Protocol of the Session on November 11, 2020

Jetzt findet sie keinen Weg aus dieser Sackgasse heraus. Dann findet die ganze Landesregierung offensichtlich keinen Weg aus dieser Sackgasse heraus.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Frau Ministerin Gebauer, es wäre doch ein Zeichen von Stärke, wenn Sie aufgrund der sich jetzt zuspitzenden Lage Ihren Kurs in den Schulen anpassen würden.

(Zuruf von der SPD: Ja, eben!)

Zum Glück – und da sind wir uns ja alle einig; anders, als es im Frühjahr der Fall gewesen ist – ist es jetzt politischer Konsens, die Schulen und Kitas nicht zu schließen.

(Armin Laschet, Ministerpräsident: So ist es!)

Doch, Herr Ministerpräsident, wer die Schulen wirklich offenhalten will, der benötigt Modelle, die mit einem verantwortungsvollen und vor allem einem planbaren Wechsel von Präsenz- und Distanzunterricht arbeiten. Vielleicht erkundigen Sie sich da noch mal bei Ihrer Bundesbildungsministerin.

(Beifall von den GRÜNEN)

Darauf ist ja schon hingewiesen worden. Auch sie hat da mittlerweile eine andere Linie als diese Landesregierung.

Die Stadt Solingen hat einen solchen Weg aufgezeigt. Doch statt die Kommunen bei ihrem Weg zu unterstützen und hier die Chance zu einer modellhaften Erprobung zu nutzen, blockiert Ministerin Ge

bauer weiter konstruktive Wege für Bildungsgerechtigkeit, für Infektionsschutz und vor allem die Chance, beides miteinander in Einklang zu bringen.

(Beifall von Josef Neumann [SPD])

Frau Ministerin, Sie sprechen immer von Bildungsgerechtigkeit. Doch Ihre konsequente Weigerung, einen Plan B auf den Weg zu bringen, bewirkt genau das Gegenteil. Wer keine verantwortungsvollen Alternativmodelle aufzeigt, der rechnet doch mit Adhoc-Maßnahmen, die wiederum Schülerinnen und Schüler sowie Eltern von heute auf morgen unvorbereitet vor eine Situation stellen, wie wir sie im Frühjahr bereits hatten. Schulen werden vor immer neue Herausforderungen gestellt.

Nach den Osterferien, nach den Sommerferien und auch nach den Herbstferien fragte man sich doch, warum die Landesregierung die Zeit nicht nutzt, um wirklich verantwortungsvolle und vor allem vorausschauende Konzepte für die Schulen in NordrheinWestfalen auf den Weg zu bringen.

Das Agieren der Landesregierung – ganz offensichtlich durch den Ministerpräsidenten und die Schulministerin gedeckt – ist daher nicht nur kurzsichtig, Herr Ministerpräsident, Frau Ministerin Gebauer, dieses Handeln ist einfach fahrlässig.

(Beifall von den GRÜNEN)

Auch die gebetsmühlenartig vorgetragene Bildungs- und Betreuungsgarantie des stellvertretenden Ministerpräsidenten ist doch nichts wert, wenn sie nicht mit koordinierten und vorausschauenden Maßnahmen hinterlegt ist.

(Beifall von den GRÜNEN)

Die Stimmen von Eltern und Lehrerverbänden, von Schulleitungen, von der Landesschüler*innenvertretung verhallen offensichtlich völlig ungehört bei der Ministerin. Auch die Landeslehramtsfachschaften haben mittlerweile klargemacht, dass sie bereitstehen, um hier zu unterstützen. So viel zum Thema, wir hätten weit und breit kein Personal. Es gibt diejenigen, die sich engagieren wollen. Allein, sie finden bei dieser Landesregierung kein Gehör.

(Beifall von Eva-Maria Voigt-Küppers)

Solingen ist doch auch nicht die einzige Kommune. Heute lesen wir, dass der Städtetag von Ihnen fordert, endlich einen Stufenplan vorzulegen, endlich praxistaugliche Maßnahmen auf den Weg zu bringen, damit Schulen auf steigende Infektionszahlen angemessen reagieren können. Länder wie Hessen und Niedersachsen machen es doch vor und lassen längst Modelle zum Präsenzunterricht und zu digitalem Distanzunterricht zu.

Bislang allerdings – und das wird hier einmal mehr deutlich – hält offensichtlich die mangelnde Ge

sprächsbereitschaft davon ab, dass man zu vernünftigen und verlässlichen Maßnahmen kommt.

In einer solchen Situation wie der, in der wir uns jetzt befinden, wäre doch eigentlich Geschlossenheit gefragt. Doch die scheint, wie ich gerade erleben muss – abgesehen von der Schulpolitik –, von der schwarz-gelben Landesregierung auf eine erhebliche Probe gestellt zu werden.

Die Vorstellung der FDP-Fraktion über ihre Rolle bei der Bewältigung der Pandemie ist dabei, wie ich finde, durchaus irritierend. Die FDP hat in der zurückliegenden Sondersitzung sehr breit erklärt, was sie alles nicht gemacht hätte, wenn sie hätte entscheiden können. Die FDP sitzt aber doch am Kabinettstisch und hat der Coronaschutzverordnung zugestimmt. Das irritiert mich.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Gleich ganz schuldig geblieben sind Sie uns ein alternatives Konzept, wie die FDP denn nun mit der aktuellen Situation umgehen und dabei auch die Bürgerinnen und Bürger mitnehmen will.

Natürlich sind die Zumutungen für die Bürgerinnen und Bürger groß. Aber auch unsere politische Verantwortung ist groß. Ein so dringend notwendiges Gesamtkonzept seitens der Landesregierung, wie wir es seit Monaten einfordern, scheint unter diesen Voraussetzungen einer nicht einigen Regierungskoalition mehr als nur schwer vorstellbar zu sein.

(Beifall von den GRÜNEN)

Dabei wäre es dringend notwendig, das Krisenmanagement seitens der Landesregierung professioneller aufzustellen. Ein Beispiel: Wir haben in NordrheinWestfalen 59 Krisenstäbe. Aktuell sind davon 58 aktiviert. Einzig der Krisenstab der Landesregierung ist nach wie vor nicht aktiviert. Für eine effektivere Kommunikation mit den Kreisen und kreisfreien Städten wäre dies aber eine wichtige Maßnahme, auch um die Entscheidungsfindung auf Landesebene abgestimmter und damit gezielter zu gestalten.

Dieser Krisenstab – ich finde, das ist auch eine wichtige Nachricht – wird übrigens im Stand-by-Modus im Innenministerium vorgehalten. Es wäre also ein Leichtes, das Instrument jetzt tatsächlich zum Einsatz zu bringen; denn eine vorausschauende Krisenbewältigung darf nicht im Stand-by-Modus verharren, wie es bei der Landesregierung offensichtlich der Fall ist.

(Beifall von den GRÜNEN)

Auch beim richtigerweise eingeführten Freiwilligenregister stellt sich aus unserer Sicht die Frage, warum dies nicht noch intensiver und erweiterter genutzt wird. Noch haben wir glücklicherweise – darauf hat der Gesundheitsminister hingewiesen – genügend Betten und Beatmungsgeräte auf den Intensivstationen. Doch Verbände sowie Expertinnen und Ex

perten warnen schon längst davor, dass es nicht genug Pflegekräfte auf den Intensivstationen geben wird. Hier für Entlastung zu sorgen und zusätzliche Kräfte für unterschiedliche Bereiche im öffentlichen Gesundheitssystem, in den Pflegeheimen und in den Krankenhäusern zu gewinnen, ist ein entscheidender Beitrag zu einer verantwortungsvollen und vorausschauenden Politik zur Bewältigung der Krise.

Deshalb brauchen wir erstens eine stärkere Bewerbung dieses Freiwilligenregisters und zweitens Konzepte, um durch das Freiwilligenregister gegebenenfalls auch nichtmedizinisches Personal zur Unterstützung der Gesundheitsämter zu gewinnen. Denn – das haben wir in den letzten Tagen schon sehr stark mitbekommen – die Gesundheitsämter sind an ihrer Belastungsgrenze.

Der Minister hat darauf hingewiesen, aber es muss dann jetzt auch passieren: Der zwischen Bund und Ländern getroffene Pakt für die öffentlichen Gesundheitsdienste muss umgesetzt werden. Die zusätzlichen Mittel für Personal müssen jetzt eingesetzt werden, und die dringend notwendige Digitalisierung in den Gesundheitsämtern muss umgesetzt werden, sonst verpufft dieser Effekt, der für die Entlastung der Gesundheitsämter vor Ort so dringend nötig ist.

(Beifall von den GRÜNEN)

Sehr geehrte Damen und Herren, die Krise trifft nicht alle gleich. Sie ist auch eine Frage der Generationengerechtigkeit, und das im Übrigen nicht nur in Bezug auf Kinder und Jugendliche, sondern natürlich auch in Bezug auf ältere Menschen in den Alten- und Pflegeheimen sowie Menschen mit Behinderungen in Behinderteneinrichtungen. Wir dürfen es nicht zulassen – darüber besteht zum Glück mittlerweile Konsens –, dass diese Menschen noch einmal zum Schutz ihrer Gesundheit isoliert werden. Daher müssen wir das Personal, die Bewohnerinnen und Bewohner sowie Besucherinnen und Besucher regelmäßig testen. Das muss möglich sein. Die Voraussetzungen dafür müssen jetzt gemeinsam mit den Trägern und den Verbänden geschaffen werden.

Es ist gut und wichtig, dass wir die Erkenntnisse aus dem Frühjahr mitgenommen haben. Wir dürfen die Schwächsten in der Krise nicht zurücklassen. Die Solidarität in unserer Gesellschaft ist groß. Dafür möchte ich an dieser Stelle auch einmal danken.

Aber um die Akzeptanz in der Bevölkerung hochzuhalten – das ist auch wichtig –, braucht es eine klare Kommunikation. Die Menschen brauchen gerade in herausfordernden Zeiten Orientierung. Sie brauchen verlässliche Aussagen über die Zeit ab Dezember.

Der Ministerpräsident darf seinen Schlingerkurs, den er seit dem Frühjahr fährt, nicht weiter fortsetzen. Bei der Unterrichtung im Rahmen der Sondersitzung ließ er uns einigermaßen ratlos zurück. Da haben Sie gesagt, Herr Ministerpräsident:

„Das Virus wird dann auch noch da sein, und wir werden uns viel einfallen lassen müssen, was wir nach dem 30. November – im Dezember, im Januar, im Februar – machen.“

Herr Ministerpräsident, das klang weit mehr ratlos als nach einem klaren, verantwortungsvollen und vorausschauenden Konzept. Wir erwarten von Ihrer Landesregierung aber, dass Sie dies jetzt auf den Weg bringen.

Es lässt einen auch einigermaßen ratlos zurück, wenn es heißt, dass auf Sommer Herbst folgt. Dafür braucht man keine vorausschauende Politik. Dafür braucht man kein besonders vorausschauendes Handeln, das ist der natürliche Lauf des Jahres. Dass sich die Landesregierung davon offensichtlich hat überraschen lassen, muss uns überraschen. Mit vorausschauender und verantwortungsvoller Politik hat das leider nicht viel zu tun.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Genau deswegen sind wir jetzt wieder in einer Akutsituation, und die Landesregierung ist wieder im Reaktionsmodus. Anstatt vor die Lage zu kommen, hängen Sie wieder hinterher. Deshalb ist es umso wichtiger, dass wir uns nicht nur im Rahmen von Unterrichtungen damit beschäftigen, wobei ich positiv anmerken möchte, dass ich es gut finde, dass wir uns diesmal vor einer Konferenz der Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten hier im Parlament mit diesen Themen beschäftigen.

(Beifall von Eva-Maria Voigt-Küppers [SPD])

Aber wir brauchen eine weitaus intensivere Befassung des Parlaments. Wir brauchen eine tragfähige gesetzliche Grundlage, um die Maßnahmen verlässlich und rechtssicher zu gestalten. Dafür brauchen wir eine breite Diskussion im Parlament.

Wir bieten unsere Kooperation für einen gemeinsamen Weg wirklich verantwortungsvoller und vorausschauender Politik zur Bewältigung der Krise an. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin. – Für die Fraktion der FDP hat die Abgeordnete Frau Schneider das Wort.