier stehen, kommen nicht zur Arbeit, und die Arbeit kommt nicht zu den Menschen. Das muss dringend anders werden, dafür ist die Situation viel zu ernst.

Dazu erwarte ich jetzt auch eine klare Zusammenarbeit mit den Kommunen. Werden Sie da aktiv. Sorgen Sie mit dafür, dass in den Pflegeheimen und Einrichtungen bei den Menschen die Impfstrategien ankommen, damit die Arbeit gemacht werden kann. Das ist viel wichtiger, als sich da in parteipolitischem Geplänkel oder gar in Beschimpfungen der Kommunen, sie würden nicht mitmachen, zu verlieren. Sorgen Sie dafür, dass im öffentlichen Gesundheitsdienst jetzt alle an einem Strang und in die richtige Richtung ziehen! Das wäre die Aufgabe der nächsten Wochen und Monate. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Mostofizadeh. – Für die FDP-Fraktion spricht Frau Kollegin Schneider.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich weiß nicht, warum die Herren der Opposition hier so rumgeschrien haben. Das ist auf Dauer nicht gesund. Das sage ich Ihnen jetzt einmal als Gesundheitspolitikerin meiner Fraktion.

(Heiterkeit von Karl-Josef Laumann, Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales)

Herr Mostofizadeh, Sie sagten, der Kollege Preuß habe so viele Fleißkärtchen verteilt. Entspannen Sie sich, ich habe auch noch ein paar mitgebracht.

Nachdem wir jetzt einiges zum Thema Krankenhäuser und größere Investitionen gehört haben, würde ich jetzt gerne mit Ihnen allen einen Blick in Richtung Prävention und Aufklärung werfen. Wir haben von den Sozialdemokraten gehört, dass wir die Mittel für die Aidshilfe faktisch gekürzt hätten. Das ist schlicht und einfach nicht wahr. Diese Landesregierung hat in den letzten beiden Jahren die Mittel für die Aidshilfe kontinuierlich erhöht.

Ja, die Aidshilfe – nicht nur Sie haben heute mit denen gesprochen – hat weniger Einkünfte, weil die Benefizveranstaltungen wegfallen. Aber dann müssen wir auch ganz konkret zusammensitzen, und die Aidshilfe muss sagen, was sie braucht. Ich bin mir sicher, dass wir da eine Lösung finden. Denn die Union und die Landtagsfraktion haben die Aidshilfe, die einen ganz wichtigen Job leistet, noch nie hängen lassen.

(Beifall von Peter Preuß [CDU] – Lisa-Kristin Kapteinat [SPD]: Ich bin gespannt!)

Zu den Themen Prävention und Impfung wurde auch schon viel gesagt. Wir haben uns bereits bei den Beratungen zum Haushalt 2018 für eine Impfkampagne eingesetzt und dazu damals 200.000 Euro eingestellt. Diese Kampagne wurde inzwischen unter dem Namen „Impfcheck NRW“ umgesetzt. Wir stehen hier

aber vor neuen Herausforderungen, wenn in Kürze die Coronaimpfungen anlaufen. Umfragen zeigen zurzeit, dass nur rund 60 % der Bevölkerung bereit sind, sich sicher oder wahrscheinlich impfen zu lassen. Diese Quote wird definitiv nicht ausreichen, um einen umfassenden Schutz im Sinne einer Herdenimmunität zu erreichen.

Es ist deshalb richtig und wichtig, dass auch im kommenden Haushalt die Mittel für eine Impfkampagne weiter zur Verfügung stehen. Wir müssen über die Bedeutung des umfassenden Impfschutzes zur Bekämpfung der Pandemie aufklären und Bedenken hinsichtlich der Wirkmechanismen und der schnellen Zulassung argumentativ entgegentreten. Wir wollen nicht auf Zwang, sondern auf Aufklärung und Überzeugung setzen.

(Beifall von der FDP)

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, ein weiterer – mir besonders wichtiger – Punkt ist die Verbesserung der Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit Diabetes in Schulen und Kindertagesstätten. Dazu haben wir im Haushalt 2019 erstmals Mittel eingestellt. Diese Mittel finden sich auch im Haushaltsplan für 2021.

Eine chronische Erkrankung wie Diabetes bedeutet für die betroffenen Kinder und Jugendlichen eine Belastung, die sich auf ihr ganzes Leben auswirkt. Besonders im Schulalltag fallen solche Einschränkungen ins Gewicht. Dort gibt es oft große Verunsicherungen, die dazu führen, dass die betroffenen Kinder leider häufig benachteiligt und zum Beispiel von Ausflügen, Klassenfahrten oder dem Sportunterricht ausgeschlossen werden. Das Projekt „Diabetes in Schule und Kita“ ist inzwischen mit unseren Partnern der Deutschen Diabeteshilfe und der Arbeitsgemeinschaft für Pädiatrische Diabetologie erfolgreich angelaufen.

Neben der Einrichtung einer Koordinierungsstelle und der Entwicklung eines Handlungskonzeptes wurden seit dem letzten Jahr auch reichlich Informationsveranstaltungen und fallbezogene Schulungen für das Personal in Kindertagesstätten und Schulen durchgeführt, sodass die Teilhabe von an Diabetes erkrankten Kindern deutlich verbessert werden konnte.

(Beifall von Ralf Witzel [FDP])

Die bisherigen Erfahrungen zeigen aber auch, dass in diesem Bereich noch weiterer Bedarf besteht. So ist auch die Begleitung bei Ausflügen und Klassenfahrten Teil des Projektes. Diese sind aber in diesem Jahr coronabedingt weitgehend ausgefallen. Wir schauen jetzt, dass auch diese Mittel erhöht werden können, damit diese betroffenen Kinder und Jugendlichen wie gesunde Kinder an Klassenfahrten teilnehmen können. Unser Gesundheitsminister Karl-Josef

Laumann hat mir schon signalisiert, dass wir das hinbekommen.

Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen, mit einem neuen Haushaltsansatz in Höhe von 600.000 Euro wollen wir eine Förderung des Vereins Aktion Friedensdorf einführen. Dieser Verein hilft kranken und verletzten Kindern aus Kriegs- und Krisengebieten. Eine medizinische Behandlung dieser Kinder ist in der Regel im Herkunftsland schlicht unmöglich, während sie mit unsern Möglichkeiten erfolgreich sein kann. Mit der neuen Landesförderung wollen wir den laufenden Betrieb des Friedensdorfes sichern, damit die Spendeneinnahmen künftig gezielt zur Finanzierung der Behandlungen eingesetzt werden können.

Auch im Bereich der Pflege- und der Gesundheitsberufe setzen wir neue Akzente. So wollen wir die Erstattung des Schulgeldes in den Gesundheitsberufen über den bisherigen Satz von 70 % hinaus erhöhen und perspektivisch eine völlige Schulgeldfreiheit erreichen. Dazu werden wir die entsprechenden Haushaltsmittel nahezu verdoppeln. Dies ist ein wichtiges Signal zur Steigerung der Attraktivität der Ausbildung und zur Bekämpfung des Fachkräftemangels in den Gesundheitsberufen.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Wir unterstützen zudem die Einführung der generalistischen Pflegefachassistenzausbildung und fördern hier rund 2.000 Ausbildungsplätze.

Der Haushalt der NRW-Koalition zeigt damit den richtigen Weg für eine gute Gesundheitsversorgung der Menschen hier in Nordrhein-Westfalen. – Ich danke Ihnen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vielen Dank, Frau Kollegin Schneider. – Für die AfD-Fraktion spricht Herr Kollege Dr. Vincentz.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ein kurzer Kommentar zu Herrn Kollegen Yüksel: Ich darf mit Erlaubnis der Präsidentin einen Tweet Ihres Gesundheitssprachrohrs Lauterbach aus dem letzten Jahr, genauer gesagt vom 4. Juni 2019, zitieren, der da schreibt:

„Jeder weiß, dass wir in Deutschland mindestens jede dritte, eigentlich jede zweite, Klinik schließen sollten.“

Ich meine, da hat der Kapitän des FC Landtag an der Stelle ein ziemlich böses Eigentor geschossen.

(Lachen von Angela Lück [SPD])

Aber kommen wir zurück zum Haushalt. Im Haushalt dreht sich dieses Jahr relativ vieles um die Coronakrise; das ist verständlich. Zudem erfolgen einige Weichenstellungen, die die politischen Beschlüsse zum Beispiel rund um die Pflegekammer finanziell abbilden, etc. Insgesamt gibt es also nichts, was besonders ins Auge stechen oder einen besonders überraschen würde oder per se total verwerflich oder falsch wäre. Man könnte natürlich an jeder Stelle die einzelnen Anträge wieder aufmachen und darüber ideologisch debattieren. Aber diese Diskussion haben wir schon geführt. Das jetzt fiskalpolitisch abzubilden, ist insofern nur logisch.

Aber ein weiteres Mal, ein weiteres Jahr wurden die Chancen vertan, sich heute schon auf die Probleme von morgen vorzubereiten. Hier wird die Gegenwart verwaltet, aber mit Sicherheit keine Zukunft gestaltet. Vieles, was in diese Richtung gehen soll, bleibt auf dem Level der Kosmetik stehen.

Wir werden uns bei der Abstimmung über den Gesamtplan enthalten. Zwar sehen wir durchaus, dass Sie bemüht sind, einige Dinge anzugehen, zum Beispiel mit der Landarztquote. Aber es bleibt, wie gesagt, auf dem Level der Kosmetik.

An dieser Stelle müsste es eine viel größere Kraftanstrengung geben. Denn wenn laut „Deutschem Ärzteblatt“ bereits dieses Jahr 6,4 % der Stellen für Ärzte und sogar 11,3 % der Stellen in der Pflege nicht besetzt werden, dann sehen wir, dass es mehr als an der Zeit ist, hier entschiedener zu handeln. Ansonsten werden absehbar – 2040, so rechnet man hoch – 14,4 % der Arztstellen und 25,4 % der Stellen in der Pflege unbesetzt bleiben. Das wären dann insgesamt auf die Gesundheitsbranche gerechnet 3,3 Millionen unbesetzte Stellen, so das Forschungsinstitut Prognos.

Oder um es Ihnen vielleicht besser zu verdeutlichen: Die Wartezeit beim Hausarzt würde sich bis 2030 verdoppeln, und in den Krankenhäusern müssten die Schwestern dann durchschnittlich 60 Stunden in der Woche arbeiten, damit man die Versorgungsqualität von heute halten könnte und diese nicht weiter absinken würde.

(Helmut Seifen [AfD]: Unglaublich!)

Man kann sich also in etwa vorstellen, wie die Behandlungen in der Realität ablaufen werden, wenn hier nicht substanziell gegengesteuert wird.

Ebenso weiter nicht abgebildet – diesem Umstand wird auch nicht Rechnung getragen – sind die über 500.000 Menschen, die in Deutschland pro Jahr Krankenhausinfektionen erleiden. Bis zu 20.000 von ihnen sterben dabei jährlich, so das Robert KochInstitut. Daher hat laut einer Befragung mittlerweile mehr als jeder vierte Deutsche Angst davor, sich ins Krankenhaus zu begeben. Das muss man sich einmal vorstellen. Denn das Krankenhaus ist eigentlich

die Stelle, an die man sich wenden sollte, wenn man Hilfe braucht. Auch hier fehlen jedes Konzept und jede Kraftanstrengung, um dem endlich zu begegnen.

Ich möchte an dieser Stelle – besonders prominent – einen bösen Brief von Herrn Professor Dr. Reinhart, dem Präsidenten der Global Sepsis Alliance, erwähnen – er ist Professor an der Charité –, den er an Herrn Dr. Schäuble im Deutschen Bundestag gerichtet hat und in dem er recht empört darauf hinwies, dass die AfD NRW bislang die einzige Fraktion ist, die sich überhaupt dem Thema „Sepsis“ parlamentarisch angenommen hat.

(Beifall von der AfD – Helmut Seifen [AfD]: Un- glaublich!)

Die nächste verwaiste Großbaustelle schließt sich gleich an: Die Zahl der resistenten und multiresistenten bakteriellen Erreger von Infektionen nimmt weiter stetig zu. An den Folgen versterben hierzulande 2.000 Personen pro Jahr. Aber auch hier ist keine Abhilfe in Sicht.

Und wie geht es den Helfern? Wer hilft dann den Helfern selbst? Laut einer aktuellen Befragung leiden mittlerweile rund 55 % der befragten deutschen Ärzte unter depressiven Verstimmungen, Burn-out-Symptomen oder beidem – und damit noch einmal 10 % mehr als laut einer ähnlichen Umfrage im Jahr 2018. Als Ursache ihrer psychischen Belastungen gab dabei die Mehrheit der Ärzte, die unter depressiven Symptomen litten, direkt die Arbeitssituation an. Eine Hilfestellung dazu aus der Politik? Auch in diesem Jahr wieder Fehlanzeige!