Protocol of the Session on December 2, 2015

Aus den Erfahrungen all dieser letzten Jahre habe ich meinen Antrag nicht direkt zurückgezogen, sondern habe ihn erst einmal ins umgekehrte Verfahren gegeben, um zu schauen, was dann jetzt so passiert. Was dann passierte, war sehr schön. Im Frühsommer des Jahres setzten sich die Referenten von SPD und Grünen und unsere Referentin zusammen und entwickelten einen gemeinsamen Antrag. Es wurden sogar noch Änderungswünsche von uns ohne Diskussion berücksichtigt, sodass ein wunderbarer fertiger Antrag vorlag mit einer europaeinheitlichen Regelung und der Prüfung eines Verbots von Bisphenol A auf Landesebene.

(Marc Olejak [PIRATEN]: Yeah!)

So. Dann verschwand der Antrag aber in den Tiefen der SPD-Fraktion. Wir gehen im Moment davon aus, dass im Wirtschaftsministerium noch einmal ein Blick darauf geworfen wurde.

Vor fünf, sechs Wochen bekam ich dann einen Antrag von der SPD zugeschickt mit den Worten: So, da könnten wir jetzt mit drauf. Er hatte nicht mehr viel mit dem Antrag zu tun, der im Juni von den Referenten erarbeitet wurde. Alles, was noch drinstand, war: Die Absenkung ist toll, die begrüßen wir – das ist schon ein bisschen länger her, denn die war von Anfang des Jahres –, und es sollen noch weitere Untersuchungen stattfinden.

„Weitere Untersuchungen“ ist ja immer nicht schlecht; es gibt ja erst 256, aber die kann man machen. Aber dem Tiger war der Zahn gezogen worden: Die europaeinheitliche Richtlinie, die wir fordern, war nicht mehr drin.

Was wir auch noch gefordert haben, ist eine Prüfung des Verbots von Bisphenol A. Die Argumentation ist: Ja, da hat es jetzt in Frankreich ein Urteil gegeben, höchstverfassungsrichterlich. Und dort ist das Verbot teilweise wieder zurückgenommen worden. Schauen wir uns dieses Urteil einmal an. Das Ergebnis des Urteils ist: Französischen Unternehmen ist somit wieder erlaubt, Bisphenol-A-basierte Materialien für den Export zu produzieren. Die für den französischen Binnenmarkt bestehenden weitreichenden Verbote für Bisphenol-A-basierte Materialien im Lebensmittelkontakt bleiben jedoch weiterhin bestehen.

(Marc Olejak [PIRATEN]: Hört, hört!)

Was heißt das für uns übersetzt? – Macht mit dem Dreck ruhig im Ausland weiter Geld, aber bitte nicht in unserem Land!

(Beifall von den PIRATEN)

Das ist ein bisschen spitzfindig von den Franzosen, aber im Grunde steht das da.

Noch mal: Wir fordern eine europaeinheitliche Regelung und keinen Schnellschuss – vielleicht war man in Frankreich ein bisschen nassforsch –, sondern die Prüfung eines nationalen Verbots von Bisphenol A bei der Herstellung von Lebensmittelkontaktmaterialien. Das ist eine Politik mit ruhiger Hand.

Dass der Antrag von SPD und Grünen so entschärft worden ist, ist äußerst schade.

Die FDP hat es verstanden. Mit ihrem Änderungsantrag nimmt sie das Verbot von Bisphenol A aus dem Antrag von SPD und Grünen heraus, weil in dem Antrag von einem Verbot leider nicht mehr die Rede ist.

Ich finde, man darf da nicht so weich sein. Wir müssen endlich Konsequenzen ziehen. Der Stoff ist verdammt gefährlich. Dementsprechend bitte ich, unserem Antrag zuzustimmen. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Frau Brand. – Für die SPD spricht Kollege Löcker.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin heute mal mit einer Weißblechdose als Anschauungsobjekt da.

(Der Redner hält eine Getränkedose hoch.)

Sie soll während meiner Rede nicht ausgetrunken werden, sondern nur dazu dienen, zu erklären, warum in solchen Dosen eine Innenwandbeschichtung wichtig ist, die im Zusammenhang mit Bisphenol A eine Rolle spielt.

Vorsorgender Verbraucherschutz ist kein Hexenwerk, sondern lebt davon, dass Verpackung und eingebrachte Lebensmittel in Ordnung sind. Inso

fern ist es wichtig und muss uns politisch interessieren, welche Lösung wir anbieten, um Lebensmittel in solche Dosen einbringen zu können.

Ich erinnere mich noch gerne an die 60er-/70erJahre. Damals war es eine große Innovation, und wir waren alle froh, dass auch Wachsbrechbohnen in Weißblechdosen eingelagert werden konnten. Diese alten Dosen hatten aber den Nachteil, dass, länger eingelagert, ein blecherner Nachgeschmack wahrzunehmen war. Das galt auch für Plastikflaschen. Die chemische Industrie hat entsprechende Innenwandbeschichtungen entwickelt, die dafür sorgen, dass eingebrachte Lebensmittel keinen Nachgeschmack der Verpackung annehmen.

Verbraucherschutz ist wichtig. Uns muss interessieren, in der Sache innovativ weiterzukommen. In diesem Zusammenhang geht es eher um den Streit, ob man Bisphenol A verbieten muss oder nicht. Ich meine, die Innovation ist geglückt. Wir müssen jetzt für Aufklärung sorgen, ob man weiter mit Grenzwerten arbeiten kann, und eben nicht mit Ablenkungsmanövern kommen, die so tun, als hätte Frankreich eine Lösung für dieses Problem gefunden. Das ist mitnichten der Fall. Wir brauchen einen klaren Auftrag an die chemische Industrie und die Nahrungsmittelindustrie, Innovationen einzuleiten, die dafür sorgen, dass auch weiterhin Innenwandbeschichtungen Teil dieser Dosen sein können. Wir wollen ja nicht zurück in die 60er-Jahre, den Eindruck erwecken, man könnte munter einlagern, und am Ende wieder den gleichen Zustand herstellen.

Deshalb raten wir dringend dazu, dieses Problem ernst zu nehmen. Wir glauben, Bisphenol A gehört nicht in die Nahrungskette. Deswegen hat man es aus entsprechenden Verpackungen für Kleinkinder bereits entfernt. Das war richtig. Denn Bisphenol A hat eine unangenehme Eigenschaft, es geht auf den Hormonhaushalt über. Das ist nicht wünschenswert und dauerhaft nicht zu akzeptieren.

Deshalb arbeiten wir zurzeit mit Grenzwerten. Das ist auch vernünftig – allerdings mit dem klaren Auftrag, auf europäischer Ebene eine entsprechende Lösung herbeizuführen. Es macht wenig Sinn, Getränkedosenverpackungen nach Frankreich zu verkaufen, die diesen Stoff noch beinhalten. Wir brauchen eine europaweite Lösung.

Unser Antrag ist der weiter gehende. Wir sagen, wir wollen das gemeinsam lösen, damit es eine wirkliche Lösung ist. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Löcker. – Für die grüne Fraktion spricht Herr Kollege Markert.

Herr Präsident, ich bin ein bisschen irritiert, hier laufen noch zwei Minuten. – Okay.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste auf den Zuschauerrängen! Immer wenn es um die Frage der Beurteilung von Ausgangschemikalien insbesondere für Bedarfsgegenstände geht, ist dem Gesundheitsschutz aus unserer grünen Sicht eine sehr hohe Priorität zuzuweisen.

Frau Brand, wir haben monatelang zusammengehockt und versucht, das Problem gemeinsam in einen Antrag zu gießen. Ich glaube auch, dass wir am Ende nicht so weit auseinander sind. Mir hat sich nicht erschlossen, warum Sie beispielsweise in der letzten Sitzung des zuständigen Umweltausschusses Ihren Antrag, den Sie eben hier noch mal vorgestellt haben, einfach zurückgezogen haben.

(Zuruf von Simone Brand [PIRATEN])

Das war für uns etwas irritierend. Das zur Genese. Da Sie uns kurz vor Weihnachten eine längere Geschichte erzählt haben, sollten Sie vielleicht diesen Teil der Geschichte miterzählen.

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Frau Brand?

Ich würde gerne im Zusammenhang vortragen und Kollegin Brand selbstverständlich am Ende der Rede die Möglichkeit geben, …

Dann ist aber Ihre Redezeit zu Ende. Gut, also jedenfalls jetzt nicht.

Ich werde ihr gleich noch Zeit einräumen, wie sich das gehört. – Immer dann, wenn es um scheinbar gefährliche Ausgangsstoffe für Bedarfsgegenstände ist allerhöchste Vorsicht geboten, insbesondere dann, wenn es sich um Produkte des täglichen Lebens handelt, um Bedarfsgegenstände, die auch in die Hände oder Münder von Kindern kommen können.

Bei Bisphenol A handelt es sich um einen Weichmacher, der sich in vielen Kunststoffen, Plastikkunststoffverpackungen für Lebensmittel, aber auch in Plastikgeschirr findet, unter anderem in Butterbrotdosen für Kinder. Es ist also eine Ausgangschemikalie, bei der Vorsicht geboten ist.

Was ist der Weichmacher Bisphenol A für ein Stoff? Die Wissenschaft streitet darüber, wie gefährlich er tatsächlich ist. Ihm werden jedenfalls – das ist unstreitig – in bestimmten Dosen hormonähnliche Wirkungen zugewiesen. Diese hormonähnlichen Wir

kungen können Unfruchtbarkeit, Erektionsstörungen, Diabetes, Brustkrebs oder Schädigungen des zentralen Nervensystems hervorrufen. So weit, so gut. Es kommt auf die Menge an und darauf, ob dieser Weichmacher in gebundener Form vorhanden ist oder tatsächlich freigesetzt wird.

Frau Brand, in Frankreich hat man sich in diesem Jahr tatsächlich darauf verständigt, Bisphenol A für Lebensmittelverpackungen – allerdings nicht in anderen Bereichen – zu verbieten.

Das hängt damit zusammen, dass es in einem Nationalstaat rechtlich nicht ohne Weiteres möglich ist, einen einzelnen Grundstoff zu verbieten. Dieses Problem muss man vielmehr auf europäischer Ebene lösen, und dafür muss man auch die zuständigen Behörden davon überzeugen, dass eine generelle Gefährdung besteht.

Ich will daran erinnern, dass Bispehnol A bereits im Jahre 2011 in Nuckelflaschen bzw. Babytrinkflaschen verboten worden ist. Das heißt, in Teilen haben wir auch in Deutschland eine ähnliche Regelung.

So erklärt sich auch, dass wir bei der Beurteilung dieses Stoffes gern weiter forschen wollen. Wir sind sehr zufrieden damit, dass auch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit die Besorgnis hinsichtlich dieser Problematik von Bisphenol A teilt. Sie hat die tolerierbare tägliche Aufnahmemenge, den sogenannten TDI-Wert des Stoffes, in diesem Jahr von 0,05 auf 0,004 µg/kg Körpergewicht heruntergesetzt. Das heißt, in dieser Hinsicht findet tatsächlich weiter Forschung statt.

Ich möchte in diesem Zusammenhang auch darauf hinweisen, dass unterschiedliche Behörden in Deutschland teilweise auch zu unterschiedlichen Bewertungen gekommen sind. Das UBA beispielsweise empfiehlt, Produkte, die Bisphenol A enthalten, zu meiden, während das Bundesamt für Risikoeinschätzung zu dem Ergebnis kommt, dass man diese Produkte bei geringen Dosen weiterverwenden kann.

So erklärt sich, dass wir nicht generell ausschließen würden – so steht es übrigens auch in der Überschrift, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, lieber Henning Höne –, dass es europaweit irgendwann – jedenfalls in Teilen – zu einem Verbot kommen würde, wenn es um Lebensmittel und Bedarfsgegenstände geht. Im Moment möchten wir die Forschung weiter mit dem Ziel unterstützen, Alternativen zu Bisphenol A anzustreben. Dann müssten wir nämlich nicht den juristischen Weg eines Verbotes gehen, sondern könnten einen bestimmten, für gefährlich eingestuften Stoff nach und nach aussourcen. Außerdem empfehlen wir, weiterhin auf europäischer Ebene nach Alternativen zu suchen, ohne sich letztendlich einem Verbot generell zu verschließen.

Im Übrigen soll der Verbraucherschutz die Mündigkeit der Verbraucherinnen und Verbraucher fördern und nicht die Bevormundung. Wir müssen die Verbraucherinnen und Verbraucher aufklären, aber wir müssen ihnen keine bestimmte Lebensweise vorschreiben.

(Christof Rasche [FDP]: Das ist ja ganz was Neues! Völlig neue Töne!)

Jetzt, liebe Kollegin Brand, können Sie Ihre Frage stellen.

Bitte schön.