In diesem Sinne hoffe ich – wahrscheinlich mit Ihnen zusammen, Frau Präsidentin –, dass das Europäische Parlament und der Rat dem ausgehandelten Kompromiss im Dezember zustimmen und wir heute Ihre Unterstützung für unseren Antrag erhalten werden. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Dr. Bergmann. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der FDP Herr Abgeordneter Kollege Nückel das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Europa und seine Werte stehen abermals unter Druck. Das ist nicht neu, aber die Staaten, die unsere Gemeinschaft bilden, standen bislang immer zusam
men und waren trotz aller Meinungsverschiedenheiten sich in grundlegenden Fragen immer einig: die Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Gleichheit und die Wahrung der Menschenrechte. Das verband alle Mitgliedsstaaten und den allergrößten Teil der Bürger der Europäischen Union – und ja, das tut es auch heute noch.
Der Rechtsstaatsbericht der EU-Kommission – Kollege Bergmann hat ihn gerade kurz erwähnt – bescheinigt den Mitgliedsstaaten der EU ein hohes Niveau an Rechtsstaatlichkeit. Die Entwicklung geht ja auch in die richtige Richtung. Diejenigen, bei denen es noch nicht so gut funktioniert, wie Malta, Lettland, die Tschechische Republik, Zypern und sogar Schweden – das hat mich überrascht –, führen Reformen durch, um als einen Punkt die Unabhängigkeit der Justiz zu stärken.
Aber leider gilt folgendes russisches Sprichwort nicht überall: Wer Unfreiheit kennengelernt hat, weiß Freiheit zu schätzen. – Es gibt in einigen Ländern der EU nämlich rechtsstaatliche Entwicklungen, die uns als Europäer im Hinblick auf die Unabhängigkeit der Justiz, den Umgang mit Korruptionsfällen und die Medienfreiheit Sorgen machen müssen.
Dass solche fundamentalen Werte in einigen Ländern unter Druck geraten, muss uns nachdenklich stimmen, denn Rechtsstaatlichkeit ist kein abstraktes Prinzip; im Gegenteil: Es schützt Leben. Als liberaler Medienpolitiker möchte ich hier zwei Namen von Menschen nennen, die in einem gesicherten Rechtsstaat vielleicht noch leben würden: Daphne Caruana Galizia war eine Bloggerin und Journalistin, die unter anderem über Korruption von Unternehmen und Regierungsmitgliedern in Malta berichtet hat. Im Oktober 2017 wurde sie durch eine ferngezündete Autobombe ermordet.
Ján Kuciak war ein slowakischer Investigativjournalist, der über die Verflechtung von Politik, zwielichtigen Geschäften und Korruption berichtete. Im Februar 2018 wurde er zusammen mit seiner Lebensgefährtin in ihrem gemeinsamen Haus erschossen.
Beide Fälle sind bis heute nicht zweifelsfrei aufgeklärt worden. Hintermänner und Auftraggeber sind teils immer noch nicht bekannt. Beide Fälle zeigen exemplarisch, wie die Pressefreiheit in Teilen Europas als ein Element der Rechtsstaatlichkeit unter Druck gerät. Ungerechtigkeit, eingeschränkte Gewaltenteilung und fehlende Gleichheit vor dem Gesetz bereiten uns deswegen massive Sorgen.
Die Landesregierung und die Koalition aus FDP und Union haben in den vergangenen Monaten auf verschiedenen Ebenen ihre Sorge deutlich gemacht und mehrmals unterstrichen, dass diese Werte nicht zum Verkauf stehen; sei es im Rahmen des EMKVorsitzes, in Gesprächen auf Regierungsebene oder in den Anträgen im Landtag. Deshalb ist es so wichtig, dass sich nun etwas bewegt.
Das Europäische Parlament und die Chefunterhändler des Rates – es wurde gerade erwähnt – haben sich zwischenzeitlich darauf geeinigt, dass Verstöße gegen das Rechtsstaatsprinzip künftig finanziell sanktioniert werden sollen. Aber das ist – machen wir uns nichts vor – noch nicht das Ende des Weges. Wie wirksam dieser Rechtsstaatsmechanismus am Ende des Tages sein wird, wird sich zeigen.
Um die rechtsstaatliche Situation in Europa dauerhaft zu verbessern, wird es noch viel Überzeugungskraft und sicher auch etwas Druck brauchen. Wir hoffen nun, dass dieser Rechtsstaatsmechanismus und die Verhandlungen in Sachen MFR und Next Generation EU nach der hocherfreulichen politischen Einigung zwischen den Chefunterhändlern am Dienstag durch den Rat und das Europäische Parlament zeitnah beschlossen bzw. finalisiert werden. Hier gilt es nun, den Blockadedrohungen einzelner EU-Mitgliedsstaaten zu widerstehen und hart zu bleiben.
Für uns als NRW-Koalition ist nämlich eines klar: Die Rechtsstaatlichkeit gehört zum Fundament der europäischen Werteordnung und steht darum unter keinen Umständen zur Disposition. Diesbezüglich haben die Grünen in ihrem Entschließungsantrag – wohl versehentlich – einen Punkt unseres Antrags missverstanden, obwohl wir eigentlich bereits im Titel und auch in der Prosa deutlich gemacht haben, dass diese Werte eben nicht zum Verkauf stehen.
Die Europäische Union ist nämlich kein reiner Handelsverbund, sie ist eine Wertegemeinschaft. Dazu verpflichten uns die Geschichte sowie die Männer und Frauen, die für Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Menschenrechte gearbeitet haben und manchmal auch dafür starben. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege Nückel. – Als nächster Redner hat nun für die Fraktion der SPD Herr Kollege Weiß das Wort. Bitte sehr.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Rechtsstaatlichkeit ist ein hohes Gut. Ohne eine unabhängige Justiz sind alle anderen Freiheiten wertlos. Die Sorge, mit der wir seit mittlerweile zehn Jahren den systematischen Abbau von Rechtsstaatlichkeit in einigen EU-Staaten beobachten, eint uns Demokratinnen und Demokraten hier im Haus.
Viktor Orbán in Ungarn oder die PiS-Partei in Polen treiben den Abbau einer unabhängigen Justiz immer weiter voran, um ihre eigene Macht zu zementieren. Der Rest der EU kommentiert diesen Prozess zwar, die prodemokratischen Kräfte mussten aber auch
erkennen, dass gutes Zureden, weiche Maßnahmen und die bloße Androhung von Konsequenzen wenig gegen den Machtwillen von Orbán, Kaczyński und Co. ausrichten können.
Es gibt mit dem sogenannten Art.-7-Verfahren in den Händen der EU theoretisch ein äußerst scharfes Schwert. So kann beispielsweise die Staatengemeinschaft mit entsprechenden Mehrheiten eine Suspendierung der EU-Mitgliedschaft über einzelne Staaten verhängen. In der Praxis gibt es bisher aber Möglichkeiten für die betroffenen Staaten, ein solches Rechtsstaatsverfahren zu blockieren oder zu verschieben und somit sein Drohpotenzial erheblich zu verringern.
Ein effektiver Hebel, um Druck auszuüben, wäre natürlich die Kürzung von EU-Subventionen. Ein Problem dabei ist, dass im Mehrjährigen Finanzrahmen bisher keine Rechtsstaatskonditionalität verankert ist. Außerdem würden aktuell auch Endbegünstigte von den Zahlungen abgeschnitten; also Landwirte, Studierende und NGOs, die teilweise einen großen Beitrag zur Wahrung der verbliebenen Freiheiten in den betroffenen Ländern leisten.
Aus diesem Grund begrüßen wir als SPD-Fraktion ausdrücklich, dass CDU und FDP heute diesen Antrag ins Plenum eingebracht haben. Die Kernentscheidungen zu diesem Thema werden zwar in den Trilogverhandlungen zwischen Rat, Kommission und EU-Parlament getroffen, der Schutz so grundlegender Werte wie Rechtsstaatlichkeit bedarf aber eines breiten Engagements auf allen Ebenen.
Wir als SPD-Fraktion sind deshalb davon überzeugt, dass auch Nordrhein-Westfalen einen Beitrag zur Sicherung eines freien und überall durch unabhängige Gerichte geschützten Europas leisten kann. Genau an dieser Stelle setzt auch unsere Kritik an Ihrem Antrag an, die wir aber ausdrücklich als konstruktiv verstanden wissen möchten.
Aus unserer Sicht hätte der Bezug zu NordrheinWestfalen in Ihrem Antrag deutlich stärker herausgearbeitet und mit einer konkreten Zielsetzung versehen werden können. Die Landesregierung beispielsweise mit einer Prüfung des deutschen Kapitels zur Lage der Rechtsstaatlichkeit zu beauftragen, ist uns etwas zu unkonkret, weil die Länderkapitel schon längst veröffentlicht und für jedermann und jedefrau einsehbar sind.
Im Bericht zur Bundesrepublik wird etwa der Kampf gegen Korruption als explizites Handlungsfeld der Bundesländer identifiziert. Für den Antrag hätte es eine inhaltliche Aufwertung bedeutet, wenn Sie als Fraktionen hier mit konkreten Initiativen aufgewartet hätten. In seiner aktuellen Form wird der Antrag für die nordrhein-westfälische Politik kaum Spuren hinterlassen.
Vor allem aber ist Ihr Antrag schlicht und ergreifend nicht auf der Höhe der Zeit, weil er die Einigung bei den Trilogverhandlungen nicht miteinbezieht. Zwei Tage nach Ihrer Eingabe – am 3. November haben Sie den Antrag eingebracht –, am 5. November nämlich, konnten sich Rat, Kommission und das Europäische Parlament auf eine Implementierung der Rechtsstaatskonditionalität im mehrjährigen Finanzrahmen einigen.
Damit bedarf nicht nur Absatz 2 auf Seite 2 Ihres Antragstextes einer Aktualisierung, auch der vorletzte Punkt im Beschlussteil Ihres Antrags verliert angesichts der aktuellen Entwicklungen seine Wirkungskraft. Genau das ist auch der Grund für unseren Entschließungsantrag, der nicht zurückgenommen wurde, sondern nur aktualisiert wurde.
Unter anderem beinhaltet die Trilogeinigung eine Anpassung der Fristen des Artikel-7-Verfahrens. Ewige Verzögerungstaktiken funktionieren jetzt nicht mehr. Das stärkste Mittel der EU gegen Rechtsstaatsabbau hat jetzt deutlich an Effektivität gewonnen. Außerdem ist durch die Einrichtung einer Onlineplattform für Endbegünstigte sichergestellt, dass die Landwirte, Studierenden und NGOs in Zukunft nicht weitergeleitete EU-Fördermittel direkt bei der Kommission anmelden können.
Das Ergebnis der Trilogverhandlungen ist natürlich ein Kompromiss. Das sagten meine Vorredner bereits. Wir hätten uns durchaus noch schärfere Mechanismen vorstellen können, etwa die umgekehrte qualifizierte Mehrheit, auf die Sie in Ihrem Antrag ja auch eingehen. Nichtsdestotrotz begrüßen wir, dass der EU-Haushalt jetzt erstmals mit einer Rechtsstaatskonditionalität versehen werden soll.
Die Blockadeankündigung von Herrn Orbán zeigt, dass mit diesem Kompromiss ein empfindlicher Nerv getroffen wurde. Das muss allen Demokratinnen und Demokraten ein Zeichen sein, jetzt mit besonderer Vehemenz hinter dem Trilogvorschlag zu stehen. Für NRW bedeutet das aus unserer Sicht, dass auch wir einen Gang hochschalten sollten und unsere Bemühungen zum Schutz der Rechtsstaatlichkeit effektiver und sichtbarer gestalten.
Am besten kann das gelingen, wenn Parlament und Regierung an einem Strang ziehen. In der SPDFraktion werden alle prodemokratischen Kräfte in Landtag und Landesregierung immer eine offene und gestaltungswillige Ansprechpartnerin finden. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Kollege Weiß. Da Sie es noch einmal angesprochen haben: Rein technisch hat der Entschließungsantrag der SPD eine neue Drucksachennummer
bekommen. Ich wollte und kann natürlich an dieser Stelle keinerlei inhaltliche Wertung vornehmen, sondern einfach nur den Sachverhalt mitteilen, dass der Antrag Drucksache 17/11739 zurückgenommen wurde und ein neuer Antrag mit einer anderen Drucksachennummer erstellt wurde.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Es ist aus den Wortbeiträgen der Vorredner schon deutlich geworden, dass wir uns hier tatsächlich in einem Dilemma befinden. Überhaupt Rechtsstaatlichkeit einklagen zu müssen, ist für Demokratinnen und Demokraten schon ein gewisses Problem, weil das eigentlich eine Selbstverständlichkeit der europäischen Werteordnung und unserer Staatlichkeit ist. Insofern muss man, wenn man es denn diskutiert, das aber in aller Entschiedenheit tun. Und das ist eben unsere Frage bei dem Antrag, den CDU und FDP gestellt haben.
Ich will noch einmal benennen, um was es tatsächlich geht. Es geht nicht nur um Einschränkung von Freiheitsrechten, nicht nur um Einschränkung von grundsätzlichen demokratischen Gepflogenheiten. Vielleicht hört sich das jetzt für einen Grünen etwas ungewöhnlich an: Da, wo Rechtsstaat nicht existiert, sind auch der Markt und die Ökonomie extrem gefährdet, weil Korruption Tür und Tor geöffnet wird und man sich nicht darauf verlassen kann, dass das wirtschaftliche Handeln am Ende vom Rechtsstaat auch geschützt wird.
Missachtung der Gewaltenteilung, Meinungsfreiheit wird eingeschränkt, Gleichschaltung der öffentlichen Medien, Gleichschaltung der Justiz, Einschränkungen, wie wir aktuell in Ungarn erleben, der Oppositionsrechte, Ermächtigungsgesetze plötzlich auf der Tagesordnung, Diskriminierung und Bekämpfung, jetzt sogar vonseiten der Verfassung in Ungarn, von Menschen mit anderer sexueller Orientierung – das mitten in Europa. Das können und dürfen wir nicht zulassen, nicht nur weil es um unsere Freiheit, um unsere Demokratie geht, sondern auch weil es eine fatale Wirkung nach außen hat.
Wenn wir uns im Globalen mit Autokraten wie Putin, Erdogan oder auch Menschenrechtsverletzungen der Diktatur in China auseinandersetzen müssen – wie wollen wir denn argumentieren mit Blick auf die Ereignisse in Hongkong, mit Blick auf die Menschenrechtsverletzungen bei den Uiguren, wie wollen wir argumentieren bei vielen Auseinandersetzungen mit der Türkei, wenn wir im eigenen Laden die Dinge nicht in Ordnung haben? Deshalb ist es umso wichtiger, hier mit aller Konsequenz Rechtsstaatlichkeit durchzusetzen.
Zum Antrag konkret: Das wirft dann Fragen auf. Der Grundtenor – einverstanden, okay. Aber Sie formulieren auch noch in besonderer Weise – unabhängig davon, dass in der Tat die Zeit etwas über den Antrag hinweggegangen ist – durchaus sibyllinisch. Wenn man nicht wohlwollend ist, würde man sagen: Sie formulieren an einer Stelle in Ihrem Antrag: Erst kommt das Fressen und dann die Moral. – So einen Vorwurf will ich Ihnen eigentlich gar nicht machen, aber zumindest ist es missinterpretationsfähig.
Die Formulierung, dass für Nordrhein-Westfalen die mittelfristige Finanzplanung von entscheidender Bedeutung ist, die Programme fortgeführt werden müssen, eine Blockade daher nicht in unserem Interesse ist und dass man das nicht gegeneinander ausspielen darf, ist nicht eindeutig. Sie weisen hier den Blockadeversuch von Polen, Ungarn und Bulgarien nicht mit aller Entschiedenheit zurück. Das fehlt mir in Ihrem Antrag. Deshalb mussten wir hier einen Entschließungsantrag stellen.
Hier ist allein der Versuch, diese Blockade zu diskutieren, meines Erachtens zurückzuweisen und strafbar. Der Versuch ist strafbar. Das eine mit dem anderen zu verbinden, das ist der Versuch der Erpressung. Das muss man mit aller Entschiedenheit zurückweisen.
Sie sagen auch nichts dazu, dass nach wie vor viele Abgeordnete Mitglied der EVP-Fraktion im Europäischen Parlament sind. Auch hier hätte ich mir Entschiedenheit gewünscht. An dieser Stelle ist Konsequenz notwendig und nicht Lavieren. Deshalb tut es uns leid, dass wir an dieser Stelle einen Entschließungsantrag stellen müssen. Sie hätten noch die Chance, indem Sie diese Passage, die in der Tat auch andere offensichtlich missverstanden haben, einfach zurückziehen. Sie würden dem gemeinsamen Anliegen des Landtags damit einen großen Dienst erweisen. – Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Remmel. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der AfD Herr Abgeordneter Tritschler das Wort.