Protocol of the Session on October 8, 2020

Die Erweiterung der Abstandsflächen führt aber auch zu früheren und besseren Entwicklungsmöglichkeiten für die betroffenen Kommunen. Hier ist die Landesregierung in der Verantwortung, die Kommunen zu unterstützen und Lösungen für zukünftige Nutzungen aufzuzeigen. Lippenbekenntnisse reichen nicht. Gefragt sind Taten statt Worte, gefragt sind Macher und keine Zauderer.

Jetzt zur schnelleren Umsetzung der Seenlandschaft: Alleine der zuerst entstehende Restsee Inden wird eine Wasserfläche von 1.100 ha aufweisen und am tiefsten Punkt 180 m Wassertiefe haben. Der

Restsee des Tagebaus Hambach soll eine Fläche von 4.200 ha und der Restsee des Tagebaus Garzweiler eine Fläche von 2.300 ha haben. Alle drei Restseen werden zusammen also in der Region 7.600 ha für eine alternative Nutzung entziehen. Generationen nach uns werden die Diskussion führen dürfen und vielleicht auch müssen, wie sinnvoll das war. Heute aber muss es unser Auftrag sein, mit heutigen Erkenntnissen nach bestem Wissen und Gewissen zu entscheiden.

Wir sollten nicht ständig vom „Entziehen“ der Nutzbarkeit für Gewerbe, Industrie und Wohnen sprechen, sondern von einem Gewinn zur Stärkung von Natur und Freizeit. Die Seen müssen als Aushängeschild für den Tourismus und die Lebensqualität in der Region genutzt werden. Das ist ein großer Schatz für das Rheinische Revier. Diesen Schatz muss die Landesregierung heben. Konkrete Ideen und Handlungsmöglichkeiten sind gefragt und müssen aufgezeigt werden. Das gilt besonders vor dem Hintergrund, dass die Befüllung des Tagebaus Hambach mit Wasser aus dem Rhein schneller erfolgen muss als es in der Leitentscheidung 2016 noch festgehalten war.

Schneller müssen auch Maßnahmen zum Umbau und zur Renaturierung der Erft erfolgen. Mit Beginn des Braunkohlentieftagebaus Mitte des letzten Jahrhunderts kam es zu tiefgreifenden Veränderungen für die Erft. Zur Trockenhaltung der Tagebaue muss permanent Grundwasser abgepumpt werden. Das so gewonnene Sümpfungswasser wird über die Erft abgeleitet. Die Menge des eingeleiteten Wassers betrug zeitweilig bis zu 1 Milliarde Kubikmeter pro Jahr.

Das hat zur Folge, dass ein guter ökologischer Gewässerzustand, wie ihn die Europäische Wasserrahmenrichtlinie fordert, an der Erft nicht ohne einen massiven Rückbau erreichbar sein wird. Darüber hinaus werden sich mit dem Auslaufen der Braunkohlegewinnung die mittleren Abflüsse deutlich bis auf ca. ein Viertel der heutigen Menge reduzieren.

Bis dahin soll der 40 km lange Flussabschnitt zwischen Bergheim und Neuss auf die zukünftigen Verhältnisse angepasst werden, wobei eine naturnahe Umgestaltung angestrebt wird. Die betroffenen Kommunen und die Gesellschaft müssen eng in diesen Prozess eingebunden werden. Die Erft ist zum Beispiel für eine Stadt wie Grevenbroich ein zentrales Element für die Stadtentwicklung; denn rund 20 km Erft fließen durch die Stadt. Es müssen daher Maßnahmen ergriffen werden, die die Erft nicht zum Rinnsal machen oder gar austrocknen lassen. Wir müssen für diesen wertvollen Raum für Natur und Naherholung eine Zukunft sicherstellen.

Wir müssen den Strukturwandel als Zukunftschance für die Region nutzen. Diese Zukunft kann man am besten voraussagen, wenn man sie selbst gestaltet. Dabei ist es wichtig, dass wir die Beschreibung

dieser Zukunft mit einem positiven Bild besetzen. Es geht nicht um Aussteigen, Abschalten und Zumachen, sondern um Einsteigen, Aufbrechen und Loslegen.

Wir wollen, dass NRW Vorreiter beim Einstieg in eine gesicherte, bezahlbare und erneuerbare Energieversorgung wird. Wir wollen eine klimaneutrale Produktion und Mobilität. Wir wollen hinein in eine mutige, anspruchsvolle Wasserstofftechnologie.

Die Energiewende gelingt uns nicht, indem wir einfach nur aus der Vergangenheit aussteigen, sondern indem wir in die Zukunft einsteigen. Wir müssen eine breite Transformation unserer Wirtschaft im Energiesektor und darüber hinaus gestalten. Wir reden zu oft von Ausstiegen und Schlusspunkten, doch in Wahrheit geht es um Einstiege und Anfänge. Es geht um Transformation unserer Wirtschaft. Es geht um Aufbruch in eine neue Zeit.

Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten wollen dabei die Menschen im Rheinischen Revier zum Gewinner der Energiewende machen. Das ist unser Anspruch an diesen Transformationsprozess.

(Beifall von der SPD)

Für die SPD bedeutet der Strukturwandel die Sicherung und Stärkung des Industrie- und Gewerbestandortes, um auch zukünftigen Generationen die Wohlstandsfähigkeit zu sichern. Das Rheinland mit seinen vielfältigen Industrie- und Gewerbeunternehmen sowie der starken Hochschullandschaft gehört zu den stärksten Wirtschafts- und Forschungsstandorten Deutschlands. Das Rheinische Revier besitzt etwas, woran es anderen Regionen oft mangelt: neu nutzbare Flächen.

Diese Alleinstellungsmerkmale und die industriellen Kompetenzen müssen genutzt werden und für die Zukunft mit weiteren Innovationen weiterentwickelt werden.

Aus diesen grundsätzlich guten Voraussetzungen ist der Strukturwandel auch mit Zukunftschancen verbunden. Diese gilt es nun gemeinsam mit den Menschen in der Region, den Kommunen, den Beschäftigten, den Gewerkschaften, den Sozialpartnern, der Wirtschaft und der Wissenschaft erfolgreich zu gestalten.

Meine Damen und Herren, es liegt an uns allen, ob wir die Energiewende zum Erfolg führen, ob wir sie zum Fortschritt der Beschäftigten, zum Wohlstand für die vielen in unserem Land machen.

Das gelingt uns nur durch einen mutigen Aufbruch mit einer klaren Perspektive für die Zukunft. Wir werden diesen Prozess weiter mit guten Ideen begleiten. Diese Leitentscheidung enthält eine Menge Gutes. Sie enthält eine Menge Richtiges. Dort, wo ich Kritik für angebracht halte, habe ich das deutlich gemacht.

Ich erlaube mir zum Schluss noch eine Empfehlung:

Wir alle kennen die Werkzeuge des Framings. Wir alle wissen, wie das funktioniert. Ohne Not hat die Landesregierung genau dieses Mittel gestern Abend eingesetzt. Sie hat abends die Opposition zu einer Veranstaltung im Landtag getroffen und zum Miteinander eingeladen. Parallel dazu hat sie die Leitentscheidung bei verschiedenen Medien platziert. Mehr als drei Stunden, nachdem Medien aus der ihnen vorliegenden Leitentscheidung zitiert haben, hat die Landesregierung diesen Landtag informiert.

Meine Damen und Herren, ich weiß nicht, wie groß die Verunsicherung bei Ihnen ist und was Sie sich dabei gedacht haben. Aber eines ist klar: Wer immer von gemeinsamer Verantwortung beim Strukturwandel spricht, aber das Parlament so vorführt, der kann Seriosität für sich nicht mehr in Anspruch nehmen.

(Beifall von der SPD – Zuruf von der FDP)

Ich habe Verständnis dafür, dass Herr Laschet angesichts seiner Rundreisen keine Zeit mehr für Kleinigkeiten wie Leitentscheidungen hat. Aber dann muss er das in seinem Laden delegieren und kontrollieren. So kann das jedenfalls nicht weitergehen.

(Armin Laschet, Ministerpräsident: Was ist denn los?)

Nordrhein-Westfalen lässt sich nicht in Teilzeit regieren. Eine Leitentscheidung lässt sich nicht in Teilzeit herstellen. Das Ergebnis liegt auf dem Tisch. Mindestens Ihre Kommunikation ist völlig misslungen. – Ich danke für die Aufmerksamkeit. Ein herzliches Glück auf!

(Beifall von der SPD – Zuruf)

Vielen Dank, Herr Kollege. Sie haben im ersten Teil Ihrer Rede eine unparlamentarische Äußerung verwendet,

(Zuruf von der SPD)

die ich hier nicht wiederholen werde. Für dieses Verhalten muss ich sie aber rügen.

(Christian Dahm [SPD]: Er hat einen Minister zitiert! – Weitere Zurufe)

Damit rufe ich die nächste Rednerin, und zwar aus den Reihen der CDU-Fraktion die Abgeordnete Frau Plonsker, auf.

Sehr geehrter Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der nächste Schritt ist gegangen – ein weiterer Schritt in eine erfolgreiche Zukunft des Rheinischen Reviers.

Endlich ist es geschafft, was viele Gruppierungen und Personen seit Jahren konterkarieren: Wir sind auf dem Weg zu Planungssicherheit für Kommunen, Unternehmen, Beschäftigte und Anwohnerinnen und Anwohner.

Die rational-sachliche Entscheidung beim Strukturwandel ist uns als NRW-Koalition wichtiger als purer Aktionismus und bisweilen Populismus. Mit Blick auf die Pariser Klimaschutzziele möchte ich ganz deutlich festhalten: Es bleiben so viele Tonnen Kohle in der Erde und damit auch so viele Tonnen CO2. Das ist die wichtige Botschaft, die heute von dieser Leitentscheidung ausgeht.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Die Einbringung der Leitentscheidung ist nun der Beginn für die Öffentlichkeit, sich zu beteiligen. Kommunen, Verbände, aber auch Anwohnerinnen und Anwohner sind aufgerufen, sich jetzt zu beteiligen: Machen Sie diese Leitentscheidung zu Ihrer Leitentscheidung und gestalten Sie die Zukunft des Rheinischen Reviers mit!

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Die vorgelegte Leitentscheidung steht für Innovation und Aufbruch, für die Entwicklung zu einer Energie- und Mobilitätsregion der Zukunft, die auch für Industrie – das ist uns ganz wichtig –, aber auch für Wissenschaft und Forschung einsteht.

Die Zukunft des Reviers ist eine Weiterentwicklung des Reviers in die Zukunft. Wir wollen neue Unternehmen ansiedeln. Wir wollen vor allen Dingen Beschäftigung sichern. Wir stehen als NRW-Koalition ganz klar zum Industriestandort Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Der Ausbau der Mobilität, um Kommunen und das Revier besser miteinander zu verbinden, und die Etablierung von Wissenschafts- und Forschungsstandorten sind Wege in die Zukunft.

Auch die ambitionierte Rekultivierung der bereits in Anspruch genommenen Flächen ist uns sehr wichtig, denn wir wollen keine Mondlandschaften hinterlassen, sondern eine lebens- und liebenswerte Region.

(Vereinzelt Beifall von der CDU und der FDP)

Der Erhalt von Natur und Landwirtschaft ist natürlich unter Beachtung der dauerhaften Standsicherung der Tagebauböschung von erheblicher Bedeutung.

Ich kann mich Kollege Kämmerling nur anschließen:

Elsdorf steht da vor einer besonderen Herausforderung und benötigt in dieser Zeit auch eine besondere Aufmerksamkeit. Durch den aus unserer Sicht richtigen und wichtigen Erhalt des Hambacher Forstes wird es eine größere See- und eine kleinere rekultivierte Landfläche im Stadtgebiet werden. Das ist und bleibt ein großer Nachteil für die Entwicklung der Stadt. Aber auch dieser wichtige Punkt für die

Elsdorferinnen und Elsdorfer wird in der Leitentscheidung aufgegriffen.

Die Landesregierung – dafür bedanke ich mich ausdrücklich – hat auch die kleineren Städte im Blick. Sie bietet Möglichkeiten zur Schaffung und Bereitstellung von Flächen für die kommunale Weiterentwicklung. Der Fokus liegt hier auf Gewerbeansiedlungen sowie naturnahen Erholungs- und Freizeitmöglichkeiten.

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

Elsdorf muss lebenswert und wirtschaftlich stabil bleiben. Daran will die NRW-Koalition mitwirken.

(Beifall von der CDU und der FDP)