Protocol of the Session on November 25, 2020

Hier haben wir eine völlig andere Situation als beim Wohngeld. Einen Wohnberechtigungsschein erhält nur jemand bis zu einem bestimmten Einkommen. Circa die Hälfte, sagt man gemeinhin, der Bevölkerung in NRW hat Anspruch auf einen solchen Wohn

berechtigungsschein. Aber das bedeutet keinesfalls, dass man nun eine preisgebundene Wohnung bekommt. Mitnichten. Man bekäme nur eine, wenn es denn eine gäbe. Das ist aber in den allermeisten Fällen nicht so. Entsprechend fallen bei diesem Konstrukt immer Menschen hinten runter. Das betrifft vor allem diejenigen, die besonders bedürftig am Wohnungsmarkt sind und besonders schwer eine Wohnung finden: Familien mit mehreren Kindern.

Aber dafür loben wir uns hier ja immer wieder gern. Sie jedenfalls tragen vor, dass NRW das Land ist, das das meiste Geld für die Förderung von sozialem Wohnungsbau ausgibt. Als Bundesland mit den deutlich meisten Einwohnern liegt das jedoch wohl auch in der Natur der Sache.

Eben sprach schon jemand an, es ist halt leider so, dass das viele Geld, das auch hier reinströmt, mit Blick auf das Ergebnis nicht angemessen ist. Viel Geld für immer weniger Wohnungen! Die Gründe sind schnell aufgezählt: Die wenigen Grundstücke sind leider zu teuer, die Baustandards werden immer höher und damit auch teurer, und die Investoren, denen das Geld ja zufließt, wollen – nachvollziehbarerweise – auch ein wenig Geld verdienen.

Es funktioniert auch ansonsten nicht ganz so richtig; denn ein guter Teil der Wohnungen – und niemand weiß, wie viele, weil es niemand prüft und niemand prüfen möchte – ist fehlbelegt. Dort wohnen also Leute, die irgendwann mal wegen eines relativ geringen Einkommens dort einziehen durften. Sie hatten mal einen Wohnberechtigungsschein, und danach hat es niemand mehr geprüft. Es hat niemanden interessiert, ob der Studienrat oder der Herr Rechtsanwalt immer noch dort lebt – subventioniert in einer Sozialwohnung. Das alles ist, ehrlich gesagt, nicht wirklich gerecht, und es wird wohl auch nicht besser werden, jedenfalls nicht unter dieser Landesregierung.

Des Weiteren haben wir noch ein – nein, wir haben noch ganz viele Programme zur Beschaffung von Grundstücken, vorrangig für Wohnungsbau. Zum Beispiel haben wir da die interkommunale Kooperationsoffensive Baulandentwicklung mit einem Plus von 600.000 Euro auf dann 1,35 Millionen Euro im Haushalt. Wir haben die Initiative „Bau.Land.Bahn“ mit einem Plus von 350.000 Euro auf dann 2,3 Millionen Euro. Wir haben die Initiative „Bau.Land.Partner“ mit einem Ansatz von 1,4 Millionen Euro und schließlich 850.000 Euro für das „Flächenmanagement Rheinisches Revier“.

Das ist alles gut, alles richtig. Das wollen wir gar nicht bemängeln. Das Geld ist gut angelegt. Aber diese Beträge, die hier aufgelistet wurden, sind alle nur Kleingeld. Das ist nur die Portokasse. Das sind auf neudeutsch Peanuts im Vergleich zu den Beträgen, die hier demnächst für uns alle ausgegeben werden, für unser Wohlbefinden, für unsere räumliche Erbau

ung, wenn hier nämlich ein Erweiterungsbau des Landtages ansteht. Dieses Gebäude, in dem wir alle sitzen, soll ja nicht mehr ausreichen. Es wird erweitert, es wird zum Teil neu gebaut. Hier werden dann 100 Millionen Euro, 200 Millionen Euro oder vielleicht auch mehr ausgegeben. Das ist alles noch nicht absehbar. Aber für den dringend benötigten Wohnraum, den Bau dieser Wohnungen und den Kauf von Grundstücken fehlt dieses Geld dann wohl. Hier wird aber erstellt, koste es, was es wolle. Es gibt keinen Kostendeckel, und das alles in Zeiten von Corona, wenn alle anderen den Gürtel enger schnallen müssen.

Da wäre es ja eigentlich nahe liegend – insofern auch zum Haushalt –, den Landtag zu verkleinern. Wie durch ein Wunder wäre wieder Platz, und der im Grunde vorher auch schon ausreichende Platz wäre noch viel angemessener. Die Heimarbeit täte ihr Übriges, und ganz viel Geld wäre für Wohnungsbau, für den Kauf von Grundstücken oder für alles da, was unsere Bürger mit nicht so hohem Einkommen vielleicht noch brauchen. – Vielen Dank.

(Beifall von der AfD)

Für die Landesregierung spricht die Ministerin, Frau Scharrenbach.

Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Es freut mich, dass Sie offenkundig fraktionsübergreifend die öffentliche Wohnraumförderung des Landes begrüßen. Es ist ja immer so, dass der Erfolg viele Väter hat. Deshalb gehen Sie ganz weit bis zur Ausgründung des Wohnraumfördervermögens im Zuge der WestLB-Geschichte zurück. Wenn ich mich richtig erinnere, ist die WestLB darüber letztendlich irgendwann sehr angeschossen gewesen, weil es durch sie fehlerhaft verzinst wurde. Aber das ist egal.

Sie greifen also, glaube ich, bis 1999 zurück. 2000 muss das gewesen sein, Angela, wenn ich mich richtig an die gemeinsame Zeit im Untersuchungsausschuss zur Westdeutschen Landesbank erinnere.

(Heiterkeit von Angela Freimuth [FDP])

Aber Sie finden sie auch als SPD gut. Das freut mich.

(Sarah Philipp [SPD]: Sie haben doch auch gerade etwas von 2003 erzählt!)

Insofern vielen Dank für das Lob, das Sie heute durch die Blume ausgesprochen haben. In der Tat kann sich die öffentliche Wohnraumförderung des Landes Nordrhein-Westfalen sehen lassen, und sie ist beispielhaft. Ausgestattet ist sie mit 1,1 Milliarden Euro pro Jahr.

(Sarah Philipp [SPD]: Widerspricht sich in je- dem Tagesordnungspunkt!)

Wir haben ganz bewusst viele ökologische Komponenten in die öffentliche Wohnraumförderung aufgenommen, nämlich das natürliche Bauen, das wir fördern wollen. Im Vorgriff bis 2017 war das übrigens in der Art und Weise nicht der Fall. Aber das tun wir, weil wir ein Verständnis dafür haben, dass sich mit der Baukultur, die sich ändern muss, die natürliche und die gebaute Umwelt verändern wird und wir als Menschen und als Verantwortungsträgerinnen und Verantwortungsträger der Landesregierung darauf erheblichen Einfluss nehmen können.

Also haben wir in die öffentliche Wohnraumförderung das Thema „Bauen mit Holz“ aufgenommen. Wir haben die natürlichen Dämmstoffe aufgenommen, die wir verstärkt sehen wollen. Die Wohnungsbauunternehmen springen darauf an, und das ist das Schöne, und zwar nicht nur im Rahmen der öffentlichen Wohnraumförderung, sondern sie nehmen auch zunehmend für alle anderen Wärmemaßnahmen an Bestandsimmobilien natürliche Dämmmaterialien. So soll es auch sein.

Deswegen leistet die öffentliche Wohnraumförderung neben den Komponenten, auf die ich gleich eingehen werde, eine wichtige Motivation, um letztendlich Innovationen auch in die Regelmärkte zu bekommen. So haben wir dem Grunde nach diese öffentliche Wohnraumförderung aufgestellt.

Wenn Sie kritisieren, Herr Abgeordneter Becker, wir brauchen ungefähr pro Jahr 10.000 umfassend barrierefreie Wohnungen, kann ich Ihnen sagen: Ja, die entstehen. Die entstehen seit dem 1. Januar 2019, weil diese Landesregierung nämlich die BarrierefreiVorschriften in Nordrhein-Westfalen nicht nur im Gesetz verankert hat – und zwar für jede Wohnung im Geschosswohnungsbau –, sondern wir auch eine Lücke geschlossen haben, die Sie in den sieben Jahren Ihrer Regierungszeit nicht haben schließen wollen, nämlich die Einführung einer Technischen Baubestimmung.

Wenn ich heute in Stellungnahmen zur Bauordnung lese – darauf kommen wir gleich –, dass Verbände uns auffordern: „Die ebenerdige Dusche muss der Standard im Geschosswohnungsbau sein“, dann muss ich sagen: Das ist sie seit dem 1. Januar 2019; denn das besagt dem Grunde nach die Technische Baubestimmung. Vor dem Hintergrund: Jede Wohnung, die unter dem neuen Baurecht gebaut wird, ist in dem Sinne umfassend barrierefrei, in dem Sie es einfordern.

Damit Sie ein Gefühl dafür bekommen, wie viele barrierefreie Wohnungen in den nächsten Jahren auf den Markt kommen, müssen Sie die Baufertigstellungszahlen der letzten Jahre nehmen. 2019 war ein Rekordjahr. Seit 2011 gibt es fast 46.000 neue Wohnungen in Nichtwohngebäuden und in Wohngebäu

den. Rekordjahr! 2020 wird es nicht anders sein. Die Zahlen werden wesentlich höher sein, und die nächsten Jahre lassen auch Entsprechendes vermuten.

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

Das, meine Damen und Herren, funktioniert nur, wenn Sie eine Landespolitik machen, die den Kleininvestor ebenso wie den Unternehmer begrüßt, wenn er in Nordrhein-Westfalen investieren, bauen und im Besonderen auch Wohnraum schaffen will, und die mit der entsprechenden Regulatorik der Bauordnung – Denkmalschutzgesetz und anderen rechtlichen Vorgaben – dafür sorgt, dass ein Klima für Neubau in diesem Land entsteht.

Das ist, offen gesagt, auch entstanden. Das merken wir an den Baugenehmigungen. Denn die Baugenehmigungen setzen ja den Antrag und den Willen der Bauherrschaft voraus, in Wohnraum zu investieren. Es sind hervorragende Zahlen, die letztendlich durch die unteren Bauaufsichtsbehörden bisher – einschließlich des dritten Quartals 2020 – geliefert worden sind. Die Ampeln im Wohnungsbau stehen also auf Grün.

Es gibt mittlerweile zwei Länder in der Bundesrepublik Deutschland – das ist inzwischen auch außerhalb des Landes Nordrhein-Westfalen, wo man hinschaut, weitestgehend anerkannt –, die den Turnaround am Wohnungsmarkt geschafft haben. Neben Nordrhein-Westfalen ist das Hamburg.

Ich sage das immer wieder: Es gibt ganz viele Investoren, die deutlich machen, dass man es durch die Politik, die hier in Nordrhein-Westfalen von CDU und FDP gemacht wird, schaffen kann, Mieten und Mietentwicklungen in Seitwärtsbewegungen und perspektivisch in die abnehmende Bewegung zu lenken, und zwar durch eine vernünftige Wohnraum- und Baupolitik, die wir auf den Weg bringen – zugleich verbunden mit erhöhten Anforderungen, wenn es darum geht, natürlich zu bauen und das natürliche Gebäude der Zukunft auf den Weg zu bringen.

Deswegen, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist dieser Haushalt für das Jahr 2021 ein Aufbruchshaushalt.

(Beifall von Frank Boss [CDU])

Es ist ein Aufbruch in der Stadtentwicklung. Es ist ein Aufbruch im ländlichen Raum. Es ist ein Aufbruch für den Denkmalschutz. Es ist ein Aufbruch für die Förderung der Heimat, der natürlichen Lebensgrundlagen in dem Bereich des Bauens. Das Ganze wird durch eine entsprechende Bauordnung flankiert, die Sie erreichen wird. Es wird Sie das Wohnraumstärkungsgesetz erreichen, in welchem wir Lücken schließen, die Sie gelassen haben – insbesondere bei der Begleitung von Sammelunterkünften für EUSüdosteuropäer. Diese Lücken haben Sie nicht geschlossen, da Sie sie gar nicht gesehen haben. Wir schließen sie jetzt, um dafür Sorge zu tragen, dass

der Grundsatz des Grundgesetzes „Eigentum verpflichtet“ sowohl die schützt, die rechtmäßig und sinnvoll mit ihrem Eigentum umgehen, aber auch gleichzeitig die zu Rate zieht, die das nicht tun und zum Nachteil von Menschen in Nordrhein-Westfalen handeln. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP – Zuruf von Sarah Philipp [SPD])

Vielen Dank, Frau Ministerin. – Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Von daher schließe ich die Aussprache zu diesem Teil b) Heimat, Bauen und Wohnen.

Wir kommen zum Bereich:

c) Gleichstellung

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die SPD der Kollegin Butschkau das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Millionen Menschen weltweit setzen am heutigen 25. November wieder ein Zeichen gegen Gewalt an Frauen und Mädchen. Mit orange angestrahlten Gebäuden, Mahnwachen, Plakataktionen und anderen Aktivitäten setzen wir gemeinsam ein Zeichen – ein Zeichen gegen Gewalt und für Solidarität. Wir zeigen: Gewalt gegen Frauen und Mädchen geht uns alle an. Gewalt gegen Frauen und Mädchen ist niemals privat.

Anlässlich dieses internationalen Aktionstages würde ich normalerweise auch in diesem Jahr an Aktionen der zahlreichen Frauenverbände teilnehmen und dort mein Wort für die Opfer von Gewalt ergreifen. Mein solidarischer Gruß geht daher an all die Menschen, die gerade für gewaltbetroffene Frauen als Botschafterin und Botschafter auf der Straße sind oder sich coronabedingt auf andere Art und Weise mit den Opfern solidarisieren. Danke für euer Engagement!

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, es ist ein gutes Timing, dass wir ausgerechnet an diesem Gedenktag über den Gleichstellungshaushalt des Landes debattieren. Denn nicht nur, aber auch wegen Corona und des mittlerweile zweiten Lockdowns ist Gewalt gegen Frauen und Mädchen ein zentrales gleichstellungspolitisches Thema, das sich auch im Haushaltsplan widerspiegelt.

Die SPD-Fraktion nimmt wahr, dass der zuständigen Ministerin das Thema wichtig ist und sehen auch, dass sich diese Bedeutung im Haushalt positiv abbildet. Trotzdem gibt es nach wie vor zu wenig Schutz

plätze für die Opfer. Wer sich die Belegungssituation der Frauenhäuser ansieht, stellt fest, dass Betroffene vor Ort meist abgewiesen werden müssen, weil alle Plätze belegt sind. Für viele Frauen beginnt dann eine Odyssee durch Nordrhein-Westfalen, um ein Frauenhaus mit freien Plätzen zu erreichen. Können wir uns damit zufriedengeben? – Die SPD-Fraktion sagt: Nein.

Unser gemeinsames Ziel ist es, dass jeder Frau, die Opfer von Gewalt geworden ist, ein adäquates Hilfs- und Schutzangebot gemacht wird – egal, ob diese Frau in der Stadt oder auf dem Land lebt. Von daher war es gut, dass der Bund ein Investitionspaket für den Neu- und Ausbau von Frauenhäusern und Frauenberatungsstellen aufgelegt hat. Das ist ein wichtiges Signal der Bundesministerin Franziska Giffey für die Zukunft.

Kommen wir nun zum Haushalt des Gleichstellungsministeriums. Eine Bedarfsanalyse zur Frauenhilfeinfrastruktur sollte es bereits im Herbst geben. Diese sollte klären, wie hoch denn nun der Investitionsbedarf quer durch das Land ist. Leider liegt diese Bedarfsanalyse bis heute nicht vor. Dem Haushaltsplan entnehmen wir zusätzlich eingeplante 5,75 Millionen Euro für die Frauenhilfeinfrastruktur.

Dahinter stehen für uns erst einmal viele Fragezeichen. So wird beispielsweise offengelassen, wofür die 5 Millionen Euro, die ursprünglich für Investitionen in die Frauenhäuser vorgesehen waren, nun eigentlich zur Verfügung stehen. Wofür soll das Geld ausgegeben werden? Wer kann davon profitieren? Reicht das Geld überhaupt aus? – Verstehen Sie mich bitte nicht falsch. Das Geld ist da, wo es jetzt eingeplant ist, gut aufgehoben – keine Frage. Allerdings haben wir bis heute keine sachliche Antwort darauf bekommen, wie diese Summe zustande gekommen ist und was damit konkret finanziert werden soll. Transparenz und Konzept sind nicht zu erkennen.

(Beifall von der SPD)

Sehr geehrte Damen und Herren, wie ich eingangs bereits erwähnte, muss die Zahl der Schutzplätze in Nordrhein-Westfalen erhöht werden. Daher setzen wir uns für den Bau neuer Frauenhäuser ein. Ein neues Haus pro Jahr ist dabei unsere Zielmarke. Deshalb hatten wir dazu einen Antrag eingebracht, der im zuständigen Ausschuss leider abgelehnt wurde.

Wir fordern, dass das Hilfe- und Schutzsystem langfristig auf stabile Füße gestellt wird. Die Träger der Frauenhilfeinfrastruktur brauchen finanzielle Klarheit und Sicherheit, um sich auf ihre eigentliche und wichtige Aufgabe konzentrieren zu können, nämlich Beratung und Begleitung, statt den ständigen Kampf um Fördermittel und Spenden führen zu müssen. Gemeinsam mit dem Bund können wir Gewalt gegen Frauen und Mädchen entschieden bekämpfen. Also: