Protocol of the Session on December 3, 2015

Es bleibt die Kritik im Raum, dass das Wirtschaftsministerium einzig eine Durchleitungsfunktion von EU- und Bundesmitteln hat. Ich hatte so etwas im Badezimmer; das nennt man Durchlauferhitzer. Der produzierte zuletzt nur lauwarmes Wasser.

Ich würde mir wünschen, auch für Herrn Minister Duin, dass das Wirtschaftsministerium wieder so planvoll und weitsichtig ausgerichtet wird wie unter

Ihrem großen Vorvorvorgänger Reimut Jochimsen, der sich ja durch einen großen Weitblick ausgezeichnet hat.

Stattdessen werden wenig eigene Ideen gezeigt. Vielleicht gibt es ja auch kaum Gestaltungsspielraum im Kabinett. Wir haben, um dem Kompetenzwirrwarr Abhilfe zu schaffen, so etwas wie ein Digital- oder Internetministerium gefordert.

Der Bundesrechnungshof hat sich bereits kritisch zu einer Förderung von Kupferkabeln geäußert, die schon bald nach dem Ausbau nicht mehr auf dem Stand der Zeit sein werden und dann weitere Förderungen benötigen. Wir sehen das ähnlich. Eigentlich sollte hier § 7 der Landeshaushaltsordnung greifen: Wirksamkeit statt Sparsamkeit.

Wir haben bereits im letzten Jahr in einem Antrag eine bessere, neutralere Evaluierung der Förderprojekte gefordert. Jetzt bräuchten wir genau diese.

In dem Zusammenhang fällt mir ein Änderungsantrag von Rot-Grün aus dem letzten Plenum ein, über 300.000 € zur Förderung der Verknüpfung von stationärem Einzelhandel und Onlinehandel. Das hört sich toll an. Wenn man dann reinschaut, stellt man fest: Es geht darum, den Einzelhändlern zu zeigen, wie man Produkte bei eBay einstellt. Da kann man auch Frau Löhrmann fragen, dass sie 1.000 Sechstklässler organisiert nach dem Motto: „Schule meets Unternehmen“, die sie dann in die Unternehmen schickt, um den Leuten zu zeigen, wie man Produkte bei eBay einstellt; die können das nämlich.

(Beifall von den PIRATEN – Zuruf von Matthi Bolte [GRÜNE])

Selbst unter analogen Gesichtspunkten ist das bestenfalls Mittelmaß. Wir werden auch, aber nicht nur aus diesen Gründen den Haushalt ablehnen.

Kommen wir zum Bereich Bergbau und Energie; das hat ja auch irgendwie mit Netzen zu tun. Nach wie vor hat der größte Posten einen zur Energiepolitik der Kraft-Kohle-Koalition passenden Titel: „Zuschüsse für den Absatz deutscher Steinkohle zur Verstromung und an die Stahlindustrie sowie zum Ausgleich von Belastungen infolge von Kapazitätsanpassungen“, immerhin noch 165 Millionen €. Aufgrund der gestiegenen Weltmarktpreise für Steinkohle ist das immer noch die Hälfte des Ansatzes für dieses Jahr. Die Grundlage ist natürlich die Rahmenvereinbarung „Sozialverträgliche Beendigung des subventionierten Steinkohlenbergbaus in Deutschland“ oder auch das Finanzierungsgesetz zum Ausstieg aus dem Jahr 2007. Wir stellen die Notwendigkeit dazu gar nicht infrage, wir stellen nur erneut fest: Kohlestrom ist subventionierter Strom.

Wir finden im Kapitel 14 730 unter dem Titel 686 60 250.000 € als Strukturhilfe für vom Braunkohletagebau geprägte Gebiete. Die Begründung: Durch die Strukturhilfe für vom Braunkohletagebau geprägte

Gebiete muss auch in den kommenden Jahren weiterhin eine präventive Strukturpolitik betrieben werden, um die Folgen des Strukturwandels zu mindern. – Auch das stellen wir nicht infrage. Wir gehen aber davon aus, dass hier sehr bald sehr viel mehr Geld nötig sein wird, um den Strukturwandel sozialverträglich zu gestalten – den Strukturwandel, den der notwendige und endgültige Ausstieg aus der Braunkohle mit sich bringen wird.

Wir fordern bereits seit 2013 ein Gesetz, das den Ausstieg aus der Braunkohle regelt – gratuliere, Bundesumweltministerin Hendricks fordert es seit wenigen Tagen auch; nur, wir Piraten müssen nicht nach Paris fahren, um auf die Idee zu kommen –,

(Beifall von den PIRATEN)

ein Gesetz, das diesen Ausstieg planbar macht, Sicherheit gibt, und zwar für alle Beteiligten: für die Menschen in der Region, für die Unternehmen und auch für uns, die Mitglieder dieses Landtags. Denn wir werden in Zukunft über Haushalte entscheiden müssen, in denen es um viel größere Summen für den Strukturwandel im Rheinischen Revier gehen wird.

Der Ausstieg aus der Braunkohle wird kommen, und er muss kommen. Das weiß die Landesregierung, und das weiß auch RWE. Wir wollen einen geplanten Ausstieg, und der wird finanziert werden müssen; auch das steht fest. Wir verlangen da Ehrlichkeit und Transparenz.

Barbara Hendricks will eine Entscheidung noch in dieser Legislaturperiode. Wir wollen das auch. Wir haben im letzten Jahr auch einen Vorschlag zur Finanzierung gemacht, unseren Antrag für die Einführung einer Förderabgabe auf Braunkohle, einer Abgabe, wie sie auch Oliver Krischer von den Grünen fordert. Sie würde NRW rund 150 Millionen € zusätzliche Einnahmen pro Jahr bescheren – 150 Millionen €, die komplett in den Strukturwandel gesteckt werden könnten, 150 Millionen €, auf die die grüne Fraktion in Nordrhein-Westfalen verzichten will; denn sie hat den Antrag ja abgelehnt, die Kohlegenossen selbstverständlich auch.

Meine Damen und Herren, Haushaltspolitik muss sich auch mit der Zukunft und den kommenden Entwicklungen und Notwendigkeiten befassen, nicht nur mit dem aktuellen Zahlenwerk. Genau das wollen wir tun, und wir stellen fest: In punkto Netze, ob Informationsnetze oder Energienetze, hat diese Landesregierung keine Ideen. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Paul. – Für die Landesregierung spricht Herr Minister Duin.

Herr Präsident!

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben jetzt seitens der Opposition einiges zur wirtschaftlichen Lage gehört bzw. eigentlich haben wir nichts dazu gehört, sondern wir hatten es mit dem Blick der Opposition zu tun, wie sie sie gerne hätte.

Nur um ein bisschen Objektivität hineinzubringen, habe ich mir die Mühe gemacht und mir die Konjunkturberichte der Industrie- und Handelskammern aus unserem Land Nordrhein-Westfalen einmal vorgenommen.

Nehmen wir die Kammern, die für das Ruhrgebiet zuständig sind: Dortmund, Duisburg, Essen, mittleres Ruhrgebiet, Nordwestfalen. Dort lautet die Überschrift: Ruhrkonjunktur läuft weiter rund. – In Hagen ist die Überschrift für den Konjunkturbericht: Lage gut. – In der rheinischen Wirtschaft ist die Überschrift des Konjunkturberichts der IHK:

Schwung und Zuversicht. – In Bielefeld, ähnlich wie im Ruhrgebiet heißt sie: Konjunktur läuft weiter rund.

Das Bild, das die Opposition versucht, von diesem Land zu zeichnen, hat mit der Realität nichts zu tun, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Als vor Kurzem der EU-Kommissar, Herr Oettinger – soweit ich weiß, kein Vordenker rot-grüner Landesregierungen –, bei uns war, war er kaum zu stoppen in der Anerkennung für unsere Transformationsprozesse, für die Bewältigung des Wandels.

Wenn Sie noch zwei Beispiele brauchen: Ich war neulich mit Herrn Bell in Wuppertal bei Bayer Health Care. Bayer Health Care, ein Weltunternehmen, trifft seine Entscheidungen nicht aus Lokalpatriotismus, bei aller Liebe zu Wuppertal, die in diesem Unternehmen mit Sicherheit historisch vorhanden ist. Vielmehr trifft es das nach ganz nüchternen Faktoren, wie andere Weltunternehmen eben auch.

Für dieses innovative, neue medizinische Produkt hatten Sie die Wahl zwischen Berkeley in den USA und Wuppertal in Nordrhein-Westfalen. Sie haben sich nach diesem Abwägungsprozess klar und eindeutig mit einem enorm hohen Millionenbetrag für den Standort Nordrhein-Westfalen entschieden, und das aus guten Gründen, eben aus unternehmerischen Gründen, weil es der richtige Standort für solche Innovationen und Investitionen ist.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ich bin heute Morgen hier in Düsseldorf bei der Eröffnung des größten Rechenzentrums als Voraussetzung für Cloud-Computing von der Firma Interxion, die ihren Sitz eigentlich in Frankfurt haben, gewesen. Das ist ebenfalls ein internationales Unternehmen, das heute das größte Rechenzentrum für cloudbasierte Anwendungen hier in Düsseldorf eröffnet hat. Und der Geschäftsführer, Herr Knapp, sagte nahezu wörtlich: Weil hier in NordrheinWestfalen die Weichen richtig gestellt werden. Nir

gendwo ist das fokussierter der Fall als in Nordrhein-Westfalen, wenn ich das mit allen anderen Bundesländern vergleiche.

Es ist also nicht etwas, was wir uns ausdenken, sondern Dritte mit Investitionsentscheidungen, mit ihren Konjunkturberichten, mit ihrer Bewertung aus der Brüsseler Sicht kommen zu dem Ergebnis, dass wir auf einem guten Weg sind.

Der letzte Fakt, den ich in diese Reihe mit aufnehmen will – Herr Bolte hat schon darauf hingewiesen – ist das, was wir bei den ausländischen Direktinvestitionen erleben. Wenn wir von denen, die nach Deutschland kommen, ein Fünftel bekämen, wäre das sozusagen im Rahmen der Normalverteilung. Wir liegen aber deutlich über 25 % bis 30 % bei den Direktinvestitionen, die nach NordrheinWestfalen kommen.

Deswegen an dieser Stelle – das ist ja auch ein wesentlicher Teil unseres Haushalts – einen ganz herzlichen Dank an die Kolleginnen und Kollegen, die bei NRW.INVEST dafür sorgen, dass die nordrhein-westfälischen Standortvorteile in aller Welt bekannt gemacht werden und dann die Unternehmen,

(Beifall von Angela Freimuth [FDP])

ob sie auch China, Kolumbien, aus Chile oder als welchen Ländern dieser Erde auch immer kommen, sich in Nordrhein-Westfalen lieber ansiedeln als in jedem anderen Land der Bundesrepublik Deutschland.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Das hat etwas zu tun mit der Mischung in Nordrhein-Westfalen aus Weltkonzernen, Mittelstand und den Familienunternehmen. Es hat etwas zu tun mit der einzigartigen Hochschullandschaft, die nirgendwo in Europa dichter ist, und es hat etwas zu tun mit industrienaher Forschung. Dann hat es etwas damit zu tun, dass wir uns innerhalb der Landesregierung und wir uns im Wirtschaftsministerium kümmern. Wir kümmern uns um die Industrie. Jetzt kann Herr Wüst sagen: Sie machen ja runde Tische und Gipfel usw.

(Hendrik Wüst [CDU]: Machen Sie ja auch!)

Der Eindruck mag täuschen, aber sprechen Sie mal mit den Beteiligten! Aber ich meine, dass die nordrhein-westfälische Stahlindustrie ausgesprochen dankbar war, und zwar nicht nur seitens der Unternehmen, sondern auch seitens der Gewerkschaften, dass es zum ersten Mal einen solchen Stahlgipfel gegeben hat, um die Probleme in dieser Branche auf den Tisch zu legen und gemeinsam agieren zu können.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Dasselbe gilt auch für die Chemiebranche, wo es eben nicht darum geht, irgendeine Pressemitteilung zu machen, sondern darum geht, auf solchen Gip

feln ganz konkret an den Inhalten, die auf der Tagesordnung stehen wie Seveso III, wie Energiepreise, wie vor allen Dingen das Thema der Akzeptanz für Industrie in unserer Gesellschaft zu diskutieren. Mir ist es lieber, mit den Akteuren an einem Tisch zu sitzen und über diese Dinge nachzudenken und zu Lösungen zu kommen, als Pressemitteilungen aus der CDU-Fraktion zu lesen, die dann auch nicht erscheinen, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD)

Wir kümmern uns zum Beispiel um das Thema „Energie“. Wir haben das gestern hier mit einem speziellen Fokus auf die Klimaverhandlungen in Paris diskutiert. In der Tat ist es so, wenn ich mir die letzten drei großen Themen ansehe, dass es zu falschen Entwicklungen, auch liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, auch in der von uns gemeinsam geführten Bundesregierung gekommen wäre, wenn wir nicht aus Nordrhein-Westfalen heraus massiv und erfolgreich Einfluss genommen hätten.

Das EEG mit der besonderen Ausgleichsregelung war der erste Punkt, der nicht so positiv ausgegangen wäre, wenn wir uns nicht so intensiv gekümmert hätten. Die Klimaabgabe und die intensiven Bemühungen waren anders zu gestalten und trotzdem einen Beitrag für das Klima zu leisten, aber ohne Strukturbruch. Oder wenn ich mir die jüngste Einigung zum Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz ansehe, dann sind das Beweise dafür, dass ohne diesen starken Einsatz der nordrhein-westfälischen Landesregierung die Ergebnisse in Berlin nur halb so gut, manchmal sogar schlecht wären. Und es ist gut, wenn wir uns dort entsprechend positionieren, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wir kümmern uns um das Handwerk. Herr Bombis, das darf ich ganz uneigennützig sagen: Nie – jedenfalls wird das von den Beteiligten so geschildert – war die Verbindung zwischen Landesregierung und Landtag einerseits und dem Handwerk in Nordrhein-Westfalen enger als sie das zurzeit ist.

Die Enquete wird meines Erachtens eine wichtige Plattform sein, um diese Zusammenarbeit mit dem Handwerk weiter zu vertiefen. Wir haben die Handwerksinitiative 2.0. Wir haben eine ganze Reihe von anderen Themen gemeinsam mit dem Handwerk auf den Weg gebracht. Ich bin sicher, dass die Enquetekommission auch uns von der Landesregierung weitere Hinweise geben wird, wie wir dort zu Verbesserungen kommen.