Protocol of the Session on December 2, 2015

Ich finde es bemerkenswert – ich will mich nicht künstlich echauffieren –, dass Sie sich durch die

Einbringung Ihres Entschließungsantrags der Zustimmung unseres Antrags entzogen haben. So ist das parlamentarische Prozedere nun einmal. Aber wir haben unseren Antrag gestellt, da wir von der Landesregierung zu diesem Thema bisher – das habe ich Ihnen gerade gesagt – nichts wahrgenommen haben.

Jetzt äußern Sie sich zwar, aber ich möchte zu Ihrem Antrag deutlich sagen, dass er im Endeffekt zu nichts führt. Denn sich nur über den Dialog mit den Partnern auf allen Ebenen zu freuen, das ist an dieser Stelle eindeutig zu wenig, liebe Fraktion der SPD und von Bündnis 90/Die Grünen.

Das, was die Menschen draußen bewegt, das können wir heute in der „Aachener Zeitung“ lesen. In dieser stehen allein heute drei Artikel zu diesem Thema.

Und Sie kommen heute kurz vor knapp mit Ihrem Antrag um die Ecke und singen das laute Lied des rot-grünen Engagements, der großartigen Gespräche in dieser Sache.

Doch, meine Damen und Herren, wenn die Menschen vor Ort, aber auch die Medien ein Thema wieder und wieder diskutieren, dann muss ich feststellen: Dann können Ihre Gespräch einfach nicht ausreichend gewesen sein. Ihr Antrag ist es dann auch nicht.

Ihr Antrag ist insbesondere dann nicht ausreichend, wenn ein Pannenreaktor nach vielem Hin und Her nun doch wieder angeschaltet werden soll. Wenn ich heute lesen darf, dass die Bundesregierung die wissenschaftliche Basis dieser Anschaltentscheidung prüft, weil die Reaktorsicherheitskommission nach Durchsicht der öffentlichen Unterlagen zahlreiche offene Fragen sieht, dann wächst meine Sorge und dann wächst die Sorge der Bürgerinnen und Bürger in Nordrhein-Westfalen, in der Region, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Ich erwarte von der Landesregierung, dass sie den Bund nach Kräften unterstützt, diese Fragen, die sich jetzt ergeben, offen zu beantworten.

Sie könnten, zu aller Abwechslung, auch einmal selber aktiv werden. Denn es geht hier nicht nur um den Dialog mit Belgien und dem Bund, sondern es geht mir und uns in diesem Antrag auch um ganz konkretes Handeln für die Menschen in NordrheinWestfalen.

Wenn die Abstimmungen angeblich so schwierig sind, wie Sie es in Ihrem Antrag formulieren, dann konzentrieren Sie sich doch auf die Dinge, die Sie beeinflussen können. Das wäre schon einmal ein großer Anfang für die Arbeit hier.

Sorgen Sie zum Beispiel endlich dafür, dass unbürokratisch für einen guten Katastrophenschutz gesorgt wird. Das ist das, was die Menschen wollen. Sie wollen ein Signal aus diesem Landtag hören.

(Unruhe bei den GRÜNEN)

Ich will Ihnen ein Beispiel nennen, da Sie so rege diskutieren. In der betroffenen Städteregion leben rund eine halbe Million Menschen. Rechnet man noch die Kreise Düren und Heinsberg hinzu, dann sind es über 1 Million Menschen. Bei einem atomaren Katastrophenfall in der entsprechenden Dimension bedarf es schlicht und ergreifend des Knowhows und der Ressourcen des Landes. Ich muss doch niemandem hier erklären, dass, wenn solch ein Fall eintritt, das Land mit der entsprechenden Planung weit vorangeschritten sein muss; denn sonst ist es zu spät.

Es muss Schluss sein mit Kompetenzgerangel zwischen Land, Bezirksregierung und Kommunen, wer hier planen sollte, könnte oder vielleicht auch müsste. Da muss man sich nicht auf Zuständigkeiten berufen und von hier mit dem Finger auf die kommunale Ebene zeigen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Wenn es noch konkreter sein soll, möchte ich mit Ihnen ein Beispiel diskutieren, an dem ich das festmache: die vom Land zur Verfügung gestellte Menge an Jodtabletten für die Bevölkerung unter 45 Jahren. In meiner Heimat, in der Städteregion, ist diese nicht ausreichend. Das ist ein offenes Geheimnis. Darüber ist auch schon in den Medien diskutiert worden.

Das ist doch die Verantwortung, die die Landesregierung wahrnehmen kann – wenn die Gespräche so schwierig sind. Das verlangen doch die Bürgerinnen und Bürger. Warum ist es dann noch zu keinem Ergebnis gekommen?

Das ist der erste Schritt, mit dem man den Bürgern zeigen kann, dass sie sich in Sicherheit wiegen können, dass die Sicherheit der Bürger von der Landesregierung ernst genommen wird. Das verlangen wir von Ihnen.

(Beifall von der CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn die ganze Diskussion eines zeigt, dann zeigt sie, dass Energiepolitik und auch Klimapolitik nicht an den Grenzen haltmachen.

Denn was hilft uns der deutsche Atomausstieg oder was helfen die in Berlin festgelegten höchsten nationalen Standards, wenn im Nachbarland ein maroder Reaktor steht? In diesem Fall ist Tihange eben wichtiger als alle deutschen Kernkraftwerke zusammen.

Es geht also nicht um Parteipolitik, um Nationalpolitik, sondern um die Menschen in der betroffenen Region.

Deshalb müssen Sie endlich die Dinge angehen, die in Ihrem Zuständigkeitsbereich liegen. Wir fordern Sie deswegen mit unserem Antrag auf: Ruhen Sie sich nicht auf den vermeintlichen Taten oder Gesprächskreisen zum Beispiel mit Rheinland-Pfalz

aus; das führen Sie ja in Ihrem Entschließungsantrag aus. Packen Sie an! Werden Sie als Landesregierung vor allem hartnäckiger und vehementer gegenüber Ihren Gesprächspartnern in Belgien!

Unser Ziel muss sein – ich glaube, das eint uns alle wieder –: Doele und Tihange müssen abgeschaltet werden. Sie sind eine Gefahr für die Region und für unser Bundesland. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU)

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Kollegin Schmitt-Promny?

Ich bin jetzt schon am Ende.

Vielen Dank, Herr Kollege Schmitz.

(Karin Schmitt-Promny [GRÜNE]: Hat er nicht zugelassen?)

Er hat die Zwischenfrage nicht zugelassen. – Für die SPD-Fraktion – er steht bereits am Rednerpult – erteile ich Herrn Kollegen van den Berg das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Schmitz, Sie haben völlig zu Recht zusammengefasst, wie unsere Position ist und dass es ein breites Entsetzen gibt – nicht nur in der betroffenen Region, sondern auch in der Landespolitik.

Ich selber komme aus dem Rhein-Erft-Kreis. Dort wird auch nicht viel anders darüber diskutiert, welche Gefahren von den genannten Reaktortypen ausgehen. Die Vorgeschichte und das, was in den letzten Jahren an Meldungen von dort gekommen ist, hat die Region mehr als verunsichert. Dass sich die belgische Regierung aufmacht und die Laufzeiten dieser Kraftwerke verlängert, die Reaktoren weiter am Netz lässt: Darüber herrscht gar kein Dissens. Lassen Sie uns das auch nicht verwässern oder in irgendeiner Form in eine schiefe Lage bringen.

Was ich schwierig finde, ist, wie Sie hier eine Rede halten und einerseits Überparteilichkeit einfordern, aber dann an jeder Stelle versuchen, irgendwie einer Landesregierung vorzuhalten, wo sie ihre Hausaufgaben nicht gemacht hat. Da müssen wir schon redlich miteinander umgehen. Deswegen ist es hier offenbar auch nicht zu einem gemeinsamen Antrag gekommen.

(Zuruf)

Ich bin einer der Letzten, die solchen überparteilichen Initiativen im Weg stehen. Fragen Sie bei den Kollegen! Da bin ich wirklich unverdächtig. Man muss das dann auch wollen und machen.

An dieser Stelle ging es um Folgendes: Sie müssen sauber auseinanderhalten, wer eigentlich auf welcher Ebene zuständig ist und die Verantwortung hat. Es ist nun einmal so, dass das Bundesumweltministerium für die zwischenstaatliche Zusammenarbeit beim Strahlenschutz zunächst einmal die Anlaufstelle und die erste Kontaktstelle ist und dass bei allen auch in der EU festgelegten Programmen die radiologischen Notsituationen von hier aus gesteuert und ausgelöst werden. Erst danach gehen die Meldungen auf die Landesebene über. Hier wird der Katastrophenschutz dann weiter organisiert und auch bis in die Kreisebenen oder in die kreisfreien Städte organisiert.

Ich verstehe ja die Nervosität, Herr Schmitz, aber so wie ich Ihnen vorhin zugehört habe, sollten Sie das, wenn Sie doch so an der Sache interessiert sind, auch bei mir machen. Oder sehe ich das irgendwie falsch?

(Hendrik Schmitz [CDU]: Ich höre zu!)

Wenn wir über Sachen diskutieren, muss man sich auch gegenseitig zuhören. Sonst funktioniert das nicht.

(Hendrik Schmitz [CDU]: Das tue ich ja!)

Beim Thema „Katastrophenschutz“, das Sie eingefordert haben,

(Hendrik Schmitz [CDU]: Ja!)

ist die Grundlage nun einmal das im Jahr 1980 hergestellte Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Belgien, nach dem bei Unglücksfällen dieser Art Hilfeleistungen im Katastrophenschutz greifen können. Wir haben das noch ergänzt durch das Mainzer Abkommen vom 8. März 1986, mit dem Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, die Wallonische Region und die

Deutschsprachige Gemeinschaft in Belgien Hilfeleistungen, Gefahrenabwehr und Katastrophenschutz miteinander verabredet haben. Daraus sind fachliche Netzwerke und Ähnliches entstanden.

Die Frage, die Sie angesichts der Gefährdungslage, die wir nun durch diese beiden Reaktoren dort haben, zu Recht aufgeworfen haben, ist, ob wir nach Fukushima eigentlich die geeigneten Mittel hierfür haben und ob es da nicht eine intensivere Form der Zusammenarbeit geben müsste.

Die Bundesregierung ist von Nordrhein-Westfalen unmittelbar nach Fukushima im Jahre 2012 gebeten worden, auf Belgien zuzugehen und darauf hinzuwirken, dass diese Reaktoren vom Netz genommen werden oder zumindest von den Laufzeitverlängerungen Abstand genommen wird.

Zusätzlich hat es ein Gespräch gegeben der Ministerpräsidentin mit dem damaligen Premierminister im Jahre 2012, woraus sich dann regelmäßige Arbeitsgespräche zwischen Rheinland-Pfalz, NRW, der belgischen Regierung und der Provinz Lüttich ergeben haben, bei denen man gerade in den Fachbereichen Katastrophenschutz, Atomaufsicht und Strahlenschutz angefangen hat, miteinander zu arbeiten.

Reicht das? Das ist ja die Frage. Herr Schmitz,

(Hendrik Schmitz [CDU]: Ja?)

wir kommen so nicht miteinander in einen Dialog über eine Sache. Ich will jetzt auch nicht besserwisserisch sein. Aber sich hier aufzuregen und darüber zu echauffieren, dass man nicht aufeinander zugeht, und noch nicht einmal zuzuhören, finde ich seltsam. Das kann ich nicht anders sagen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)